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Veröffentlicht am 04.06.2017

Vakkum Angst– Raffinierter und psychologisch meisterhaft inszenierter Thriller

AMNESIA - Ich muss mich erinnern
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Nachdem Helen erfahren hat, dass sie an Lungenkrebs im Endstadium erkrankt ist, verändert sich ihr Leben, denn die Erkrankung hinterlässt ihre Spuren. Von Nebenwirkungen und Therapien gezeichnet, wird ...

Nachdem Helen erfahren hat, dass sie an Lungenkrebs im Endstadium erkrankt ist, verändert sich ihr Leben, denn die Erkrankung hinterlässt ihre Spuren. Von Nebenwirkungen und Therapien gezeichnet, wird sie von ihrem Lebensgefährten Sven plötzlich verlassen. Scheinbar war der Bildhauer dem Ganzen nicht mehr gewachsen und konnte mit den psychischen Veränderungen Helens nicht mehr umgehen. „Leb wohl“, schreibt er zum Abschied und verschwindet.

Zutiefst verletzt und am Ende ihrer seelischen Kräfte entwickelt sie den Wunsch, sich mit ihrer Mutter auszusöhnen. Kurzerhand packt sie ihre Sachen und reist nach Berlin zu ihrer Mutter, die sie nicht sonderlich willkommen heißt. Ein paar Häuser weiter lebt Helens Schwester, die sich sehr über Helens Besuch freut. Doch bereits nach wenigen Stunden muss Helen feststellen, dass Kristins Ehemann Leon Kristin misshandelt. Noch in Gedanken, dass sie auf Grund ihrer Erkrankung nichts mehr zu verlieren hat, denkt sie darüber nach Leon zu töten, doch ehe sie sich versieht, wird dieser tatsächlich ermordet.

Helens Alibi steht auf schwachen Säulen, denn auf Grund ihrer ständigen Einnahme von Medikamenten, kann sie sich an die Mordnacht nicht mehr erinnern.

Hat Helen Leon getötet?

Die Autorin:

Mitte der Achtziger strandete die Saarländerin Jutta Maria Herrmann in Berlin, studierte Germanistik und Filmwissenschaften, sympathisierte mit der Hausbesetzerszene und stürzte sich ins Nachtleben. Sie war u.a. als Buchhändlerin, Putzfrau, Sekretärin, Synchrondrehbuch-Autorin und Veranstalterin von Punkkonzerten tätig. Heute arbeitet sie für eine Tageszeitung und lebt mit ihrem Mann, dem Autor Thomas Nommensen, vor den Toren Berlins. Nach "Hotline" und "Schuld bist du" ist "Amnesia" ihr dritter Thriller im Knaur Verlag. (Quelle: Droemer Knaur Verlag)

Reflektionen:

Amnesia ist ein raffinierter und psychologisch meisterhaft inszenierter Thriller, der mich bis ins letzte Detail überzeugt und begeistert hat. Amnesia wird in diesem Jahr zu meinen persönlichen Thriller-Highlights zählen.

Wie von einem Lasso eingefangen, zieht Jutta Maria Herrmann den Leser von den ersten Seiten an mit sich. Mühelos gelingt so der Einstig in die Handlung, die zahlreiche Wendungen und Überraschungen bereithält und bis zur letzten Seite fesselt.

In einem besonders flüssigen Stil erzählt Jutta Maria Herrmann die bedrückende, düstere Geschichte der an Krebs erkrankten, stark an sich selbst zweifelnden Helen. Literarisch stark im Ausdruck und doch sanft, bis manchmal anmutig, schreibt sie so einnehmend, dass man den Thriller nur schwer aus der Hand legen kann. Niemals umgangssprachlich und niemals ausschweifend blumig, ist dieser Thriller eine exquisite Praline.

Amnesia ist ein Meisterwerk des psychologischen Spannungsaufbaus, ohne zu beschweren. Die Handlung entwickelt sich stets erfrischend vorwärts und versinkt daher nicht in den Untiefen von Gedankenwelten der Protagonisten, wie in manchen, ständig gleichklingenden Thrillern inzwischen zu genüge Gang und Gebe. Jutta Maria Herrmann findet ein außergewöhnliches, gutes und gesundes Maß, den Leser hinein in die Gedanken der Hauptfigur eintauchen zu lassen und die Handlung spürbar weiterlaufen zu lassen.

Wenn auch die Hauptfigur Helen an Krebs erkrankt ist, dreht sich der Schwerpunkt der Geschichte nicht hauptsächlich um die Erkrankung selbst. Sie dreht sich vielmehr um Helens dramatische Empfindungen, als diese feststellt, dass ihre Gedanken nur noch unzureichend von Erinnerungsfetzen zusammengehalten werden und sie sich nicht an Begebenheiten erinnert, die zur Aufklärung des Mordes an Leon aufschlussreich wären. Sie wird schier wahnsinnig vor Angst, dass sie einen Mord begangen haben könnte.

Mit einem Schlag bin ich hellwach, lausche mit angehaltenem Atem in die Stille. Da ist jemand im Zimmer. Ich spüre die Anwesenheit einer anderen Person mit jeder Faser meines Körpers. Verzweifelt versuche ich, meine Augen zu öffnen. Aber meine Lieder sind so schwer, dass ich es nicht schaffe, so sehr ich mich auch mühe. Selbst das dünne Laken auf meinem Körper scheint Tonnen zu wiegen, drückt mich immer tiefer in die Matratze hinein. Ich bin wie gelähmt, vollkommen bewegungsunfähig. Angst kriecht in mir hoch, verdichtet sich in Sekundenschnelle zu Panik. Mein Herz stolpert, verfällt dann in einen immer hektischeren Rhythmus. Die Stille ist so tief, dass ich mich für einen Moment einbilde, spüren zu können, wie sie sich auf mich herabsenkt. (Zitat)

Helens Gemütszustand liefert reichlich Futter für die Zeichnung ihres Charakters. Ihre Selbstzweifel, Ängste und ihre Panik, bekommt der Leser mit voller Intensität und Authentizität zu spüren und oftmals berühren sie ihn zutiefst, denn Helen ist versunken in einer bedauernswerten, traurigen und erbarmungslosen Einsam- und Hilflosigkeit. Die Ich-Erzählweise der Hauptfigur ist geschickt gewählt, denn sie kurbelt die rasante Spannung und düstere Dramaturgie der Story an.

Die Handlungen der weiteren, raffiniert ausgearbeiteten Figuren greifen wie in ein Zahnrad in die Perspektive Helens ein und sie verleiten dazu, atemlos und pageturnerartig, Seite um Seite, vorwärts zu lesen. Dieses Ineinandergreifen beschert zahlreiche Spannungshöhepunkte, die mit Wendungen und Überraschungen einhergehen, die ursächlich in ihrer Entstehung, in den menschlichen Abgründen der wenigen Figuren zu finden sind.

Nach dem Jutta Maria Herrmann alle Nischen und Winkel der Story ausreichen beleuchtet und jeder Figur ausreichend Raum schenkt, lässt sie das Ende dennoch offen. Es erfolgt keine Auflösung bis ins Detail, aber es gibt flimmernde Lösungsansätze an die Hand, mit der sich der Leser identifizieren und seine eigene Interpretation gestalten kann. Trotzdem oder sogar deswegen verlässt er glücklich und hoch spannend unterhalten diese Geschichte.

Amnesia ist jenseits des Thriller-Mainstream-Abklatsches, ein absolutes Muss für jeden Thriller-Fan.

Fazit und Bewertung:

Amnesia – Ich muss mich erinnern ist ein raffiniertes Meisterwerk des psychologischen Spannungsaufbaus. Hoch spannend erzählt Jutta Maria Herrmann von der an Krebs erkrankten Helen, die ihre Gedankenwelt nur noch mit Erinnerungsfetzen zusammenhalten kann. Schier wahnsinnig vor Angst, muss Helen fürchten, einen Mord begangen zu haben.

Amnesia ist jenseits des Thriller-Mainstream-Abklatsches, ein geniales und absolutes Muss für jeden Thriller-Fan.

©nisnis-buecherliebe

Veröffentlicht am 30.05.2017

Obsession – Anspruchsvoller, gut durchdachter Thriller mit außergewöhnlichen Charakteren

Ein dunkler Trieb
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Björn Liebermanns Lebensgefährtin macht einen Karrieresprung und erhält einen neuen Job in Berlin. Wehmütig, weil er seine geliebte Hündin nicht mitnehmen kann, zieht Liebermann nach und lässt sich nach ...

Björn Liebermanns Lebensgefährtin macht einen Karrieresprung und erhält einen neuen Job in Berlin. Wehmütig, weil er seine geliebte Hündin nicht mitnehmen kann, zieht Liebermann nach und lässt sich nach Berlin versetzten. Widererwartend und entgegen aller Absprachen wird er in Berlin angekommen bei der Mordkommission eingesetzt, obwohl er genau dorthin niemals wollte. Als Krankheitsvertretung gibt man ihm direkt den erst besten Fall. Eine Frau wurde auf sadistische Weise ermordet. Recht schnell definiert Liebermann die Tat als Serienverbrechen. Müde wird er zunächst auf Grund seiner fehlenden Kompetenzen belächelt, aber schon bald darauf muss das Ermittlerteam erkennen, dass Liebermanns Schlussfolgerungen auf einen wahren Alptraum hindeuten.

Der Autor:

L.U. Ulder, Jahrgang 1958, wurde im Ambergau geboren und wohnt mit Familie und Hund im südöstlichen Niedersachsen. Das Faible für Kriminalliteratur ist beruflich bedingt, im Hauptberuf wird der Autor mit eben solchem Verhalten konfrontiert. L.U. Ulder ist ein Pseudonym. Der Autor ist Mitglied im Syndikat.

Reflektionen:

L. U. Ulder ist mit Ein dunkler Trieb ein vielschichtiger, fesselnder Thriller gelungen. In einer wunderbar klaren und ausdrucksstarken Sprache, klingen Sätze und Kapitel literarisch anspruchsvoll und ohne jeden Slang wohl formuliert. Unverblümt und schnörkellos, trifft der direkte Ausdruck stets den Kern der Fakten, während das Ermittlerteam kompetent und authentisch inszeniert ermittelt.

Für zart besaitete Leser ist Ein dunkler Trieb nicht der richtige Stoff. Wenn auch nur maßvoll und punktuell sadistische Verbrechen oder Beschreibungen snuffartiger Videos die Handlung einnehmen, wird dem Leser auch noch gnadenlos ein Touch Nekrophilie zugemutet. Trotzdem handelt es sich nicht um einen Thriller, der abartig viel Blut verströmen lässt oder ständig an der Ekelgrenze entlang kratzt.

Anspruchsvoll verpackt, sehr gut durchdacht und geschickt geplottet spielt L. U. Ulder intelligent mit den Perspektiven. Allein die wechselnden Erzählstränge und Kapitel sorgen dafür, dass die atemraubende Spannung mit reichlich Spannungshöhepunkten veredelt wird und so entwickeln sie diesen Thriller zu einem wahren, anspruchsvollen Pageturner.

L. U. Ulder lässt zahlreiche Figuren agieren, deren außergewöhnlichen Persönlichkeiten jeweils mit besonders interessanten Charakterzeichnungen aufwarten. Teilweise schicksalsträchtig, teils mit emotionalen Legenden, vereinen sie die Handlung und die kompetente Ermittlerarbeit zu einem harmonischen, abgerundeten Ganzen, das niemals vorhersehbar, stets aber glaubhaft dargestellt ist. Hin und wieder kann man Längen empfinden, aber man kann sie auch als gekonnte platzierte Verschnaufpausen hinnehmen.

Die Täterperspektive ist ein Geschenk, denn die spannend erzählte Präsenz von Handlungen und Denkweisen, erlaubt noch einmal einen gesonderten Blickwinkel auf das Geschehen der verstörenden und kaltblütigen Verbrechen. Der Täter sucht seine Opfer auf bizarre Weise aus, er lauert ihnen auf und er ist äußerst intelligent. Diese Intelligenz ist auch Macht und diese unterstreicht die düstere und oftmals schockierende Grundstimmung. Mehrfach krabbelt während des Lesens ein kalter Schauer den Rücken hoch und doch kann man diesen Thriller kaum aus der Hand legen.

Fazit und Bewertung:

Ein dunkler Trieb ist ein Ermittler-Thriller, der mit einem sehr sorgfältig durchdachten und intelligenten Plot besticht. Außergewöhnliche Charaktere runden die anspruchsvolle Handlung ab, die von sadistisch, skurrilen Verbrechen durchwoben ist.

Veröffentlicht am 29.05.2017

Unbändiger Hass oder das Zischen der Schlange – Hoch spannender, intelligenter Krimi mit taffen Ermittlern

Nachtfahrt ins Grauen
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In einem Wald bei Minden entdecken junge Leute einen auf grausamste Weise entstellten menschlichen Körper, der mit grauem Klebeband an einem Baum gefesselt ist. Männlein oder Weiblein, kann nur der kluge ...

In einem Wald bei Minden entdecken junge Leute einen auf grausamste Weise entstellten menschlichen Körper, der mit grauem Klebeband an einem Baum gefesselt ist. Männlein oder Weiblein, kann nur der kluge Rechtsmediziner später bei der Obduktion definieren, der sich beim Anblick der Leiche sicher ist, dass ein Auto mehrfach vor den wehrlosen Körper gerast ist.

Es handelt sich um die junge Anwältin Pia Baumgartner.

Kommissarin Marlene Borchert ist schnell klar, dass die Mindener Polizei Unterstützung von der Bielefelder Mordkommission benötigt. Zügig wird unter der Führung Benno Erdmanns eine Sonderkommission gebildet. Das Marlene und Benno einmal ein Paar waren, beeinträchtigt die Ermittlungen nicht, aber menschlich nähern sich die beiden nur sehr schwerfällig aufeinander zu.

Die Ermittlungen laufen auf Hochtouren, während die Sonderkommission kompetent ermittelt, doch bald darauf geschieht ein weiterer, brutaler Mord. Als Marlene scharfsinnige Schlussfolgerungen zieht und Benno nicht erreichen kann, droht ihre Vergangenheit sie aufs schärfste herauszufordern und dabei gerät sie in höchste Lebensgefahr.

Die Autorin:

Meike Messal wurde 1975 in Minden geboren. Nach dem Abitur lebte sie für einige Zeit in Israel und Südafrika und studierte in Hamburg Germanistik, Anglistik und Amerikanistik. Mittlerweile wohnt sie mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in ihrer Heimat und unterrichtet an einem Mindener Gymnasium. Nachtfahrt ins Grauen ist ihr erster Kriminalroman. (Polibris Verlag)

Reflektionen:

Meike Messals Regional-Krimi wurde mir als ein anspruchsvoller und gut durchdachter Kriminalroman empfohlen und genau so habe ich ihn empfunden.

Kriminalhauptkommissarin Marlene Borchert und ihr Team sind schockiert, als sie die auf bestialischste Weise zugerichtete Leiche erblicken und deutlich Vorsatz erkennen. Schnell ist klar, dass die Bielefelder Mordkommission zur Unterstützung angefordert werden muss, da die Mindener Polizei nicht über eine Mordkommission verfügt.

Als Marlenes ehemaliger Freund Benno Erdmann den Tatort betritt, starten umgehend kompetente Ermittlungen, doch zwischenmenschlich steht etwas zwischen ihnen. Benno hat es nie überwunden und verstanden, dass Marlene ihn seinerzeit zurückwies und lange Zeit bleibt der Leser im Unklaren darüber, welche partnerschaftlichen Probleme Marlene und Benno hinter sich ließen. Erst nach und nach, nachdem man die Figur der Marlene näher kennenlernt, kann nachvollzogen werden, warum sie einerseits mit Zurückhaltung, aber auch mit bewussten Verletzungen gegenüber Benno reagiert.

Meike Messal hat nicht nur einen spannenden, temporeichen Kriminalroman abseits vieler Klischees entwickelt, sondern auch eine zarte, gefühlvolle Liebesgeschichte maßvoll inszeniert, die dem Kriminalroman ein besonders harmonisches Flair und eine angenehme Tiefe verleiht.

Das Besondere an diesem Kriminalroman ist auch die Darstellung des Täters, an dessen Gedanken und Handlungen man teilhaben kann, die weit in dessen Vergangenheit zurückgehen und tatsächlich empathische Reaktionen und Betroffenheit auslösen. Das authentische Motiv des Täters entwickelt sich langsam bis zur dramatischen Sichtbarkeit und es schockiert emotional.

Seine kleinen Finger waren Schmutzverkrustet. Sie hatten die Gitter des Laufstalls fest umklammert. Mit leerem Blick stierte er auf die weiße Wand. Seine Energien waren verbraucht, er hatte sich heiser geschrien und war vor lauter Erschöpfung eingeschlafen. Weil er fror, war er wieder aufgewacht. Er hatte versucht, unter den verschmutzten Windeln, die überall im Laufstall lagen, etwas Wärme zu finden. Doch sie waren nass, und er hatte nur noch gezittert. (Zitat)

Der Einstieg in die Geschichte gelingt mühelos. Sofort befindet man sich inmitten des Geschehens und lässt sich gern fesseln. Nur schwer kann man diesen Krimi aus den Händen legen, denn viele Details warten darauf entdeckt zu werden. Bald erkennt man, dass jede erwähnte Kleinigkeit zuverlässig erneut aufgegriffen und auch aufgelöst wird, sodass man sich einem angenehmen Lesegenuss hingeben kann.

Meike Messal schreibt in einer besonders klaren und gradlinigen Sprache. Schnörkellos, aber pointiert manchmal sogar poetisch. Wer nun glaubt die Autorin nehme sich zurück, wenn die bestialischen Verbrechen geschildert werden, der täuscht sich. Direkt und unverblümt bringt Meike Messal die angewandte Gewalt auf den Punkt ohne aber das Gefühl zu vermitteln, man hielte ein bluttriefendes Buch in Händen. Bis auf entstellte Leichen, geht es recht unblutig zu, denn der Schwerpunkt des Kriminalromans entwickelt sich eher durch einen geschickten psychologischen Aufbau und das hervorholen abtrünniger Vergangenheiten gleich mehrerer Figuren.

Die Charaktere sind sehr ausführlich gezeichnet, ohne dass sie die Geschichte überladen würden. Das Kennenlernen der Figuren erfolgt während sich die Handlung entwickelt. Im Besonderen, sticht die Persönlichkeit der Kommissarin Marlene hervor. Sie ist taff, sympathisch und fachlich stark. Sie schreit all ihren Frust aus sich heraus, indem sie mit ihrem Motorrad durch das Mindener Umland rast. Tief in ihr verborgen liegt eine zähe, verletzliche Vergangenheit, die immer wieder durch schreckliche Alpträume aufblitzt. Marlene tritt energisch gegen diese an und versucht sich der Kompetenz des Klarträumens (bewusstes Träumen).

Deine Kindheit ist vorbei, und du wirst sie nicht mehr ändern. Deine Vergangenheit gehört zu dir, doch es hilft nicht, in ihr zu leben. Das Jetzt und Hier ist das, was wirklich zählt. Jeden Tag liegen neue vierundzwanzig Stunden vor dir. Die du ausfüllen kannst. Mit Rückblicken, Zweifeln, Trauer und Wut. Oder aber du kannst Ja sagen zu dem Leben, das an deine Türe klopft. Niemand kann dir versprechen, dass es nicht neue schwere Päckchen vorbeibringt. Aber wenn du die nicht annimmst, dann öffnest du auch nicht die mit den Glücksmomenten. Die mit Freude, die mit Lachen, mit Kraft. Und genau solche sind es doch, die das Leben ausmachen. Zitat)

Sehr gut gefallen hat mir die Charakterzeichnung des Täters, die erst langsam zu einem ganzen Bild heranwächst, denn diese ist differenziert, da sie die Entwicklung des Täters und seines Motivs realitätsnah darstellt.

Intelligente Perspektivwechsel lassen nervenaufreibende Cliffhanger entstehen, die hauptverantwortlich für zahlreiche Spannungshöhepunkte sind, die die gleichbleibend spannende Grundstimmung noch einmal mehr hervorheben. Niemals reißt der rote Faden ab und wenn man glaubt, ja, jetzt wird dieser Krimi hervorsehbar, dann belehrt Meike Messal den Leser durch gekonnte Wendungen und Überraschungen eines Besseren.

Im Herbst 2017 wird ein Nachfolger erscheinen.

Fazit und Bewertung:

Nachtfahrt ins Grauen ist ein gut durchdachter, hoch spannender Kriminalroman. Er besticht durch eine vielschichtige Handlung und intensive Charakterzeichnungen. Die Geschichte ist in sich harmonisch, obwohl er schockierende Einblicke in abtrünnige Seelen offenlegt.

Geheimtipp.
Absolute Leseempfehlung.

©nisnis-buecherliebe

Veröffentlicht am 28.04.2017

Radikales Gedankengut – Brisant, spannend, erschreckend real

Der Gefährder
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Nach der Festnahme zweier Neonazis, die ein Asylantenheim mit Molotowcocktails in Brand gesteckt und Flüchtlinge brutal attackiert hatten, verrät einer der Festgenommenen den führenden Kopf. Sofort ist ...

Nach der Festnahme zweier Neonazis, die ein Asylantenheim mit Molotowcocktails in Brand gesteckt und Flüchtlinge brutal attackiert hatten, verrät einer der Festgenommenen den führenden Kopf. Sofort ist der Verfassungsschutz zur Stelle, spendiert eine neue Identität, bildet ihn aus und schleust ihn in die Salafisten-Szene.

Ein mutiges und brisantes unterfangen, da der V-Mann deutscher Staatsbürger ist und er sich seine Anerkennung als Dschihadist bei der IS zunächst erkämpfen muss. Kaum gefestigt plant er seinen eigenen, skrupellosen Terror.

Hauptkommissar Frank Sommer und sein Team müssen bald erkennen, dass der Terror in der Provinz Ostwestfahlens Einzug gehalten hat. Noch ahnt aber niemand, dass sie den bald mit geballter Kraft zu spüren bekommen.

Der Autor:

Rolf Düfelmeyer, geboren 1953 in Herford, war lange Jahre als evangelischer Pfarrer und Religionslehrer in Werther und Lübbecke tätig. Seit 2012 schreibt er Krimis mit regionalem Bezug zu Ostwestfalen. Dabei legt er Wert auf eine spannende Handlung, die eingebettet ist in das gesellschaftliche Leben unserer Zeit. Er lebt mit seiner Frau, einer gebürtigen Bielefelderin, in Werther bei Bielefeld. Sie haben zwei erwachsene Söhne und freuen sich über zwei Enkeltöchter.

Reflektionen:

Autor Rolf Düfelmeyer hat mich bereits nach nur wenigen Seiten von seinem schriftstellerischen Talent überzeugt. Im ersten Kapitel gleich, Die Anwerbung, nahm er mir prompt den Atem, als er dramatisch schildert, wie ein Asylantenheim mit Molotowcocktails beworfen wird und Neonazis auf brutalste Weise Anwohner angreifen.

Erschreckend, brutal, bedauerlicherweise real.

Ich bin erleichtert, komme wieder zu Atem, als zwei Verhaftungen der Neonazis noch vor Ort erfolgen, bevor die Handlung seinen Lauf nimmt, unter die Haut geht und in tiefe menschliche Abgründe blicken lässt.

Rolf Düfelmeyer verarbeitet in seinem Kriminalroman reale, politische Geschehen, die uns durch die tägliche Berichterstattung der Medien zu genüge präsent sind. Rolf Düfelmeyer schreibt nicht nur von brutalen Übergriffen auf Flüchtlinge und von der Salafisten-Szene, sondern er greift die wohl bekannten Verstrickungen der NSU-Affäre auf, bedient sich dazu seiner schriftstellerischen Fantasie und zeichnet daraus Verbrechen, die genau so hätten geschehen sein könnten.

Während brisante, politische Geschehnisse aufwendig recherchiert sind, das Allgemeinwissen des Lesers bezüglich NSU-Affäre, Salafisten-Szene, Nationalsozialismus, IS und Mafiatum maßvoll ergänzt werden, verpackt Rolf Düfelmeyer Fakten in eine rundherum harmonische geschriebene Geschichte, die durch die Figuren der Story unfassbar lebendig und authentisch wirkt.
Dabei bedient er sich auf angenehme Weise kaum eines Ermittler-Klischees. Die Polizeitruppe um Hauptkommissar Frank Sommer ist ein sich ergänzendes Team. Kollegialer und freundschaftlicher Umgang, gepaart mit kompetenter Ermittlertätigkeit, führt zu klugen Schlüssen, die gut begründet nachvollziehbar und sinnvoll erscheinen. Als Leser erhält man genug faktisches Futter und Informationen, um selbst mit zu ermitteln, bis die letzte Seite in einem rasanten Tempo gelesen ist. Kopfkino pur.

Die hohe Spannung, Kapitel für Kapitel, reißt nicht ab und nichts in diesem Kriminalroman ist vorhersehbar. Die Grenze zwischen Fiktion und Wirklichkeit ist kaum zu greifen, sodass man sich immer wieder erinnern muss, dass dieser intelligent verschnürte Kriminalroman der Realität „nur“ sehr nah kommt.

Zitat:

Alle drei schrien: „Allahu Akbar!“ Die Äußeren reckten die Arme in die Höhe und der Mittlere fuhr langsam, fast genüsslich, mit der scharfen Klinge durch die Kehle seines Opfers. Blut spritzte in großen Mengen hervor. Die Kamera hielt alles in brillanten Bildern fest. Mit einem zweiten heftigen Hieb wurde der Kopf vom Rumpf getrennt. Schließlich viel der bereits leblose Körper zu Boden. Erneut „Alluha akbar“ schreiend wurde der Kopf des Opfers und das bluttriefende Messer in die Höhe gereckt. Dann schwenkte die Kamera auf die schwarze Fahne der IS im Hintergrund und das Video war zu Ende.

Anspruchsvoll und in einer angenehmen klaren Sprache geschrieben, gleitet man geschmeidig durch die Seiten. Verblümtes ist nicht zu finden, wohl aber ein erfrischend eingearbeiteter regionaler Bezug zu Ostwestfahlen. Da Rolf Düfelmeyer lange Jahre evangelischer Pfarrer und Religionslehrer war, lässt er hier und da Religiöses kurz, knackig und pointiert einfließen und doch sind es gläubige Botschaften, die er maßvoll platziert.

Die Figuren sind wohlgeformt. Authentisch durch Ecken und Kanten zeichnen sich Charaktere, die, bis auf die bösen Figuren, äußerst sympathisch und lebensnah sind. Die sogenannten Bösen hingegen sind Abbilder typischer Radikaler, deren soziale Hintergrundgeschichten die Handlung noch einmal mehr bereichern.

Rolf Düfelmeyer rüttelt auch an den Emotionen des Lesers, denn als die Frau des Kommissars entführt wird und Videobotschaften mit flatternder IS-Fahne im Hintergrund beschrieben werden, spürt man die Angst des verzweifelten Frank Sommers. Hierbei produziert der Autor eine Stimmung, die düster und gewaltgeschwängert nicht mehr loslässt.

Fazit und Bewertung:

Rolf Düfelmeyer hat mich mit Der Gefährder absolut überzeugt und gefesselt, denn dieser Kriminalroman ist so spannend erzählt, so gut recherchiert und so erschreckend nah an der gesellschaftlichen Wirklichkeit.

Dieser Kriminalroman wird noch lange in mir nachklingen und ich packe ihn zu den Highlights 2017 in mein Bücherregal.

Leseempfehlung!

©nisnis-buecherliebe

Veröffentlicht am 21.04.2017

Der Klang der Todesangst – Psychologisch raffiniert und äußerst fesselnd

Sieben minus eins
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1. Teil der neuen Krimi-Serie um das Ermittlerduo Sam Berger und Molly Blom

In einem Labyrinth artigen Keller stößt Kriminalkommissar Sam Berger auf die Leiche einer jungen Frau, die unter mysteriösen ...

1. Teil der neuen Krimi-Serie um das Ermittlerduo Sam Berger und Molly Blom

In einem Labyrinth artigen Keller stößt Kriminalkommissar Sam Berger auf die Leiche einer jungen Frau, die unter mysteriösen Umständen verschwand. Er entdeckt Spuren, die nur jemand hinterlassen haben kann, der Sam gut kennt und die für ihn zusätzlich auf einen Serientäter hindeuten. Allerdings gibt es keine weiteren Opfer.

Sam Berger steht mit seinen Theorien alleine da, gerät unter Beschuss und ermittelt schließlich auf eigene Faust, doch sein Vorgesetzter zeigt dafür nur wenig Verständnis und droht ihm mit der Entlassung.

Als ihn seine Ermittlungen in seine Vergangenheit zurückführen muss er erkennen, dass ihn verloren geglaubte Erinnerung mit dem grausamen Verbrechen verbinden und ein mörderisch, psychologisch abtrünniges Katz und Maus Spiel beginnt.

Der Autor:

Arne Dahl, Jahrgang 1963, hat mit seinen Kriminalromanen um die Stockholmer A-Gruppe eine der weltweit erfolgreichsten Serien geschaffen. International mit zahlreichen Auszeichnungen bedacht, verkauften sich allein im deutschsprachigen Raum über eine Million Bücher. 2012 begann er mit »Gier« ein neues Thriller-Quartett, dessen Folgebände »Zorn«, »Neid« und »Hass« ebenfalls Bestseller wurden. »Sieben minus eins«, das mehr als ein halbes Jahr unter den Top 10 der deutschen Bestsellerliste war, ist der erste Fall für Arne Dahls Ermittlerduo Berger & Blom. (Quelle: Piper Verlag)

Reflektionen:

Seit vielen Jahren lese ich die Romane von Arne Dahl total gern, denn er bewegt sich immer in einer düsteren, typisch skandinavischen Atmosphäre, die ich lesend so sehr genieße. Vor gar nicht langer Zeit hat er mich zwar auch schon mal enttäuscht, aber mit Sieben minus eins kehrt der Meister definitiv mit voller Wucht zurück und er verspricht mit seinem Werk, den Anfang einer neuen Ermittlerserie.

Arne Dahl umgibt seine Figuren mit tiefgründiger Melancholie und er zeichnet sie authentisch und ausführlich. Ob Gut oder Böse, den Blick in die Seelen der Figuren erlaubt er stets, sodass man für sich abwägen und ermitteln kann, denn die Auflösungen lassen bis zum Schluss auf sich warten, ohne dass sie annähernd vorauszuahnen wären.

Sieben minus eins ist psychologisch raffiniert aufgebaut und die wirklich abtrünnigen Wendungen und intelligenten Querverbindungen der Figuren miteinander, sind fast schon abstrus. Gewaltvolle Verbrechen schnüren ein blutiges Paket, das so brutal an den Nerven des Lesers zehrt und ihn in eine unheimliche und geheimnisvolle Stimmung hineinmanövriert, aus der er nicht mehr loskommt, bis die letzte Seite gelesen ist.

Für mich persönlich, typisch Arne Dahl, produziert der Sprachgewandte Autor leider immer wieder auch Längen, die man aber gut zum Atemholen verwenden kann, bevor die Spannung immer wieder Spannungshöhepunkten entgegenfliegt.

Interessant und anspruchsvoll geschrieben, erzählt dieser Kriminalroman davon, wie sich das neue Ermittlerduo zusammensetzten wird. Zunächst kämpfen die zwei unerbittlich gegeneinander, bis sie auf einer gemeinsamen Linie, sich ergänzend, ein harmonisches Team abgeben. Nicht ganz unschuldig daran ist eine gemeinsame, in Vergessenheit geratene Vergangenheit, die voller enormer Schrecken, psychischem Terror und auch gemeinsamen Leids erbarmungslos und voller Qual erneut wieder ins Licht rückt.

Nicht alle Figuren sind sympathisch, auch das ist eine Signatur des Autors. Seine Protagonisten weisen ausgefranste Ecken und scharfe Kanten auf und passen nicht ins Schema F. Sie sind weit entfernt von einem Klischeetum, denen sich viele Autoren so gern bedienen und das unglaublich langweilt.

Schreibstil und Ausdruck Arne Dahls sind verlässlich wohlgeformt und seine klare, angenehme Sprache erlaubt sowohl einen leichten Einstig in die Geschichte, als auch ein rasches Vorankommen in der Handlung. Sprachlich setzt Arne Dahl in diesem Kriminalroman seinem Können noch einmal ein Krönchen auf und er formuliert ganze Kapitel, in einer klangvollen und anmutigen Sprache, ohne den roten Faden Spannung zu unterbrechen.

Die Entwicklung der Handlung und die der Figuren wird durch eine Schraube aus Tempo und Grauen zu einem harmonischen Gesamtpaket entwickelt, bevor ein fulminantes Ende Verstrickungen auflöst, das wahrhafte Überraschungen bereithält.

Die Suche nach den verschwundenen Mädchen gestaltet sich durch glaubhafte Ermittlertätigkeiten, allerdings überschreitet das Duo dabei zahlreiche Grenzen der Legalität und gerät so selbst in höchste Lebensgefahr, die unglaublich fesselt und ein hoch spannendes Lesevergnügen garantiert.

Aber, Arne Dahl schreibt nicht nur anspruchsvoll, sondern auch komplex und wer die erforderliche Konzentration beim Lesen nicht aufbringen kann oder will, der sollte von diesem Thriller lieber Abstand nehmen.

Fazit und Bewertung:

Arne Dahl ist mit diesem Kriminalroman mit voller Wucht zurück. Vielversprechende und interessant gezeichnete Charaktere bilden ein neues Ermittlerduo, das in düsterer und geheimnisvoller Stimmung grausame Verbrechen aufklärt, die hoch spannend unterhalten.

©nisnis-buecherliebe.de