Mit diesem 4. Band endet nun die Familien-Saga um die jüdische Familie Meyer aus Krefeld.
Nach einem kurzen Aufenthalt in England, der durch Ruths mutige Entschlossenheit mit gefälschten Papieren und allein ins Vereinigte Königreich (siehe Teil drei „Tage des Lichts“) zu gehen, erst möglich geworden ist, können die vier Meyers, Vater Karl, Mutter Martha sowie Ruth und ihre jüngere Schwester Ilse, endlich die weite Reise in das „Gelobte Land“ Amerika antreten. Doch auch hier ist nicht alles Liebe-Wonne-Waschtrog. So fällt Karl Meyer gleich bei der Ankunft auf zwei Betrüger herein, die die Notlage und die Unkenntnis der Neuankömmlinge gnadenlos ausnützen.
Anders als viele mittellose Emigranten ist es den Meyers gelungen, einen Teil ihrer Fahrnisse nach Übersee zu verschiffen. Auch eine Wohnung steht für sie bereit, denn eine befreundete Familie, die schon 1936 die Zeichen der Zeit in Nazi-Deutschland erkannt hat und ausgewandert ist, hat den Meyers die Bleibe besorgt. Natürlich ist man weit entfernt vom Standard in Deutschland. Die Ersparnisse schwinden zusehends dahin und so ist es wieder einmal Ruth, die mit ihrem Verdienst die Familie über Wasser hält. Dann Vater Karl kann an seine beruflichen Erfolge in Deutschland nicht anschließen. Ohne Chauffeur und entsprechende Sprachkenntnisse muss das sehbehinderte Familienoberhaupt eine schlecht bezahlte Arbeit annehmen.
Nur langsam findet sich die Familie in Chicago zurecht. Letztlich ist das weitverzweigte Netzwerk der jüdischen Gemeinde hilfreich und die Meyers können Fuß fassen.
Meine Meinung:
Ich habe ein wenig mit Karl Meyer gehadert, weil für ihn das Glas immer halb leer ist. Anstatt froh zu sein, erstens am Leben und zweitens in Sicherheit zu sein, mäkelt er an allem herum. Natürlich ist er in seiner „Ehre“ getroffen, nicht mehr allein und umfassend für seine Familie aufkommen zu können. Doch ehrlich, das ist Jammern auf hohem Niveau. Ich verstehe auch, dass er sich schämt, seinen Nimbus als erfolgreicher Geschäftsmann eingebüßt zu haben. Interessant finde ich, an welchen Kleinigkeiten das Ehepaar Meyer hängt: Das Symbol ist die Kristallschüssel, die sie zur eigenen Hochzeit bekommen haben.
Aufgefallen ist mir, dass sich sowohl die Meyers als auch die Amerikaner gegenseitig mit Vorurteilen aufgrund Unkenntnis des jeweils anderen begegnen. Martha und Karl glauben, dass die Amerikaner Halbwilde sind und den Gebrauch von Gabel und Messer nicht beherrschen. Gleichzeitig wundern sich Ruths Arbeitskolleginnen, dass es in Deutschland Häuser aus Stein gibt. Das toppt nur der aktuelle Präsident, der glaubt in Europa und da in Österreich, leben die Leute in „Waldstädten“.
Marthas Bemerkung, die Amerikaner kennen für Betttücher statt Leinen nur Baumwolle, die sich schnell abnützt, zeigt auch ein wenig die Überheblichkeit des Großbürgertums. Die Familienmitglieder, die Deutschland nicht mehr verlassen konnten, wären im KZ über ein Baumwoll-Leintuch recht froh gewesen.
Karl und Martha benehmen sich Eddie gegenüber recht snobistisch, was sie mir ein wenig unsympathisch erscheinen lässt. Ihnen macht der gesellschaftliche „Abstieg“ sichtlich zu schaffen, während Eddie als Kind russischer Juden echte Armut kennt.
Gut gefallen hat mir, wie die Autorin Ruth den Näherinnen in der Fabrik die Grundzüge des Judentums erklären lässt. Diese Passagen finde ich sehr anschaulich. Hier gibt es unterschwelligen „Unterricht“. Auf die Arbeit in der Kleiderfabrik ist gut geschildert und so habe ich mich auf die Erklärungen in der Schuhmanufaktur gefreut, die dann leider ausgeblieben sind. An manchen anderen Stellen ist der Schreibstil nicht ganz so plastisch. Da ist es eher „tell“ denn „show“. Das kostet gemeinsam mit den mehrfachen Wiederholungen, dass die Prüfung zur Elizabeth-Arden-Beraterin in 4 bzw. 5 Wochen ansteht, einen Stern.
In einem kurzen Seitenblick auf den Rest der Familie in Nazi-Deutschland, erfahren die Leser, was sie schon geahnt haben. Die einen begehen Selbstmord, die anderen lehnen diesen aus tief religiösen Gründen ab und werden letztlich deportiert.
In einem Epilog springen wir in das Jahr 2019 und dürfen Eddie an seinem 100. Geburtstag treffen.
Im Anschluss daran, erklärt Ulrike Renk, welche Teile des Romans Fakt und welche Fiktion sind. Grundlage für diesen vierteiligen historischen Roman bilden die Tagebücher der Ruth Meyer.
Fazit:
Ein gut gelungenes Finale dieser Familiengeschichte, dem ich gerne 4 gute Sterne gebe.