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Veröffentlicht am 21.10.2021

Holländische Widerstandsbewegung im Zweiten Weltkrieg

Wenn die Schatten einmal weichen
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Lynn Austin, amerikanische Erfolgsautorin vieler christlicher Romane und im Besitz der meisten gewonnenen Christy Awards, greift in ihrem Roman "Wenn die Schatten einmal weichen" ein besonderes Kapitel ...

Lynn Austin, amerikanische Erfolgsautorin vieler christlicher Romane und im Besitz der meisten gewonnenen Christy Awards, greift in ihrem Roman "Wenn die Schatten einmal weichen" ein besonderes Kapitel des zweiten Weltkriegs auf: die Besetzung Hollands und die damit verbundene Verfolgung und Vernichtung sowohl von holländischen Juden als auch von deutschen Juden, denen rechtzeitig die Flucht aus Nazideutschland in das benachbarte Holland gelungen war.
Dies gelingt im vorliegenden Roman auf eine überaus spannende, aber auch ergreifende und realistische Weise und wird sehr empathisch durch drei Handlungsstränge, die zunächst losgelöst voneinander erzählt werden um dann immer mehr und immer näher miteinander verwoben zu werden, bis sich alles zusammenfindet und eine harmonische Einheit entsteht.
Wirkt der Roman auf den ersten Seiten recht beschaulich, wobei lediglich die Flucht eines Juden mit seiner Tochter aus Köln nach Holland für einige Aufregung sorgt, so steigert sich die Spannung zunehmend und das ganze Grauen offenbart sich mit dem Einmarsch der Deutschen und die sich daraus ergebende und den Alltag der Bevölkerung beherrschende zum Teil sehr grausame Herrschaft der neuen Besatzungsmacht.
Geprägt wird dieser Roman durch vier ganz besondere Frauen: Lena, Ans, Eloise und Miriam
Lena, die gemeinsam mit ihrem Mann Pietr und den drei Kindern Ans, Wim und Maaike einen Bauernhof in der Nähe von Leiden bewirtschaftet. Ans, der Ältesten und die der fast verhassten Idylle der bäuerlichen Umgebung entfliehen möchte, wird schweren Herzens ein Wegzug in die Stadt Leiden ermöglicht, wo sie eine Beschäftigung als Gesellschafterin von Eloise, Ehefrau eines an der Universität Leiden lehrenden Professors findet. Keine leichte Aufgabe, denn Eloise, in Belgien geboren und aufgewachsen leidet noch immer unter den Erlebnissen und harten Schicksalsschlägen des Ersten Weltkriegs. Und Miriam, eine junge Jüdin aus Köln, die – obwohl aus einer großen Familie stammend – letztendlich alleine mit ihrem Vater die Flucht nach Holland wagt und auch sicher ankommt.
Erlebt man hautnah und auch auf beängstigend realistische Weise die zunehmende Not der Bevölkerung durch schwindenden Nahrungsreserven aber auch durch die Willkür der Besatzungsmacht, so wird die überlieferte Hilfsbereitschaft der holländischen Bevölkerung gerade gegenüber jüdischen Mitbewohnern, auch wenn dies zur tödlichen Gefahr für das eigene Leben werden kann, auf eine überzeugende aber auch ergreifende Weise dargestellt. Über allem ist aber auch immer wieder die tiefe Glaubensverbundenheit der Autorin zu erkennen, die ihre Charaktere durchaus und sehr verständlich, angesichts des zunehmenden Grauens auch schon einmal am eigenen Glauben zweifeln lässt. Diese Krisen, aber auch die sich daran anschließenden Erkenntnisse und das Wiedererstarken des Glaubens an den Schöpfer dieser Welt werden begleitet durch das Einfügen von sehr treffendenden biblischen Versen, auf die oft von anderen Protagonisten, sei es Lenas verwitweter Vater, der als Pfarrer tätig ist oder auch durch Pietr, bodenständig und situationsbezogen erklärt werden. Eine große persönliche Bereicherung für das eigene Leben, ist man sicher schon selbst mit ähnlichen Fragestellungen konfrontiert worden.
Besonders hervorheben möchte ich aber auch die einfühlsame und verständliche Berücksichtigung jüdischer Sitten und Gebräuche. Dabei besonders berührend, dass sowohl ältere Juden, wie Miriams Vater, der sich nun wieder zu seinem nur in der Kindheit gelebten Glaube bekennt als auch junge Menschen wie Avi. Avi, etwas älter als Miriam und dem, allerdings ganz alleine, ebenfalls die Flucht aus Berlin gelungen ist, sich erst in Holland angekommen zum ersten mal in seinem Leben mit seinen jüdischen Glaubenswurzeln beschäftigt. Sich dazu bekennt und auch übernimmt – die gemeinsame Feier des Schabbat, dem sich nach und nach dann auch immer mehr Bewohner des Auffanglagers anschließen – ein sehr berührender Abschnitt.
Unbekannte Einblicke in den Widerstand, die verschiedenen Aktionen der Widerstandskämpfer und die damit verbundenen Gefahren für die anderen Familienangehörigen sorgen für spannende aber auch ergreifende Lesemomente. Dazu zählen vor allem aber auch die sehr gefährlichen Tätigkeiten in Verbindung mit dem Untertauchen nicht nur von Juden sondern auch von enttarnten Widerstandskämpfern. Vor allem wenn man nicht mehr weiß, wem zu trauen. Gerade diesen Aspekt würdigt die Autorin auf eine ganz besondere Art in der Beziehung zwischen Ans und einem jungen holländischen Polizisten, Erik, wobei fast bis zum Romanende nicht eindeutig zu erkennen ist, auf welcher Seite Erik steht. Eine unerwartete und faszinierende Hilfestellung erfolgt durch Eloise, deren Weitsicht und auch Verständnis in treffenden Worten eine großartige Überzeugungskraft verliehen wird.
Dieser Roman stellt eine ungemeine Bereicherung dar. Nicht nur, dass er die Zeit des Zweiten Weltkriegs auf eine mir bisher unbekannte Weise beleuchtet, sondern dass auch ein mutiges und überzeugendes Glaubensbekenntnis, gerade in schweren und krisengeschüttelten Zeiten, auf der Basis und mit der Zuversicht biblischer Aussagen getroffen wird.

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Veröffentlicht am 18.10.2021

Eine besondere Begabung als Traumberuf leben

Das Haus der Düfte
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Paris, ein gutes Jahr nachdem der zweite Weltkrieg endlich sein Ende gefunden hat und gleichzeitig Neubeginn für die 14jährige Anouk und ihre Mutter, mit Hilfe einer geerbten, allerdings durch die Kriegsjahre ...

Paris, ein gutes Jahr nachdem der zweite Weltkrieg endlich sein Ende gefunden hat und gleichzeitig Neubeginn für die 14jährige Anouk und ihre Mutter, mit Hilfe einer geerbten, allerdings durch die Kriegsjahre sehr heruntergekommenen Apotheke, ihren Lebensunterhalt wieder sicherstellen zu können. Wenn da nicht … Anouk heimlich von ganz anderen Lebensplänen träumt: sie möchte Parfums entwickeln. Ausgestattet mit einem ganz besonderen Geruchssinn öffnet sich ihr immer wieder eine Welt von Düften, die unweigerlich dazu führt, diese Duftnuancen zu kombinieren und Parfums herzustellen, um sie letztendlich den Menschen zur Verfügung stellen zu können.
Es braucht noch einige Jahre Geduld, bis Anouk durch reinen Zufall den Sohn aus einer Parfumdynastie, Stéphane Girard, kennenlernt und auch ihre Mutter endlich bereit ist, ihre Tochter ziehen zu lassen. Gemeinsam mit Stéphane in Grasse angekommen, muss sie sehr schnell feststellen, dass die dort ansässigen Parfumeure sich untereinander einen harten Konkurrenzkampf liefern und auch sie die ganze Härte dieses "duftenden" Geschäftszweigs kennenlernt. Aber nicht nur dies sorgt für aufregende Zeiten, sondern auch ein Familiengeheimnis, das nach und nach aufgedeckt wird.
Ein hochinteressanter Ausflug in die Welt der Düfte und Herstellung von Parfums. Wobei im Roman natürlich auch nicht der erforderliche besondere Geruchssinn zum Kreieren von Parfums nicht vergessen wird. Dies gelingt der Autorin ganz hervorragend in ihrer Geschichte um Anouk und Realisierung ihres Traums, der letztendlich in der Erfüllung eines ganz besonderen Wunsches bzw. Hoffnung endet. Sehr geschickt wird dabei die fiktive Geschichte mit der wunderbaren Welt der Düfte kombiniert, indem die Entwicklung und Herstellung von Parfums genügend Erzählraum gewährt wird und dies zudem überaus verständlich und zum Teil auch fesselnd beschrieben wird.
Die Charaktere haben mich bereits von der ersten Seite an überzeugt und vereinnahmt. Dabei konnte ich z.B. sehr gut nachempfinden, was in Anouk während der Wartezeit am Bahnhof von Paris vorgegangen ist. Viele zu viele Eindrücke für ihre empfindsame Nase …
Durchaus plausibel und "normal" die Reaktion von Anouks Mutter auf den Berufswunsch ihrer Tochter. Und dies in Zeiten, die vorrangig dem Aufbau und einem Neuanfang gewidmet werden mussten. Dann dieser exotische Wunsch einer Tochter im Teenageralter, damit sind Konflikte vorprogrammiert und werden schlüssig und authentisch dargestellt.
Auch die Konkurrenz zwischen den einzelnen Parfumbetrieben ist auf der einen Seite durchaus verständlich, aber auf welche Weise regelrecht gekämpft wird, das wurde fesselnd und spannend dargestellt.
Natürlich hat jede Familie, vor allem, wenn die familiären Unternehmenswurzeln wie bei Stéphane Girard bis ins Ende des 19. Jahrhunderts zurückreichen, ihre Familiengeheimnisse. Diese aber nach und nach mit und durch Anouk ans Tageslicht kommen zu lassen, hat mich nicht nur gefesselt, sondern auch sehr berührt.
Eine wunderbare Romanidee, die mir viel Neues über und aus der Welt der Düfte vermittelt hat. Und einer Geschichte, die mich von der ersten Seite an begeistert hat und von der ich sehr gut unterhalten wurde. Und einem Cover, das ich einfach nur als phantastisch bezeichnen kann – eine wahre Augenweide und mit unwahrscheinlich viel Liebe zum Detail gestaltet. Vergleichbar mit dem Flakon eines ganz besonderen Parfums. Es lohnt sich, diesen Roman nicht nur zu lesen, sondern das Buch auch zu besitzen.

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Veröffentlicht am 18.10.2021

Zwei Schwestern, eine Berufung: Heilung von kranken Kindern

Kinderklinik Weißensee – Jahre der Hoffnung (Die Kinderärztin 2)
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Die Autorin, Antonia Blum, verknüpft in einfühlsamer Weise und Geschick die Entstehung einer der ersten Kinderkliniken Deutschlands, die Kinderklinik Weißensee in Berlin, mit den fiktiven privaten und ...

Die Autorin, Antonia Blum, verknüpft in einfühlsamer Weise und Geschick die Entstehung einer der ersten Kinderkliniken Deutschlands, die Kinderklinik Weißensee in Berlin, mit den fiktiven privaten und beruflichen Lebenswegen von zwei früh verwaisten Schwestern, die schon sehr früh ihre besondere Begabung für die Behandlung von kranken Kindern gemeinsam leben können.
Schließt der erste Band, "Zeit der Wunder" mit dem erfolgreichen Bestehen der Prüfung zur Kinderkrankenschwester ab, so beginnt nun der zweite Band nach dem ebenfalls erfolgreichen Abschluss des Medizinstudiums von Marlene, der älteren der beiden Schwestern. Marlene, die noch ein abschließendes und erforderliches 12-monatiges Praktikum in Weißensee absolviert, ist zudem froh, dass ihr Verlobter Maximilian von Weilert, ebenfalls als Arzt tätig, aus dem ersten Weltkrieg zurückgekehrt ist. Allerdings traumatisiert durch die Erlebnisse in dieser Zeit sieht sich Marlene einer großen Herausforderung gegenüber. Als ob dies, neben ihrem schweren Stand als Medizinerin in einem von Männern dominierten Berufsstand, nicht bereits belastend genug wäre, muss sie, gemeinsam mit ihrer jüngeren Schwester Emma, nun auch noch im Jahr 1918 den Kampf gegen die todbringende Spanische Grippe aufnehmen.
Emma, alleinerziehend mit dem kleinen Theodor, sieht sich völlig überraschend und unerwartet dem Vater ihres kleinen Sohnes, Tomasz, gegenüber und muss nun auch diese Herausforderung meistern.
In diesem Roman finden historische Ereignisse mit großem Einfluss und mit großer Bedeutung auf verschiedene Bevölkerungsschichten eine teils ergreifende, in vielem aber auch berührende Weise Berücksichtigung. Dabei werden die das Romangeschehen tragenden Protagonisten mit sehr viel Verständnis und Einfühlungsvermögen gestaltet, wobei es dank des flüssigen und bildhaften Schreibstils schnell gelingt, sich, einer Zeitreise gleich, im Romangeschehen wiederzufinden. Dabei sind die persönlichen Probleme und Schwierigkeiten der beiden Schwestern sehr empathisch "in Szene" gesetzt. Überaus treffend und passend für die damalige Zeit: sei es nun Marlenes Kampf um Anerkennung ihrer großen Begabung als Ärztin oder die Auseinandersetzung Emmas mit dem leiblichen Vater ihres Sohnes und ihrem Status einer Alleinerziehenden.
Besonders eindringlich dargestellt aber auch die psychische Veränderung Maximilian von Weilert durch seine Kriegsteilnahme: diese Thematik noch heute so aktuell und auch ver- bzw. zerstörend wie damals.
Eine fesselnde und überaus gelungene Zeitreise in ein ergreifendes Kapitel deutscher Geschichte, das durch außergewöhnliche Protagonisten, mit individuellen zeitgemäßen Schicksalsschlägen und Entwicklungen. Fesselnd zu lesen, ergreifend geschrieben, unvergesslich beendet. Gut, dass die Autorin eine Trilogie geplant hat …

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Veröffentlicht am 13.10.2021

… ist eine bedingungslose, zeitlose und trotz ungewollter Trennung nicht endende Liebe – berührend und ergreifend.

Das Geheimnis der Hyazinthen
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Liebesromane zählen definitiv nicht zu meinem Lieblingsgenre – aber dieser Roman hat mich von der ersten Seite an in seinen Bann gezogen. Mit einer so wundervollen Geschichte, die

In zwei Erzählsträngen ...

Liebesromane zählen definitiv nicht zu meinem Lieblingsgenre – aber dieser Roman hat mich von der ersten Seite an in seinen Bann gezogen. Mit einer so wundervollen Geschichte, die

In zwei Erzählsträngen wird die Geschichte von Lilly und ihrer Mutter Iris erzählt. Iris, mit einer lebensverkürzenden Erkrankung in einem Pflegeheim lebend, registriert die zunehmende Überlastung von Lilly, da diese sich aufopferungsvoll, teilweise bis zur Erschöpfung, um ihre Mutter kümmert. Um Lilly eine mehr als dringend nötige Auszeit zu verschaffen, äußert Iris einen recht ungewöhnlichen Wunsch und leitet, ohne Lillys Wissen, bereits alles Notwendige in die Wege: Lilly soll im Garten des ehemaligen Elternhauses auf der Insel Sky eine Hyazinthe ausgraben, die Iris sehr viel bedeutet.
Lilly beginnt widerstrebend die aufgezwungene Reise und stellt sich mit großer Willenskraft der Herausforderung, im Februar eine Blumenzwiebel zu suchen und auszugraben. Dass durch die Suche in einer Umgebung, die ihr eine wunderschöne und unvergessliche Kindheit ermöglichte, nicht nur die Erinnerungen an längst vergangene Zeiten hervorgerufen werden, ist keine Frage. Als jedoch mit Liam ein Jugendfreund auftaucht, mit dem sie einst eine Art Hass-Liebe verband, sind heftige Diskussionen aber auch Missverständnisse vorprogrammiert.
Neben diesem Handlungsstrang in der Gegenwart wird auch die Geschichte von Iris, gut 30 Jahre früher und kurz nach ihrer Heirat erzählt. Ihr Leben weist neben einer herzergreifenden tragischen Liebesgeschichte auch unerwartete Schicksalsschläge aus. Im Rückblick auf diese Zeit wird nicht nur das Geheimnis um eine ganz besondere Hyazinthenart geklärt, sondern auch der Grund für den Verkauf des Hauses.
Dass sich noch ein anderes Geheimnis, das von sehr großer Bedeutung für Iris und Lilly ist, endlich auflöst rundet die ganze Geschichte auf eine sehr ergreifende und berührende Weise ab.
Mit sehr großem Geschick und Einfühlungsvermögen gelingt es der Autorin, die beiden Zeitebenen mit Leben zu füllen. Davon profitieren auch die Charaktere, die auf eine ganz besondere Art und mit sehr viel Empathie gestaltet werden. Beide überzeugen von Anfang an, wobei Lillys noch immer vorhandener Schmerz über den Verlust ihres Vaters fast greifbar zu spüren ist. Und Iris, die ihren Lebensmut und ihre Lebensfreude, vor allem aber ihre unerschöpfliche Liebe, nie verloren hat, sondern auch durch das Leid und die Sorgen, die sie trafen, bewahren konnte. Der Roman wird durch ihre Lebensgeschichte getragen. Mit einer Authentizität, Eindringlichkeit und überzeugenden Wirkung, die vergessen lässt, dass es sich um Fiktion handelt. Dabei besonders bemerkenswert, dass es der Autorin nahezu mühelos gelingt, die dörflichen Strukturen, Stimmungen und auch das Verurteilen bzw. die Vorbehalte bestimmter Gruppen innerhalb einer Dorfgemeinschaft aufzuzeigen. Erfrischend in diesem Zusammenhang aber auch die Unbekümmertheit, Sorglosigkeit und die positive Lebenseinstellung eines amerikanischen Paares, das sich zur gleichen Zeit wie Lilly im gleichen Ort aufhält und durch Ehrlichkeit und Offenheit schnell Freunde und Aufnahme findet.
Ein wunderbarer Roman, den ich sehr gerne weiterempfehlen möchte. Er bleibt in Erinnerung!

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Veröffentlicht am 13.10.2021

Ein Fürstbischof und ein Zuckerbäcker - eine faszinierende Geschichte im 16. Jahrhundert

Der Pfeiler der Gerechtigkeit
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Johanna Wilde zeichnet in ihrem neusten historischen Roman das Leben und Wirken des Fürstbischofs Julius Echter von Mespelbrunn nach. Bis in die heutige Zeit bekannt durch die auf sein unermüdliches Betreiben ...

Johanna Wilde zeichnet in ihrem neusten historischen Roman das Leben und Wirken des Fürstbischofs Julius Echter von Mespelbrunn nach. Bis in die heutige Zeit bekannt durch die auf sein unermüdliches Betreiben errichtete Universität von Würzburg sowie das Juliusspital. Dabei verknüpft die Autorin diesen Lebensbericht mit der fiktiven Gestalt des Simon Reber, der nach dem plötzlichen Tod seines Vaters als Lehrling in der Bäckerei seines Stiefvaters tätig ist Stiefvater und Stiefbruder lassen ihn immer wieder ihre Verachtung spüren, sodass Simon eines Tages kein anderer Ausweg bleibt, als sich auf den damals sehr gefährlichen Weg nach Venedig zu machen. Auf Betreiben des Apothekers Konrad Sterzing, Bürge für Simons Bäckerlehre, und seiner italienischen Ehefrau Teresa, konnte Simon eine Unterkunft verbunden mit einer Ausbildung zum Zuckerbäcker in Venedig vermittelt werden. Sein Talent in diesem Beruf ist unübersehbar und ermöglicht ihm gar den Meistertitel. Trotz dieses Erfolges und einer eigenen Familie fühlt er sich für seine im Haushalt des Stiefvaters lebende jüngere Schwester verantwortlich und lässt ihn nach Deutschland zurückkehren, um einen geeigneten Ehemann für sie zu finden. Dabei trifft er auf seine erste und unvergessenen Jugendliebe Julia Sterzing und er erlangt auf unvorhersehbare Weise Bekanntschaft mit Julius von Echter. Das Schicksal nimmt seinen Lauf und hat noch so manche überraschende Wendung vor allem Für Simon und Julia bereit …
Wieder einmal gelingt es der Autorin, wie auch mit den vorhergehenden historischen Romanen "Die Erleuchtung der Welt" sowie "Der Getreue des Herzogs", nicht nur eine recht unbekannte, aber äußerst interessante und einflussreiche Person längst vergangener Zeiten in die Gegenwart zu transportieren, sondern auch den historischen, vor allem bürgerlichen, Alltag in einer Art und Weise zu beschreiben und im wahrsten Sinne des Wortes lebendig werden zu lassen, dass man das hier und jetzt vollkommen vergisst. Und dabei werden die realen und auch fiktiven Personen mit großem Einfühlungsvermögen, vor allem aber auch Verständnis und überzeugenden Berücksichtigung ihrer jeweiligen Stellung, ob Adel oder ob bürgerlich, gestaltet. Charakterzüge, die sich in nachfolgenden Handlungen der Protagonisten zeigen, sind in dieser Kombination vollkommen im Einklang und ergeben ein realistisches Erscheinungsbild.
Besonders erwähnenswert gerade in Bezug auf den katholischen Fürstbischof ist die sehr sachliche und verständliche Berücksichtigung der religiösen Probleme zwischen dem Protestantismus und Katholizismus. Dabei scheut die Autorin auch nicht davor zurück, das Verhalten des Fürstabts von Fulda, Balthasar von Dernbach, kritisch zu beleuchten. Führte seine unvermeidliche Abdankung dann dazu, dass Julius von Echter zum Administrator des Stifts Fulda gewählt wurde – ein historisch überliefertes und zur damaligen Zeit in der katholischen Kirche sehr umstrittenes Verfahren.
Zusammenfassend ein Roman, der mich von der ersten bis zur Seite nicht nur bestens unterhalten hat, sondern den ich sehr ungern – wenn es zeitlich nicht anders möglich war – aus der Hand gelegt habe. Dabei habe ich mit zunehmender Begeisterung gerade die historische Person des Julius von Echter verfolgt. Ein spannender Lebensweg, eine faszinierende Persönlichkeit mit einer Lebenseinstellung und einem Weitblick, die ich von einer solchen Person in einer solchen Stellung niemals erwartet hätte. Überaus gelungen die erzählerische Kombination mit Simon Reber – auch sein Lebensweg überzeugend, stimmig, nachvollziehbar und teilweise sehr berührend. Eine absolute Leseempfehlung und ein historisches Romanhighlight in 2021!

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