Verliert sich unterwegs so ein bisschen...
Becoming ElektraDer Einstieg in diese dystopisch angehauchte Welt gelingt problemlos. Dazu trägt wohl nicht zuletzt auch der wahnsinnig angenehme Schreibstil des Autors bei. Das Buch hat sich sehr schnell und flüssig ...
Der Einstieg in diese dystopisch angehauchte Welt gelingt problemlos. Dazu trägt wohl nicht zuletzt auch der wahnsinnig angenehme Schreibstil des Autors bei. Das Buch hat sich sehr schnell und flüssig lesen lassen, die einzelnen Szenen war bildhaft und detailliert dargestellt und ließen sich leicht vor Augen führen. Christian Handel erzählt sehr temporeich, fast schon rasant und hält sich nicht an Kleinigkeiten auf. Die Atmosphäre, die dabei erzeugt wird, ist abwechslungsreich, packend und definitiv spannungsgeladen. Oftmals musste ich mich regelrecht zwingen, das Buch dann nach dem entsprechenden Abschnitt aus den Händen zu legen; einfach weil man stets animiert wird, weiter und weiter zu lesen. Und obwohl die Thematik etwas „anspruchsvoller“ ist, gab es doch keinen Moment, in dem das Verständnis fehlte. Für mich war der Stil und die Erzählweise der Zielgruppe für diesen Roman angepasst, ohne zu kindlich und einfach zu wirken. So konnte auch ich, die besagter Zielgruppe längst entwachsen ist, wunderbar mitfühlen und mich mitreißen lassen.
Die Gliederung, in Form von recht kurzen Kapiteln aus Isabel’s Sicht, spenden zusätzliche Kurzweiligkeit und fliegen mitsamt den Seiten nur so dahin. Mir gefiel auch die Tatsache, dass wir direkt aus der Ich-Perspektive lesen und so durch Isabel’s Augen blicken, denn das brachte sie uns näher und spielte der Handlung und dem Mitfiebern in die Karten.
Isabel selbst ist als Charakter, absolut sympathisch und liebenswert, wenn auch etwas durchschnittlich. Zwar wurde ihr mittels einer eingehenden Vergangenheit und viel Aufmerksamkeit einiges an Tiefgang verpasst, doch so recht abheben wollte sie sich dennoch nicht. Heißt aber nicht automatisch das ich sie nicht gern begleitete; im Gegenteil! Ich mochte die junge Frau sehr gern und fieberte und fühlte gleichermaßen mit ihr mit. Irgendwie hatte ich auch einfach Mitleid mit ihr, immerhin wird sie von jetzt auf gleich aus ihrem Leben gerissen und soll das einer völlig Fremden übernehmen. Und für das, das sie viel zu wenig Infos bekommt, macht sie das nicht mal wirklich schlecht. Es fiel mir aber alles in allem recht schwer, mich in Isabel so richtig hineinzuversetzen, immerhin war sie lediglich der Klon von Elektra; stieß aber auf ziemlich wenig Komplikationen. Einerseits freut man sich mit ihr, dass alles so reibungslos verläuft; andererseits kauft man es ihr bzw. der Geschichte nicht 100% ab. Nichts desto trotz emfand ich Isabel als eine gute Besetzung; mit der man die Geschichte gern durchlebt und deren Handlungen und Gedankengänge zumeist nachvollziehbar und glaubhaft ausfielen. Sie wirkte authentisch, auf ihre eigene Art und Weise und ihre Gefühle am eigenen Leib zu spüren, war auch nicht allzu schwer. Sie öffnete sich nach und nach und fand Personen, denen sie ihr Vertrauen schenkte und wirkte allgemein immer bedachter und weniger naiv. In ihr kämpfen eben auch mehrere Gefühlslagen, was in Anbetracht ihrer Situation nur verständlich war. Manchmal leistete sie erstaunlichen Widerstand und bewies damit Mut; dann wiederum kam die Angst an die Oberfläche – Angst um ihre Liebsten, um sich selbst. Aber manchmal, da schien sie Elektra’s Leben regelrecht verinnerlicht zu haben. Man merkt also: Isabel war vielschichtig und teilweise etwas flatterhaft; aber eben auch echt. Trotzdem fehlte mir bis zuletzt die Entwicklung – zumindest eine kleine Wandlung. Liest man den Klappentext, erwartet man einfach mehr von dem Klon, der plötzlich jemand anderes spielen soll.
Andere Hauptfiguren gab es in dieser Hinsicht nicht; jedoch kämpfen einige um die begehrten Rollen. Mir gefiel die Ausarbeitung der anderen Charakteren wirklich gut. Es gab eine große Bandbreite an undurchsichtigen Personen, an fragwürdigen Gestalten und auch einigen Sympathieträger. Ich konnte allerdings bis zuletzt nicht sagen, wer nur eine Maske trägt und wer es ehrlich mit Isabel meinte und das sorgte für eine Menge Spannung. Nicht jeder ließ sich nicht in die Karten schauen; aber der Großteil überzeugte! Aber auch die Antagonisten lieferten ganz schön Zündstoff. Was gingen mir gewisse Figuren auf die Nerven? An Herzlosigkeit und Eiseskälte kaum zu überbieten. Also in Sachen Darstellung und Vielfalt gibt’s nichts zu meckern – stattdessen ein großes Lob an den Autor.
Wo ich noch deutlich Luft nach oben sah, war in Bezug auf die Handlung. Die Idee, die der Klappentext verspricht, klang großartig und ich stellte mich auf einen undurchsichtigen, wendungsreichen Science Fiction Thriller ein, der sich mit dem Thema Klone beschäftigt und eben jenes auch ausführlich behandelt – vielleicht auch den Finger in eine gesellschaftliche Kritik legt. Doch der Einstieg versprach das auch noch ganz deutlich: ich kam wahnsinnig gut in die Geschichte rein, fand es interessant, wie die Klone, also Besitztümer von jemandem, der genug Geld hat, ihren Alltag bestreiten. Doch kaum soll Isabel Elektra’s Leben übernehmen, geht es schon rapide bergab mit der Innovation. Die ganze Sache mit den Klonen verläuft sich immer mehr im Sand und scheint allgemein nur Mittel zum Zweck gewesen zu sein, um Isabel irgendwie in Elektra’s Rolle gedrückt zu bekommen. Denn hat die Protagonistin erstmal „die Freiheit“ betreten, erfährt man zu den anderen Klonen und der Thematik allgemein, nichts mehr. Ich hätte mir viel tiefere Einblicke gewünscht mit mehr Hintergrund-Informationen und mehr Messages. Doch obwohl es immer wieder aufkommt, waren auch die Elemente nur dafür da, um die Geschichte am Laufen zu halten.
Versteht mich nicht falsch: ich fand es durchaus spannend; aber auf einer eher gewöhnlichen Ebene. Es kamen kaum frische Elemente ins Spiel und die Handlung verläuft, besonders im Mittelteil eher träge und es passiert sehr wenig. Da wäre doch jede Menge Raum gewesen, um näher auf die Grundidee einzugehen? Das Geschehen ist über weite Strecken sehr jugendbuch-typisch; die Thrillerelemente zeigen sich auch nur dann, wenn man sie zwingend braucht und ich hätte mir so viel mehr von der Handlung versprochen als nur ein stereotypischer Jugendroman mit gewissen Thriller-Aspekten. Die Überraschungen waren zu gering gesäht und daher gab es auch nur wenige Wendungen.
Durch die Kurzweiligkeit des Schreibstils und der allgemeinen Grundspannung (immerhin will man wissen, wer Elektra’s Mörder ist), wurde es zwar nie langweilig, doch der Wow-Effekt blieb gänzlich aus. Der drückte sich höchstens in den paar wenigen dystopisch-angehauchten Passagen aus, in denen sich zeigte, zu was die Technik im Jahre 2083 fähig sein könnte. Denn gerade die luden sogar stellenweise zum Träumen ein und waren sehr schön dargestellt. Trug aber eher nicht dazu bei, dass es temporeicher wird.
Das Ende, bzw. die Auflösungen, enttäuschten mich dann schlussendlich auch auf ganzer Linie. Der eine Schlüsselpunkt war überraschend vernichtend; spannungsloser lässt sich solch ein Plot sicher nicht auflösen.. der andere recht vorhersehbar daher. Lediglich das Tempo, das vom Autor dann doch noch endlich angezogen wurde, beeindruckte mich. Man rauschte ja bereits allgemein sehr durch die Geschichte; doch gen Ende überschlugen sich die Ereignisse nochmal auf ganz anderem Niveau und die Spannung war, trotz Vorhersehbarkeit, regelrecht greifbar. Manchmal ist es einfach nicht wichtig, wie etwas endet – sondern wie das Ende verpackt ist. Hier war es so ein Mittelding – einerseits enttäuschte mich der Schluss, andererseits fand ich ihn doch sehr schön ausgearbeitet und toll erzählt; egal wie „bekannt“ die Auflösung auch sein mag.
Allerdings mag ich noch fix was zum Epilog sagen: Das Buch wurde damals als Einzelband angekündigt und angepriesen. Jetzt kommt offensichtlich ein zweiter Teil dazu raus, was aber scheinbar nicht von langer Hand geplant war. Der Epilog allerdings wirft so viele Fragen auf, dass ich mich frage, wie das als alleinstehendes Buch hätte funktionieren sollen? Es bleibt so unglaublich viel offen; vieles wurde schlicht nicht beantwortet und spätestens nach dem Epilog hätte ich mich doch sehr aufgeregt, so abgespeist worden zu sein. (der Gedanke, ob der Epilog nachträglich geändert worden ist, kam mir dabei übrigens auch. Aber das Buch steht seit ET bei mir. Kann also auch nicht sein)
FAZIT:
Alles in allem war „Becoming Elektra“ eine gute, teils spannungsgeladene Geschichte für Zwischendurch, die sich schnell weglesen lässt und durch vielschichtige Charaktere Spaß bereitet. Mehr aber nicht. Ich kann den ganzen Hype um dieses Buch ehrlich nicht nachvollziehen, weil für mich vieles unstimmig ist. Die großartige Idee verläuft sich im Sand und wird zum altbekannten All-Age-Thriller mit ein paar wenigen, innovativen Ideen, die jedoch nur für die Atmosphäre da sind und nicht um die Handlung voran zu treiben. Auch das Ende war mehr enttäuschend als gelungen und der zweite Epilog warf viel zu viele Fragen auf. Es war ehrlich kein schlechtes Buch, aber deutlich weniger überraschend und innovativer als erhofft und erwartet. Nette, kurzweilige Unterhaltung – falls wer danach sucht; der ist hier richtig!