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Veröffentlicht am 28.10.2021

Ein schlechtes Gewissen

kaddish.com
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Auf diesen Roman war ich sehr neugierig. Beim Lesen musste ich allerdings feststellen, dass nicht die im Klappentext angegebene Geschichte erzählt wird - jedenfalls nicht was der Zeitpunkt betrifft.

Nach ...

Auf diesen Roman war ich sehr neugierig. Beim Lesen musste ich allerdings feststellen, dass nicht die im Klappentext angegebene Geschichte erzählt wird - jedenfalls nicht was der Zeitpunkt betrifft.

Nach dem Tod seines Vaters sitzt der etwa 30jährige Larry eher gezwungenermassen Schiwa und streitet sich mit seiner Schwester. Larry würde lieber anders trauern als so streng vorgegeben wie es in der talmudischen Tradition üblich ist. Am Ende der siebentägigen Trauerzeit erwartet ihn die Ansage, dass er als Sohn des Verstorbenen die Pflicht hat, für die nächsten elf Monate täglich das "Kaddisch" (eins der wichtigsten Gebete im Judentum, ähnlich dem christlichen "Vater unser") zu beten. Larry jedoch findet schnell einen Weg, dies zu umgehen und ist ganz happy mit seiner Idee: jemanden dafür zu bezahlen, wie es auf der entsprechenden Website kaddish.com angeboten wird.

Jahre später bereut er seinen damaligen Entschluss und wird wieder fromm. Er ändert seinen Lebensstil, studiert die Thora, wird Lehrer, heiratet, hat eine Familie. Nochmals einige Jahre später - aus dem mittlerweile etwa 50 Jahre alten Larry ist Rabbi Shuli geworden - wird er an einem Anlass stark getriggert. Die zwanzig Jahre zwischen dem Tod seines Vaters und diesem Anlass ist nur kurz zusammengefasst und erst jetzt geht es eigentlich richtig los mit der Geschichte.

Seine Schuldgefühle lassen Shuli keine Ruhe mehr und er nimmt sich vor, den damaligen Jeschiwa-Schüler Chemi aufzuspüren, damit er ihm die Verantwortung für seinen verstorbenen Vater, quasi sein Geburtsrecht, was traditionell durch dem Anderen etwas in die Hand legen bestätigt wird, wieder zurück gibt.

Nun beginnt eine abenteuerliche und für die Leser, weniger für Shuli, amüsante Reise, die gleichzeitig aber auch etwas Trauriges und Tragisches an sich hat. Nathan Engländer erzählt wie Shuli sich in sein Vorhaben rein steigert, wie nicht nur seine Familie unter seinem Aktionismus leidet, sondern er sich vor lauter Besessenheit auch nicht mehr an einige seiner selbst aufgestellten Regeln wie zum Beispiel dem Thema Computernutzung hält und Schüler für ihn "arbeiten" lässt.

Ich selbst erwartete laut Klappentext eine andere Geschichte, bzw. dass es eben um "Larry, direkt im Trauerjahr" geht und nicht um "Larry, dreissig Jahre später". Mich hätte das Trauerjahr mit einem ungläubigem Larry, der Rituale und den Glauben hinterfragt und vielleicht zu einem eigenen Glaubensverständnis findet, viel eher interessiert, als einen geläuterten Rabbi mit schlechtem Gewissen.

Die Theologin in mir würde am liebsten eine Abhandlung über Shuli schreiben, denn der Roman birgt vieles. Shuli ist so fixiert darauf Abbitte zu leisten und den starren Regeln zu entsprechen, so dass er überhaupt nicht mehr frei ist in seinem Glauben. Das Zureden seiner Frau "Du darfst dir selbst vergeben" kann er mit seinen Schuldgefühlen als der vermeintlich verlorene Sohn nicht für sich annehmen. Er kann ihr nicht mal richtig zuhören und überhört das Friedensangebot vor lauter Gefangensein in seinem Sühnedenken.

Obwohl die Story zwar ganz anders als erwartet war, fand ich sie schlussendlich gut durchdacht und auf eine spezielle Art witzig. Ab einem bestimmten Zeitpunkt kam ich dem Kern der Geschichte auf die Schliche und war mächtig gespannt, wie Shuli damit umgehen wird. Diesen letzten Teil mochte ich am liebsten.

Zukünftige Leser von "kaddish.com" sollten aber unbedingt ein bisschen Ahnung vom Judentum und seinen speziellen Ausdrücken haben, sonst kann ich mir vorstellen, dass es mit dem Verständnis der diversen Rituale und Bezeichnungen enorm schwierig wird, den Zugang zu der Geschichte zu finden. Es gibt am Ende zwar ein Register, doch da müssten Leser ohne Vorwissen viel zu viel nachschlagen, um alles zu verstehen.

Fazit: Lesenswert und unterhaltend, wenn man sich mit dem Judentum auskennt, ansonsten wohl eher schwer verständlich.
4 Punkte.

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Veröffentlicht am 27.10.2021

Rittersporn und Taglilien

Das Geheimnis der Grashüpfer
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Normalerweise bin ich von der ersten Seite an voll in Patricia Koelles Geschichten drinnen. Doch dieses Mal gelang dies nicht so gut wie sonst.

Sehr ausgiebig erzählt die Autorin von Maja und Nelly, ...

Normalerweise bin ich von der ersten Seite an voll in Patricia Koelles Geschichten drinnen. Doch dieses Mal gelang dies nicht so gut wie sonst.

Sehr ausgiebig erzählt die Autorin von Maja und Nelly, die denselben Beruf haben: beide sind Altenpflegerinnen. Maja wurde frühpensioniert, Nelly hat mit einer Freundin einen mobilen Pflegedienst aufgebaut. Während Nelly mehr oder weniger zufrieden ist, aber langsam realisiert, dass sie noch weitere Träume hat, steckt Maja gerade in einer Übergangsphase.

Man merkt schnell, wohin die Geschichte zusteuert, trotzdem überrascht die Autorin doch noch. Bis die Geschichte endlich Fahrt aufnimmt und interessant wird, hat man den halben Roman schon gelesen.

Das bedächtige Erzähltempo in diesem vierten Band der Inselgärten-Serie passt aber zu den beiden Protagonistinnen und dem untergeordneten Thema. Während im dritten Band Kinder, Schüler, Lehrer und das Unterrichten an sich thematisiert wurde, ist es diesmal das altersgerechte Wohnen.

Die unterschiedlichen Jahreszeiten werden für die Senioren immer wichtiger, und damit verbunden die Wandlung der Natur. Nach dem langen Winter die ersten Frühlingsblumen zu sehen, das bedeutet Nellys Patienten, allen voran Beate, viel. Ebenso fühlen sich Majas Patenonkel Kurt und sein Freund Heiner wohler, wenn sie in einem Garten sitzen können als nur in ihrem Zimmer im Pflegeheim. Sie alle ermutigen die beiden Frauen, ihre altneuen Träume umzusetzen.

Kein Koelle-Roman ohne Rückblick in die Vergangenheit: es wird auf die Lebensgeschichte von Majas Grossvater Clemens eingegangen. Die empfand ich äusserst spannend, denn in seiner Truhe findet Maja einige interessante Dinge. Das macht Maja nur noch neugieriger auf Clemens Leben vor Elsie und dem Leben im Elbschwarm.

Es ist sehr viel enthalten in "Das Geheimnis der Grashüpfer". Nur eben wird das Meiste davon erst in der zweiten Hälfte erzählt. Keine Frage, der Roman unterhält trotzdem, ist aber wie gesagt auf den ersten 250 Seiten sehr gemächlich. Deshalb empfehle ich allen Leserinnen, bei Lesebeginn dafür zu sorgen, dass man sich mindestens eine bis zwei Lesestunden Zeit am Stück gönnt, um sich einzulesen. Wer sich am Anfang nur immer kurze Viertelstunden an Lesezeit gönnt, wird mehr Mühe haben, sich in die Geschichte hinein zu finden.

Im Gegensatz zu den Insekten der Vorgängerbände kamen hier die titelgebenden Grashüpfer für meinen Geschmack zu kurz. Wenn ich an den Roman denke, denk ich an Rittersporn und Taglilien, aber nicht an Grashüpfer.

Fazit: Bedächtiger als die bisherigen Bände, dennoch unterhaltend.
4 Punkte.

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Veröffentlicht am 19.10.2021

Cremen oder schauspielern?

Ein Traum von Schönheit
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Nachdem ich die Trilogie "Die Farben der Schönheit" von Corina Bomann gelesen hatte und somit ein bisschen in Helena Rubinsteins Anfänge hinein schauen konnte, nahm mich auch Wunder, wie Estée Lauder begann. ...

Nachdem ich die Trilogie "Die Farben der Schönheit" von Corina Bomann gelesen hatte und somit ein bisschen in Helena Rubinsteins Anfänge hinein schauen konnte, nahm mich auch Wunder, wie Estée Lauder begann. Ihre Firma ist nach wie vor in Familienbesitz, was heute keine Selbstverständlichkeit ist. Zudem vertreibt der gross gewachsene Konzern weltweit weitere Kosmetikfirmen.

Laura Baldini alias Beate Maly nimmt ein Ereignis, einen Konzertabend mit anschliessenden Abendessen, als Ausgangspunkt. Während diesem Abend lässt sie Estée immer wieder zurückblicken. Auf ihre Jugend, einen Sommer mit ihrer Schwester und besten Freundin, ihre Lehrstunden bei ihrem Onkel John, das Verkaufen ihrer ersten Gesichtscreme vor einem Hotel, bis hin zum aktuellen Abend, der richtungsweisend wird.

Die Autorin zeichnet eine Frau, die unbedingt berühmt werden wollte - auf Kosten ihrer Mitmenschen. Estée merkt nicht, wie viel Unterstützung sie hat, nimmt einiges als selbstverständlich an und trampelt auf den Gefühlen ihrer Familie herum, bis sie dann endlich selbst mitbekommt, wie gut es ihr eigentlich geht und was ihr fehlt, wenn sie nicht mehr auf ihr Umfeld zählen kann.

Estée findet zum Ende hin noch den Rank. Zum Glück, denn obwohl ich sie am Anfang sehr mochte, wurde sie mir nach ihrer Hochzeit immer unsympathischer. Sie wollte als Einwandererkind den amerikanischen Traum leben - ihr Traum erfüllte sich.

Auch wenn man Lauders Produkte mittlerweile nicht mehr essen kann, wie noch in den Anfängen - eine lustige Szene erheitert dazu Estée wie auch die Leserinnen - und ich mir ihre aktuellen Produkte deshalb nie aufs Gesicht schmieren würde, fand ich den Roman sehr unterhaltend und interessant.

Ich mochte vor allem den Blickwinkel, von dem aus die Autorin Estées Geschichte erzählt. Der Schreibstil ist wie immer bei Laura Baldini packend, sie erzählt so anschaulich, als ob man daneben sitzen und alle Szenen live mitverfolgen würde.

Fazit: Diese Romanbiografie lässt die Leserinnen in die Geschichte der Kosmetikmarke und insbesondere ins Leben der Frau Estée Lauder, die mit ihrem Namen für ihre eigene Firma steht, eintauchen.
4 Punkte.

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Veröffentlicht am 02.10.2021

Strickjacken und Strickladen-Zeit

Neues Glück im kleinen Strickladen in den Highlands
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Herbst ist Strickjackenzeit - und deshalb der richtige Zeitpunkt um "Neues Glück im kleinen Strickladen in den Highlands" zu lesen. Wie bereits in den vorherigen beiden Bänden gibts auch hier am Ende einige ...

Herbst ist Strickjackenzeit - und deshalb der richtige Zeitpunkt um "Neues Glück im kleinen Strickladen in den Highlands" zu lesen. Wie bereits in den vorherigen beiden Bänden gibts auch hier am Ende einige Strickanleitungen.

Maighread ist langweilig - und kommt auf Idee ein Wollfestival vor Ort in Callwell zu organisieren. Alle finden die Idee toll und helfen mit, bringen auch eigene Ideen mit ein. So sind sie alle gut beschäftigt und weil der Sommer in den schottischen Highlands so war wie bei uns, nämlich verregnet, auch ideal um das Handarbeitsfestival zu planen. Die nachfolgenden sonnigen Tage sollen aber nicht lange halten, just kurz vor dem Festival ist ein Sturm angesagt. Kann das lang ersehnte Festival überhaupt stattfinden?

Nachdem der Roman super gemütlich beginnt und über lange Strecken hinweg über das Alltagsleben in Callwell sowie die Planung des Festivals berichtet, kommt erst gegen Ende Spannung auf. Alles, was auf den vielen Seiten vorher geplant wurde - nicht nur das Festival, auch einige Überraschungen - stehen nun auf der Kippe.

Das Wiedersehen mit den bisher bekannten Charakteren war nett: wie Maighread gehen auch Chloe im Kräuterladen die Ideen nicht aus, zusätzlich übt sie sich im Stricken; Scott hat eine gut gehende Tierarztpraxis; Jonas ist Klimaforscher und ist ebenso immer beschäftigt: das Grossmutter-Trio (bestehend aus Gwendolyn, Eilidh und Elisabeth), hilft überall mit. Die Beziehungen der Paare entwickeln sich, das Festival ist klar im Blickpunkt.

Die Autorin schildert vor allem das Alltagsleben und Maighreads neue Strickideen. Beides wurde mit viel Enthusiasmus, aber im Grossen und Ganzen fast zu gemütlich und entschleunigend erzählt.

Die Geschichte ist nett, aber in diesem Band auch nicht mehr. Darauf war ich zwar bereits vorbereitet, denn das ist in den ersten beiden Bänden ähnlich, aber spannender. Joshuas Verschwinden war mir zu unglaubhaft skizziert.

Fazit: Ganz knappe 4 Punkte - weil es mir dieses Mal ein fast zu leichter Häkel- und Strickroman war, aber mich an einem regnerischen Septembertag unterhalten hat.

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Veröffentlicht am 21.09.2021

Ach, liebe Mags

Je stiller der Tod
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Ach, liebe Mags, wieso lässt du dich derart überrumpeln? Und dies gleich mehrmals! Hättest du erst der Fotostrecke, dann dem geänderten Datum nicht zugestimmt, dann würde er wohl noch leben, der Ersatz-Fotograf, ...

Ach, liebe Mags, wieso lässt du dich derart überrumpeln? Und dies gleich mehrmals! Hättest du erst der Fotostrecke, dann dem geänderten Datum nicht zugestimmt, dann würde er wohl noch leben, der Ersatz-Fotograf, den sie dir geschickt haben.

Sympathisch war er zwar keinem, weder dir noch deinem Umfeld. Besonders einem Menschen nicht, und deshalb steht erneut einer deiner Bekannten unter Mordverdacht. Auch wenn die Polizei nur telefonisch mit dir in Kontakt steht, weil sämtliche Strassen tief verschneit sind, die geben den Ton an - und du sitzt abgeschottet mit deinen Freunden und dem Fototeam in deinem Cottage. Einer davon ist der Mörder.

Wir Leser drücken natürlich alle den Daumen, dass dein Bekannter unschuldig ist. Doch wie es sich herausstellt, hätte er alle Gründe dieser Welt froh zu sein, dass der Fotograf nicht mehr lebt. Einige andere zum Glück auch. Wirst du schnell genug sein, um heraus zu finden, wer am meisten?

Dein weihnachtlich geschmücktes Cottage und deinen winterlich verschneiten Garten hätte ich gerne mit eigenen Augen gesehen, es muss zauberhaft ausgesehen haben. Aber bitte ohne Leiche, die da im weissen Schnee liegt. Und Agatha vielleicht auch ins Gehege sperren, zumindest für den Anfang, auch wenn ich eine Frau bin.

Weihnachten ist bei dir schon vorbei, deshalb ein Neujahreswunsch an dich: Wehr dich doch nächstes Mal, wenn deine Erfinderin dich mal wieder so naiv darstellen möchte - dann würde die Geschichte nämlich viel weniger glatt (so wie der Boden unter dem Schnee vor deinem Haus) und plump (so wie die Leute aussehen, wenn sie auf besagtem Boden ausrutschen und auf dem Allerwertesten landen) wirken, dass hast du nämlich nicht nötig. Und wir, die dich nun schon so lange begleiten, hätten mehr Freude daran, dich dann auf deinen weiteren Abenteuern zu unterstützen.

Fazit: Es war ein unterhaltsames Weihnachtsfest mit dir, Mags - bis nächstes Jahr!
4 Punkte.

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