Von der Magie und der geheimen Kraft des Gärtnerns
Karline und der FlaschengartenKarlines Vater arbeitet als Bestatter. Als Karline auf dem Friedhof auf ihn wartet, beobachtet sie, wie eine Frau eine kleine Figur in ein Grab wirft. Luca, der Sohn der Friedhofsgärtnerin, „rettet“ die ...
Karlines Vater arbeitet als Bestatter. Als Karline auf dem Friedhof auf ihn wartet, beobachtet sie, wie eine Frau eine kleine Figur in ein Grab wirft. Luca, der Sohn der Friedhofsgärtnerin, „rettet“ die Figur für Karline, sie entpuppt sich als USB-Stick. Als Karline sich ansieht, was auf dem Stick gespeichert ist, staunt sie nicht schlecht: es sind Bilder von einem wunderschönen japanischen Garten. Gemeinsam mit ihrer Freundin Grete findet Karline heraus, wo der Garten liegt, nämlich in der Nähe eines verlassenen Fabrikgeländes. Die beiden kümmern sich um den Garten, der niemandem zu gehören scheint. Die Gartenarbeit macht ihnen große Freude und bald schon werden sie dabei von zwei Mitstreitern unterstützt. Ob sie ihren Garten weiterhin geheim halten können? Und was wird passieren, wenn sich der rechtmäßige Besitzer des Gartens meldet?
Autorin Maike Siebold schreibt lebendig, kindgemäß und gut verständlich im Präsens in Ich-Form. Ihr direkter, unterhaltsamer, lockerer Schreibstil lässt sich flüssig lesen und vorlesen. Die Autorin hat viele witzige Ideen, die sie auf ihre Figuren überträgt. So lässt sie beispielsweise Grete sagen: „Man sagt, dass man mit Blumen sprechen soll, damit sie besser wachsen. Funktioniert das auch umgekehrt? Also, wenn ich das Unkraut anschweige, verschwindet es wieder?“
Kai Schüttler hat zur Geschichte passende Bilder gestaltet. Seine Figuren mit den runden Köpfe sehen individuell und sehr drollig aus und motivieren.
Die Schrift ist etwas größer gedruckt, hat einen angenehmen Zeilenabstand, die Kapitel haben eine übersichtliche Länge. Sichere Leser ab acht Jahren können sich die Geschichte schon selbstständig erschließen, das Buch ist auch zum Vorlesen für etwas jüngere Kinder geeignet.
Karline ist eine sehr nachvollziehbare Figur, mit der sich Kinder bestimmt leicht identifizieren können. Sie ist aufgeweckt und neugierig. Ihr Vater hat recht wenig Zeit für sie, daher ist sie viel auf sich alleine gestellt. Karline ist recht willensstark und reagiert manchmal trotzig und ungerecht, was sie für mich als Charakter nur authentischer macht. Dass sie Vorbehalte gegenüber Arve, der neuen Freundin ihres Vaters, hat und manchmal eifersüchtig ist, halte ich für sehr realistisch.
Karlines Freunde Grete, Luca und Imad sind alle ziemlich unterschiedlich. Grete packts an, Luca ist manchmal ein Angeber, aber ein netter und Imad denkt viel nach, er wirkt recht erwachsen und weiß genau, was richtig und was falsch ist.
Mir hat der Charakter Onkel Tom sehr gefallen. Tom führt ein Café und ist Experte für Literatur, daher nennt er Karline immer wieder nach literarischen Figuren und hat für sie oft genau den richtigen Literaturtipp parat.
Manche Erwachsenen wie Arve sorgen im Lauf der Geschichte für ziemliche Überraschungen und auch zwei Charaktere aus „Rille aus dem Luftschacht“ haben erfreulicherweise einen kleinen Gastauftritt.
„Das Leben beginnt mit dem Tag, an dem man einen Garten anlegt“. Dieses Zitat hat Autorin Maike Siebold ihrem Buch vorangestellt. Und was der Ausspruch wirklich meint, verdeutlicht sie in „Karline und der Flaschengarten“. Die Arbeit im Garten macht die Hauptfiguren glücklich, erfüllt sie, beruhigt sie, verbindet sie miteinander. Nebenher gibt es interessante, wissenswerte Informationen über Pflanzen, wie z.B. dass Pflanzen lernen können. Das Buch ist wie eine moderne Version des Klassikers „Der geheime Garten“. Für alle, die wenig Platz für einen echten Garten haben, gibt es im Anhang eine Anleitung für einen Flaschengarten.
Auch wenn Gärtnern besinnlich und entspannend wirken kann, ist Karlines Geschichte alles andere als langweilig. Durchaus spannend zu erfahren ist es, wer der eigentliche geheimnisvolle Besitzer des Gartens ist und was mit dem Garten weiter geschieht.
Eine tolle Idee ist, dass die Kapiteltitel stets Fragen sind, wie z.B „Wo ist das Glück hin?“. Lediglich das letzte Kapitel hat keine Frage in der Überschrift mehr, alle Fragen wurden am Ende beantwortet.
Nach „Rille aus dem Luftschacht“ überzeugt Maike Siebold erneut mit einem originellen, phantasievollen, ungewöhnlichen, manchmal auch schrägen und warmherzigen Kinderbuch über Freundschaft. Karlines Geschichte erinnert daran, dass von der Natur und vom Gärtnern Magisches ausgehen kann. Gärtnern kann Glück bedeuten und dieses Buch war für uns ebenso ein kleines Stück vom Glück.