Die ewige Flucht
Nowhere GirlEin Kind (Bhajan/Cheryl Diamond) wird in eine Familie geboren, die ständig auf der Flucht ist: mit zwei älteren Geschwistern, Vater, Mutter. Die Familie flieht von Ort zu Ort, von Land zu Land, von Kontinent ...
Ein Kind (Bhajan/Cheryl Diamond) wird in eine Familie geboren, die ständig auf der Flucht ist: mit zwei älteren Geschwistern, Vater, Mutter. Die Familie flieht von Ort zu Ort, von Land zu Land, von Kontinent zu Kontinent. Die Pässe werden ständig ausgetauscht, bzw. verbrannt, neue Namen angenommen und neue Lebensumstände erfunden. Die Kinder müssen immer wieder aufpassen, dass sie sich nicht verplappern und aus ihrem vorherigen Leben etwas preisgeben.
Das ist vielleicht für einige Zeit ganz aufregend und stellt jedes Mal neue Anforderungen. Langweilig wird es nicht. Doch der Vater schwört seine Familie intensiv darauf ein, auch mit Gewaltandrohung, dass sie eine verschworene Gemeinschaft zu sein haben. Bei dieser Art von Leben können die Kinder kein normales Leben führen, keine Freunde haben und nicht mal in eine Schule gehen, sie werden zu Hause von der Mutter unterrichtet. Interpol jagt die Familie. Doch warum?
Zuerst fühlt sich das Buch wie eine Reisebeschreibung an. Kaschmir, Punjab, Indien. Abenteuer, Unfall mit dem Auto, Abhauen vor den Soldaten. Am Anfang freute ich mich für Bhajan, die so nett im Kreise ihrer Familie aufgehoben schien. Doch dann traten die Probleme zutage. Trotz der ‚Flucht‘, ständig unterwegs sein, zwangen die Eltern ihre Kinder in ‚wir sind die Besten‘. Leistungsdruck erster Klasse. Anfänglich habe ich meine eigene Kindheit mit Bhajans Kindheit verglichen und sagte mir, sie war immer von der liebenden Familie umgeben. Doch dann sind einige Vorfälle aufgetreten, wo es schlimm wurde. Schockstarre. Und ich erinnerte mich an die Warnung am Anfang des Buches…
Die Reaktionen der Kinder (die große Schwester, die als 17jährige die Mutter tritt; Bruder Frank und sein Verhalten; das Verhalten der großen Geschwister zueinander mit tätlichen Angriffen), das Verhalten des Vaters – all‘ das spricht von einer dysfunktionalen Familie. Da ist nichts von Liebe zu spüren. Meine anfängliche Frage war, was macht das mit dem Mädchen Bhajan? Nichts Gutes... Dass Bhajan / Cheryl Diamond den Absprung geschafft hat zeugt von ihrer großen Kraft, doch bestimmt auch unter großem Leid getätigt.
Als das Buch ankam war ein Schmöker-Abend geplant. Es wurde eine Nachtschicht daraus, denn die Geschichte der jungen Frau fesselt dermaßen. Mich hat das Schicksal dieser starken Frau enorm beschäftigt: Es ist wunderbar mitzubekommen, dass Cheryl/Bhajan viel Kraft entwickelt - trotz der widrigsten Umständen - sich aus dem Sog Flucht, Verbrechen, Gewalt zu befreien. Kinder können sich ihre Eltern nicht auswählen, sie werden in eine Situation hineingeboren, aus der sie sich entweder mit viel Kraft befreien können oder kärglich untergehen. Bhajan ist stark, auch wenn sie einen hohen Preis dafür bezahlte (keine Gefühle zulassen, Arbeiten bis zum wortwörtlichen und tatsächlichen Umfallen).
Ich wünsche der Autorin viel Kraft im Leben und viel Erfolg für das Buch!
Cheryl Diamond, Nowhere girl
Edel Verlagsgruppe