Profilbild von sursulapitschi

sursulapitschi

Lesejury Profi
online

sursulapitschi ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit sursulapitschi über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 16.10.2021

Zwischen Wissenschaft, Historie und Geisterwelt

Das Leuchten am Rand der Welt
0

Dieses Buch ist besonders in vielerlei Hinsicht.
Es ist ein historischer Roman, der origineller nicht sein könnte, der Bericht einer nahezu unmöglichen Reise, ein spannender Abenteuerroman, eine ungewöhnliche ...

Dieses Buch ist besonders in vielerlei Hinsicht.
Es ist ein historischer Roman, der origineller nicht sein könnte, der Bericht einer nahezu unmöglichen Reise, ein spannender Abenteuerroman, eine ungewöhnliche Liebesgeschichte, eine Sammlung historischer Dokumente, die einem das Alaska um 1885 herum nahebringen.

Es geht um eine Expedition durch Alaska. Allen Forrester soll unbekanntes Terrain erkunden und herausfinden, wer die Einheimischen sind und wie sie auf Fremde reagieren. Ein Selbstmordkommando durch Eis und Schnee? Sie haben viel zu erleiden und lernen Phänomene kennen, die eigentlich nur noch durch Geisterglaube erklärbar sind. Die Ureinwohner Alaskas haben ein anderes Weltbild, nah an der Natur und einer geheimnisvollen Geisterwelt.

Forresters Frau Sophie, eine Vogelkundlerin, muss derweil in Vancouver ausharren und auf Briefe warten. Anrührend erzählt sie, wie sie diese schwierige Zeit erlebt.

Obwohl dieses Buch fiktional ist, wirkt es wie ein authentischer historischer Bericht, der sogar noch mit Fotos, Briefen und Artefakten ausgeschmückt wird. Es erzählt von Alaska, von ungewöhnlichen Menschen, von Geistern und Vögeln, ist spannend, abwechslungsreich, toll erzählt und ein einziges Lesevergnügen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 08.10.2021

Magisch, tragisch, zaiberhaft

Wolkenkuckucksland
0

Dieses Buch sei ein Lobgesang auf Bücher, sagt Anthony Doerr in seinem Nachwort und ja, natürlich ist es das, aber es ist auch noch eine ganze Menge mehr.

Es geht um ein Buch, ein Buch im Wandel der Zeiten, ...

Dieses Buch sei ein Lobgesang auf Bücher, sagt Anthony Doerr in seinem Nachwort und ja, natürlich ist es das, aber es ist auch noch eine ganze Menge mehr.

Es geht um ein Buch, ein Buch im Wandel der Zeiten, es geht aber auch um Menschen, deren Schicksale lose verbunden sind über Jahrhunderte hinweg.

Antonius Diogenes verfasste einst die Legende vom Wolkenkuckucksland, hat sie auf mehreren Tafeln festgehalten und zu einem wunderbaren Buch gebunden. Es erzählt die Geschichte von Aethon, dem einfältigen Schäfer, der mit seinem Leben nicht zufrieden war und mehr wollte, in einen Esel, einen Fisch und einen Vogel verwandelt wurde, um das Wolkenkuckucksland zu finden, wo alle glücklich sind, in den Flüssen Wein fließt und Schildkröten mit Honigkuchen beladen wandeln.

Darüber stolpert 1440 in Konstantionopel die kleine Anna, 2020 führen es Kinder aus Idaho als Theaterstück auf und in einer unbestimmten Zukunft findet Konstanze Fragmente davon in der virtuellen Bibliothek eines Raumschiffs.

Das sind die groben Eckpfeiler des Buches, aber es gibt auch noch ganz viel davor, danach und exquisites Drumherum. Auch wenn man anfangs vielleicht denkt, es ginge recht beschaulich-betulich los, merkt man schnell, man irrt sich. Dieses Buch ist vielschichtig, im wahrsten Sinne des Wortes. Tragisch-grausige Geschichten wechseln sich ab in mehreren Zeitebenen, es ist kompliziert, aber auch mitreißend. Man ist in kürzester Zeit gefesselt von diesen Schicksalen.

Und trotz einigem Blut, Schmutz, Krieg, Belagerungen, Grausamkeiten oder auch Bombenanschlägen wirkt dieses Buch anrührend, warmherzig. Alle diese Menschen finden in irgendeiner Form Trost und Hilfe durch Diogenes‘ märchenhafte Geschichte.

Dies ist ein wunderbares Buch, in das man sich fallen lassen kann, in dem man viel erlebt, Schreckliches und Schönes und durch das man lernt, dass das Glück nicht immer in der Ferne liegt. Das klingt amerikanisch pathetisch, ist aber zart, elegant angelegt, erlesen komponiert, und trotz höchster Dramatik auch zauberhaft. Unbedingt lesen!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 01.10.2021

Anrührend und aufschlussreich

Wenn ich wiederkomme
0

Dieses Buch geht unter die Haut.

Von der „Italienkrankheit“ habe ich bislang noch nie gehört, noch nicht einmal von der „Deutschlandkrankheit“, die wahrscheinlich in Polen auftritt.
„Italienkrankheit“ ...

Dieses Buch geht unter die Haut.

Von der „Italienkrankheit“ habe ich bislang noch nie gehört, noch nicht einmal von der „Deutschlandkrankheit“, die wahrscheinlich in Polen auftritt.
„Italienkrankheit“ ist ein Begriff, der die Situation von Gastpflegekräften in Italien beschreibt, von Frauen, die ihre Familie und ihr Land verlassen haben, um in Italien Alte oder Kranke zu betreuen.

Hier zeigt uns Daniela aus Rumänien, wie so etwas aussieht. Sie hat einen arbeitslosen Mann und zwei Kinder, die sie verlässt, um in Italien fremde Menschen zu pflegen. Diesem Beruf hat sie nie gelernt, aber meistens braucht man dafür hauptsächlich Zeit, Nerven und Durchhaltevermögen und es wird gut bezahlt. Sie will unbedingt Geld verdienen, um ihren Kindern eine gute Ausbildung bieten zu können, damit sie es einmal besser haben. Dafür lässt sie sie bei den Großeltern und dem trinkenden Vater zurück. Ist das der richtige Weg?

Sehr eindringlich lässt einen Marco Balzano diese Situation miterleben, die sich sogar zu einer Tragödie auswächst. Man nimmt unterschiedliche Positionen ein, mal berichtet Manuel, der zwölfjährige Sohn, mal Angelica, die große Schwester, der die Rolle der Ersatzmutter aufgedrängt wird und dann berichtet Daniela selbst, voller Verzweiflung, weil sie nicht glücklich ist mit ihrer Entscheidung und doch keinen Ausweg sieht.

Dieses Buch zielt ohne großes Pathos direkt ins Herz und zeigt dabei alle Seiten der Medaille. Es zeigt ein Problem auf, ohne anzuklagen, hat auch keine Lösung parat, macht aber aufmerksam.

Es ist sprachlich nicht ganz so ausgefeilt wie sein Vorgänger „Ich bleibe hier“, liest sich trotzdem höchst fesselnd, berührt sehr und rückt ein wichtiges Thema in den Focus, das allgemein kaum Beachtung findet.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 28.09.2021

Zauberhafter Grusel

Krabat - Das Hörspiel
0

Die gruselige Geschichte vom Müllergesellen Krabat, der in der Zaubermühle am Koselbruch das Zaubern lernt, die kennt man in zahlreichen Ausführungen. Dieses Hörspiel legt tatsächlich nochmal eine Schippe ...

Die gruselige Geschichte vom Müllergesellen Krabat, der in der Zaubermühle am Koselbruch das Zaubern lernt, die kennt man in zahlreichen Ausführungen. Dieses Hörspiel legt tatsächlich nochmal eine Schippe drauf.

Man sollte es unbedingt mit Kopfhörern hören. Dann kommt Rabenkrächzen von links, rechts scheppert ein Fensterladen, während sich direkt über dem Kopf Gewitterwolken zusammenziehen. Geheimnisvolle Musik verschmilzt mit den Stimmen der zahlreichen Sprecher, der Wind rauscht, in der Ferne läutet eine Glocke, ein Uhu ruft und man meint, man wäre mittendrin in dieser finsteren Geschichte voller bedrohlicher Magie.

Und obwohl der Text stark komprimiert ist und das ganze Hörspiel nur drei Stunden dauert, ist das Erlebnis mindestens so intensiv, als hätte man das Buch gelesen.

Mich hat dieses Hörspiel sofort gepackt. Es zieht einen hinein, zaubert eindrucksvoll Atmosphäre und verleiht dem Text eine zusätzliche Ebene. Es ist fantastischer Grusel zum immer wieder hören.

Großartig!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 24.09.2021

Spannung mit staubtrockenem Humor

Sörensen hat Angst
0

Kommissare sind gerne mal geschieden, das kennt man schon, die Arbeit frisst sie auf, natürlich. Dieser hier ist anders. Kommissar Sörensen versucht, mit seiner Angststörung zurechtzukommen und zu verdauen, ...

Kommissare sind gerne mal geschieden, das kennt man schon, die Arbeit frisst sie auf, natürlich. Dieser hier ist anders. Kommissar Sörensen versucht, mit seiner Angststörung zurechtzukommen und zu verdauen, dass ihn seine Frau verlassen hat. Er hat sich in das beschauliche Katenbüll versetzen lassen, um zur Ruhe zu kommen. Nordseeluft, Friesentee, ein paar Schafe und ein gelegentliches Verkehrsdelikt, so hatte er sich das vorgestellt, bekommt aber direkt zum Einstand einen handfesten Mord serviert, noch bevor der Begrüßungskuchen angeschnitten ist. Es regnet immerzu in Katenbüll, man kennt sich, man hasst sich auch, aber Morde standen dort bislang nicht auf der Agenda.

Eigentlich mag ich Krimis nicht besonders, aber dieser hier ist großartig, wunderbar norddeutsch mit staubtrockenem Humor. Man amüsiert sich sehr, obwohl es um ein ernstes Thema geht und die Situation überhaupt nicht lustig ist.

Sven Stricker erzählt wunderbar plastisch, wobei er sich ganz dem friesischen Understatement verschrieben hat. Manchmal ist ein knappes „Fisch ist kein Fleisch“ so beredt, wie ein ganzer Vortrag zu vegetarischer Ernährung. Sörensen in seiner Lebenskrise gibt auch einiges an originellen und treffenden Weisheiten zum Besten, herrlich!

Dieses Buch ist kluge Unterhaltung: Einige Spannung, feiner Humor, originelle Typen und ein Hund.

Das Hörbuch liest der Autor selbst, 11 Stunden und 37 Minuten lang, und macht das ganz wunderbar. Ich brauche direkt den zweiten Teil.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere