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Veröffentlicht am 30.10.2021

"Es ist ehrenwert, sich der Schönheit zu widmen." (Estée Lauder)

Ein Traum von Schönheit
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1928 New York. Die junge Esther Mentzer unterstützt ihren Onkel John in der Apotheke bei der Herstellung von Salben und Medikamenten, obwohl sie insgeheim auf eine Karriere am Broadway hofft. Doch das ...

1928 New York. Die junge Esther Mentzer unterstützt ihren Onkel John in der Apotheke bei der Herstellung von Salben und Medikamenten, obwohl sie insgeheim auf eine Karriere am Broadway hofft. Doch das Zusammenmischen von pflegenden und heilenden Cremes weckt ebenfalls ihr Interesse und stachelt sie schon bald an, eigene Kreationen zu entwickeln. Vor allem ihre „All Purpose Creme“, die sie in kleinen Marmeladengläsern an Hotels, kleine Friseur- und Schönheitssalons sowie im Nachbar- und Bekanntenkreis in Eigenregie verkauft, wird schon bald zum Geheimtipp. Doch bis sie weltweit Erfolge als Kosmetikgröße Estée Lauder verbuchen kann, ist es noch ein langer und steiniger Weg…
Laura Baldini, hinter dessen Pseudonym sich Beate Maly verbirgt, hat mit „Der Traum von Schönheit“ einen unterhaltsamen, historischen Roman vorgelegt, der reale Begebenheiten und Fiktion wunderbar miteinander vermischt und Estée Lauder wieder lebendig werden lässt, die Schöpferin des weltbekannten Kosmetikkonzerns. Der fesselnde, farbenfrohe und gefühlvolle Erzählstil katapultiert den Leser ins vergangene Jahrhundert, wo er auf die Tochter jüdisch-ungarischer Auswanderer trifft und sich an ihre Fersen heftet. Schon die Anfänge in der Apotheke ihres Onkels lassen eine hartnäckige und fleißige Arbeiterin in Esther vermuten, denn sie gibt nicht auf, bis sie mit dem Ergebnis zufrieden ist, damit sie es ihren potentiellen Kunden anbieten kann. Ihr Innovationsgeist sowie das Verfolgen ihres Traums werden von Maly eindringlich und nachvollziehbar geschildert. Dass nicht immer alles sofort gut läuft, sondern nur harte Arbeit den Weg zu ihrem Erfolg pflastert, indem sie erst selbst Werbung für ihre Kosmetik betreibt, Proben verteilt und vor allem bezahlbare Produkte für alle Frauen auf den Markt bringt, ist glaubwürdig ins Bild gesetzt. Heutzutage ist Estée Lauder ein Konzern, der unter sich die teuersten Kosmetikfirmen vereint, was die meisten gar nicht wissen. Solch ein Unternehmen gelingt natürlich nur mit einem starken Partner an der Seite, den Esther in ihrem Ehemann Joseph Lauter gefunden hat. Während sie sich ganz dem Geschäft widmet, kümmert er sich um den gemeinsamen Sohn Leonard und den Rest. Allerdings zerbricht die Ehe 1939 (doch schon 1942 heiraten die beiden erneut), was zur damaligen Zeit ein Novum war und von vielen belächelt wurde. Baldini beschreibt den Zwiespalt ihrer Protagonistin sehr gekonnt und lebensnah, vor allem in Bezug auf die damalige Zeit. Neben einer sagenhaften beruflichen Erfolgsstory bildet sie auch das erst zerbrechliche, aber dann umso fester zementierte Glück der Kosmetikikone ab.
Die Charaktere sind detailliert ausgeformt und sehr lebendig in Szene gesetzt. Mit ihren realistischen menschlichen Ecken und Kanten fangen sie den Leser schnell ein, der ihnen ab der ersten Seite nicht von der Seite weicht. Esther „Esty“ ist eine Frau mit einer Vision, die sie mit viel Fleiß, Hartnäckigkeit und Einfallsreichtum verfolgt, um an die Spitze zu gelangen. Unermüdlich und mit viel Gespür und Innovationsgeist gelingt es ihr, langsam, aber stetig ihre Ziele wahr werden zu lassen. Allerdings ist sie auch eine Frau, die sich zwischen Beruf und Karriere aufreibt und dabei ihr Glück erst einmal verliert. Joseph ist ein liebevoller und fürsorglicher Ehemann, der kein Problem damit hat, seiner Frau den Karrierevortritt zu lassen.
Mit „Der Traum von Schönheit“ ist der Autorin ein großartiges Portrait der Kosmetiklegende gelungen, das aus einem wunderbaren Mix aus Realität und Fiktion besteht. Der interessiert Leser erfährt nicht nur etwas über die Gründung eines der weltweit größten Schönheitsimperien, sondern lernt auch eine außergewöhnliche Frau kennen, die ihrer Zeit weit voraus war. Absolute Leseempfehlung!!!

Veröffentlicht am 30.10.2021

"Wir streben mehr danach, Schmerz zu vermeiden als Freude zu gewinnen." (Sigmund Freud)

Kleine Freuden
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1957 England. Die Journalistin Jean Swinney ist 39 Jahre alt und arbeitet für ein kleines Lokaltagesblatt im Einzugsbereich von London, wo sie für die Kolumne rund um Haushalts- und Gartentipps verantwortlich ...

1957 England. Die Journalistin Jean Swinney ist 39 Jahre alt und arbeitet für ein kleines Lokaltagesblatt im Einzugsbereich von London, wo sie für die Kolumne rund um Haushalts- und Gartentipps verantwortlich zeichnet. Eines Tages meldet sich mit Gretchen Tilbury eine Frau bei ihr, die eine unglaubliche Geschichte zu erzählen weiß, denn sie behauptet, ihre Tochter wäre das Resultat einer unbefleckten Empfängnis. Jean wittert ihrer Chance, endlich als Journalistin durchzustarten und aus der Kolumnenecke ins Rampenlicht zu treten. Sie trifft sich mit Gretchen und deren Tochter Margaret, recherchiert alles genau und muss sich am Ende eingestehen, dass Gretchens Geschichte wohl der Wahrheit entspricht. Und während sie den Dingen weiterhin auf den Grund geht und immer mehr Quellen findet, fühlt sie sich allen Mitgliedern der Familie Tilbury immer näher, was weitreichende Folgen für alle Beteiligten hat…
Clare Chambers hat mit „Kleine Freuden“ einen zum Teil auf tatsächlichen Begebenheiten basierenden Roman vorgelegt, der von der ersten Seite an zu fesseln weiß. Der flüssige, empathische und oftmals auch humorige Erzählstil nimmt den Leser mit auf Zeitreise in die späten 50er Jahre des letzten Jahrhunderts, wo er neben Jean auch die Familie Tilbury aufs Genaueste kennenlernen darf. Auf der einen Seite erlebt man Jean, die mit ihrer alten Mutter zusammenlebt, ein recht einsames Dasein fristet und nur ihr Job für die tägliche Abwechslung sorgt. Zum anderen trifft man auf die unkapriziöse und pragmatische Gretchen, deren allerliebste Tochter Margaret sowie dem in sich ruhenden Ehemann Howard. Hat Jean am Anfang der Artikelrecherche um Gretchen noch an einen Durchbruch für ihre Karriere gedacht, so nimmt sie doch die Familie immer mehr gefangen, vor allem Howard hat es ihr angetan, der ihr Herz bald im Sturm erobert hat. Immer mehr gerät Jean in den Strudel der Tilburys, fühlt sich bald schon wie ein festes Familienmitglied, was allerdings auch zu einigen Gewissenskonflikten führt, besonders Gretchen gegenüber. Die Spuren werden immer mehr verwischt. Der Autorin ist es wunderbar gelungen, die damalige Zeit wieder heraufzubeschwören, wo es noch keine DNA-Tests gab und Gentests noch als Wunderwerk galten. Die damals angeordneten Untersuchungen setzen unterschwellig die Spannung, die sich innerhalb der Familie nebst Jean ebenfalls entwickelt aufgrund der zwischenmenschlichen Beziehungen. Altbekannte Tugenden wie Verantwortungsgefühl, Pflichtbewusstsein, innige Freundschaft, aber auch das Gefühl von verbotenem Verlangen setzt Chambers mit ihren Protagonisten bravurös in Szene.
Die Charaktere wurden facettenreich und lebendig ausgeformt, so dass ihre realistischen menschlichen Eigenheiten den Leser voll und ganz für sich einnehmen und er sich immer wieder die Frage stellt, wer sich mehr in das Herz einschleicht. Jean ist eine Frau in den mittleren Jahren, deren Chance auf Familie und Kinder bereits gegen Null tendiert. Neben ihrem Job hat sie nur ihre Mutter, die sich von hinten bis vorn bedienen lässt und dabei ihre Krankheit vorschiebt. Die Tilburys vertreiben schleichend Jeans Einsamkeit, auf einmal ist sie Teil einer Familie, wie sie sich selbst eine gewünscht hat. Gretchen ist eine pragmatische und freundliche Frau, Howard der warmherzige, zurückhaltende und liebevolle Ehemann, Margaret die hinreißende Tochter.
„Kleine Freuden“ ist zum einen eine wunderbare Gesellschaftsstudie, wo Gewissensbisse und Moralvorstellungen sich die Hand geben. Aber es ist auch eine tiefgründige und warmherzige Geschichte voller versteckter Hoffnungen und unerfüllter Träume aus einer vergangenen Zeit. Absolute Leseempfehlung!!

Veröffentlicht am 24.10.2021

"Im Leben ist das Beste nur ein Rausch." (George Gordon Byron)

Polizeiärztin Magda Fuchs – Das Leben, ein großer Rausch
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1922 Berlin. Polizeiärztin Magda Fuchs ist endlich in Berlin heimisch geworden und hat sich sogar eine eigene Frauenpraxis zugelegt, in der sie an einigen Tagen in der Woche praktiziert. Als sie in ihrer ...

1922 Berlin. Polizeiärztin Magda Fuchs ist endlich in Berlin heimisch geworden und hat sich sogar eine eigene Frauenpraxis zugelegt, in der sie an einigen Tagen in der Woche praktiziert. Als sie in ihrer Funktion als Polizeiärztin zu einem Tatort gerufen wird, nimmt sie das Verbrechen persönlich mit. Das Opfer hat sich mit schwersten Stichverletzungen noch zu ihrem Baby geschleppt, bevor sie starb. Gemeinsam mit Kommissar Kuno Mehring, der auch privat eine große Rolle in Ihrem Leben spielt, macht sich Magda daran, dem Täter auf die Spur zu kommen, denn immer mehr junge Frauen, die sich prostituieren, kommen gewaltsam zu Tode oder werden schwer verletzt. Die Suche gestaltet sich wie nach der Nadel im Heuhaufen, und dann stößt auch noch Magdas Freundin Doris etwas zu…
Das Autorenduo Helene Sommerfeld hat mit „Das Leben, ein großer Rausch“ den zweiten Band um die Polizeiärztin Magda Fuchs vorgelegt, der nicht nur mit einem gut recherchierten historischen Hintergrund besticht, sondern auch mit einer spannenden Geschichte aufwarten kann, die den Leser schnell in den Bann zu ziehen weiß. Der flüssige, farbenfrohe und gefühlvolle Erzählstil lässt einen sofort in die Handlung abtauchen und findet sich im Berlin der zwanziger Jahre wieder, um sich an Magdas Fersen zu heften. Die Autoren lassen eine Stadt mit zwei Gesichtern lebendig werden, die eine lebt in Saus und Braus, während die andere kaum weiß, wie sie sich ernähren soll, die Inflation hat alle im Griff. Obwohl als Polizeiärztin tätig, muss auch Magda sich ein zweites Standbein schaffen, um über die Runden zu kommen. Neben den gesellschaftlichen und politischen Akzenten sind es vor allem die persönlichen Probleme von Frauen, die das Autorenduo empathisch in ihre Handlung miteinwebt. Magda hat in ihrer Praxis mit einem bunten Publikum zu tun, die mit den unterschiedlichsten Wehwehchen an sie herantreten und so manchen inneren Konflikt bei Magda auslösen. Interessant sind auch ihre eigenen Gedanken über Familie und Kinder, denn die momentane wirtschaftliche Lage macht ihr nicht gerade große Hoffnungen. Auch die anderen Bewohner der Pension müssen Entscheidungen treffen und der Einblick in ihre Welt ist ebenso spannend wie Kunos und Magdas Jagd nach dem Mörder. Besonders herauszustellen ist auch hier wieder einmal, wie gekonnt ein Kriminalfall in den historischen Kontext eingebunden und nebenbei das alltägliche reale Leben der Menschen präsentiert wurde.
Die liebevoll und lebendig gestalteten Charaktere haben sich glaubhaft weiterentwickelt und verstehen es, den Leser an sich zu binden. Magda ist eine hilfsbereite und fleißige Frau, die sich immer hinterfragt und für ihre Patientinnen nur das Beste will. Freundin Ina ist warmherzig und fürsorglich, aber auch eine große Unterstützung für Magda. Celia steht vor einer schwierigen Entscheidung, denn sie möchte studieren, hat aber auch ihr Herz verloren. Schauspielerin Doris ist unbeschwert und genießt alles, was ihr das Leben bietet, bis es sie einen hohen Preis bezahlen lässt. Kuno ist ein pragmatischer und analytisch denkender Kommissar, doch Magda gegenüber ist er warmherzig und liebevoll.
Mit „Das Leben, ein großer Rausch“ ist dem Autorenduo eine sehr unterhaltsame und spannende Fortsetzung gelungen, die dem Leser die Lage im Berlin der zwanziger Jahre nahe bringt, einen undurchsichtigen Kriminalfall präsentiert und nebenbei auch noch die gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Lage der Bevölkerung durch unterschiedliche Schicksale beleuchtet. Für diesen Pageturner ist eine absolute Leseempfehlung mehr als verdient!

Veröffentlicht am 24.10.2021

"Der große Vorteil eines Hotels ist, dass es eine Zuflucht vom Zuhause ist."(G. B. Shaw)

Das Weiße Haus am Rhein
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1918. Der erste Weltkrieg ist für Deutschland verloren, und das Hotel Dreesen am Rhein, einst als Luxusherberge das erste Haus am Platz, dient als Unterkunft für die französischen Besatzer. Während die ...

1918. Der erste Weltkrieg ist für Deutschland verloren, und das Hotel Dreesen am Rhein, einst als Luxusherberge das erste Haus am Platz, dient als Unterkunft für die französischen Besatzer. Während die Besiegten und Verletzten nach und nach von der Front zu ihren Familien zurückkehren, ist auch Emil Dreesen auf dem Weg nach Hause, allerdings als Deserteur. Sein ehemaliges Zuhause erkennt er kaum wieder, und sein Vater hat nur Verachtung und Wut für ihn übrig. Ganz anders reagiert da seine Schwester Ulla, die sich sofort mit ihm verbündet und neue Pläne für das Hotel schmiedet. Mit dem Zimmermädchen Elsa, einer jungen Witwe, die sich für Frauenrechte einsetzt, teilt Emil nicht nur die Gesinnung, sie hat sein Herz schon bald im Sturm erobert, doch müssen sie ihre Liebe aufgrund des Standesunterschieds geheim halten. Emil gerät mit seinen neuen Ideen für die Rettung des Hotels immer wieder mit seinem Vater aneinander, doch nach und nach muss der Patriarch einsehen, dass Emil nur das Beste für das familiengeführte Hotel und seine Erhaltung will…
Helene Winter hat mit „Das Weiße Haus am Rhein“ einen sehr unterhaltsamen historischen Schmöker vorgelegt, der nicht nur die Zeit der französischen Besatzer am Rhein wieder sehr lebendig werden lässt, sondern auch eine Familiensaga präsentiert, die den Leser von der ersten Seite an die Seiten fesselt. Der flüssige, bildhafte und gefühlvolle Schreibstil macht den Einzug ins alte „Dreesen“ leicht, auch wenn kurz nach dem Krieg der Komfort durch die begrenzten Mittel wenig luxuriös ist. Doch viel spannender ist die Rückkehr von Emil, der sich als Deserteur wie ein Verbrecher ins Haus schleicht und miterleben muss, wie die Franzosen das Hotel besetzen und die Familie sowie die Gäste eigentlich sofort vor die Tür setzen wollen. Nur durch Emils Verhandlungsgeschick behalten alle ihr Dach über dem Kopf, auch wenn sich einige Angestellte noch immer nicht damit anfreunden können, dass sie zu den Besiegten gehören und sich lauthals über die „Froschfresser“ aufregen. Obwohl er bei seinem Vater einen schweren Stand hat, setzt Emil alles daran, das Hotel in die Zukunft zu führen, was zu heftigen Streitigkeiten führt. Doch mit Freund Robert sowie Schwester Ulla hat er starke Unterstützung an seiner Seite. Die Autorin schildert den damaligen Alltag so realistisch, dass man alles wunderbar vor Augen hat. Dabei hält sie dem Leser nicht nur einen Platz innerhalb der Familie frei, sondern lässt ihn auch unter den Angestellten Mäuschen spielen, die während der Arbeit ihre Ansichten und politischen Gesinnungen kundtun. Spannend dargestellt sind die unterschiedlichen Richtungen, die die einzelnen Protagonisten verfolgen. Die einen stehen für den Fortschritt und die Zukunft, die anderen sind in der Kaiserzeit stehengeblieben und pflegen weiterhin ihren Standesdünkel. Zusätzlich sorgen auch noch zwielichtige Gestalten für Spannung, die sich mit Informationen bereichern wollen, anstatt einer anständigen Arbeit nachzugehen.
Die Charaktere sind realistisch und lebendig dargestellt, überzeugen den Leser durch glaubwürdige Ecken und Kanten, so dass dieser ihnen unauffällig auf Schritt und Tritt folgt. Emil ist ein offener und innovativer junger Mann, der die Ärmel hochkrempelt und anpacken will, damit es aufwärts geht. Er ist genauso stur wie sein Vater, weshalb die beiden immer wieder aneinander geraten. Ulla ist eine liebenswerte und unvoreingenommene Frau mit einer gesunden Neugier. Robert ist ein Schwerenöter, der Emil ein guter und unterstützender Freund ist. Elsa kämpft für Gleichheit und Frauenrechte, ist intelligent und fleißig. Claire ist gebildet, künstlerisch begabt und sehr modern.
„Das Weiße Haus am Rhein“ ist ein schöner Schmöker mit einem guten Mix aus Fiktion und Realität, der Familiengeschichte, Historie, Liebe und Freundschaft in sich vereint. Absolute Leseempfehlung für eine fesselnde Geschichte, die sich sehr kurzweilig lesen und in vergangene Zeiten abtauchen lässt.

Veröffentlicht am 24.10.2021

Dem Himmel so nah

Rigi
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Seit ihr Mann Mario vor einem Jahr im Alter von 52 Jahren plötzlich verstarb, trauert die Journalistin um diesen Verlust, insgeheim jedoch wünscht sie sich weniger Schmerz und dass das Leben ihr noch etwas ...

Seit ihr Mann Mario vor einem Jahr im Alter von 52 Jahren plötzlich verstarb, trauert die Journalistin um diesen Verlust, insgeheim jedoch wünscht sie sich weniger Schmerz und dass das Leben ihr noch etwas zu bieten hat. Tochter Marie dagegen ist schon aufgebracht, wenn Elaine nur die Kleidung ihres Mannes aussortiert. Mit Hilfe einer Selbsthilfegruppe versucht Elaine, die Trauer zu überwinden und wächst mit ihren Mitleidenden immer enger zusammen. Als ihr Chefredakteur Elaine den Auftrag erteilt, zum 150-jährigen Jubiläum der Rigi-Bahn eine Artikelserie über die Rigi zu schreiben und vier Wochen auf dem Berg zu wohnen, nimmt Elaine dies zum Anlass, neue Erfahrungen und neue Menschen in ihr Leben zu lassen, vielleicht auch einen Hund…
Blanca Imboden hat mit „Rigi – ein fröhlicher Roman über traurige Menschen“ einen wunderschönen und gleichzeitig unterhaltsamen Roman vorgelegt, der den Leser nicht nur auf eine Reise in die Zentralschweizer Alpenregion am Vierwaldstätter See mitnimmt, um ihm dort mit der Rigi die Königin der Berge vorzustellen, sondern ihn auch mit Elaine und ihrer Trauerbewältigung bekannt macht. Der flüssige, farbenfrohe und empathische Erzählstil, der immer wieder durch humorige Einlagen durchbrochen wird, zaubert den Leser direkt an Elaines Seite, wo er die Gedanken- und Gefühlswelt der sympathischen Protagonistin aufs Genaueste studieren darf, während man sie in ihren unterschiedlichen Trauerphasen begleitet. Ein wichtiger Bestandteil dabei ist ihre Trauergruppe, die aus den unterschiedlichsten Charakteren besteht, sich jedoch aufgrund des gemeinsamen Schicksals immer enger aneinander bindet. Dabei steht der Pinguin ihnen als Namensvetter zur Verfügung, trauert er doch um seine Lieben ebenso herzzerreißend wie mancher Mensch. Elaines Auftrag, auf der Rigi dort lebende interessante Persönlichkeiten zu interviewen sowie schöne Wandermöglichkeiten auszukundschaften, um sie an den Leser zu bringen, bringt sie dazu, sich mit ihrer Trauer auseinanderzusetzen und sich der Zukunft zuzuwenden. Besuche ihrer Trauergruppe lenken sie ebenso ab wie neue Bekanntschaften, allen voran der Dachdecker Emil und der ältere Herr Vogelsang mit seinem Pudel Ajax. Die Autorin versteht es wunderbar, den Leser Zeuge von Elaines langsamer Wandlung werden zu lassen, während er mit Elaine eine traumhafte Alpenregion erlebt begleitet von den Klängen unzähliger Udo-Jürgens-Lieder. Einmal mehr wird klar, dass man Trauer zulassen muss, um für sich einen Abschluss zu finden und sich dadurch gestärkt dem Kommenden widmen kann.
Die Charaktere sind wunderbar gestaltet und in Szene gesetzt, mit ihren glaubwürdigen Eigenschaften fangen sie den Leser sofort ein, der sich ihnen gern anschließt und ihr Schicksal interessiert verfolgt. Elaine ist eine vielseitig interessiert Frau, die sich neuen Dingen nicht verschließt. Sie ist manchmal ein wenig zu gutmütig und traut sich nicht, auch mal nein zu sagen, was vor allem bei Tochter Marie angebracht wäre. Marie ist erwachsen, trauert ebenfalls um ihren Vater, platzt aber immer wieder in das Leben ihrer Mutter und versucht diese zu maßregeln. Herr Vogelsang ist ein lieber älterer Herr, der so manche Weisheit von sich gibt. Aber auch die Trauergruppe ist ein bunter Haufen, der sich gegenseitig stützt und auch viel Schönes miteinander erlebt. Und dann ist da noch Ajax, der plötzlich herrenlos ist und ebenso einen Verlust zu betrauern hat, wie die Menschen um ihn herum.
„Rigi – ein fröhlicher Roman über traurige Menschen“ ist eine Geschichte wie mitten aus dem Leben gegriffen: traurig, aber auch wunderbar herzlich, nahbar, tiefgründig, voller Wahrheit und dabei herrlich hoffnungsvoll. Am Ende hat man ein Lächeln im Gesicht, das ist eine absolute Leseempfehlung wert!