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Veröffentlicht am 08.11.2021

Die Eisenbahnanschläge Jüterbog bei Berlin & Biatorbagy in Ungarn

Kommissar Gennat und der Anschlag auf den Orientexpress
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Ein Junge, der sich als blinder Passagier im Gestänge eines D-Zuges versteckt (D steht für einen Durchfahrenden Zug, also einem Schnellzug). Ein Reisender, der muffig ist und nicht reden will. Ein Zug, ...

Ein Junge, der sich als blinder Passagier im Gestänge eines D-Zuges versteckt (D steht für einen Durchfahrenden Zug, also einem Schnellzug). Ein Reisender, der muffig ist und nicht reden will. Ein Zug, der kurz vor Berlin (in Jüterbog) mit einer Detonation zum Stehen gebracht wird und acht Waggons entgleisen lässt. Letzteres beschäftigt natürlich die Berliner Polizei massiv. Dazwischen – wir befinden uns im Jahr 1931 der Weimarer Republik – geht es um die politische Situation vor Ort: Die braunen Horden gegen die Kommunisten. Und ein real existierender Kommissar Ernst Gennat in Berlin, der anders Fälle untersucht als bis dato üblich war. Auf 300 Seiten entwickelt sich eine Geschichte, bei der verschiedene Stränge zusammengebracht werden müssen, bevor sie in die Abgründe des oder der Täter(s) führen.

Ein Krimi ist kein Thriller. Während es im ‚Thriller’ rasant zugeht, dass einem die Spuke wegbleibt und so viele Ereignisse eintreten, die höchst unwahrscheinlich sind, greift ein Krimi eher in das pralle Leben. Er spricht vom ganz normalen Leben, von deinem und von meinem. Und doch passieren in diesem normalen Leben ebenfalls Dinge, die ungewöhnlich sind, aber eben ‚normaler’, vielleicht... Kommissar Gennat ist Berlins bekanntester Kriminaler (zumindest war er es in den 20er und 30er Jahren des letzten Jahrhunderts): In der Zwischenzeit geriet er in Vergessenheit, trotz seiner besonderen Art der Ermittlung und der Neuordnung der Polizeieinheiten, Neuerungen die heutzutage selbstverständlich sind. Regina Stürickow sei Dank, sie (und einige andere) hat den Kriminaler wieder ins Licht der Öffentlichkeit gezerrt. Dem Himmel sei Dank, denn die Autorin schreibt großartige Krimis, die sich lesen wie das Leben selbst, nur eben durchsetzt mit dem Bösen. So wie im wahren Leben auch. Bei Stürickow bekommt man Schritt für Schritt die Ermittlungen mit (was nicht nur Lissy, die Frau von Max Kaminski, Reporter, fasziniert, sondern auch die Berliner Öffentlichkeit und selbst die Polizei). Sie hat mehrere Sachbücher sowie Romane über Gennat geschrieben. Er ist ein ungewöhnlicher Ermittler, Vorbild für einige Kommissare in der Nachkriegszeit; er ist ein verfressenes Dickerchen, beliebt bei Hunden und Kinder (in dieser Reihenfolge).

Der real existierende und hoch anerkannte Kriminalrat Ernst Gennat lebte von 1880 bis 1939. Der beschriebene Fall ist einem tatsächlich passierten Fall nachempfunden. Auch auf andere Fakten macht die Autorin aufmerksam; so dürfte den Wenigsten heutzutage bekannt sein, dass in Österreich für einige Zeit Links- und Rechtsfahrzonen existierten. Und auch der Orient-Express ist nur noch als Buchtitel bekannt.
Autorin Regina Stürickow ist eine Meisterin im Schreiben. Von der ersten bis zur letzten Seite versteht sie es den Leser oder Leserin mitzunehmen. Ein genussvolles Lesen der sanften Aufregung in gewählter Sprache.

Das Umschlagsbild zeigt auf der unteren Hälfte, passend zum Titel, eine Eisenbahnbrücke mit einem abgestürzten Waggon (es ist ein Originalbild von dem Eisenbahnanschlag von Biatorbagy). Der obere Teil ziert ein kleine Fotografie von Gennat und in rot ‚Kommissar Genna’. Die rote Signalfarbe lockt Krimifans.

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Veröffentlicht am 31.10.2021

Das verschwundene Kind

Lautlos wie dein Verschwinden
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In 29 Kapitel plus Prolog & Epilog wird die Geschichte einer Kindesentführung beschrieben - aus der Sicht der Mutter:
Ein Baby verschwindet aus seiner Wiege. Der Alptraum aller Eltern. Die Mutter des Kindes, ...

In 29 Kapitel plus Prolog & Epilog wird die Geschichte einer Kindesentführung beschrieben - aus der Sicht der Mutter:
Ein Baby verschwindet aus seiner Wiege. Der Alptraum aller Eltern. Die Mutter des Kindes, Isabel, dreht fast durch. Denn seit der Geburt hat sich alles nur noch um das Kind gedreht. Die Ehe der Eltern litt darunter. Isabel vernachlässigte ihr Umfeld und sie trifft Entscheidungen alleine, ohne ihren Mann einzubeziehen. Nun war es nicht so, dass die junge Ehe unter einem guten Stern stand. Marc, Ehemann und Vater, verkriecht sich in der Arbeit. Isabel durchlief eine schwierige Geburt mit einem Notfallkaiserschnitt.

Vom ersten Moment an, nachdem ihr die kleine Leonie in die Arme gelegt wurde, dreht sich aber das Leben von Isabel nur noch um ihre Tochter Leonie. Sie vernachlässigt ihren Mann Marc, sie mag nicht einmal die Gegenwart anderer Mütter, sie besteht nur noch aus Ängsten, dass ihrem Kind etwas passieren könnte. Die ersten Ansätze einer künftigen Helikopter-Mutter… und wenn es passiert, dann wird es schlimm. Gegen den Charakter der Isabel spürte ich zunehmend Abneigung: Isabel besteht nur noch aus Ablehnung, alle anderen wollen ihr Böses, die haben doch ihr Kind entführt und die wollen ihr jetzt nicht helfen ihr Kind wieder zu finden.

Doch dann häufen sich die Indizien, wer die Entführerin sein könnte. Da ist die Frau, die öfters vor dem Zaun steht und zum Haus starrt. Isabels Freundin Anna ist verschwunden, sie hatte sich zwar von ihr verabschiedet, weil sie reisen wollte. Aber dass sie überhaupt nicht mehr zu erreichen ist? An der Tankstelle, war da nicht ein Kleinkind in einem Auto versteckt...und die Hebamme hat sich doch auch so seltsam benommen...

Ab der Mitte des Romans gewinnt die Geschichte rasant an Tempo. Jetzt folgt Ereignis auf Ereignis. Zunehmend erschüttern neue Fakten die Suche nach dem Kind. Isabel, die Mutter, bleibt hartnäckig. Sie wirft der Polizei vor sich zu wenig um ihr entführtes Kind zu sorgen, (wobei ich mir das nicht vorstellen kann, ich weiß, dass die Polizeikräfte beim Verschwinden eines Kindes auf Hochtouren auflaufen). Aber die Geschichte wurde aus dem Blickwinkel der Mutter geschrieben und die vermutet, dass jeder um sie herum nicht genügend tut, um ihr Kind wieder zu finden. Bewusst schreibe ich hier ‚ihr Kind‘, weil Isabel an Leonie klebt.

Der Fakt, dass Isabel eine ‚Übermutter‘ ist, wurde hier sehr gut ausgearbeitet.

Monika Lüthi besitzt eine flotte Schreibe und wenn man sich in die Geschichte reingekniet hat, will man partout wissen wie es weitergeht.

Das Titelbild drückt sehr viel Einsamkeit aus: Der riesige Baum mit einer leeren Schaukel, die Frau in Schwarz mit einem Teddy in der Hand. Besser könnte man nicht einen Verlust ausdrücken. Wo ist das Kind?

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Veröffentlicht am 29.10.2021

Das Böse kommt nicht nicht von alleine

Seelengrab
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Der bisher in Berlin eingesetzte Polizeihauptkommissar Lutz Hirschfeld lässt sich nach Bonn versetzen. Keiner versteht das so richtig, weder in Berlin noch in Bonn, doch die Bonner sind froh so eine Koryphäe ...

Der bisher in Berlin eingesetzte Polizeihauptkommissar Lutz Hirschfeld lässt sich nach Bonn versetzen. Keiner versteht das so richtig, weder in Berlin noch in Bonn, doch die Bonner sind froh so eine Koryphäe für den Einsatz zu bekommen. Als er in Bonn ankommt besucht er zuerst eine Klinik. Sein Vater wurde eingewiese; dieser beschwert sich bitterlich darüber. Lutz Hirschfeld versteht sich mit seinem Vater nicht besonders. Doch seit dem Tod seiner Gattin hat der Vater geistig abgebaut. Hirschfeld logiert in einem Hotel. Vorerst! Am ersten Arbeitstag stellt sich Hirschfeld an seiner neuen Arbeitsstätte vor. Und dann passiert es: Eine Leiche taucht auf! An der Rheinpromenade. Bald lässt sich die unbekleidete Leiche zuordnen. Indizen lassen voraus sagen, da kommt mehr...

Hirschfeld schläft schlecht, der Fall lässt ihn nicht los. Er geht rein intuitiv vor und ahnt, dass es eine weitere Leiche gibt. Man findet die zweite Tote, genauso drapiert wie die erste.

In 73 Kapitel stellt Autorin Nadine Buranaseda und der Edel Verlag das Hörbuch „Seelengrab“ vor. Nadine Buranaseda schreibt sehr flüssig. Die kriminalistischen Fakten sind brutal, doch dadurch, dass das Kripo-Duo auch Persönliches einfließen lässt, wird man wieder geerdet, bevor die nächsten Grausamkeiten passieren.

Die Geschichte baut sich langsam auf: Die Autorin setzt Puzzleteil auf Puzzleteil, genauso wie eine SOKO auch vorgehen würde. Da ich zwei Mordfälle und Tätersuche in meinem unmittelbaren Umfeld beobachten konnte, hat mich die Vorgehensweise der Autorin für sie eingenommen. Der Autorin Nadine Buranaseda ist wirlich gelungen einen spannenden und facettenreichen Krimi zu schreiben.

Das Hörbuch wurde sehr gut vertont, mit einer angenehmen und wohltemperierten Stimme und akzentierten Betonungen an den richtigen Stellen. Der Sprecher scheint Schauspielerfahrungen zu besitzen.

Das Hörbuch ist der Beginn einer Reihe rund um Kirchhoff und Hirschfeld , die nun als Duo ermitteln.

Eine grausige Stimme begleitet durch das Hörbuch. Alle paar Szenen taucht für wenige Minuten diese Stimme auf, von der man nicht weiß, wem sie gehört. Die Stimme berichtet jedes Mal von schrecklichen Erlebnisse, mit Wasser, mit Gewalt, mit Ersticken, mit Verstecken. Der zuhörende Mensch ahnt, diese Stimme hat eine wichtige Bedeutung. Aber keine gute…

Nadine Buranaseda hat großes Potential als Krimiautorin und sollte weiterschreiben. An ihre Leserschaft gebe ich den Ratschlag: Anhören!

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Veröffentlicht am 29.10.2021

Neuanfang in einem Alten Land

Der Himmel ist hier weiter als anderswo
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Wer das Alte Land kennt (und ich habe einige Jahre in Hamburg gelebt, da war es ein normaler Ausflug überzusetzen ins Alte Land) liebt tatsächlich die Weite, auch wenn sie platt ist. Zur Zeit der Obstblüte ...

Wer das Alte Land kennt (und ich habe einige Jahre in Hamburg gelebt, da war es ein normaler Ausflug überzusetzen ins Alte Land) liebt tatsächlich die Weite, auch wenn sie platt ist. Zur Zeit der Obstblüte ein Paradies und selbst Städter, die nicht mit einem Verlust kämpfen müssen, erholen sich vom städtischen Stress in kürzester Zeit.

So ist es, wenn man ein Altes Haus kauft (im Alten Land), alles ist morsch, die Vergänglichkeit hat an dem Menschengemachten geknabbert. Aber alles ist doch besser als in einer großen Stadt sich der Trauer hinzugeben. Dass die wunde Seelen heilen lernt, ist fast naturgegeben. Denn in der Stadt hat nichts mehr funktioniert, mit vier Kinder alleine, für die Wohnung kam die Eigenbedarfskündigung und das mit der Musik klappte auch nicht mehr (für eine Musikerin fatal). Doch auch Blauäugigkeit schützt nicht vor Reinfällen. Wieder Violine unterrichten? Ein Cafe aufmachen?

Eine wunderschöne erzählende Sprache, die Details aus der Natur beschreibt, die leicht nachzuvollziehen sind, wenn man selbst die Augen öffnet. Eine nette Geschichte von einem fatalen Lebenabschnitt mit seinen Belastungen und einem hoffungsverheißenen Neuanfang. Auch wenn vieles am Anfang zuerst einmal nicht richtig funktionierte. Der erste Schritt war getan und nun folgten viele weitere.

Der Buchumschlag passt hervorragend zu der Geschichte - romantisch eben wie das Alte Land.

Sehr empfehlenswert!

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Veröffentlicht am 27.10.2021

Mittelalter - Recht und Unrecht

Die Wanderhure und der orientalische Arzt
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Im Prolog wird die Geschichte drei Edelmänner erzählt, die miteinander im spielerischen Wettstreit liegen. Doch daraus wird blutiger Ernst und bald liegt der Jüngste von ihnen unten in einer schlecht zugänglichen ...

Im Prolog wird die Geschichte drei Edelmänner erzählt, die miteinander im spielerischen Wettstreit liegen. Doch daraus wird blutiger Ernst und bald liegt der Jüngste von ihnen unten in einer schlecht zugänglichen Schlucht. Man hatte ihm einen Sprung über die Schlucht angeraten, damit er sein Mann sein beweise. Der Junker namens Gunther überlebt den Sturz verletzt und will seinen Bruder (Halbbruder) und Cousin um Hilfe bitten, als er deren Gespräch über seinen Absturz mitanhören muss. Daraufhin weiß er, dass sein Absturz geplant war und dass er mit dem Tod bedroht ist. Er weiß, er muss sich selbst helfen, um zu Überleben.
Die Geschichte beginnt zwölf Jahre später…
Marie, die Wanderhure (einst entführt, versklavt und sich als Dirne ihr Leben fristend, hat durch ihre Willensstärke und Intelligenz jedoch das Leben wieder zum Guten geführt), ihr Mann Michel Adler zu Kiebitzstein, der sich von einem einfachen Schankwirt zu einem Landadligen hochgearbeitet hatte, und deren Kinder Trudi (Hiltrud), Falko, Hildegard und die Ziehtochter Lisa, unternehmen eine Reise zu einem befreundeten Edelmann...Graf Heinrich von Hettelheim.
Bereits bei der Anreise kommt es zu unerfreulichen Erlebnissen. Im Wald finden die Reisenden der Burg Kiebitzstein eine fast tote junge Frau, deren Aussehen zuerst einmal exotisch auf sie wirkt. Eine Albino – Frau (eine Pigmentstörung). Aufgrund ihres anderen Aussehens wurde sie in ihrem zwanzigjährigen Leben (ohne Mutter) diskriminiert, als Hexe verschrien und von der Außenwelt abgeschirmt.
Der Mordanschlag auf die junge Edda ist der Auftakt zu einer Reihe von Verwicklungen. Innerhalb kurzer Zeit sterben von den verfeindeten Adligen die Väter (sie waren diejenigen, die Erfahrung und Friedenswillen einbringen wollten). Bei einem Überfall auf ein Dorf wurde ein Bäuerlein übelst verprügelt. Es herrscht Mord- und Totschlag als würden keine Gesetze existieren. Die Gerüchteküche brodelt und die Friedenswilligen suchen die Schuldigen unter den anliegenden Adelsfamilien auszumachen. Gesetzlose lassen sich kaufen und begehen die schlimmsten Missetaten, Prügeleien, Mord, Entführungen.
Ein Mittelalterkrimi, wo es in erster Linie um Macht und Reichtum geht. Die beteiligten Parteien wollen ihr Ansehen und ihre Ländereien vergrößern. Die einen sind sehr sympathisch (die Kiebitzsteiner), weil sie sich um den Frieden vor Ort bemühen, obwohl auch Herr Michel sich auf das Glatteis führen lässt. Dazwischen keimen zarte Triebe der Liebe. Und es gibt tatsächlich noch eine Liebesheirat im Topf der Intrigen, Verwicklungen und Verrirrungen.
Ein Sittenbild des Mittelalters, wo unter Adligen immer das Anhäufen der Besitztümer im Vordergrund stand und weniger die Liebe zu einem Gatten oder Frieden in der Region.
Leicht lesbar trotz seiner fast 600 Seiten. Es treibt den Lesenden vorwärts zu erfahren, welche nächste Schandtat um die Ecke lauert oder ob die Guten doch gewinnen.Aus der Serie ‚Die Wanderhure‘ des Autorenpaars Iny Lorentz ist das erste Buch das Bekannteste, voll gepackt mit dramatischen Ereignissen quer durch die halbe Welt. Die Spannung auf höchstem Niveau des ersten Buches erreicht ‚Die Wanderhure und der orientalische Arzt‘ nicht. Doch auch dieses Buch bringt das Mittelalters zum Klingen – ohne ‚Recht & Ordnung‘ herrschte damals das Kampfrecht. Marie, die Wanderhure, hebt sich als starke Frauenpersönlichkeit hervor und die Männer an ihrer Seite (Ehemann, Sohn, Freunde) können froh sein über die kluge Gefährtin.

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