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Veröffentlicht am 04.09.2022

Auf der Suche nach sich selbst

Außer sich
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Die Zwillingsschwester auf der Suche nach ihrem verschwunden Bruder in Istanbul: Sasha Marianna Salzmanns Debütroman „Außer sich“ dreht sich um eine verwirrende Suche nach Identität, Heimat und der Rolle ...

Die Zwillingsschwester auf der Suche nach ihrem verschwunden Bruder in Istanbul: Sasha Marianna Salzmanns Debütroman „Außer sich“ dreht sich um eine verwirrende Suche nach Identität, Heimat und der Rolle der Herkunft.

Istanbul kann einen verschlucken – diesen Eindruck bekommt man, wenn man Saha Marianna Salzmanns Roman „Außer sich“ liest. Zunächst verschwindet der Zwillingsbruder, Anton, in Istanbul. Eine Postkarte bringt schließlich seine Schwester Alissa, die sich selbst Ali nennt, dazu, ihn dort zu suchen. Dabei wird sie immer mehr von der Stadt eingesogen und verliert sich in der Suche nach ihrem Bruder, die immer mehr zu einer Suche nach ihr selbst wird.
Weshalb es ausgerechnet Istanbul ist, wohin sich die Zwillinge begeben, bleibt offen. Ali und ihr Bruder sind mit ihren Eltern als russische Juden nach Deutschland emigriert. Auch das wird in „Außer sich“ erzählt – die Handlung springt immer wieder in die Vergangenheit, wie auch die Erzählerstimme immer wieder springt. Mal ist es ein auktorialer Erzähler, der die Geschichte erzählt, mal springt sie in die Ich-Form und die Erzählerstimme wird von Ali selbst übernommen.
All das macht das Lesen immer wieder zu einer Herausforderung. Selbst die Sprünge in die Vergangenheit, die bis in die Zeit des Stalinismus reichen, werden immer wieder relativiert. Immer wieder wird eingeworfen, dass es vielleicht ganz anders gewesen sein könnte. Nur wenig gibt dem Lesenden Halt – und damit hat er vieles mit der Protagonistin Ali gemeinsam. Haltlos lässt sie sich immer mehr durch Istanbul treiben, verliert immer mehr die Suche nach ihrem Bruder aus den Augen und begibt sich immer mehr auf die Suche nach sich selbst: ihrer Heimat, ihrer Identität, ihrem Geschlecht.

Ist man als Lesender bereit, sich auf den suchenden Stil des Buches einzulassen, wird man es mit Sicherheit mit Gewinn lesen. Allein schon deshalb, weil das Buch mit seinem ironischen Unterton sprachlich wunderbare Szenen bietet.

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Veröffentlicht am 15.05.2022

Roman über die Entstehung des Oxford English Dictionary

Die Sammlerin der verlorenen Wörter
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Die Geschichte des Oxford English Dictionary verwoben mit dem Kampf der Suffragetten für das Frauenwahlrecht und mit dem Ersten Weltkrieg: in ihrem Buch „Die Sammlerin der verlorenen Wörter“ bietet Pip ...

Die Geschichte des Oxford English Dictionary verwoben mit dem Kampf der Suffragetten für das Frauenwahlrecht und mit dem Ersten Weltkrieg: in ihrem Buch „Die Sammlerin der verlorenen Wörter“ bietet Pip Williams all dies.

Kann man ein Buch über die Entstehung eines Wörterbuchs schreiben? Ja, zumindest wenn dieses Wörterbuch über Jahrzehnte entstanden ist. Und, wenn man sich ein wenig dichterische Freiheit herausnimmt.

Zur dichterischen Freiheit gehört die Hauptfigur des Romans, Esme. Ihr Leben zwischen den Jahren 1887 und 1928 bildet den Kern des Romans.

Bereits als Kind spielt Esme im so genannten Skriptorium, wo Lexikgraphen die Wörterbucheinträge zusammenstellen. Im Gegensatz zum Duden gehört zu den Wörterbucheinträgen des Oxford English Dictionary auch eine Erklärung der Bedeutungsvarianten und Beispielsätze aus der (gehobenen) Literatur. Versteckt unter dem Sortiertisch beobachtet Esme die Arbeit – bis sie selbst zur Mitarbeiterin wird.

Bald schon geht Esmes Interesse über das an Bedeutungsvarianten hinaus: sie fragt sich, weshalb manche Wörter es nicht ins Wörterbuch schaffen, sammelt die „verlorenen“ Wörter in einer Kiste. So drängt sich die Frage nach dem Umgang mit Sprache immer wieder sanft in den Vordergrund. Ob obszöne Wörter, negativ konnotierte oder umgangssprachlich verwendete: Wörter: Esme sammelt all das, was es nicht ins Wörterbuch schafft. So entsteht nach und nach ein alternatives Wörterbuch. So wie die Gebrüder Grimm von Ort zu Ort zogen, um Volksmärchen zu sammeln, begibt sich Esme auf den Markt und schaut den einfachen Leuten aufs Maul (so hätte es Martin Luther ausgedrückt). Etliche der gesammelten Einträge sind im Buch abgedruckt (da das Buch nach den Bänden des Wörterbuchs aufgebaut ist, zunächst auf Englisch und dann in deutscher Übersetzung).

Dem Nachwort der Autorin ist es zu verdanken, dass man noch erfährt, was in „Die Sammlerin der verlorenen Wörter“ einen historischen Bezug hat – und das ist mehr, als man beim Lesen denkt. Allerdings muss ich sagen: Richtige Spannung entsteht selten im Buch, das Sammeln der Wörter bleibt im Zentrum des Erzählens, was manchmal zulasten des Erzählflusses geht. Oft genug werden Ereignisse nicht erzählt, sondern allenfalls erwähnt. Und auch das Thema des Umgangs mit der Sprache ist eher vorsichtig eingewoben, anklagend ist das Buch nie. Mich hat weder die Geschichte Esmes noch die Entstehung des Wörterbuchs besonders in ihren Bann ziehen können.

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Veröffentlicht am 25.01.2022

1000 Gefahren für Erstleser

1000 Gefahren junior - Das Geheimnis der Pirateninsel (Erstlesebuch mit "Entscheide selbst"-Prinzip für Kinder ab 7 Jahren)
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"Das Geheimnis der Pirateninsel" ist der dritte Band der Junior-Reihe 1000 Gefahren. 

Nick arbeitet in der Piratenkneipe "Fliegender Fisch". Die liegt in einem Kaff namens Black Horn. Eines Tages bekommt ...

"Das Geheimnis der Pirateninsel" ist der dritte Band der Junior-Reihe 1000 Gefahren. 

Nick arbeitet in der Piratenkneipe "Fliegender Fisch". Die liegt in einem Kaff namens Black Horn. Eines Tages bekommt er das Angebot, Käpt'n Perkin als Schiffsjunge aufs Meer zu begleiten. Nimmt er dieses Angebot an? 

Hier darf der Leser selbst entscheiden, wie das Buch weitergeht. Wie bei allen 1000-Gefahren-Büchern ist am Ende der Seite angegeben, auf welcher Seite die Geschichte weitergeht und immer wieder kann man selbst den Lauf der Handlung beeinflussen. 

Auch wenn das Buch für Leseanfänger beworben wird: man muss schon einigermaßen flüssig lesen können und vor allem die Zahlen bis 100 können, um dem Buch zu folgen. Die Sätze selbst sind eher knapp gehalten, viel wörtliche Rede sorgt für Spannung. Die Rätsel im Buch fand ich nicht immer gelungen, so ist zum Beispiel eine geöffnete Tür kaum zu erkennen. 

Je nachdem für welche Version man sich entscheidet, kommt der Schluss außerdem zum Teil sehr abrupt. Da freut man sich, wenn man den Rat bekommt, sich auf S. XY doch umzuentscheiden... 

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Veröffentlicht am 06.11.2021

Bilderbuch für Erwachsene

Die Geburt
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Mariam Aladra bekommt ein Kind. Die Wehen setzen früher als geplant ein und so findet die Geburt ihres Sohnes unter einer Straßenbrücke statt. Soweit die kurze Handlung von Rafik Schamis Weihnachtsgeschichte ...

Mariam Aladra bekommt ein Kind. Die Wehen setzen früher als geplant ein und so findet die Geburt ihres Sohnes unter einer Straßenbrücke statt. Soweit die kurze Handlung von Rafik Schamis Weihnachtsgeschichte „Die Geburt“, die dieses Jahr als Bilderbuch für Erwachsene erschienen ist.
Rafik Schami spielt dabei mit der arabischen Märchentradition, indem er sehr konkrete Fakten wie Namen und Orte mit märchenhaftem Erzählen vermischt. Schon im ersten Satz des Büchleins ist dieser Ton angeschlagen: „Es war oder es war nicht“, so beginnt Schamis „Die Geburt“.
Dass Mariam Aladra aus der westjordanischen Stadt Bir Zait stammt, ist da kein Zufall. Von hier sollen bereits die Märchen aus Tausendundeiner Nacht stammen. Auch nicht, dass Cousin Jusuf plant, in Mannheim ein Restaurant zu eröffnen, in dem er vor dem Schließen seinen Gästen eine Gute-Nacht-Geschichte erzählen will.
Das Spiel mit Traditionen zeigt sich auch in den Anspielungen auf die biblische Weihnachtsgeschichte. Hier gelingt es Schami, „falsche Fährten“ zu legen – Jusuf ist eben nicht der biblische Josef, und Mariam trifft sich eben nicht mit der schwangeren Elisabeth, sondern mit einer (nicht schwangeren) Claire. Dass die heiligen drei Könige auch ganz anders aussehen, überrascht nicht.
Die Geschichte selbst hat mich – vor allem aufgrund ihrer Kürze – nicht so sehr angesprochen oder gar berührt. Dies gelang aber den Illustrationen von Mehrdad Zaeri. Ganz in blau gehalten haben sie mich mit ihrem Charme in ihren Bann gezogen.

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Veröffentlicht am 10.10.2021

Back to the 80s

Glitterschnitter
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Sven Regeners neues Buch „Glitterschnitter“ hat, was ein unterhaltsamer Roman braucht: Urige Personen, Konflikte, eigenwillige Orte und ein wenig Handlung.

„Glitterschnitter“ spielt im West-Berlin der ...

Sven Regeners neues Buch „Glitterschnitter“ hat, was ein unterhaltsamer Roman braucht: Urige Personen, Konflikte, eigenwillige Orte und ein wenig Handlung.

„Glitterschnitter“ spielt im West-Berlin der 1980er Jahre. Eine Zeit, in der alles möglich zu sein scheint (und man irgendwoher schon das Geld dafür bekommt). Eine Zeit, in der man ein Haus kauft und im Hinterhaus Punks wohnen lässt, um das Image der Hausbesetzer-Szene aufrecht zu erhalten. Eine Zeit, in der man sich keine Sorgen macht, sondern Pläne schmiedet und experimentiert.

Die Musik- und Kunstszene sind in dem Werk omnipräsent. Allen voran in der Band „Glitterschnitter“, die titelgebend war. Das Leben ist ein Spiel, man probiert aus – die Bohrmaschine als Musikinstrument zum Beispiel. Vielleicht kommt man damit ja auf die „Wall City Noise“? Oder etwa ob man sich als Kaffeehaus-Betreiber eignet. Nur Frank Lehmann ist mit Sicherheit am Schluss des Buches klüger, weiß er doch nun, wie man den perfekten Milchkaffee zubereitet.

Es gibt viel zu lachen in Sven Regeners neuem Buch. Über den Österreich-Fimmel der Figuren, die Entstehung des Milchschaums, eine IKEA-Musterwohnung als Kunstobjekt und zu guter Letzt das Bremer Wort „opstanatsch“.

Allerdings müssen einem auch als Leser nicht nur die Shakespeare-Battles, sondern auch Dialoge wie der gefallen: „Wörter sind auch Taten“, sagte Karl. „Hoho“, sagte Ferdi. „Da hat aber mal einer seinen Hegel gelesen!“ Und ja, zwischen den Figuren wird viel palavert. Für mich gab es zwischenzeitlich deutlich zu viel an belanglosen Dialogen. Zwischenzeitlich hatte ich den Eindruck, die Personen müssten um die 40 sein, dabei sind sie in den End-20ern. Zu viel Besserwissertum mag der Grund dafür sein.

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