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Veröffentlicht am 02.01.2022

Das Leben geht weiter

Das Geschenk
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Weihnachten steht vor der Tür und aus Mitleid hat Kathrin zugesagt zusammen mit dem verwitweten Klaus zu feiern. Er und seine verstorbene Frau waren gut mit Kathrin und ihrem Mann Peter befreundet und ...

Weihnachten steht vor der Tür und aus Mitleid hat Kathrin zugesagt zusammen mit dem verwitweten Klaus zu feiern. Er und seine verstorbene Frau waren gut mit Kathrin und ihrem Mann Peter befreundet und das gemeinsame Feiern war viele Jahre Tradition in den beiden Familien. Peter ist von der Vorstellung wenig angetan und bei der Ankunft gibt es dann direkt eine ziemliche Überraschung.

Das Geschenk ist keine gewöhnliche Weihnachtsgeschichte, wie der Titel vielleicht suggeriert. Vielmehr geht es in dem schmalen Büchlein um Freundschaft, Trauer, Verlust, die verschiedenen Sichtweisen von Personen auf das selbe Ereignis. Es geht um Vorurteile, um Traditionen, um das Bild, das man von einer Person hat, um eine gewisse Erwartungshaltung gegenüber dieser und über das Unverständnis, wenn diese sich anders verhält, als es "angemessen" ist. Aber was ist angemessen und wer legt die Parameter dafür fest?

Die Autorin legt eine gut durchdachte Charakterstudie vor und kommt mit ihrer Beschreibung direkt auf den Punkt. Der Leser findet sich in den Figuren wieder und wird sicher die ein, oder andere Situation schon ähnlich erlebt haben. Der Stil des Buches ist dabei aber nicht oberlehrerhaft, die Geschichte wird leicht erzählt, ohne den Ernst zu nehmen, humorvoll, mit einem Augenzwinkern, ohne ins Lächerliche abzudriften.

Das Buch müsste jetzt nicht zwingend an Weihnachten spielen, aber das Setting bekommt so einen besonderen Rahmen. Der Zeitpunkt ist in sofern gut gewählt, da man ja gerade an Weihnachten gern alles perfekt haben will und das Bedürfnis nach " heiler Welt" irgendwie größer ist, was eben auch erhöhtes Konfliktpotenzial bietet.

Das Geschenk zeigt wieder einmal, das man eben nicht hinter die Fassade sehen kann. Selbst das idealste Paar hat seine Probleme, selbst in der perfektesten Familie läuft nicht immer alles glatt und auch innerhalb einer jahrelangen Freundschaft gibt es Dinge, von denen man nichts weiß.

Ein wirklich lesenswertes Buch mit viel Stoff zum Nachdenken.

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Veröffentlicht am 04.11.2021

Wichtiges Buch

FRAUEN LITERATUR
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Ich habe mir vor dieser Lektüre nie wirklich Gedanken darüber gemacht, ob schreibende Frauen anders behandelt, verlegt, oder rezensiert werden. Allein wenn ich allerdings an meine Schulzeit zurückdenke, ...

Ich habe mir vor dieser Lektüre nie wirklich Gedanken darüber gemacht, ob schreibende Frauen anders behandelt, verlegt, oder rezensiert werden. Allein wenn ich allerdings an meine Schulzeit zurückdenke, fallen mir sofort etliche männliche Autoren ein, die Pflichtlektüre waren, bei Autorinnen ist mir tatsächlich nur Christa Wolf eingefallen. Schon merkwürdig. Auch beim erinnern an den Schullesestoff meiner Kinder kommen die allgegenwärtigen Namen zu Tage, Goethe, Schiller, Heine, Mann und ein, oder zwei modernere Stoffe, aber auch hier, Frauen definitiv in der Minderheit.

Nicole Seifert zeigt mit diesem Buch eindringlich und fundiert, dass dies keine verschobene Wahrnehmung ist, sondern Realität. Früher schon und auch heute noch. Während bestimmte Werke aus männlicher Feder ohne Unterbrechung hoch gelobt werden und als wervolle Klassiker gelten, sind Werke von Frauen, obwohl zur Erscheinung genauso erfolgreich, in Vergessenheit geraten. Viele dieser wunderbaren Geschichten werden seit einigen Jahren "wiederentdeckt" und die Lektüre lohnt sich, damals wie heute, denn anders als von Männern oft behauptet , können Frauen weit mehr als nur Liebesromane.

Ich selber muss gestehen, dass auch ich in einigen Rezensionen oft explizit darauf hinweise, dass ich erstaunt darüber bin, dass die Worte von einer Frau stammen. Gerade bei Thrillern geht mir das oft so, dass ich denke - wow, so brutal schreibt eine Frau. Aber warum ist das eigentlich so? Weil auch ich, unterbewusst, einer Autorin nicht zutraue, so schreiben zu können? Alles Quatsch, wie ich schon mehrfach lesen durfte, aber diese Denkweise schein tief in uns verwurzelt, vielleicht sogar anerzogen. In meinem Bücherregal liegt die Frauenquote übrigens überdurchschnittlich hoch, gerade was mein Lieblingsgenre Krimi/Thriller anfeht. Hier haben Autorinnen bei mir eindeutig die Nase vorn. Auf meiner Liste abgebrochener Bücher finden sich dagegen fast gar keine Autorinnen. Ich wähle meine Bücher eh nicht nach dem Namen, sondern nach dem Inhalt aus.

Nach der Lektüre ist auf jeden Fall klar, dass sich gerade auch im schulischen Bereich etwas ändern muss, aber natürlich vorrangig bei Verlagen, Verlegern und besonders männlichen Kritikern. Denn wie gesagt, Frauenliteratur hat weit mehr zu bieten als Rezepte, Haushaltstipps und Romantik. Meine Leseliste ist nach diesem Buch um einige wirklich interessante Bücher gewachsen.

Ein Muss für alle Leser und Literaturbegeisterten, unabhängig davon, welchem Geschlecht, oder welcher sexuellen Orientierung man sich zugehörig fühlt.

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Veröffentlicht am 17.10.2021

Böser Wolf

Harzhunde
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Ein Jäger wird Nachts von einem riesigen Tier angefallen, ein Schäfer entdeckt gerissene Schafe auf der Weide, treibt hier etwa ein Wolf sein Unwesen im Harz? Wolfsexpertin Maria ist vom Gegenteil überzeugt, ...

Ein Jäger wird Nachts von einem riesigen Tier angefallen, ein Schäfer entdeckt gerissene Schafe auf der Weide, treibt hier etwa ein Wolf sein Unwesen im Harz? Wolfsexpertin Maria ist vom Gegenteil überzeugt, auch noch, nachdem sie im Wald eine übel zugerichtete Leiche findet. Bald schon ist sie den Anfeindungen der Einheimischen ausgesetzt und bittet Privatdetektiv Stefan Blume um Hilfe, der zieht schnell beunruhigende Schlüsse und das seine eigene Vergangenheit ihn einzuholen droht, macht die Sache nicht gerade besser.

Harzhunde ist der zweite Krimi mit der Ermittlerfigur Stefan Blume. Ich habe das erste Buch nicht gelesen und habe es hier auch nicht vermisst. Die Geschichte steht gut für sich Allein und was man an Hintergründen aus Blumes mysteriöser Vergangenheit wissen muss, wird einem in gut eingestreuten Hinweisen präsentiert. Der Leser erfährt gerade so viel, wie für die Geschichte nötig ist, es bleibt genug im Dunkeln um Lust auf weitere Aufklärung in den nächsten Büchern zu machen. Ich denke das hat der Autor als roten Faden durch die Reihe geplant. Blume ist eine recht schwierige Hauptfigur und ich weiß nicht, ob ich ihn im wahren Leben mögen würde. Das wiederum macht ihn für mich als Leser natürlich sehr interessant. Die Geschichte spielt im Harz und beim Lesen bin ich ständig auf mir bekannte Orte gestoßen, auch das gefällt mir an diesem Krimi.

In seiner Story hat der Autor gleich mehrere Themen miteinander verbunden. Der Konflikt zwischen Landwirten und Tierschützern zum Thema Wolf ist nur eines davon. Den Titel des Buches kann man nach der Lektüre durchaus mehrdeutig verstehen.

Die Geschichte ist spannend geschrieben, als Leser folgt man gedanklich den Spuren, die Blume verfolgt und zieht so eigene Schlüsse. Eine Ahnung zum Mörder hatte ich relativ schnell, die Zusammenhänge haben sich aber erst nach und nach aufgerollt. Die Auflösung, lässt am Rande einige Fragen offen, die aber dem schon erwähnten roten Faden der Reihe zugeordnet werden können und somit später beantwortet werden. Ein gut geschriebener Krimi, ohne viel Schnickschnack, den man gut weglesen kann.

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Veröffentlicht am 03.10.2021

Amüsanter Hobbydetektiv

Der Rabbi und der Kommissar: Du sollst nicht morden
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Rabbi Silberbaum bekommt Besuch von einer älteren Dame aus seiner Gemeinde, sie erzählt ihm von ihren Eheproblemen und ihrem Entschluss zu ihrer Tochter nach Israel zu ziehen. Wenig später ist sie Tod, ...

Rabbi Silberbaum bekommt Besuch von einer älteren Dame aus seiner Gemeinde, sie erzählt ihm von ihren Eheproblemen und ihrem Entschluss zu ihrer Tochter nach Israel zu ziehen. Wenig später ist sie Tod, das Herz. Rabbi Silberbaum, leidenschaftlicher Krimileser, ist sich sicher, hier ist irgendwas nicht koscher.

Michel Bergmann hat schon in seiner Arbeit beim Film sein humoristisches Talent unter Beweis gestellt und auch dieser Krimi liest sich mit einem stetigen Schmunzeln im Gesicht, ohne ins absurde abzurutschen. Die Figuren sind teils liebenswert schrullig und haben ihre Eigenheiten, agieren dabei sehr harmonisch miteinander. Besonders die anfänglich unter keinem guten Stern stehende Beziehung zwischen dem Rabbi und Kommissar Berking entwickelt sich zu einem serienreifen Zusammenspiel. Der Grundstein für ein zukünftiges Dreamteam ist gelegt.

Der Autor stellt seinem Krimi mit einem Rabbi eine sehr besondere Ermittlerfigur voran. Der Leser bekommt so verschiedene Einblicke in die jüdische Lebensart. Auch hier ist manches mit einem Augenzwinkern zu sehen, wenn zb das Klischee der jüdischen Mama bedient wird, die ihrem Kind stets ein schlechtes Gewissen macht. Aber auch ernste Themen, wie die leider notwendigen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz der jüdischen Gemeinde werden kurz angesprochen, ohne den Krimi zu einem Politikum zu machen, oder eine Diskussion über Antisemitismus in das Buch einzubringen.

Das Buch ist kurzweilig und spannend geschrieben, es liest sich in zwei Tagen flott weg. Vordergründig ist hier der Weg das Ziel, Täter und Motiv haben Rabbi und Leser schnell ermittelt, es geht also darum das Ganze zu beweisen. Hier wird es kurz ein ganz klein wenig langatmig, aber wirklich nur ein kurz.

Dem Autor ist hier ein toller Einstieg in eine geplante Reihe gelungen, mit seiner smarten sympatischen Hauptfigur hat das Buch Wiedererkennungswert. Der Krimi ist klassisch aufgebaut und mit genau der richtigen Dosis Humor gespickt, das wird sicher viele Fans finden.

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Veröffentlicht am 23.09.2021

Geschwisterliebe!?

SCHWEIG!
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Esther hat am Tag vor Heiligabend eigentlich noch genug vorzubereiten und zu besorgen. Ein Besuch bei ihrer Schwester passt daher so gar nicht in ihren Zeitplan, allerdings fühlt sie sich dazu verpflichtet, ...

Esther hat am Tag vor Heiligabend eigentlich noch genug vorzubereiten und zu besorgen. Ein Besuch bei ihrer Schwester passt daher so gar nicht in ihren Zeitplan, allerdings fühlt sie sich dazu verpflichtet, schließlich ist Weihnachten und ihre Schwester lebt nach ihrer Scheidung ganz allein in einem riesigen Haus im Wald und niemand sollte doch an Weihnachten allein sein. Esthers Schwester, Sue, dagegen ist ganz zufrieden mit ihrem selbstgewählten Exil und ein Besuch ihrer Schwester das letzte, was sie gebrauchen kann. Sie versucht ihre Schwester einfach schnell wieder loszuwerden, aber diese redet und redet und redet.

Jeder kennt diese Situation, man will eigentlich allein sein, der Gegenüber allerdings versteht den Wink mit dem Zaunspfahl nicht und man wird ihn nicht los. Rund um diese Konstellation baut die Autorin ihre Geschichte, die grobe Züge eines Kammerspiels aufzeigt. Es gibt nur eine begrenzte Anzahl an Figuren, Esther, Esthers Mann, ihre beiden Kinder und die Schwester. Die Handlung findet fast ausschließlich in Sues Haus im Wald statt. Abwechselnd erzählt die Autorin die Geschichte aus der Sicht von Esther und Sue, später auch aus der von Esthers Mann. So passiert es, dass man ein und die selbe Situation aus verschiedenen Blickwinkeln erlebt und so natürlich den Konflikt der Geschwister auf einer ganz anderen Ebene mitverfolgt. Diese Art des Aufbaus passt hier sehr gut ins Konzept, gibt tiefe Einblicke in das Seelenleben der Protagonisten und untermauert ihr Handeln.

Das Buch beginnt mit einer eher ruhigen Alltagssituation, unterschwellig ist aber schon sehr früh eine gewisse Spannung zu spüren. Die Beziehung der Geschwister ist irgendwie ungesund, ohne das man direkt sagen könnte woran das liegt. Natürlich wird dieser Umstand im Verlauf aufgeklärt, wobei es die Autorin und ihre Figuren immer wieder schaffen den Leser zu überraschen und aufs Glatteis zu führen.

Der Thriller ist keiner der rasanten, in denen es viel Blut, oder Gewalt gibt. Die Spannung und das ungute Gefühl werden hier fast komplett auf der psychologischen Ebene erzeugt. Die Autorin beweist hier ein Händchen für das Schaffen einer komplexen und komplizierten Familienhistorie. Die Dynamik zwischen den Figuren ist mal liebevoll, mal bedrohlich, das Konstrukt familiärer Bindung wird perfekt wiedergegeben.

Schweig, der Titel des Buches, mit Ausrufezeichen, wandelt sich im Verlauf des Buches. Er ist fast ein Befehl, eine Bitte, ein Flehen, ein Wunsch, ein Mittel um den Alltag zu überstehen, eine Absicherung. Schweig, das Buch, ist ein intensiver Dialog, eine Aufarbeitung, eine krude Familienphilosophie, ein bisschen heile Welt und ein tiefer, verstörender Blick hinter die Fassade ebendieser. Am Ende bleibt die Erkenntnis, Familie hat man ein Leben lang, man sucht sie sich nicht aus und man wird sie nicht los, denn letztlich ist Blut dicker als Wasser und über manches sollte man besser schweigen.

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