Ist Schweigen eine Schuld?
Die Stunde zwischen Nacht und MorgenDarf eine Schweizerin über den zweiten Weltkrieg schreiben? Ja, sie darf, denn sie beleuchtet durchaus kritisch die Rolle ihres Heimatlandes. Denn kann man während eines Krieges neutral sein?
Das Cover ...
Darf eine Schweizerin über den zweiten Weltkrieg schreiben? Ja, sie darf, denn sie beleuchtet durchaus kritisch die Rolle ihres Heimatlandes. Denn kann man während eines Krieges neutral sein?
Das Cover zeigt eine junge Frau, welche einen Soldaten umarmt, im Hintergrund sind unverkennbar die Trümmer der Stadt Köln auszumachen, denn der Dom ragt als einziges Gebäude empor.
Der Klappentext verrät schon recht viel über die Handlung, dennoch bleibt die Spannung des Romans bis zum Ende hoch.
Es ist insgesamt ein eher leiser Roman, welcher zum Nachdenken anregt und gekonnt verschiedene Blickwinkel beleuchtet, ohne den erhobenen Zeigefinger. Der Roman umfasst lediglich zwei Jahre Kriegszeit bzw. Nachkriegszeit, wobei die Zeit nach dem Krieg deutlich überwiegt. Zunächst hat der Roman drei verschiedene Schauplätze, bevor alle Fäden in Köln zusammenlaufen.
Hauptprotagonistin ist Elvira, genannt Eli, Wipf sie ist Schweizerin und soll mit Mitte zwanzig in eine arrangierte Ehe einwilligen. Doch Eli lässt das Leid der Menschen in den Kriegsgebieten nicht los und so macht sie sich mit der Aktion Schweizer Spende auf nach Deutschland, um das Leid der Menschen ein wenig zu lindern. Matthes ein kleiner aufgeweckter Junge erobert die Leserherzen im Sturm, er schlägt sich alsbald als Waise durch das zerbombte Köln, seine einzige Hoffnung ist sein Bruder Helmut. Helmut war an der Ostfront und harrt nun in einem Gefangenenlager aus. Sehr eindrücklich beschreibt die Autorin die Situation der Menschen im Krieg, hier merkt man sehr gut, dass die Autorin akribisch recherchiert hat und sich mit Betroffenen ausgetauscht hat.
Eli und Helmut sind zwei ganz gegensätzliche Menschen, Eli ist sehr mutig und geht ihren eigenen Weg. Am Anfang noch etwas naiv, hinterfragt sie im Laufe des Romans immer mehr die Rolle ihres Heimatlandes und zum Schluss sogar ihrer eigenen Familie. Helmut ist ein sehr stiller Zeitgenosse, er hat noch einen Rest Stolz, den er sich unter keinen Umständen nehmen lassen will, aber er muss einsehen, dass man Hilfe auch annehmen kann. Als ehemaliger Wehrmachtsoffizier muss er seine Rolle in der Gesellschaft erst wieder finden, er hinterfragt sein Tun und stellt die entscheidenden Fragen und gibt auch zu, in den wichtigen Momenten feige gewesen zu sein. Für mich die beste Nebenfigur war der englische Besatzer Officer Trevor Atkins, er zeigt nicht nur die Rolle der Besatzer in diesem Roman, sondern auch die der Sieger. Für viele waren die Besatzer auch immer noch Feinde, Trevor trägt dazu bei, dass die Menschen in Köln wieder Vertrauen gewinnen und Hoffnung schöpfen. Eli ist an dieser menschlichen Seite nicht unschuldig, denn auch Trevor hegt Gefühle für Eli.
Hat die Schweiz bzw. die Schweizer zugeschaut? Kann man wirklich neutral sein, wenn rund um das eigene Land ein Krieg tobt?
Priska Lo Cascio beantwortet diese Frage durch Elis Entscheidung am Ende des Romans, welchen ich sehr beachtlich finde.
Ja, Eli und Helmut verlieben sich ineinander, aber es ist eine leise Liebesgeschichte. Es sind die kleinen Dinge, die Gesten und Blicke, die die Tiefe Liebe der beiden zum Ausdruck bringen.
Den Hungerwinter hat die Autorin ebenfalls eindrücklich beschrieben ebenso das „Fringsen“ oder Hamstern auf dem Land. Denn auch wenn der Krieg vorbei war, stand das Leben von vielen Menschen (nicht nur in Köln) auf Messers Schneide.
Der Roman gliedert sich in vier Teile, vor jedem Kapitel findet sich eine Ort- und Datumsangabe. Der Schreibstil der Autorin ist sehr angenehm zu lesen und die Seiten fliegen nur so dahin. Insgesamt wird der Roman chronologisch erzählt, vorwiegend aus den Perspektiven von Eli, Helmut und Mattes, wobei Mattes Stimme zum Ende des Romans stiller wird.
Ein Buch für alle, die gerne Romane lesen, welche die Zeit unmittelbar nach dem Krieg behandeln. Es ist für uns gleichzeitig ein sehr eindringlicher Roman, da er das Schicksal der Menschen thematisiert.
Ein Stück Zeitgeschichte, welches mir gut gefallen hat. Auch wenn man bereits viele Romane über die unmittelbare Nachkriegszeit gelesen hat, so war mir bis dato die „Schweizer Spende“ unbekannt. Dies zeigt einmal wieder mehr, dass man nie auslernt und immer wieder neu reflektieren muss