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Veröffentlicht am 17.04.2022

Guter Einblick in die österreichische Geschichte

Der Trafikant
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Im Sommer 1937 kommt der junge Franz Huchel nach Wien und beginnt dort eine Ausbildung zum Trafikanten bei Otto Trsnjek. Schnell taucht der aus dem beschaulichen Salzkammergut stammende Franz in das hektische ...

Im Sommer 1937 kommt der junge Franz Huchel nach Wien und beginnt dort eine Ausbildung zum Trafikanten bei Otto Trsnjek. Schnell taucht der aus dem beschaulichen Salzkammergut stammende Franz in das hektische und aktive Leben Wiens ein, lernt neue Vergnügungen kennen, begegnet der Liebe und tritt unter anderem auch in Kontakt zu Siegmund Freud, der Stammkunde der Trafik ist,. Schnell kann dieser den jungen Mann faszinieren und ihn als Gesprächspartner für sich gewinnen. Doch es ist der Vorabend des Anschlusses an Deutschland und neben den Freuden des Stadtlebens muss Franz recht schnell auch mit den Schattenseiten des politischen Epizentrums Wien Bekanntschaft machen.

Der Roman bietet wirklich gute Unterhaltung. Bedingt durch den simplen und geradlinigen Schreibstil wird man sehr schnell und flüssig durch die Geschichte getragen und ließt lange Passagen am Stück. Dazu kommt noch, dass durch die persönlichen Lebensleiden Franz Huchels und durch die Zeit des Anschlusses und den damit verbundenen politischen Umbrüchen, die in diesem Buch aufgearbeitet werden, ein enormer Spannungsbogen entsteht, der die Leserschaft an der Stange hält. Gerade diese Mischung ist es aber auch, die das Buch so interessant macht. Weder die Geschichte rund um den Protagonisten, noch die historischen Hintergründe gewinnen an Übergewicht. Diese Balance verursacht deshalb, dass das Buch weder zu kitschig und emotional verwirrend wird, noch, dass trockene historisch interessante Passagen den Lesefluss und die Spannung beeinträchtigen. Im Generellen bietet das Buch eine sehr anschauliche und unterhaltsame Möglichkeit, sich mit der österreichischen Gesellschafts- und Politiklage der Jahre 1937, 38 und 39 auseinanderzusetzen, da diese spielerisch und authentisch in den Inhalt mit einfließen. Einzig und alleine den Protagonisten Franz empfand ich als ein wenig blass und unindividuell gestaltet. Da habe ich definitiv schon Erfahrungen mit einem facettenreicher gestalteten Figurenensamble machen können.

Nichts destotrotz ist und bleibt das Buch eine spannende und interessante Lektüre, die ich nur weiter ans Herz legen kann.

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Veröffentlicht am 16.01.2022

Notizen

Süden und Westen
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Im Sommer 1970 beschließt Joan Didion zusammen mit ihrem Mann eine Reise in den Süden zu unternehmen. Von New Orleans aus geht es nach Mississippi und wieder zurück. Dabei sammelt sie Notizen, ihre Gedanken ...

Im Sommer 1970 beschließt Joan Didion zusammen mit ihrem Mann eine Reise in den Süden zu unternehmen. Von New Orleans aus geht es nach Mississippi und wieder zurück. Dabei sammelt sie Notizen, ihre Gedanken zu den Menschen des Südens, zu deren Veröffentlichung es bis jetzt noch nicht gekommen ist.

Obwohl es sich nur um Notizen handelt, spricht daraus eine poetische Aufmerksamkeit. Joan Didion erweist sich als aufmerksame Zuhörerin, ohne dabei zu werten, lässt den Süden auf sich wirken. Und ihn dieser klaren Form bekommen wir als Leser:innen diesen Süden dann präsentiert, in seiner gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Komplexität. Ohne es zu wissen, würde man beim Lesen deutlich zwei Dinge merken: Zunächst einmal springt einem sofort ins Auge, dass wir uns gerade am Beginn der 70er Jahre befinden. Der Süden beginnt sich offiziell von Rassentrennung und Co. zu verabschieden, dennoch ist in den meisten Köpfen der Gedanke von getrennten Welten tief verankert, und diejenigen, die meinen, sie stehen auf der progressiven Seite, wollen es mit dem guten Willen nicht übertreiben. Auch erkennt man im Süden der 70er Jahre den Süden der 2020er wieder. Wirtschaftliche Abgehängtheit, Bevölkerungsverlust und der störrische Unwille gegen die anderen Landesteile und der daraus resultierende Zusammenhalt. Joan Didion hat mit Mississippi, Alabama und Louisiana 3 Bundesstaaten besucht, die heute noch wirtschaftlich und gesellschaftlich hinterherhinken. Besonders interessant wäre es für mich allerdings gewesen, einen direkten Vergleich der Staaten zu sehen, die heute mehr und mehr den Sprung in die Wirklichkeit geschafft haben und zu den neuen Hotspots des amerikanischen Lebens werden. Georgia oder North Carolina in den 70er Jahren und 50 Jahre später wäre beispielsweise für mich wirklich interessant zu sehen gewesen.

Alles in Allem gibt das Buch aber einen wirklich guten Einblick in die moderne Identität des Südens und hat sich als nachdenklich machende, reizende und unterhaltsame Lektüre herausgestellt.

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Veröffentlicht am 02.11.2021

Menschenunwürdige Weltanschauung in den Tropen

In der Strafkolonie
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Ein Forschungsreisender macht einen Abstecher in eine tropische Strafkolonie. Dort trifft er auf einen Offizier, der ganz davon begeistert ist, dem Reisenden die Maschine vorzuführen, mit der hier die ...

Ein Forschungsreisender macht einen Abstecher in eine tropische Strafkolonie. Dort trifft er auf einen Offizier, der ganz davon begeistert ist, dem Reisenden die Maschine vorzuführen, mit der hier die Zum-Tode-verurteilten exekutiert werden. Mit akribischer Begeisterung erklärt er ihm, wie die Maschine funktioniert und schwärmt dabei von den guten alten Zeiten unter dem alten Kommandanten, als Hinrichtungen mit dieser Maschine noch regelmäßige Ereignisse waren. Zwar ist der Forschungsreisende von der Praxis des Tötens von verurteilten angewidert, doch der Offizier hofft darauf, bei ihm Eindruck zu schinden, um so für den Erhalt dieser Tötungspraxis zu kämpfen

Die Erzählung Kafkas hat mich wirklich beeindruckt. Der geradlinige Erzählstil saugt einen in das Geschehen, es beginnt leise und ruhig, steigert sich zu einem Sturm, bevor es gegen Ende wieder sanft abklingt. Beeindruckend ist auch die Atmosphäre, die in der Geschichte herrscht. Düster, abschreckend und schon fast menschenfeindlich. Man erbost sich als zivilisierter Mensch an der Weltanschauung des Offiziers und Praktiken, mit denen hier jedem das Recht auf einen fairen Prozess entrissen wird. Einzig und alleine die letzte Szene lies mich ein wenig ratlos zurück. Sie trug nicht wirklich zur Handlung bei und die Geschichte hat sich für mich schon perfekt abgerundet und zu einem Schluss gefunden. Meiner Meinung nach waren diese 1 1/2 Seiten ein wenig überflüssig.

Kurz und knapp ist "In der Strafkolonie" aber ein durchaus gelungene Erzählung, die einen sehr guten Einstieg in Kafkas Werke und den damit verbundenen Kampf gegen Autoritäten bietet, und Lust auf mehr macht.

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Veröffentlicht am 26.10.2021

Kindliche Liebe wächst zu einem Wahn heran

Brief einer Unbekannten
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Ein Romanschriftsteller, erfolgreich in Beruf und mit den Frauen, kommt aus dem Urlaub zurück und findet einen Brief vor, ohne Namen, Absender oder Unterschrift. In ihm schüttet seine vermeintliche ehemalige ...

Ein Romanschriftsteller, erfolgreich in Beruf und mit den Frauen, kommt aus dem Urlaub zurück und findet einen Brief vor, ohne Namen, Absender oder Unterschrift. In ihm schüttet seine vermeintliche ehemalige Nachbarin ihm sein Herz aus, klagt ihn an, beschuldigt ihn als herzloses Monster.

Stefan Zweig hat mich auch hier weder von Sprache, noch von seinen eigentlich recht banalen Geschichten, die sich zu einem reißenden Strom verwandeln. Ich habe die Erzählung dann innerhalb weniger Stunden weggelesen und war von Seite zu Seite mehr gefesselt. Kurzum: sprachlich top, spannend und psychologisch wieder extrem interessant.

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Veröffentlicht am 11.10.2021

Eine bunte und gelungene Genremischung

Anarchie Déco
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1927 taucht ein neues Teilgebiet der Physik auf: die Magie. An vorderster Front steht die junge berliner Physikerin Nike Wehner und forscht zu diesem neuen Phänomen. Doch schon bald muss sie auch die Polizei ...

1927 taucht ein neues Teilgebiet der Physik auf: die Magie. An vorderster Front steht die junge berliner Physikerin Nike Wehner und forscht zu diesem neuen Phänomen. Doch schon bald muss sie auch die Polizei tatkräftig unterstützen, denn es häufen sich immer mehr mysteriöse Verbrechen, bei denen Magie zum Einsatz kommt, für die Polizei komplettes Neuland. Neben dem Kampf gegen eine Verschwörung muss Nike aber auch mit ihrem eigenen Leben, den gesellschaftlichen Zwängen entkommen, und versuchen, nicht in den politischen Wirren Berlins in den späten 20ern unterzugehen.

Eigentlich sind weder Fantasy, noch Krimi mein Genre, allerdings reizte mich dieses Buch, da sich einerseits die Kombination aus diesen beiden Genre spannend anhörte, und ich mich in das Berlin der 20er Jahre entführen lassen wollte. Nach dem Lesen kann ich allerdings sagen, dass dieses Buch nicht immer ist, was Klappentext und Cover versprechen. Wir haben hier eine sehr schöne Mischung aus den gesellschaftlichen und politischen Umbrüchen in den goldenen Zwanzigern, mit denen man aufgrund der gesellschaftlichen Hintergründe der Hauptprotagonistin unweigerlich konfrontiert wird, Urban Fantasy und einem Kriminalfall, der jedoch sehr schnell in eine Verschwörung ausartet. Gerade aber dieses Einfließen von gesellschaftsrelevanten und politischen Aspekten in die Geschichte haben mir besonders gut gefallen. Sie geben der Geschichte eine enorme Tiefe, die ich bei den bisherigen Fantasy-Büchern, die ich gelesen habe, in großen Teilen vermisste. Trotzdem kommen aber Magie und Verbrechensbekämpfung nicht zu knapp, eine ausgewogene Symbiose entsteht, in der sich diese drei verschiedenen Schwerpunkte immer wieder fließend abwechseln und so für einen angenehmen Fluss sorgen. Neben der Thematik der Geschichte konnte mich auch der Schreibstil für sich einnehmen. Bunt und facettenreich wird hier ein schönes Bild von Setting und Handlung gestaltet, das die Leser:innen wortgewandt durch die Geschichte führt. Bemerkenswert sind vor allem aber die Gestaltung von Setting und Protagonist:innen. Beides hat eine enorme Tiefe, bietet immer wieder neue Aspekte und erzeugt ein authentisches Lesegefühl. Vor allem schätze ich aber, dass die Protagonist:innen allesamt ein wenig aus der Norm fallen und deswegen für mich persönlich sehr nah an die Realität kommen. Äußerst interessant ist in meinen Augen, wie die Magie nicht als naturgegebenes Phänomen, dass sich schon immer im Bewusstsein der Menschen befunden hat, gestaltet wird, sondern die Protagonist:innen viel mehr im Gleichschritt mit den Leser:innen mehr und mehr über diese Erfahren, da die Magie in der Geschichte als physikalischen Phänomen angesetzt ist, also rational erklärt wird, wobei diese Erklärungsversuche in meinen Augen teilweise ein wenig hinken.

Alles in Allem bin ich von der Geschichte positiv überrascht und begeistert, auch wenn das Äußere des Buches etwas anderes versprochen hat, kann ich das Buch von ganzen Herzen weiterempfehlen.

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