"Normalität ist immer nur eine Sache der Perspektive"
Aurelia lebte bisher versteckt und mit Medikamenten ruhiggestellt, um ihre magische Begabung zu unterdrücken, mehr oder weniger eingesperrt und isoliert. Als sie sich in die Bibliothek schleicht, um sich ...
Aurelia lebte bisher versteckt und mit Medikamenten ruhiggestellt, um ihre magische Begabung zu unterdrücken, mehr oder weniger eingesperrt und isoliert. Als sie sich in die Bibliothek schleicht, um sich einige Bücher zu holen, explodiert ihre unterdrückte Magie plötzlich im wahrsten Sinne des Wortes. Unglücklicher Weise passiert dieses Missgeschick an einem Tatort, was Aurelia schnell zur Hauptverdächtigen macht. Nun muss sie ihr Elternhaus verlassen und sieht einer ungewissen Zukunft entgegen.
Der Einstieg in die Geschichte hat mir gut gefallen. Er war originell und machte mich direkt neugierig auf das Buch.
Dadurch, dass Aurelias Magie bisher unterdrückt wurde, kann sie diese entsprechend wenig bzw. gar nicht kontrollieren. Aus diesem Grund wird sie Meister Marius Cinner zugeteilt, der sie bei sich aufnehmen und ihr beibringen soll, ihre Magie zu beherrschen.
Marius ist ein sehr spezieller Typ. Ich mochte ihn auf Anhieb. Die Geschichte gewinnt durch ihre außergewöhnlichen und sehr schön ausgearbeiteten Charaktere. Aurelia macht eine beeindruckende Entwicklung durch und hat eine wunderschöne und gefestigte Haltung zum Leben und zu anderen Menschen. Die Dynamik zwischen Aurelia und Marius hat mir gut gefallen. Immer wieder musste ich über die beiden schmunzeln.
In der Gesellschaft, die die Autorin gezeichnet hat, wird die Magie als eine Krankheit betrachtet. Aurelia wünscht sich, gesund zu werden. Mit Marius lernt sie, dass sie eine Gabe hat und dass es an ihr nichts Krankes oder gar Hassenswertes gibt. Ich denke hinter dieser Geschichte versteckt sich eine metaphorische Botschaft an unsere derzeitige Gesellschaft, die aktueller nicht sein könnte. Elegant hat die Autorin auch Menschen, die sich der LGBTIQ* Community zugehörig fühlen, sichtbar gemacht. Was mir auch sehr gefallen hat ist, dass fast durchweg genderneutrale Begriffe verwendet wurden, ohne dass es besonders aufgefallen wäre. Es hat nicht den „Lesefluss gestört“ oder Ähnliches 😉
Die Autorin konnte mich mit ihrem blumigen und malerischen Schreibstil mit viel Liebe zum Detail gleich begeistern. So hat sich das Buch an sich sehr gut gelesen.
Trotzdem hatte ich Schwierigkeiten, am Buch dranzubleiben. Aurelias Ankommen in der neuen Situation und das gegenseitige Kennenlernen dauerte schon sehr lang. Marius und Aurelia schleichen ewig umeinander und tasten sich vorsichtig an. Ich hatte das Gefühl, wir würden lange auf der Stelle treten. Es passiert sehr wenig, dafür wird aber viel erzählt und erklärt. Die Geschichte nahm sich immer wieder selbst den Schwung, weil sie sich in Erklärungen und Ausführungen verlor, die teilweise wenig relevant oder an der Stelle nicht von Nutzen waren. Meinetwegen hätte diese Phase nicht ganz so detailliert ausfallen müssen.
Die Ermittlungen in der Mordserie waren grundsätzlich interessant, kamen aber zu kurz, um wirklich Spannung zu erzeugen. Die Auflösung war dann zwar überraschend, kam aber sehr unaufgeregt und irgendwie viel zu einfach. Der Spannungsbogen war ohnehin schon nicht sehr hoch und dann wurde das Ganze einfach so mit einem Satz mehr oder weniger schon gelöst.
Das wirklich Packende und Aufregende der Geschichte passierte erst auf den letzten 50 Seiten. Da konnte ich dann aber auch richtig mitfiebern.
Das Buch kam mir letztendlich wie einer sehr lange Einleitung zur eigentlichen Geschichte vor, die aber eben erst im zweiten Teil erzählt werden soll. Die vielen und langen Ausführungen und Erklärungen, das Kennenlernen der Figuren und die Einführung in eine sehr ausgeklügelte Welt hat den Großteil dieses Buches ausgemacht. Jetzt stehen Marius und Aurelia erst vor ihrer großen Aufgabe, vor ihrem Abenteuer und genau da endet dieses Buch. Von diesem Abenteuer hätte ich gerne schon im ersten Band viel mehr erfahren, ich hätte mir die Spannung gewünscht, die das Ende dieses Buches im zweiten Teil verspricht. Von diesem Band bin ich nicht ganz überzeugt, glaube aber, dass die Fortsetzung dafür umso aufregender wird.