Garnet Raven auf dem Pfad des Herzens
Dies ist der Debütroman des inzwischen verstorbenen kanadischen Autors Richard Wagamese, der selbst indigene Wurzeln hatte. Garnet Raven, der Protagonist und Ich-Erzähler des Romans, weiß lange Zeit nichts ...
Dies ist der Debütroman des inzwischen verstorbenen kanadischen Autors Richard Wagamese, der selbst indigene Wurzeln hatte. Garnet Raven, der Protagonist und Ich-Erzähler des Romans, weiß lange Zeit nichts über seine Herkunft. Er fühlt nur eine Leere in sich, die er nicht füllen kann. Er wird von einer Pflegefamilie zur nächsten geschoben, und wenn er im Spiel mit anderen Kindern der Indianer sein soll, bricht er in Tränen aus, weil er nicht weiß, wie man ein Indianer ist. Da er über sich selbst und sein Volk als „Indianer“ spricht, werde auch ich hier diesen Begriff verwenden. Kurz gesagt, er wurde im Alter von drei Jahren seiner Identität beraubt. Als Teenager gerät er auf die schiefe Bahn und landet im Gefängnis. Erst durch einen Brief, den er von seinem Bruder erhält, wird ihm klar, dass er zum Volk der Ojibwe gehört und eine Familie hat, die schon lange nach ihm sucht. Nach seiner Haftentlassung beschließt er, seine Familie im Reservat zu besuchen – erst einmal ganz unverbindlich, wie er meint. Als er dort ankommt, wirkt er wie aus der Zeit gefallen. Es dauert lange, bis er sich an das Leben im Reservat gewöhnt. Der alte Keeper, einer der letzten Hüter der indianischen Weisheit, nimmt sich seiner an und lehrt ihn die Traditionen und Riten seines Stammes. Es ist ein langsamer Prozess der Selbstfindung, und Schritt für Schritt kommt Garnet in diesem neuen und doch irgendwie vertrauten, ganz anderen Leben an. Der ganze Entwicklungsprozess bis dahin ist hier sehr ausführlich wiedergegeben. Die bildhafte Sprache des Autors ist beeindruckend und gepaart mit einem ganz eigenen Humor. Manche Szenen sind so vergnüglich beschrieben, dass ich häufig schmunzeln musste. Aber es ist auch ein ernsthaftes Buch, das viel über die indianische Mystik und über das Leben der indigenen Völker verrät und über das Leid, das ihnen von den Weißen angetan wurde. Richard Wagamese hatte als Kind ein ähnliches Schicksal wie sein Protagonist. Auch er wuchs in Heimen und bei Pflegefamilien auf und kam erst im Alter von dreiundzwanzig Jahren zu seiner richtigen Familie zurück. Ich vermute daher, dass in diesem Roman auch viel Autobiografisches steckt. Mich hat diese Geschichte stark beeindruckt. Es war mein erstes Buch von Richard Wagamese, aber es wird sicher nicht dabei bleiben.