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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 23.04.2022

Sehr oberflächlich und häufig hanebüchen

Ende in Sicht
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Ich habe im Vorfeld überlegt, ob ich mir diesen Roman psychisch zutraue, aber Neugier, deiner Name ist meiner, und da die Geschichte so schwülstig-hochtrabend damit beworben wurde, dass sie „von all den ...

Ich habe im Vorfeld überlegt, ob ich mir diesen Roman psychisch zutraue, aber Neugier, deiner Name ist meiner, und da die Geschichte so schwülstig-hochtrabend damit beworben wurde, dass sie „von all den guten Gründen zu sterben und all den viel besseren, am Leben zu bleiben“ erzählt, ging ich davon aus, dass hier letztlich das Leben quasi gefeiert wird, während der Tod eher unter „soll er halt noch etwas warten“ abgehakt werden würde. Ich vermutete also, dass der Roman psychisch nicht belastend wäre oder dass er gar als „Ruhepol“ für eine gestresste Seele dienen könnte. Nun ja: Er focht mich psychisch weder auf die eine noch die andere Weise an.
Dafür habe ich mich eingangs erst ein wenig mit Ronja von Rönnes Stimme arrangieren müssen, die mir im Verlauf zwar immer besser gefiel und es hätte wohl auch niemand sonst so genau gewusst, welche Wörter/Szenen etc. die Autorin besonders betont wissen hätte wollen, aber zunächst fand ich ihre Stimme zu gewollt akzentuiert. Da hätte ich definitiv den Eindruck als habe sie sich selbst erst während des Lesens eingrooven müssen.

„Ende in Sicht“ erzählt eigentlich nur die Geschichte eines Roadtrips; das Ende fand ich unbefriedigend und einen einfach zurücklassend: letztlich hörte die Geschichte eigentlich einfach auf, ohne irgendwelche Lösungen, Konsequenzen, Aussichten… zu bieten. Ja, genau das ist auch das typische Merkmal einer Depression, aber wurde jetzt einfach so weitergelebt? Wurde sich einfach nur mit den düsteren Gedanken arrangiert? Gab es noch echte Hilfestellungen? … da blieb so Vieles offen, dass ich einfach ratlos zurückgeblieben bin.

Der Roman beginnt damit, dass Juli, die sich eigentlich geplant in den Tod stürzen will, eher versehentlich auf die Autobahn purzelt und zwar genau vor das Auto von Hella, die auf dem Weg in die Schweiz ist, wo sie professionelle Sterbehilfe in Anspruch nehmen will. Dieses ganze Szenario war schon völlig kurios, da Juli zwar kurzzeitig das Bewusstsein verliert, letztlich aber doch nur hauptsächlich Schürfwunden davonträgt (die sie bald darauf übrigens, noch dazu im FKK-Bereich, eines Thermalbads unbekümmert einweichen wird), und Hella die Unfallstelle zwar absichert, während diverse Autos einfach an ihnen vorbeifahren – ohne dass irgendjemand sonst anhält oder zumindest mal einen Notruf tätigt? Hella bringt Juli dann höchstpersönlich ins nächste Krankenhaus, wo einen die Umstände von Julis Verletzung ebenso wie ihre Daten kaum interessieren; sie soll ihre Versichertenkarte halt nachreichen und wird ansonsten wieder larifari in Hellas „Obhut“ entlassen, die bis dahin mehrmals erklärt hat, dass sie dieses minderjährige Mädchen überhaupt nicht kennt.
Noch konstruierter hätte man diese Zwei nicht aneinanderketten können; Juli behauptet dann, ihre Mutter in Ulm aufzusuchen wollen, wo Hella sie nun absetzen will, ohne zu hinterfragen, wieso eine schulpflichtige Jugendliche wochentags einfach so durch die Gegend gondeln können sollte oder ohne, als Juli einen Anruf bei ihrer Mutter fingierte, darauf zu bestehen, wenigstens selbst auch kurz mit dieser zu sprechen.

Tja, da sind diese Zwei dann zusammen unterwegs und man könnte meinen, es entstünden tiefgreifende Gespräche; immerhin empfinden beide eine offensichtliche Todessehnsucht; aber von einigen kruden Fahrpausen und kleinen Abenteuern (Dorffeste, die offensichtlich nicht am Wochenende stattfinden, inklusive) mittendrin abgesehen habe ich persönlich schon deutlich interessantere Unterhaltungen im Rahmen von Fahrgemeinschaften, die sich über eine Mitfahrzentrale zusammengefunden hatten, geführt und da engere Kontakte geknüpft. Hier fragt niemand, was einem so auf der Seele brennt und während Juli mitunter immerhin tatsächlich in ihren eigenen Gedanken festhängend wirkt, erschien Hella mir mehr einfach nur wie ein abgehalftertes Schlagersternchen, das in der Vergangenheit aber auch nur ein paar wenige, dafür allerdings zum Evergreen gewordene Hits, hatte und jetzt einfach meint, dass es (wasauchimmer) reicht. Teils gibt es Andeutungen, dass Hella ein sehr wildes Privatleben hatte, dass sie Alkoholikerin war (oder ist), dass sie als Kind nie gegen ihre Schwester anstinken konnte – und da hätte es so viel gegeben, wozu etwas gesagt werden hätte können. Wurde es aber nicht.

Insgesamt hatte ich nur selten das Gefühl, hier ginge es wirklich um Depressionen (wie gesagt: bei Juli war das wenn noch sehr viel eher der Fall), und viel mehr den Eindruck, hier wären halt nun zwei Frauen, eine älter, eine jünger, temporär zusammen unterwegs, die einfach nur beide griesgrämig und extrem verbohrt waren. Ich habe weder einen guten Grund zu sterben erfahren noch irgendeinen, geschweige denn viele, besseren, am Leben zu bleiben.

Ich fand hier auch nichts dramatisch oder komisch; für mich plätscherte das alles eher uninteressant vor sich hin, ich habe das Hörbuch so ganz gut weghören können (deswegen dann doch drei Sterne), aber es war definitiv nicht so, dass es mich besonders in seinen Bann gezogen hätte. Ronja von Rönne kann an sich vermutlich sehr gut erzählen, aber hier krankte es letztlich halt mehr an der Geschichte als an den Psychen der Protagonistinnen.

Veröffentlicht am 27.11.2021

Zu wenig unique

Wo kommen wir denn da hin (Der Offline-Opa 1)
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Tja, mit dem Busfahrer Günter Habicht kommt man eher nirgends mehr hin, ist er doch, wenn auch eher widerwillig, in den Vorruhestand versetzt worden. In Renate Bergmanns „Ans Vorzelt kommen Geranien dran“ ...

Tja, mit dem Busfahrer Günter Habicht kommt man eher nirgends mehr hin, ist er doch, wenn auch eher widerwillig, in den Vorruhestand versetzt worden. In Renate Bergmanns „Ans Vorzelt kommen Geranien dran“ war man ihm allerdings schon auf dem Campingplatz begegnet, um später in „Und fertig ist die Laube“ erneut auf ihn zu treffen: Letzterem stand ich bereits reichlich gleichgültig gegenüber, da er mich im erstgenanntem Werk als Nebenfigur nicht so recht zu überzeugen vermocht hatte; da wusste ich weder, wieso er im Schrebergarten plötzlich erneut auftauchen musste noch wieso ausgerechnet er nun seine eigene Reihe bekommen sollte. Von daher stand ich diesem ersten Band zwar aufgeschlossen (ich liebe Renate Bergmann), aber doch auch indifferent gegenüber (Günter Habicht war mir bestenfalls egal).
Der Auftaktband startet nun mit dem Ausscheiden Günters aus dem Arbeitsleben und erklärt letztlich vor Allem, wie er zunächst auf den Campingplatz und später in die Kleingartenkolonie gelangte bzw. welche Schnittpunkte es insgesamt in seinem Leben mit Renate Bergmann gibt, die, für mich irritierenderweise, von ihm mal als Frau Bergmann, mal als Renate Bergmann und stellenweise sehr persönlich als Oma Bergmann benannt wird, ohne dass ich ein Schema hätte erkennen können, in welchem Zusammenhang eine neutralere und wann eine intimere Bezeichnung gewählt wurde.
Stellenweise konnte ich den hier beschriebenen Günter auch gar nicht so recht mit der Vorstellung in Einklang bringen, die ich mir beim Lesen/Hören der Bergmann-Bücher mit ihm von ihm gemacht hatte. Für mich war zunächst auch unklar, dass „Wo kommen wir denn da hin?“ zeitlich noch deutlich vor „Ans Vorzelt kommen Geranien dran“ spielte.

Günter Habicht ist der Proto-Typ des gelangweilten Rentners, der sich nun als Straßensheriff inszeniert, und damit und mit seinen, in ihre Richtung gehenden Belehrungen, auch seine Ehefrau auf die Palme bringt: Sehr deutlich wird, dass Günter schon immer ein ziemlicher Korinthenkacker gewesen ist, aber seine Berentung scheint ihm da noch Dünnpfiff verschafft zu haben.
Leider wurde er mir hier auch nicht weiter sympathisch; ich empfand ihn hauptsächlich als anstrengend. Gut, ich würde auch nicht im selben Haus wie Renate Bergmann leben wollen, aber sie empfinde ich zumindest als sehr vorwitzig und zudem umgibt sie sich mit einigen anderen schrägen Charakteren, ob es nun „die Gläsers“ oder ihre beste Freundin Gertrud mit ihrem Ungetüm von Hund sind. Von einem abgehalfterten Schlagersänger, von dem in diesem Buch zwar häufig die Rede ist, der aber eigentlich nie selbst in Erscheinung tritt, abgesehen, sind die Leute in Günter Habichts Umfeld eher „Durchschnitt“; mir hat da nun doch eine Figur gefehlt, die seine Extreme etwas ausbalancierte.
Zugegeben fühlte ich mich zwei, drei Mal auch ertappt, als Günter Habicht sich über Zustände/Verhaltensweisen echauffierte, über die ich mich ebenso aufregen könnte, wenn auch wohl nicht ganz so „intensiv“ wie er das tut.

Generell hat mir aber gefallen, dass man hier nun auch mal etwas über die Eindrücke erfuhr, die man ihrer eigenen Nachbarschaft von Renate Bergmann hat, und auch etwas mehr über von Frau Bergmann eher ungeliebte Nachbarinnen lernte; das fand ich perspektivisch eine schöne Abwechslung; allerdings hatte ich ab ca. Mitte des Buchs das Gefühl, dass der echte Autor hinter Habicht auch nicht mehr so recht weiterwusste, was er mit dieser Figur nun anstellen sollte, denn plötzlich ging es ständig um (vermiedene) Treffen mit Renate Bergmann und darum, was irgendwer aus deren Nachbarschaft nun wieder von der alten Dame zu berichten wusste…
Insgesamt fand ich „Wo kommen wir denn da hin?“ ein recht interessantes Buch, das Renate-Bergmann-Fans etwas mehr von ihrer „Außenwirkung“ und den Verhältnissen in ihrem Haus, wie sie von den Nachbarn gesehen werden, vermittelt, aber Günter Habicht ist mir immer noch schnurzpiepegal und ich bräuchte nun auch keinen weiteren Band, der sich um ihn dreht, obschon ich zumindest Band 2 wohl doch noch lesen würde, rein aus Neugier, ob es dort gelingt, Habicht aus dem Bergmannschen Windschatten heraustreten zu lassen. Generell gilt hier für mich: Kann man lesen, muss man aber nicht; auch nicht als erklärter Renate-Bergmann-Fan.

Veröffentlicht am 05.11.2021

Letztlich kaum was Anderes als eine Leseprobe

Survivors - Die Flucht beginnt
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Es gibt ein sehr schönes Interview des Autors, das sich zuweilen in der Buchbeschreibung bei diversen Anbietern findet, in dem er herausstellt, dass “Survivors” weniger als klassisches Kinderbuch gedacht ...

Es gibt ein sehr schönes Interview des Autors, das sich zuweilen in der Buchbeschreibung bei diversen Anbietern findet, in dem er herausstellt, dass “Survivors” weniger als klassisches Kinderbuch gedacht ist, sondern als Fabel, die den Umgang der Menschen mit der Natur spiegeln soll: Ich finde es schade, dass diese Erläuterungen nicht auch direkt im Buch enthalten sind, denn dieses Interview gibt nochmals echten Input, die Geschichte eben auch aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten und nicht einfach nur als „nette Geschichte für Kinder“ anzusehen.
Zudem hätte ich mir gerne ein kleines „Fisch-Lexikon“ gewünscht: Hier tauchen doch sehr viele verschiedene, das Riff bewohnende Fische auf und da habe auch ich mich so manches Mal schwergetan, sie voneinander abzugrenzen. Im Verlaufe der Geschichte wird zwar beiläufig erwähnt, um welche Art es sich bei dieser oder jener Figur handelte, aber die reinen Bezeichnungen halfen da bei der Einordnung auch nur wenig. So gab es letztlich nur ungefähr vier Fische, die ich als relativ einzigartig empfunden habe, während die Anderen für mich unter „wohnt halt auch im Riff“ fielen, ohne dass ich auch nur eine vage Vorstellung von ihren Besonderheiten gehabt hätte. Da hätte man meiner Meinung nach definitiv sehr viel mehr (meeresbiologisches) Wissen vermitteln können.

Nun ja, das Buch, der Auftakt zu einer Serie, hat ja bereits den Titel „Die Flucht beginnt“ und damit ist im Grunde genommen bereits der gesamte Inhalt erzählt: Urplötzlich beginnt das Korallenriff, das vielen Tieren eine Heimat ist, zu sterben, und zwar rapide, aber während die einen noch glauben, dass es sich auch ebenso rasch wieder erholen wird, drängen die Anderen, vornehmlich der Protagonistenfisch Zacky, zum raschen Verlassen des Riffs und zum Suchen eines neuen Zuhauses.
Die zugehörigen Diskussionen zu lesen können sich eigentlich sämtliche Lesende sparen, die den Titel nicht gleich wieder verdrängt haben, denn dass das Riff letztlich verlassen wird, ist durch jenen bereits klargestellt. Da sorgt dann lediglich die Frage, ob sich alle Tiere den Flüchtenden anschließen oder sich doch noch die einen oder anderen zum Ausharren im Riff entscheiden werden, noch für etwas Spannung.

Teils fand ich es auch irritierend, dass zum Beispiel „Sonne“ und „Menschen“ bildlich umschrieben wurden (klar, kennen die Riffbewohner tief unten im Meer so nicht), während andere Begriffe von „außerhalb des Wassers“ ganz selbstverständlich verwendet wurden; das war doch sehr inkonsistent und ich dachte so manches Mal, man möge doch nun einfach die übliche Bezeichnung für etwas verwenden.
Sehr gut gefallen haben mir die Illustrationen, die wohl generell schwarz-weiß sind und im Digitalformat etwas gedrungener wirken. Von der Bebilderung her dürfte da die gedruckte Ausgabe vermutlich empfehlenswerter sein, auch wenn es mich zugegeben doch etwas überrascht hat, zu lesen, dass die Illustrationen im Printbuch ebenfalls nicht coloriert wurden, was ich doch erwartet haben würde.

Insgesamt wirkte „Die Flucht beginnt“ auf mich eher wie die Leseprobe eines Romans; dieses Buch ist nun auch nicht derart lang, so dass ich es persönlich schon ein wenig als Geldmacherei empfinde, dass man die komplette Geschichte hier zu einer vierteiligen Serie gemacht hat, wobei ich jetzt schon sicher sagen kann, dass ich „Die Flucht beginnt“ vor dem zweiten Teil ohnehin nochmals lesen müsste, weil ich bis zu dessen Veröffentlichung sicher schon wieder vergessen haben werde, wer nun wer war.
Als „Leseprobe“ gesehen hat dieses Buch nun zwar in mir schon ein wenig das Interesse am weiteren Verlauf geweckt, aber so völlig überzeugt bin ich (noch) nicht und verschenken würde ich dieses Buch auch eher, eben zusammen mit den anderen Bänden, erst dann, wenn die Serie komplett veröffentlicht ist.

Veröffentlicht am 21.09.2021

Wie viel Geschehen passt in wie wenig Zeit? Klufti: Ja!

Morgen, Klufti, wird's was geben
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„Morgen, Klufti, wird’s was geben“ ist nicht einfach nur eine Weihnachtsgeschichte, sondern in 24 Kapitel unterteilt, die hier vielsagend bereits „Katastrophen“ genannt werden, und somit gar ein Lese-Adventskalender. ...

„Morgen, Klufti, wird’s was geben“ ist nicht einfach nur eine Weihnachtsgeschichte, sondern in 24 Kapitel unterteilt, die hier vielsagend bereits „Katastrophen“ genannt werden, und somit gar ein Lese-Adventskalender. Theoretisch könnte man diesen Klufti also kapitel- bzw. katastrophenweise ab dem 1. Dezember lesen und an Heiligabend zum Abschluss bringen; praktisch habe ich die Geschichte nun am Stück gelesen und es letztlich schade gefunden, dass sich die 24 Katastrophen nicht tatsächlich an den 24 Dezembertagen bis zum Heiligen Abend ereignen, denn einen quasi tagesaktuellen Adventskalender zum Lesen hätte ich doch sehr begrüßt. Diese Kluftinger-Geschichte setzt nun erst zwei Tage vor dem Weihnachtsfest an, als Kluftis Frau Erika sich beim Sturz von der Leiter eine Beinverletzung zuzieht und zu Kluftis Widerwillen vom Arzt ins nächste Spital manövriert wird, obschon sie doch noch so viel fürs Fest vorzubereiten hat, was nun von Kluftinger übernommen werden muss.
Ich gebe ehrlich zu: Klufti ist mir selten derart wie ein konservativer, chauvinistischer Macho vorgekommen wie in dieser Geschichte; hat er sich tatsächlich daheim immer schon derart danebenbenommen und hauptsächlich auf der Couch gesessen, während seine Frau machen musste? Also im Umgang mit der verletzten (!) Erika, die er dazu drängte, doch sofort wieder heimzukommen, um für ein schönes Weihnachtsfest zu sorgen, hat er sich nicht grade positiv hervorgetan.
Da war ich doch vor Allem schadenfroh, dass er sich von einer Misere in die nächste hineinmanövriert hat und diese ganzen Notlagen sind es allerdings auch, die es meiner Meinung nach besser gemacht hätten, hätten sich die 24 Kapitel/Katastrophen vom 01.12. an Tag um Tag abgespielt, denn in dieser Geschichte passiert letztlich so dermaßen viel, dass Kluftis Tage im Prinzip 48 Stunden hätten haben müssen und er selbst gar kein Schlafbedürfnis, um all diese Geschehnisse innert von zwei Tagen stattfinden zu lassen. Der Zeitrahmen hat mich hier wirklich stark irritiert.
Mit seinem japanischen „Co-Schwiegervaterdings“ Joschi, der sich kurzfristig bei Kluftingers eingefunden hatte, wird auch hier wieder abstrusestes Denglisch geredet, das mich zwar sehr amüsiert hat, aber mir ist nach wie vor unerklärlich, dass die Beiden sich so tatsächlich leidlich gut miteinander verständigen können sollen.

Es ist übrigens auch rein gar nix Kriminalistisches enthalten, also wer zumindest auf ein klitzekleines bisschen Detektivarbeit hofft, dessen Hoffnung wird sich hier nicht erfüllen.

Mich hat „Morgen, Klufti, wird’s was geben“ nun zwar durchaus unterhalten, aber so die typische Weihnachtsstimmung hat mir die Handlung nicht vermittelt; das war eher „Chaos vor’m Familientreffen“. Insgesamt sehe ich dieses Büchlein eher als nettes Extraschmankerl für eingefleischte Kluftinger-Fans an; ich finde den aktuellen Preis von 14€ trotz dessen, dass es ein gebundenes Buch ist aber definitiv etwas überzogen, grad wenn man bedenkt, dass die etwas früheren Klufti-Bände gebunden auch bereits für 15€ erhältlich und dabei teils bis zu und teils mehr als 3x so seitenstark sind. Da hätte ich einen Preis im einstelligen €uro-Bereich deutlich fairer gefunden. Im digitalen Format wäre dies zudem eigentlich eine typische Bonusgeschichte, wie sie Verlage oftmals zu Weihnachten hin als Gratis-(Schnupper)Angebot verteilen, um bisher nicht erreichte Lesende zu einer Serie zu locken.
Ansonsten würde ich sie generell, wie erwähnt, eher nur den größten Klufti-Fans nahelegen, die sich vermutlich auch ein solches Zwischenbändchen ohnehin nicht entgehen lassen (wollen).

Veröffentlicht am 18.07.2021

Auffallend, nicht anders

Hauskonzert
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Der breiten Masse ist Igor Levit während des Corona-Lockdowns 2020 ein Begriff geworden, als er auf Twitter nicht nur als „einfacher“ Nutzer unterwegs war, sondern seine häuslichen Klavierkonzerte publik ...

Der breiten Masse ist Igor Levit während des Corona-Lockdowns 2020 ein Begriff geworden, als er auf Twitter nicht nur als „einfacher“ Nutzer unterwegs war, sondern seine häuslichen Klavierkonzerte publik machte und sich zudem deutlicher als (Menschenrechts)Aktivist positionierte, der, selbst jüdischer Herkunft, vor Allem klar gegen Antisemitismus Stellung bezog und nach wie vor bezieht.
Leider war kurz nach Erscheinen dieses biografischen Sachbuchs die Situation nicht nur in den sozialen Medien eskaliert, so dass Levit sich kurzzeitig zurückzog und vor diesem Hintergrund, dass sein Engagement ihn zu erdrücken drohte bzw. besser und weniger sächlich ausgedrückt: dass es aufgrund seines Engagements Gewaltdrohungen gegen ihn gab, war „Hauskonzert“ für mich zunächst schwierig zu lesen. Da war letztlich das Buchende bezeichnend, indem Levit erklärt, dass es häufig ein merkwürdiger Konsens zu sein scheint, dass Ruhm einen Menschen zu einer emotionslosen Angriffsfläche mache, die man eben nicht mehr als menschliches Wesen, das diese Angriffe zugrunderichten können, anerkennen müsse.

Generell würde ich „Hauskonzert“ nun übrigens nicht unbedingt als Biografie bezeichnen; ich habe das Buch mehr als fragmentarischen Feuilletonartikel empfunden, Florian Zinnecker als Protokollant aufgefasst und Igor Levit hier eher als Beobachtungsobjekt gesehen – zumindest hatte ich an keiner Stelle das Gefühl, dass Levit, der als Mitautor angeführt ist, tatsächlich direkt zur Autorenschaft beigetragen hat.
Die einzelnen Absätze sind (zumindest in der gedruckten Ausgabe) durch Leerzeilen voneinander getrennt, was mich bis zuletzt leicht irritiert hat: zum Einen hat das meinen fragmentarischen Eindruck definitiv verstärkt, aber zum Anderen habe ich mich gefragt, ob man diesen Stakkato-Stil nur gewählt hat, um das Buch künstlich zu strecken.

„Hauskonzert“ ist definitiv keine klassische Künstlerbiografie, von klein auf bis ins Groß hinein: Hauptsächlich von 2020 ausgehend, wird mal dahin, mal dorthin zurückgeblickt und dabei doch auch die Gegenwart in Szene gesetzt, überlegt, was noch kommen kann, was kommen wird. Meines Empfindens läuft in „Hauskonzert“ alles darauf hinaus, Igor Levit als einen ruhelosen Menschen darzustellen, dessen Gedanken nie stillstehen und dem bewusst ist, dass das Leben ihm keinesfalls Zeit genug für all das, was er anstrebt, lassen wird, ohne dass er irgendetwas hintenan stellen will.
Überraschend fand ich, dass er zudem hier nicht als „Wunderkind“ deklariert wird; man kennt es von anderen schlagzeilenträchtigen Instrumentalisten, die stets nur betonen, dass ihre Kindheit nur vom Üben und mindestens einer strengen Hand geprägt war; in „Hauskonzert“ wird zwar nicht außen vor gelassen, dass auch Levit bereits als kleiner Bub mit dem Klavierspiel begonnen hat, aber hier scheint mehr Verblüffung durch, dass er es quasi einfach in den Fingern hatte und die Profis reihenweise damit überraschen konnte, selbst die schwierigsten Sonaten auf Anhieb aus dem Effeff spielen zu können. Dass das Klavierspiel sein Leben deutlich mehr als zunächst spürbar geprägt hat, kam für mich vor Allem in Zusammenhang mit der Pandemie zum Vorschein, als aufgrund des weitgehend stillgelegten Kulturbetriebs auch sein Leben einen entsprechenden Stopp einlegte und er sich zwangsläufig damit befassen musste, was er ohne die Tätigkeit als Musiker wäre bzw. wie sich sein Musikerleben in den Lockdown einbinden ließe oder auch, was einen überhaupt zum Musiker macht.
Ich habe hier sehr viel selbstreflektierende innere Zerrissenheit herausgelesen; bedauerlich fand ich, dass sein Aktivismus eher oberflächlich angesprochen wurde: wer Levit bei Twitter erlebt, dürfte seine Aussagen als sehr viel eindrücklicher erleben als die im Buch enthaltenen Schilderungen, aber wie gesagt: mir ist von der Erzählstimme her prinzipiell zu wenig Igor Levit durchgekommen.

Insgesamt bin ich mir auch unschlüssig, ob und wem ich dieses Buch empfehlen würde: für mich als jemand, der Levit auch aufmerksam auf Twitter verfolgt, war es nun interessant zu lesen, wenn auch weder spannend noch dass es hier irgendwelche großartigen Überraschungen gegeben hätte. Wer sich regelmäßig im Feuilletonteil der Zeitung tummelt, wird bestimmt mitunter auch Freude am Lesen von „Hauskonzert“ empfinden. Wer Levit allerdings gar nicht kennt, den wird „Hauskonzert“ wahrscheinlich auch weitaus weniger neugierig auf ihn machen als beispielsweise der Besuch eines seiner Konzerte.