Sprachlich begeisternde, gut recherchierte Reise in die Goethezeit
Goethe in KarlsbadRalf Günthers erfreulicher Schreibstil und sorgfältige Recherche sind mir schon in seinem Buch „Der Leibarzt“ aufgefallen, weshalb ich mich auf dieses neue Buch – noch dazu mit dem Sujet Goethe! – besonders ...
Ralf Günthers erfreulicher Schreibstil und sorgfältige Recherche sind mir schon in seinem Buch „Der Leibarzt“ aufgefallen, weshalb ich mich auf dieses neue Buch – noch dazu mit dem Sujet Goethe! – besonders freute. Wir begleiten den Geheimrat 1816 zu seiner Kur nach Karlsbad, die aber schon bald durch mehrere unerwartete Ereignisse abgekürzt wird. Der Schreibstil ist eine wahre Freude, Ralf Günther bedient sich durchweg einer der Epoche angemessenen Schreibweise, was leider nur wenige Autoren historischer Romane tun. Der Stil wirkt keineswegs gekünstelt, sondern sowohl natürlich wie auch angenehm. Ich habe viele Formulierungen mehrfach gelesen und den gekonnten Umgang mit Sprache genossen. Auch die Recherche zeigt sich in vielen gut eingebundenen Einzelheiten ebenso wie in der Schaffung einer authentischen Atmosphäre. Auch die historisch belegten Charaktere sind glaubhaft zum Leben erweckt.
Die Handlung konnte mich leider nicht ganz so umfänglich begeistern wie der Schreibstil. Der Haupthandlungsstrang widmet sich einem jungen Liebespaar, welches Goethe vor einem von seinem Werther inspirierten Suizidversuch rettet. Sein nachfolgendes Engagement für dieses Paar erschien mir nicht ganz plausibel, auch sind die beiden jungen Leute und ihre Situation für mich nicht hinreichend ausgearbeitet und die Handlung widmet sich überwiegend diversen Unterhaltungen über das Wesen der Liebe, die sich ziemlich wiederholen und für meinen Geschmack zu sehr von pathetischen Gemeinplätzen leben. Auch die Haltung der Eltern sowie die Eltern selbst waren mir zu schablonenartig.
Wesentlich interessanter war für mich der andere Handlungsstrang, der sich dem titelgebenden Goethe und einigen seiner privaten Beziehungen widmet. In den Szenen, welche in seinem Haus am Frauenplan spielen, war die Atmosphäre wieder herrlich geschildert, ich sah die Zimmer, den Hof und den Garten vor mir, seine Familie wirkt authentisch, wenn auch Christiane etwas sehr wohlwollend und der Sohn August leider nur kurz geschildert wird. Was die Beziehung Goethes zu seiner Frau betrifft, gibt es im Buch leider ebenfalls einige sich wiederholende Passagen, dafür aber auch anrührende Szenen. Diese häuslichen Verhältnisse wirkten auf mich authentischer und mitreißender als der andere Handlungsstrang, gaben auch mehr Einsicht in Goethe und sein Leben. Für mich persönlich wäre dies ein gelungenerer Fokus des Romans gewesen.
Insgesamt ist das Buch eine erfreuliche Lektüre für jeden, der Goethe und/oder jene Zeit des frühen 19. Jahrhunderts interessant findet. Der Roman ist kurz, verzichtet angenehm auf Überflüssiges und widmet sich dem Wesentlichen – bei Goethes Familienleben hätte es, wie gesagt, sogar ruhig mehr sein dürfen –, nutzt diese etwa 170 Seiten auf positive Weise inhaltsreich. Auch der feste Einband erfreut mit einer gelungen dezenten Gestaltung und ich kann nur noch mal hervorheben, welch herrlichen Umgang mit Sprache Ralf Günther pflegt!