Ein Buch in guter alter Leykam-Manier
Die PartyDurch mehrere Zufälle endet eine namenlose studierte Softeisverkäuferin auf einer exquisiten Kochparty, veranstaltet von einem von sich selbst überzeugten Künstler und Theaterregisseure. Und so endet sie ...
Durch mehrere Zufälle endet eine namenlose studierte Softeisverkäuferin auf einer exquisiten Kochparty, veranstaltet von einem von sich selbst überzeugten Künstler und Theaterregisseure. Und so endet sie zwischen teuren Küchenutensilien, erlesenen Kochkünsten und einer Gruppe von mittelständischen Besuchern, die alle mit ihren feministischen Akten, ihrem Dasein als Powerfrauen und ihrer kalten Weltoffenheit prahlen. Schon bald merkt sie aber, dass es mit diesen links-grünen Moralvorstellungen nicht so ganz stimmt, und sich die Gäste, aber auch der Veranstalter der Feier in ein gutes Licht rücken wollen. Es wird gelästert und getratscht, und im Kopf der Softeisverkäuferin beginnen die Gedanken zu kreisen, in welchem Absturz sie da nur gelandet ist. Mehr und mehr zieht sich die Schlinge zu, und es scheint immer mehr so, als würde sie diesem Wahnsinn nicht mehr entkommen können.
Sprachlich konnte mich das buch schon auf der ersten Seite abholen. Der sprachliche Stil ist sehr verschachtelt und besteht aus ewig langen Satzgefügen, immer wieder unterbrochen durch einzelne Gedanken der Protagonistin, durch deren Augen die Geschichte auch wahrgenommen wird. Sicherlich ist dieser Stil sehr anspruchsvoll und mag nicht jedem und jeder gefallen, ich war aber insofern begeistert, da mich diese Verschachteltheit an mich selbst, meinen eigenen Stil zu sprechen erinnert hat, und sich dieser auch wunderbar authentisch angefühlt hat. Die Geschichte lebt von und durch die Gedanken der Protagonistin und was diese zu hören bekommt, was zwar eine sehr hohe Reizdichte erzeugt, gerade dadurch aber eine Palette an Facetten für die Geschichte erzeugt. So wage ich es sogar zu behaupten, dass ich selten so etwas wunderbar authentisches Gelesen habe, wie das Gefühl, das dieser sprachliche Stil mir vermittelt. Nahbar und intensiv. Ganz besonders sind aber die Protagonistinnen und Protagonisten von der Autorin gestaltet worden. Die Softeisverkäuferin ist ganz bewusst ohne Namen und äußeres Erscheinungsbild geblieben, da sie als Apperat für die Leser:innen dient, die Geschichte selbst als Teil einer Party zu erleben. Man wird also in die gleiche Situation wie die Softeisverkäuferin gedrängt. Ein intensives Bild ergibt sich aber auch bei der Betrachtung der anderen wichtigen, zumindest für die Softeisverkäuferin relevanten Teilnehmer der Party. Da haben wir den Regisseur und Künstler, ein hochtrabender Feminist, der auf den zweiten, wenn nicht sogar ersten Blick sich viel mehr als Antifeminist und notorischer Verfechter konservativer Lebensbilder erscheint. Daneben Die Verena, die allen ihre Meinung aufzwingen muss, und meint zu jeder Thematik sich einen umfassenden Kommentar erlauben zu können. Mein persönlicher wahrer Schrecken war, aber das glückliche Paar. Die beiden sind in meinen Augen eine wirkliche Zumutung hinsichtlich ihrer Doppelmoral und ihrer zwangsgetriebenen Vorstellungen. Diese intensive Mischung erzeugt beim Lesen wirklich Kopfweh und lässt einen an der Richtigkeit und Gerechtigkeit der Welt zweifeln, vor allem deswegen, weil diese Protagonisten in all ihrer geistigen Verkehrtheit extrem nahe an der Realität gehalten sind. Und so macht neben der Softeisverkäuferin nur die erdfarbene Frau eine Ausnahme in dieser Ansammlung von verqueren Realitätsbildern. Diese erdfarbene Frau wird im Laufe der Geschichte dann auch zum Alley der Eisverkäuferin, ohne sich dessen bewusst zu sein, nämlich zu einem Fels in der Brandung des erhitzten Abends. Bei den Protagonist:innen ist es auch hier schön zu sehen, wie die Softeisverkäuferin ganz in ihrer Authentizität, ihr Umfeld mit einem gewissen Tunnelblick beschreibt.
Hinsichtlich der Thematik - Feminismus, Rassismus, Integrationswille und gesellschaftlichen Ungleichgewichten - hält das Buch ein sehr hohes Niveau. Akribisch wird jeweils ein gewisser Aspekt der jeweiligen Thematik beleuchtet und auseinandergenommen, ohne dabei jeweils den Blick auch nur ansatzweise auf das Gesamtbild in all seinem Facettenreichtum zu richten. Schnell wird zum nächsten "Unding" der Gesellschaft und der modernen und feministischen Vorstellung einer halbwegs erträglichen Welt weitergegangen, bevor man früher oder später wieder zum ursprünglichen Thema zurückkehrt. So bildet sich eine Kreisfahrt, ganz nach den Vorbildern realer Diskussionen und Gespräche.
Abschließend lässt sich sagen, dass das Buch zwar gewisse Tücken beim Lesen bereiten kann, aber ein sehr intensives und Lesenswertes Erlebnis bietet. Auf eine für Literatur ungewöhnliche, aber nicht minder authentische Art werden so von der Autorin gesellschaftsrelevante Themen erörtert, die zum Lebens- und Diskussionsalltag eines jeden und jeder von uns gehören. Kurzum: ein Highlight für mich.