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Veröffentlicht am 04.12.2021

Lebenswille

Elbstürme
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Nachdem sie sich hat überreden lassen, Henry zu heiraten und mit ihm und ihrer neugeborenen Tochter nach England zu gehen, lebt Lily zwar nicht in glücklicher Ehe, aber doch mit gewissen Freiheiten. Als ...

Nachdem sie sich hat überreden lassen, Henry zu heiraten und mit ihm und ihrer neugeborenen Tochter nach England zu gehen, lebt Lily zwar nicht in glücklicher Ehe, aber doch mit gewissen Freiheiten. Als nach ungefähr drei Jahren erfährt, dass ihr Vater erkrankt ist, eilen sie und Henry zurück nach Hamburg. Dort muss Lily sich wieder in die alte Enge einfügen, womit sie eigentlich nicht gerechnet hatte. Aber Henry und die Familie verlangen nachdrücklich, dass sie sich an die Konventionen hält. Doch Lily kann nicht anders, sie muss ihre alten Freundinnen wiedersehen und vielleicht auch Jo, ihre große Liebe.

In diesem Nachfolgeband zu dem historischen Roman „Elbleuchten“ darf man erfahren, wie es mit Lily und Jo Ende des 19. Jahrhunderts weitergeht. Die Tochter aus gutem Haus und der Arbeiter, kann diese Liebe eine Zukunft haben? Aus ihrer Ehe, in der keine Liebe herrscht, möchte Lily am liebsten ausbrechen. Ihre größte Angst ist allerdings, dass Henry ihr Hannah wegnehmen könnte. Und auch ihre Eltern scheinen eher zu Henry zu stehen. Ihr Bruder Franz hat wohl seine eigenen Probleme. Seine ebenfalls unglückliche Ehe macht ihn nicht umgänglicher, ihm Gegenteil, er lässt seine schlechte Laune an der Familie aus. Und Lilys beste Freundin Emma, die Medizin studiert hat, müht sich, den Schein zu wahren und der Obrigkeit vorzugaukeln, dass sie eine bloße Krankenschwester ist.

Mit Lilys Leben geht es genauso dramatisch weiter wie im ersten Band. Es scheint sich wirklich alles gegen sie und die Menschen, die ihr wichtig sind, zu wenden. Auch wenn sie schließlich eine Art Frieden findet, wird ihr doch etwas arg viel zugemutet. Das macht die Lektüre bzw. das Hören dieses Romans etwas schwierig. Es fehlen einfach die hellen Momente, die Hoffnung, die Besserung wenigstens in einigen Bereichen. Es scheinen beinahe alle Männer der sogenannten feinen Gesellschaft keine menschliche Bildung zu haben, während die einfachen Leute menschlicher agieren, aber dafür meist jede Menge Pech haben. Es fehlt ein gewisser Ausgleich. Spannend ist dagegen die dramatische Handlung und beeindruckend mit welcher Kraft Lily ihren Weg geht und nie aufgibt. Sehr stimmungsvoll vorgetragen wird dieses Hörbuch wie auch beim ersten Band von Tanja Fornaro.

Veröffentlicht am 26.11.2021

Düstergrün

Talberg 1935
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Nach dem Studium ist Wilhelm Steiner nach Talberg zurückgekehrt, um die Stelle des Dorflehrers anzutreten. Geheiratet hat er Elisabeth Wegebauer, doch auch noch einigen Ehejahren kündigt sich kein Erbe ...

Nach dem Studium ist Wilhelm Steiner nach Talberg zurückgekehrt, um die Stelle des Dorflehrers anzutreten. Geheiratet hat er Elisabeth Wegebauer, doch auch noch einigen Ehejahren kündigt sich kein Erbe an. Und nun liegt Wilhelm mit gebrochenen Knochen tot am Fuße des Turms, den er selbst hat errichten lassen. Der Polizeimajor Karl Leiner, ein Neffe des Bäckers, kommt in den Ort, um zu klären, ob es sich um ein Verbrechen gehandelt hat. Von den Dorfleuten erfährt Karl erstmal nicht sehr viel. Nur Wilhelms Frau ist etwas freundlicher zu dem Major. Sie scheint allerdings auch nicht viel zu wissen oder zu sagen.

In diesem ersten Roman einer Trilogie herrscht eine sehr düstere Stimmung. Die dunkelbewaldeten Hügel und Berge wirken bedrückend und es scheint so, als seien die Dorfbewohner durch die äußere Umgebung beeinflusst missgestimmt, neidisch und missgünstig. Die meisten Familien hatten im ersten Weltkrieg herbe Verluste hinzunehmen und nun im Jahr 1935 spürt man schon die negativen Auswirkungen des neuen Regimes. Dem Major Leiner wird Misstrauen entgegen gebracht. Gerade in den betroffenen Familien, den Steiners und Wegebauers, herrscht Schweigen und Personen, die befragt werden sollten, tauchen zu den Vernehmungen nicht auf. Und dann wird eine weitere Leiche gefunden.

Dieser Roman ist bestimmt von den Innensichten der handelnden Personen und den ausführlichen Beschreibungen der eher unwirtlichen Umgebung und weniger von der politischen Lage wie man anhand der Jahreszahl anzunehmen verleitet wird. Das Setting weckt Erinnerungen an Ganghofer-Verfilmungen mit ihrem Waldesrauschen. In dem man sich durch die Gedankengänge der Protagonisten hangelt, versucht man hinter die Vorgänge um den Tod des Wilhelm Steiner zu kommen. Auch wenn man eine Sache ab einem gewissen Zeitpunkt ahnt, ist man am Ende doch überrascht wie sich alles klärt. Ob es jedoch ein Dorf geben kann, das nur von Düsternis geprägt ist und keine einigermaßen glückliche Bewohner hat, erscheint doch ein wenig schwierig nachzuvollziehen. Dafür kann man sich schön aufregen über einige Unsympathlinge, die mit ihren Verhaltensweisen eher Unmut ernten, gerade auch, weil sie meinen, sie kämen mit allem durch. Bei diesem Buch handelt es sich mehr um einen Heimatroman als um einen Thriller. Kommt man damit klar, wird man gut unterhalten.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 12.11.2021

Florida

Die Eroberung Amerikas
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Im Jahr 1538 macht sich der Eroberer Ferdinand Desoto mit seinem Tross auf den Weg nach Amerika, um Florida einzunehmen und Eldorado zu finden. In seiner Mannschaft kommt ein buntes Volk zusammen. Auch ...

Im Jahr 1538 macht sich der Eroberer Ferdinand Desoto mit seinem Tross auf den Weg nach Amerika, um Florida einzunehmen und Eldorado zu finden. In seiner Mannschaft kommt ein buntes Volk zusammen. Auch seine ungeliebte Frau ist mit dabei, sie ist die Schwester seiner großen Liebe. Desoto ist auf seinen vorherigen Fahrten reich geworden. Deshalb geht es ihm wohl mehr um den Ruhm. In Havanna zwischengelandet, lässt er seine Frau als Gouverneurin zurück. An der amerikanischen Küste angekommen, treffen die Seefahrer bald auf einheimische Völker. Derweil klagt in der Gegenwart ein Anwalt gegen den damaligen Verkauf des Landes an die Eroberer.

Wieder widmet sich der Autor einem geschichtlichen Ereignis. Die Entdeckerfahrt des Ferdinand Desoto, der auch als Namensgeber einer amerikanischen Automarke gilt, im Spannungsfeld mit der Klage des Anwalts vor einem amerikanischen Gericht, bildet den Rahmen für eine ungewöhnliche Erzählung. Eroberer, Gauner und Seefahrer machen sich auf den Weg nach Amerika. Die Meisten haben ihrer eigenen Gründe, sich auf die Reise zu begeben. In der damaligen Zeit barg das Unterfangen nicht unerhebliche Gefahren. Dies und auch die persönlichen Querelen für zu empfindlichen Verlusten. Doch wie kommt dann ein Anwalt in der Gegenwart dazu, eine Sammelklage einzureichen?

Die Idee, über die Jahrhunderte einen Spannungsbogen zu legen, weckt sofort Interesse. Leider kommt der Prozess, der in der Gegenwart stattfindet, und der Weg des Anwalts dahin, etwas zu kurz. Das Hauptaugenmerk liegt auf der Eroberungsreise mit ihren vielen sehr unterschiedlichen Teilnehmern und den Eroberten, die selbstverständlich nicht unbedingt, damit einverstanden sind, erobert zu werden. Das Kaleidoskop der Handelnden ist sehr vielfältig und jeder hat eine Geschichte zu erzählen. Wie während einer solchen Eroberung nicht anders zu erwarten, kommt es auch zu einigen Gemetzeln, die manchmal ein wenig schwer verdaulich sind. Der Roman ist in einer witzigen und pointierten Sprache geschrieben, so manches Mal stutzt man, ehe man die Verbindung zieht und ein Lächeln auf den Lippen hat.

Veröffentlicht am 25.10.2021

Route 66

Die vier Winde
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Die Eltern der jungen Elsa haben sie wegen einer Erkrankung in ihrer Kindheit immer zu hause behalten und ihr keine Hoffnungen gemacht. Dennoch lernt Elsa einen jungen Mann kennen, der sie heiratet. Mit ...

Die Eltern der jungen Elsa haben sie wegen einer Erkrankung in ihrer Kindheit immer zu hause behalten und ihr keine Hoffnungen gemacht. Dennoch lernt Elsa einen jungen Mann kennen, der sie heiratet. Mit ihren warmherzigen Schwiegereltern versteht sie sich besser als mit ihren leiblichen Eltern. Und Elsas Tochter soll es einmal besser haben, sie soll aufs College gehen. Doch das Leben meint es nicht gut mit den Farmern. In den 1930 herrschen große Dürren, das Land ist ausgelaugt und Sandstürme verwehen auch noch die letzte fruchtbare Erde. Als ihr Sohn erkrankt, sieht Elsa keine andere Möglichkeit als nach Kalifornien zu gehen.

Die Wirtschaftskrise trifft Elsas Familie schwer. Ihre Schwiegereltern hängen sehr an der Farm, doch die schlechten Ernten und die Dürre sind eine extreme finanzielle Belastung. Doch die Martinellis halten zusammen. Weniger Halt findet Elsa bei ihrem Mann, sie mussten heiraten, doch die große Liebe war es für ihn nie. Elsa möchte Texas eigentlich nicht verlassen, doch die Lungenerkrankung ihres Sohnes macht einen Ortswechsel notwendig. Voller Hoffnung beladen sie den Truck und fahren über die Route 66 nach Kalifornien.

Dieses Hörbuch wird sehr stimmungsvoll vorgetragen von Luise Helm. Der Roman spielt während der großen Depression in Amerika. Die Wirtschaftskrise beherrscht das Land. Hoffnungen sterben, Menschen mitunter auch. Und dennoch macht sich Elsa Martinelli auf den Weg nach Kalifornien, um ihren Kindern eine bessere Zukunft zu bieten. Allerdings werden die Martinellis in Kalifornien schlecht aufgenommen. Die erhofften Jobs sind rar, die einheimische Bevölkerung will die Wanderarbeiter nicht. Und doch versucht Elsa es immer wieder. Zwar versteht es die Autorin ausgezeichnet, die schwere Zeit authentisch darzustellen. Die Härte, die die Martinellis erfahren, die Ausbeutung, der Unmut der Einheimischen. Allerdings, wenn es kaum Hoffnung gibt und nur Not und Elend, dann sind die wenigen schönen Momente kaum ein Trost. Wenn man man ein eindringliche Beschreibung einer harten Zeit lesen möchte, gibt dieser Roman einen eindrucksvollen Einblick.

Veröffentlicht am 09.10.2021

Sein ganzer Stolz

Harlem Shuffle
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Der ganze Stolz von Ray Carner ist sein Möbelladen in Harlem. Was für ein Gefühl als er den Mietvertrag unterschrieb. Doch im Jahr 1958 lebt es sich mehr schlecht als recht davon. Rays Frau Elizabeth arbeitet ...

Der ganze Stolz von Ray Carner ist sein Möbelladen in Harlem. Was für ein Gefühl als er den Mietvertrag unterschrieb. Doch im Jahr 1958 lebt es sich mehr schlecht als recht davon. Rays Frau Elizabeth arbeitet in einem Reisebüro, das Reisen abgestimmt auf die afro-amerikanische Kundschaft zusammenstellt. Ray ist immer auf der Suche nach neuer Ware und neuer Kundschaft. Er ist immer am Puls der Zeit. Sein Cousin Freddie dagegen ist ein Schlawiner, der Ray immer mal wieder in krumme Dinge hineinzieht. Grundsätzlich will Ray ehrliche Geschäfte machen, doch manche Transaktionen finden besser nach Feierabend statt.

Mit seinem neuen Roman widmet sich Colson Whitehead den Harlem zwischen 1958 und 1964. Ray Carney hat Betriebswirtschaft studiert und will seiner Familie eine sichere Lebensgrundlage bieten. In der lebendigen Nachbarschaft ist das nicht immer ganz einfach. Die schwarze Community findet gerade ein neues Selbstbewusstsein und dass geht nicht ohne Schwierigkeiten. Und Ray muss sich mühen, nicht zu sehr in dunkle Machenschaften hineingezogen zu werden. Auch wenn dafür hin und wieder ein Umschlag den Besitzer wechseln muss. Unterbuttern lässt sich Ray allerdings auch nicht. Und die Lebenserfahrung bringt ihm Ideenreichtum und Schläue.

Mit seinen Romanen „Underground Railroad“ und „Nickelboys“ vermochte der Autor wirklich zu fesseln. Das gelingt ihm mit seinem neuen Roman nicht in gleicher Weise. Doch auch das Harlem um den Wechsel von den 1950ern zu den 1960ern bietet einen schillernden Hintergrund für die Handlung. Freddie ist ein kleiner Ganove, der seinen Cousin in seine Gefilde zieht. Man bekommt nicht den Eindruck, dass Ray sich konsequent dagegen wehrt. Gegen einige Gepflogenheiten kann er sich vielleicht auch nicht wehren. Dennoch wirkt Ray wie ein treuer Familienmensch, der mit seinen Mitteln versucht, dass Beste zu erreichen. Dabei wirkt er gewitzt und sympathisch. Auch wenn einem das Setting diesmal ein wenig fremd bleibt, folgt man Ray Carner gerne durch drei Episoden seines Lebens.