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Veröffentlicht am 22.10.2021

Der Schlüssel für das Geheimnis der Liebe

Die Berge, der Nebel, die Liebe und ich
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Seit 22 Jahren sind ihr Mann Christian und sie ein Paar. Drei Töchter sind aus der Ehe hervorgegangen. Doch mit ihrer Beziehung ist die Frau Anfang 40 derzeit nicht mehr glücklich. Ständig streiten sich ...

Seit 22 Jahren sind ihr Mann Christian und sie ein Paar. Drei Töchter sind aus der Ehe hervorgegangen. Doch mit ihrer Beziehung ist die Frau Anfang 40 derzeit nicht mehr glücklich. Ständig streiten sich Chris und sie, die Zärtlichkeit ist abhanden gekommen. Ein Wochenende auf einer einsamen Hütte in den Bergen soll frischen Wind in ihre Ehe bringen. Doch der Plan geht nicht auf: Wieder kommt es zum Streit. So zieht die Frau verletzt alleine los. An einem Steinkreis begegnet sie einem alten Mann. Eine Wanderung mit ihm verändert ihren Blick auf die Liebe für immer…

„Die Berge, der Nebel, die Liebe und ich“ ist eine Art Ratgeber von Tessa Randau.

Meine Meinung:
Das Buch besteht aus 14 kurzen Kapiteln. Erzählt wird in der Ich-Perspektive aus der Sicht der leider namenlosen Protagonistin. Das Geschehen spielt sich an einem Wochenende in einer nicht näher definierten Bergregion ab.

Eine Besonderheit sind die liebevollen Zeichnungen von Ruth Botzenhardt, die viele Seiten zieren. Mal nehmen sie eine ganze Seite ein, mal sind sie nur wenige Zentimeter groß. Sie sind auf den Inhalt des Buches perfekt angepasst.

Der Schreibstil ist sprachlich recht einfach, dadurch aber leicht verständlich und anschaulich. Ein wenig gestört haben mich die überbordenden Metaphern und das ein oder andere etwas schiefe Bild.

Die Personenzahl ist überschaubar. In Aktion treten neben der Protagonistin nur ihr Mann Chris, der ältere Fremde, der ebenfalls ohne Namen auskommen muss, und eine seiner Bekannten, die mit „Rosi“ betitelt wird. Die Figuren bleiben allesamt blass und schablonenhaft.

Inhaltlich hat der erzählende Ratgeber nur ein Thema: die romantische Liebe. Konkret geht es darum, wie man Paarprobleme in den Griff bekommt beziehungsweise wie man Streit und Missverständnisse vermeiden kann. Am Fall der namenlosen Frau und ihres Mannes wird aufgezeigt, wie Kommunikation und Wahrnehmung verbessert werden können. Die entsprechenden Ansätze werden in eine Geschichte verpackt. Das heißt, der ältere Herr, der der Protagonistin zufällig bei einer Bergwanderung begegnet, führt diese an verschiedene Modelle heran. Diese Idee hat mir grundsätzlich gut gefallen. In der Umsetzung sehe ich allerdings Schwächen. Die Geschichte wirkt arg konstruiert, gleichzeitig aber ziemlich durchsichtig und zu wenig raffiniert.

Die Erklärungen sind schlüssig und gut nachvollziehbar. Sie fußen auf dem Kommunikationsquadrat von Prof. Friedemann Schulz von Thun, dem Modell der „Fünf Sprachen der Liebe“ von Gary Chapman und dem psychologischem Modell von John Bradshaw, die die Autorin in ihrer Danksagung leider nur kurz erwähnt und als ihre Inspirationsquellen offenbart. Eine Liste mit dieser und weiterführender Literatur wäre wünschenswert gewesen, zumal das Thema Beziehungen durchaus komplexer ist, als es die Geschichte vermuten lässt, und die Erklärungen nicht pauschal alle Fälle abdecken können.

Eine psychologische Therapie oder Beratung kann der Ratgeber definitiv nicht ersetzen, was aber vermutlich nicht dessen Anliegen ist. Bahnbrechende Erkenntnisse darf man ebenso nicht erwarten. Wer aber kleinere Alltagsprobleme im Rahmen der Beziehungspflege angehen möchte, kann auf den 150 Seiten Tipps und Denkanregungen aus der Lektüre ziehen.

Das moderne Cover mit der Goldprägung und den süßen Details spricht mich an. Der Titel ist ebenfalls absolut passend.

Mein Fazit:
„Die Berge, der Nebel, die Liebe und ich“ von Tessa Randau ist ein liebevoll erstelltes Büchlein, das mich zwar inhaltlich nicht ganz überzeugt hat. Den einen oder anderen Schubser kann der Ratgeber aber durchaus geben.

Veröffentlicht am 15.10.2021

Von einer essenziellen Emotion

Wut und Böse
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Frauen, die ihre Wut rauslassen, gelten schnell als zickig und hysterisch. Von Mädchen wird oftmals Zurückhaltung und Eleganz erwartet. Doch weibliche Wut kann vieles bewirken und eine hilfreiche Waffe ...

Frauen, die ihre Wut rauslassen, gelten schnell als zickig und hysterisch. Von Mädchen wird oftmals Zurückhaltung und Eleganz erwartet. Doch weibliche Wut kann vieles bewirken und eine hilfreiche Waffe sein, wenn sie richtig eingesetzt wird…

„Wut und Böse“ ist ein Sachbuch von Ciani-Sophia Hoeder.

MeIne Meinung:
Das Buch besteht aus fünf Teilen. Sie werden umschlossen von einem Vor- und einem Nachwort. Die einzelnen Kapitel sind kurz. Der Aufbau erscheint schlüssig.

Der Schreibstil ist unspektakulär. Eine einfache Syntax und größtenteils umgangssprachliches Vokabular machen ihn aus. Dabei achtet die Autorin auf politische Korrektheit und den aktuellen Sprachgebrauch mit Begriffen wie „cis-männlich“.

Inhaltlich ist das Buch sehr feministisch, denn der Fokus liegt auf weiblicher Wut. Zunächst geht es jedoch darum zu definieren, was diese Art der Emotion überhaupt ist. Dann analysiert die Autorin, wie Frauen mit Wut umgehen. Im dritten Teil wird die Diskriminierung dieses Gefühls beschrieben. Darüber hinaus erklärt die Autorin, wie Wut für Veränderung sorgen kann und was nach dieser Emotion kommt.

Im Buch werden mehrere Thesen aufgestellt. Nicht in allen Punkten stimme ich mit der Autorin überein. Bei manchen Aspekten sind mir die Aussagen zu pauschal. So stützt sich die gesamte Argumentation fast ausschließlich darauf, dass weibliche Wut aufgrund des Patriarchats unterdrückt wird. Eine differenziertere, tiefergehende Perspektive hätte dem Buch gut zu Gesicht gestanden. Viel Neues habe ich beim Lesen daher nicht erfahren. Aber das Buch liefert durchaus eine Menge interessanter Denkimpulse.

Einige Aussagen belegt die Autorin mit Studien, Umfragen und anderen Quellen, die sie weiter hinten im Buch auflistet. Die einzelnen Bezüge werden leider nicht immer sofort klar. Allerdings wird deutlich, dass sich Ciani-Sophia Hoeder intensiv mit der Forschungslage zum Thema befasst und umfassend recherchiert hat. Gut gefallen hat mir, dass die Autorin auch ihre eigenen Erfahrungen schildert.

Das Cover ist motivisch durchaus gelungen, farblich für mich aber unpassend. An der Wahl des Titels mit dem Wortspiel habe ich nichts auszusetzen.

Mein Fazit:
„Wut und Böse“ von Ciani-Sophia Hoeder ist ein Sachbuch zu einem wichtigen Thema, das Denkanstöße bietet. Insgesamt hätte ich mir allerdings etwas mehr Tiefe gewünscht.

Veröffentlicht am 12.09.2021

Eine grausige Kettenreaktion

Die Nacht – Wirst du morgen noch leben?
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Während eines Gewitters verläuft sich Hanna Carlsen im Dunkeln. Sie stürzt und verletzt sich dabei. Ein Fremder erscheint ihr als Retter. Doch sie ahnt nicht, dass ihr nun erst recht eine große Gefahr ...

Während eines Gewitters verläuft sich Hanna Carlsen im Dunkeln. Sie stürzt und verletzt sich dabei. Ein Fremder erscheint ihr als Retter. Doch sie ahnt nicht, dass ihr nun erst recht eine große Gefahr droht. Nur wenige Stunden später tritt der „Nachtmann“ an die Öffentlichkeit. Er hat fünf Menschen in seiner Gewalt und will sie umbringen, wenn seine Forderungen nicht erfüllt werden. Inga Björk und Christian Brand nehmen die Ermittlungen auf…

„Die Nacht - Wirst du morgen noch leben?“ ist ein Thriller von Jan Beck und der zweite Band der Reihe um Brand und Björk.

Meine Meinung:
Der Thriller besteht aus 80 angenehm kurzen Kapiteln. Erzählt wird erneut aus wechselnden Perspektiven. Angaben zu den Personen erleichtern die Übergänge. Allerdings fällt die örtliche und zeitliche Orientierung anders als im Auftaktband manchmal schwer, weil es dieses Mal keine entsprechenden Hinweise zu Beginn der Kapitel gibt. Das macht das Geschehen zum Teil etwas verwirrend.

Der Schreibstil ist anschaulich und dank vieler Dialoge recht lebhaft. Gut gefallen hat mir, dass die Geschichte unabhängig vom ersten Band gelesen werden kann. Vorkenntnisse sind zum Verständnis nicht zwingend notwendig.

Wie schon beim Reihenauftakt taucht eine Vielzahl an Charakteren auf. Obwohl mir die beiden ermittelnden Protagonisten schon bekannt waren, konnten mich die Figuren überraschen. Inga und Christian sind erneut interessant, authentisch und mit psychologischer Tiefe ausgestaltet. Die weiteren Personen werden ebenfalls vielschichtig und glaubwürdig dargestellt.

Etwas enttäuschend ist, dass die kreative Idee des ersten Bandes in abgewandelter Form noch einmal verwurstet wurde. Die zwei Fälle weisen viele Parallelen auf. Das hat mich anfangs nicht gestört, mit zunehmendem Ausmaß dann aber schon etwas. Wie bereits der erste Teil ist dieser Thriller nichts für Zartbesaitete. Ich war zwar darauf eingestellt, hätte mir manche Szenen jedoch mit wenigen brutalen und blutigen Details gewünscht, da diese nichts zur Spannung beigetragen haben.

Dennoch ist der rund 450 Seiten umfassende Thriller fast durchgängig kurzweilig und unterhaltsam. Die Handlung konnte mich fesseln, bis zum Ende mehrfach überraschen und zum Miträtseln animieren. Leider war die Auflösung für mich nicht ganz schlüssig.

Das Cover gefällt mir sehr. Es passt prima zum Genre und zur Optik des Auftaktbandes. Das Motiv erscheint aber wieder willkürlich ausgesucht. Gut durchdacht ist dagegen der Titel.

Mein Fazit:
Mit „Die Nacht - Wirst du morgen noch leben?“ ist Jan Beck erneut ein solider Thriller gelungen, der mich jedoch weniger überzeugt hat als der Reihenauftakt. Ich bin mir noch unschlüssig, ob ich die Reihe weiter verfolgen möchte.

Veröffentlicht am 31.08.2021

Der vermeintliche Pechvogel

Das zweite Leben des Adolf Eichmann
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Schon wieder hat Adolf Eichmann Pech. Ausgerechnet an dem Tag, an dem der als Ricardo Klement untergetauchte Nazi seine Frau Vera nach mehreren Jahren in Argentinien in Empfang nehmen möchte, sind keine ...

Schon wieder hat Adolf Eichmann Pech. Ausgerechnet an dem Tag, an dem der als Ricardo Klement untergetauchte Nazi seine Frau Vera nach mehreren Jahren in Argentinien in Empfang nehmen möchte, sind keine Blumen zu bekommen. Die Deutsche ist ihrem Mann zusammen mit den Söhnen ins ausländische Versteck gefolgt. Doch wie lebt der ehemalige „Architekt des Holocaust“ nach seiner Flucht im Exil, der Mann ohne Reue, der für den Tod von Millionen Juden mitverantwortlich ist?

„Das zweite Leben des Adolf Eichmann“ ist ein Roman von Ariel Magnus.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus fünf Kapiteln. Erzählt wird mit mehreren Zeitsprüngen in chronologischer Reihenfolge aus der Sicht von Ricardo Klement alias Eichmann, allerdings sind zwischendurch immer wieder Rückblicke und Erinnerungen eingefügt. Die Handlung spielt ausschließlich in Argentinien und umfasst den Zeitraum 1952 bis 1960. Dieser Aufbau ist gut durchdacht.

Der Schreibstil ist für mich ein Manko des Romans. Sperrige, verschachtelte Satzkonstruktionen sind gepaart mit einem Beamtendeutsch. Die Dialoge sind eher kurz gehalten. Umso ausführlicher werden die gedanklichen Irrwege Eichmanns ausgeführt. Dadurch wird die Denkweise des Völkermörders zwar gut deutlich. Ein sprachliches Highlight stellt der Roman so aber nicht dar.

Inhaltlich wirft der Roman ein interessantes und wichtiges Licht auf das Leben und Denken nationalsozialistischer Massenmörder, insbesondere, aber nicht nur in Bezug auf Eichmann. Somit leistet das Buch einen Beitrag gegen das Vergessen der NS-Verbrechen und gegen Diskriminierung. Dennoch hat mich die Umsetzung nicht ganz überzeugt.

Gereizt hat mich an dem Buch, mehr über den berüchtigten Nazi zu erfahren. Tatsächlich kommt man beim Lesen der abstoßenden Innenwelt Eichmanns sehr nahe. Viel Raum nehmen seine menschenverachtenden und erschütternden Gedanken, Erinnerungen und Aussagen ein, die auch in der mehrfachen Wiederholung nichts von ihrem Grauen verlieren. Obwohl einiges schon vorher bekannt war, macht das den Roman zu einer schwer verdaulichen Lektüre. Schwer zu ertragen ist auch, wie unbehelligt die geflohenen Nazis im Exil leben und weiterhin ihre Kontakte pflegen konnten, ohne eine Auslieferung fürchten zu müssen.

Auf rund 210 Seiten ist jedoch verhältnismäßig wenig Handlung vorhanden. Einige Passagen sind recht kurzweilig gehalten, andere dagegen ziemlich zäh.

Der Erzähler gibt Eichmann immer wieder der Lächerlichkeit preis. Nicht nur seine Überzeugungen und Taten sind Gegenstands des Spotts. Auch sein Aussehen, angebliche sexuelle Vorlieben und ähnliche Dinge werden mit unverhohlenem Hohn thematisiert. In diesem Punkt ist der Autor etwas über das Ziel hinausgeschossen. Dies liegt wohl im abgrundtiefen Hass begründet, den die Familie Magnus gegenüber Eichmann empfindet. Im Nachwort „After Office“ erklärt der Autor die Beweggründe für das Buch. Demnach hat ihn sein Vater dazu inspiriert, über Adolf Eichmann zu recherchieren. Das Motiv, nämlich den bekannten Nazi „zur Fiktion zu verurteilen“, habe ich allerdings auch nach den Erläuterungen nicht ganz nachvollziehen können. Zu lesen ist auch, wie Magnus’ Großmutter im KZ auf Josef Mengele getroffen ist. Was im Roman auf wahren Begebenheiten beruht und was dichterische Freiheit ist, darüber lässt uns der Autor im Unklaren. Insgesamt gibt es für mich nach der Lektüre der persönlichen Worte von Ariel Magnus mehr offene Fragen als vorher.

Im zweiten Nachwort „Nach Jerusalem“ ist in knapper Form zu erfahren, wie es für Eichmann, seine Familie und die Nazikameraden weiterging. Interessant ist auch das ausführliche Quellenverzeichnis.

Das etwas künstlerisch anmutende Cover mit der reduzierten Farbgebung, in dem zwei Fotos Eichmanns miteinander kombiniert werden, gefällt mir sehr. Der deutsche Titel ist meiner Ansicht nach ein wenig irreführend, der spanische Originaltitel („El desafortunado“) die bessere Wahl.

Mein Fazit:
Mit „Das zweite Leben des Adolf Eichmann“ reiht sich Ariel Magnus in die Reihe derjenigen ein, die das wichtige Gedenken an die Opfer der NS-Verbrechen bewahren. Das Buch legt das abstoßende Gedankengut eines hochrangigen Nazis offen und klärt über das skandalöse Versteckspiel der Kriegsverbrecher im Ausland auf. Die Umsetzung des Romans konnte mich aber nicht in Gänze überzeugen.

Veröffentlicht am 28.07.2021

Ein Tag und eine Nacht

Weiße Nacht
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Zwei Jahre lang hat die ehemalige Schauspielerin Ayami Kim (28) als Assistentin in einem Hörtheater in Seoul gearbeitet. Nun ist dort die letzte Vorstellung durchgeführt worden und Ayami ist erneut arbeitslos. ...

Zwei Jahre lang hat die ehemalige Schauspielerin Ayami Kim (28) als Assistentin in einem Hörtheater in Seoul gearbeitet. Nun ist dort die letzte Vorstellung durchgeführt worden und Ayami ist erneut arbeitslos. Welchen Weg soll sie nun einschlagen?

„Weiße Nacht“ ist ein Roman von Bae Suah, der bereits 2013 in Korea und nun als erstes ihrer Bücher auf Deutsch erschienen ist.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus vier Kapiteln, wovon das letzte jedoch sehr kurz ist. Erzählt wird zunächst aus der Perspektive von Ayami, später auch aus einer weiteren Sichtweise. Die Handlung spielt ausschließlich in Seoul. Vordergründig umfasst sie einen Tag und eine Nacht. Allerdings gibt es immer wieder Sprünge nach vorne und zurück, sodass die Geschichte zeitlich schwer zu erfassen ist.

Der Schreibstil ist eindringlich, atmosphärisch dicht und sehr metaphorisch. Es gibt eine Menge ungewöhnlicher Vergleiche, die zwar kreativ, aber zum Teil auch sehr unsinnig und widersprüchlich wirken. Lange beschreibende Passagen wechseln sich mit ausführlichen Dialogen ab, die manchmal recht hölzern klingen.

Im Fokus der Geschichte steht Ayami, die ein wenig unnahbar und undurchsichtig bleibt. Bis zum Schluss konnte ich sie nicht richtig fassen. Zudem tauchen immer wieder bestimmte weitere Personen auf, deren Verbindungen und Bezüge sich erst nach und nach erschließen. So ergibt sich ein komplexes Geflecht an Charakteren. Alle Figuren machen auf mich jedoch einen seltsamen Eindruck.

Auch die Geschichte selbst ist recht merkwürdig. Das erste Kapitel ist wirr und nahezu unverständlich. Scheinbar zusammenhanglos reihen sich Passagen aneinander, wechselt die Szenerie immer wieder ohne Übergang. Ein aufmerksames Lesen lohnt sich. Trotzdem habe ich die Lektüre auf den ersten 70 von nur rund 160 Seiten als äußerst frustrierend empfunden. Dann allerdings werden Stück für Stück die unterschiedlichen Puzzleteile zusammengesetzt und es offenbart sich die geschickte Konstruktion des Romans. Am Ende ist vieles klarer, wobei es mir dennoch nicht gelungen ist, beim ersten Lesen alle losen Fäden miteinander zu verknüpfen.

Inhaltlich ist der Roman philosophisch angehaucht. Es geht um Träume, Geister, Halluzinationen, Liebe, Einsamkeit und einiges mehr. Ein häufig auftauchendes Motiv ist auch die Hitze.

Vor allem aber dreht sich der Roman um die verschwimmenden Grenzen zwischen Realität und Fiktion. Selbst Ayami kann nicht mehr differenzieren, was sie tatsächlich erlebt und was sie sich womöglich einbildet. Zudem beinhaltet das Buch eine Menge surrealer und fast schon fantastischer Elemente. Ein weiteres Stilmittel, um diese Effekte zu bewirken, sind die vielen Wiederholungen von Formulierungen. Diese Anleihen aus „Die blinde Eule“ von Sadeq Hedayat werden nicht verschleiert, sondern sogar betont. Darüber hinaus ist unverkennbar, dass die Autorin sich bei Kafka bedient hat, dessen Werke sie ins Koreanische übersetzt hat.

Obwohl mir die Vielschichtigkeit und Tiefgründigkeit des Romans imponiert, ließ er mich auch ein wenig ratlos und enttäuscht zurück. Alles in allem ist mir die Geschichte nämlich zu abgedreht und zu sehr drüber.

Der deutsche Titel ist nicht die beste Wahl. Das Cover finde ich jedoch absolut passend.

Mein Fazit:
„Weiße Nacht“ von Bae Suah ist ein merkwürdiger, vielschichtiger und ungewöhnlicher Roman, der auch Fans surrealer Literatur einiges zumutet. Raffiniert konstruiert, aber für meinen Geschmack etwas zu wirr und bizarr.