Als 'heiter-gelassender Gesellschaftskrimi, spannend bis zum Schluss' wird dieser zweite Band um die umtriebige Mutter, Arztgattin und psychologische Beraterin (oder so ähnlich, denn ihr Beruf spielt hier keine eigentliche Rolle) Karin Schneider in dem Klappentext beschrieben – und dies ist in der Tat eine zutreffende Bezeichnung! Schauplatz ist Niederbayern, genauer gesagt das Altenheim Sonnenhügel in Kirchmünster im Rottal. Dort findet Karin bei einem Besuch ihrer betagten Eltern, die an diesem reichlich ungastlichen und gar nicht sonnigen Ort untergebracht sind, die Leiche der Hilfspflegerin Elvira, nicht gerade eine Zierde ihrer Profession, und fühlt sich nach dem ersten Schrecken geradezu verpflichtet (was auch eine Ausrede für ihre unbezähmbare Neugierde sein könnte!), ihre eigenen, nicht immer geschickten, auf jeden Fall aber so turbulenten wie riskanten, sie nämlich zusehends in Gefahr bringenden Ermittlungen anzustellen. Von Stund an eilt die, wie man den Eindruck gewinnt, trotz ihrer vielen Aufgaben nicht recht ausgelastete Karin zwischen mannigfachen Verpflichtungen als Mutter von vier Kindern im Teenageralter und unzähligen, durchaus obstrusen Seminaren, die sie offensichtlich besucht, wobei die Gründe dafür nicht ersichtlich sind, auch mit Langeweile nicht erklärt werden können, und dem Altersheim hin und her. Ihre neugierigen, keineswegs diskret gestellten Fragen stoßen erwartungsgemäß sowohl beim Personal der Alten-Aufbewahranstalt und letzter Station vor der unausweichlichen und nicht mehr fernen Ankunft des Sensenmannes, als auch bei der ermittelnden Kommissarin auf sich steigernden Unwillen – und bringen sie zudem alsbald ins Visier des Mörders, denn Elviras Tod war kein natürlicher! Doch Karin lässt sich nicht bremsen – und kommt tatsächlich einer gar schlimmen Geschichte auf die Spur, was sie am Ende um ein Haar das Leben kostet, denn da gibt es jemanden, der nichts oder alles, je nach Blickwinkel, zu verlieren hat und zum Äußersten entschlossen ist....
Flott geschrieben ist die Geschichte, amüsant, voller komischer bis skurriler Einfälle, die eine Art Gegengewicht bilden zu dem Kriminalfall, der mal mehr, mal weniger im Vordergrund steht, während die Handlung voranschreitet, mal gemächlich, mal holterdipolter – ganz wie die Protagonistin, die trotz allem Halb- und Viertelwissen, das sie sich in all ihren bereits erwähnten Seminaren angeeignet hat, oder besser gesagt zu haben glaubt, ihr inneres Gleichgewicht noch nicht gefunden zu haben scheint. Größtenteils ist besagte Protagonistin selbst die Erzählerin, wird aber abgewechselt von einer Art Berichterstattung, die immer dann einsetzt, wenn die hyperaktive Hausfrau mit dem Hang zum Aus-der-Haut-fahren, was sie als Temperamentsausbrüche bezeichnet, die sie ihren ungarisch-sizilianischen Wurzeln zuschreibt, gerade nicht ins Geschehen verwickelt ist. Eine Erzählweise, die mir gefällt, bringt sie doch ein wenig Ruhe in den unfriedlichen 'Spinnstubenkrimi' – besser bekannt unter der Genrebezeichnung 'cosy crime' -, lässt sie den Leser durchatmen, denn Karins Art kann schon arg anstrengend sein! Die ruhige Gelassenheit, die dem Niederbayern-Krimi attestiert wird, trifft nicht auf sie zu, so sympathisch sie auch ist, so witzig sie auch sein kann, für so viel Situationskomik sie auch sorgen mag.
Das tun neben ihr aber auch noch weitere Figuren, wie ihr 15jähriger Sohn Linus, dem ebenfalls eine Rolle bei den Ermittlungen zufällt und vor allem der eine oder andere Bewohner des Altenheims, un das der Leser mitgenommen wird und in dem er sicher unter keinen Umständen die letzten Lebensjahre verbringen möchte. So fiktiv die Krimihandlung auch sein mag – der Ort, an dem die Autorin sie ansiedelt, ist es ganz gewiss nicht! Ganz im Gegenteil! In Zeiten, in denen auch Institutionen wie Krankenhäuser und Altenheime allein unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit geführt werden und der Profit oberste Priorität hat und nicht etwa das Wohlergehen der Menschen, in denen Zuwendung nicht vorgesehen ist und Einsparungen immer auf Kosten der Menschlichkeit gehen oder gar von der Geschäftsführung billigend in Kauf genommen werden – gedankenlos, desinteressiert -, entspricht die Kulisse, vor der sich die Handlung abspielt, ganz der Realität und ist keineswegs eine düstere Zukunftsvision! Und diese Zustände werden so glaubwürdig wie lapidar geschildert, werden bedauert, letztend aber hingenommen, ohne dass Konsequenzen gezogen werden, so wie im wahren Leben! Alte Menschen haben nicht mehr das Recht, respektiert zu werden? Weil sie nicht mehr leistungsfähig sind, den Staat nur Geld kosten? Vor dieser Einstellung einer Gesellschaft, in der nur Jugend, Attraktivität und Agilität zu zählen scheint, kann es einen schon grausen – und die Autorin lässt das so nebenbei einfließen, unauffällig beinahe, wenn sie etwa eine Interaktion zwischen Pflegepersonal und Bewohner des ungastlichen Ortes Sonnenhügel in die Handlung hineinbringt. Geringschätziges Herabblicken auf den Hilflosen. Doch zum Glück hat sie eine junge Person, Anna, ersonnen, die tatsächlich Freude hat an der Beschäftigung mit alten Menschen, die sich mit ausgesuchter Höflichkeit und Freundlichkeit um sie kümmert. Hoffen wir, dass jemandem wie ihr nicht die Flügel gestutzt werden durch ein System, das genau festlegt, welche Pflegeleistungen notwendig sind und welche nicht, wieviel Zeit man einem Menschen schenken darf oder ob überhaupt.
Und – wie schön wäre es gewesen, wenn die wegen jeder tatsächlichen oder vermeintlichen Ungerechtigkeit oder nicht hinnehmbarer Zustände an die Decke gehende Protagonistin, die ohnehin auf Sinnsuche ist, kurzerhand ihre Eltern geschnappt und mit in ihr eigenes geräumiges Zuhause genommen hätte, anstatt ihr schlechtes Gewissen darüber, dass sie die beiden in dieses Heim verfrachtet hat, schnell wegzuwischen und in die hinterste Schublade ihres nach Aktivitäten lechzenden Köpfchens zu schieben. Ein Spiele- oder Erzählnachmittag mit den Eltern anstatt ein schamanischer Trommelkurs! Das wäre doch mal was, oder? Aber nun, man kann ja schließlich nicht alles haben, nicht wahr?