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Veröffentlicht am 09.06.2022

Düsteres Wien

Das Mädchen und der Totengräber (Die Totengräber-Serie 2)
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Im Kunsthistorischen Museum lässt sich vieles aus dem Alten Ägypten bestaunen, vom Sarkophag über kostbare Grabbeigaben bis hin zur Mumie ist alles dabei. Doch eine der Mumien ist nicht tausende Jahre ...

Im Kunsthistorischen Museum lässt sich vieles aus dem Alten Ägypten bestaunen, vom Sarkophag über kostbare Grabbeigaben bis hin zur Mumie ist alles dabei. Doch eine der Mumien ist nicht tausende Jahre alt, sondern wandelte vor kurzer Zeit noch quicklebendig durch Wien: Professor Strössner. Ein Skandal, über den bei der Wiener Polizei Stillschweigen zu wahren ist. Einer der wenigen Insider ist Leo von Herzfeldt, der den Fall nun ganz diskret aufklären soll.

Das Wiedersehen mit Leo, Julia und Augustin hat fast keine Leserwünsche offen gelassen. Ein sehr lebendiges Wien (bis hin zum Dialekt), Lokalkolorit und Kurioses aus der Stadt machen die Handlung sehr authentisch. Pötzsch erzählt sehr ansprechend und man ist sofort im Geschehen. Wie schon im ersten Band war mir Leo nicht durch und durch sympathisch, seine etwas snobistische Art kommt schon immer mal zum Tragen. Auch seine Art Julia gegenüber lässt ab und an zu wünschen übrig. Aber die kann sich ja wehren, und macht auch sonst eine sehr gute und vor allem kluge Figur. Zusammen haben sie das Zeug dazu, den Mumienfall genauestens unter die Lupe zu nehmen, ebenso wie den Mord an einem vermeintlichen Stricherjungen. Langweilig wird es auf keinen Fall, man wird immer wieder von neuen Entwicklungen überrascht, vom Autor in düstere Wiener Ecken und menschliche Abgründe entführt. Soweit alles richtig gemacht.

Einen kleinen Wermutstropfen gab es dann aber doch: Augustin hätte definitiv mehr Raum gebrauchen können. Der schrullige und dabei sehr kluge Totengräber kommt zwar mit Auszügen aus seinem neuesten literarischen Werk zu Wort, live hätte er aber definitiv ein paar mehr Seiten für sich beanspruchen dürfen. Wenn eine Person schon titelgebend ist, sollte sie doch auch eine gewisse Rolle spielen. Ich hoffe, im nächsten Band wieder mehr von ihm zu lesen und freue mich schon jetzt auf ein kriminalistisches Wiedersehen mit den dreien.

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Veröffentlicht am 20.02.2022

Die Manuskriptabteilung

Eine verdächtig wahre Geschichte
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Lektorin LePage könnte eigentlich stolz auf sich und ihre Manuskriptabteilung sein: ihre neueste Entdeckung, der Autor des Romans „Die Zuckerblumen“ steht kurz davor, den renommierten Prix Goncourt zu ...

Lektorin LePage könnte eigentlich stolz auf sich und ihre Manuskriptabteilung sein: ihre neueste Entdeckung, der Autor des Romans „Die Zuckerblumen“ steht kurz davor, den renommierten Prix Goncourt zu gewinnen. Blöd nur, wenn man den Autor nicht kennt. Oder die Autorin. Die fieberhafte Suche nach dem Schöpfer des Meisterwerks wird umso dringlicher als Parallelen zwischen einer Mordserie und der Romanhandlung auftauchen.

Antoine Laurain hat einen mitreißenden Roman geschrieben, der irgendwie anders ist. Eine kleine, aber feine Geschichte, die mich von den ersten Seiten an gefesselt hat, auch wenn sie nicht „klassisch“ spannend ist. Violaine leitet ihre Abteilung mit großem Geschick und auch wenn ihre Arbeit nicht den Großteil der Handlung ausmacht, so bekommt man doch einen kleinen Einblick in die Verlagswelt. Ihre Art mochte ich sehr gerne, eine kluge Frau, die ihre Geheimnisse zu wahren weiß, aber trotzdem nicht verschlossen wirkt. Sie hat eine besondere Art mit ihren Mitmenschen umzugehen, gerade die freundschaftliche Beziehung zu ihrem Chef gibt dem Buch viel. Das Rätsel rund um Buch/Mord wird vorsichtig gelöst und bringt dabei die eine oder andere Überraschung zu Tage. „Eine verdächtig wahre Geschichte“ ist leider relativ kurz, aber in sich sehr rund. Trotzdem hätte ich gerne noch ein bisschen mehr gelesen, denn auch stilistisch hat der Autor mich mit seinem leichten poetischen Stil abgeholt. Ein wirklich schöner Roman.

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Veröffentlicht am 01.11.2021

Opfer? Täter?

Die Kampagne
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Maggie Costello hat gerade ein verlockendes Jobangebot vom (vielleicht) zukünftigen US-Präsidenten erhalten, da wird sie an anderer Stelle dringender gebraucht. Anwältin Natasha Winthrop tötet in Notwehr ...

Maggie Costello hat gerade ein verlockendes Jobangebot vom (vielleicht) zukünftigen US-Präsidenten erhalten, da wird sie an anderer Stelle dringender gebraucht. Anwältin Natasha Winthrop tötet in Notwehr einen Eindringling, der sie in ihrem eigenen Haus überfallen und vergewaltigt hat. Doch schnell kommen Zweifel auf, hat sie ihn etwas absichtlich ermordet? Da Winthrop ebenfalls als Geheimtipp auf das höchste Amt gehandelt wird, muss Maggie schnell Licht ins Dunkle bringen.
Sam Bournes neuer Thriller hat es wirklich in sich, und das liegt nicht nur an seiner fiktiven Handlung, sondern am Umgang mit der Problematik an sich. Aufgeführte Statistiken und Fakten sorgen für Betroffenheit (milde ausgedrückt) oder auch eine Stinkwut (ehrlich ausgedrückt). Wenn von 100 angezeigten sexuellen Übergriffen (man denke sich die Dunkelziffer hinzu), wirklich nur 1 zu einer Verurteilung führt, ja dann folgert der Autor ganz richtig, wenn er eine Art geduldete Legalisierung anprangert. Immer wieder untermauert er das an Beispielen, und dem Leser geht dabei mindestens genauso die Hutschnur hoch wie dem Autor. Doch auch die Handlung an sich verspricht jede Menge Spannung und Unerwartetes, Spekulieren lässt sich reichlich. Natasha ist eine tolle Figur, sie birgt viele Geheimnisse und lässt sich von niemandem in die Karten schauen. Nicht einmal Maggie, die von ihr engagiert wurde und nun wahrlich nicht auf den Kopf gefallen ist, kann ihr 100%ig vertrauen. Dadurch wird enorme Spannung aufgebaut, weiß man doch nie, wann die nächste Informationsbombe platzt, Schwarz zu Weiß wird (oder umgekehrt). Natasha ist einfach unmöglich zu durchschauen. Bourne hält so die Spannung ständig auf einem hohen Niveau, seinen Erzählstil mochte ich sowieso schon in den vorherigen Bänden, und so fällt es sehr schwer das Buch aus den Händen zu legen. Die ein oder andere Kleinigkeit erschien mir nicht ganz so logisch, auch hätte ich die Zuhilfenahme des Standard USA-Feindes nicht gebraucht, doch insgesamt ist „Die Kampagne“ ein wirklich runder, mitreißender und thematisch wichtiger Thriller.

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Veröffentlicht am 15.09.2021

Aus der Welt der skurrilen Nachrichten

The Stranger Times
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Hannah hat sich gerade von ihrem untreuen, aber reichen Ehemann getrennt. Auf eigenen Beinen stehen bedeutet aber auch, dass man einen Broterwerb braucht. Es verschlägt sie in die Redaktion der Stranger ...

Hannah hat sich gerade von ihrem untreuen, aber reichen Ehemann getrennt. Auf eigenen Beinen stehen bedeutet aber auch, dass man einen Broterwerb braucht. Es verschlägt sie in die Redaktion der Stranger Times, DER Wochenzeitung für die Spinner, Ufogläubigen, Hexen und andere schräge Typen. Neben wirklich besonderen Kollegen und einem cholerischen Chef merkt sie jedoch bald, dass nicht alle Nachrichten so unglaublich sind wie sie zunächst klingen.
Schräg, abgedreht und wirklich witzig ist dieser Auftaktband zur Trilogie über die Stranger Times. Die Figuren sind alles andere als von der Stange, und dieser Einfallsreichtum gefällt mir. Hannah ist eigentlich ein eher graues Mäuschen, sodass ihre Kollegen erst mal im krassen Gegensatz dazu stehen, allen voran natürlich der Chef. Seine Figur fand ich richtig gut gemacht, auch wenn er ein Ekel ist. Aber auch die Nachrichten selbst strotzen vor Witz und Fantasie, sie findet man immer mal wieder eingestreut in Form von Artikeln, welche das Geschehen auflockern. McDonnells Humor ist oft eher trocken, echt britisch eben; mir hat das sehr gut gefallen. Doch bei der Stranger Times wird es auch mal bitterernst, und dann zeigt sich was im Personal wirklich steckt. Man muss den übernatürlichen Einschlag schon mögen, bei mir hat die Idee aber ins Schwarze getroffen. Für den nächsten Band (den ich definitiv und unbedingt lesen muss) würde ich mir etwas mehr Sorgfalt im Lektorat wünschen, die ständigen Namensänderungen haben doch beim Lesen stocken lassen. Ansonsten habe ich an Hannah & Co wirklich nichts auszusetzen gehabt, und freue mich auf Neues aus der Redaktion.

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Veröffentlicht am 21.04.2021

Ungewöhnlich, aber gut

Die vierte Schwester
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Privatermittler Jackson Brodie soll den Vermisstenfall der kleinen Olivia aufklären, sie ist aus dem heimischen Garten spurlos verschwunden; vor knapp 30 Jahren. Jetzt haben ihre Schwestern neue Spuren ...

Privatermittler Jackson Brodie soll den Vermisstenfall der kleinen Olivia aufklären, sie ist aus dem heimischen Garten spurlos verschwunden; vor knapp 30 Jahren. Jetzt haben ihre Schwestern neue Spuren aufgetan und hoffen auf das Geschick des Detektivs. Das wird noch von anderen in Anspruch genommen wie von dem Exanwalt Theo, der auch nach 10 Jahren noch den Mörder seiner Tochter sucht oder Shirley, die verzweifelt nach ihrer Nichte fahndet. Brodie muss alle Bälle in der Luft halten und gerät dabei selbst ins Visier.
Vorliegender Roman ist schon vor einigen Jahren herausgekommen und wird gerade neu aufgelegt. Umso besser, denn sonst wäre mir die Reihe um Jackson wahrscheinlich entgangen, die mich mit diesem ersten Teil wirklich überzeugen konnte. Der Aufbau der Handlung ist ungewöhnlich und verschachtelt, in kurzer Zeit werden sehr viele Personen eingeführt, und so ist es auch mir nicht immer leicht gefallen, den Überblick zu behalten. Aber Dranbleiben lohnt sich, denn Jacksons Fälle haben es in sich. Es handelt sich mitnichten um einen einfachen Krimi, sondern auch um einen Blick hinter so einige vermeintlich heile Familienfassaden. Vieles kam unerwartet, manches klärt sich erst ganz zum Schluss, und so bauen die verschiedenen Erzählstränge einen unwahrscheinlichen Lesesog auf, dem ich mir nur schwer entziehen konnte. Atkinsons Schreibstil hat mir schon an ihren anderen Romanen gefallen, und so war ich auch hier wieder davon begeistert. Ein britischer Humor mischt sich ebenso unter wie auch immer wieder unverhofft fast schon absurde Figuren auftauchen, langweilig wird hier gar nichts und jede Seite hält neue Überraschungen bereit. Atkinson spielt mit ihren Figuren und dem Leser, wirft einen neckischen bis bitterbösen Blick auf die britische Gesellschaft und unterhält dabei scheinbar mühelos. Mir hat Brodies ungewöhnlicher erster Auftritt sehr gut gefallen und so bin ich auf seine weiteren Fälle mehr als gespannt.

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