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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 21.11.2021

Tiefgründig

Das Geschenk
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„…Dieses Jahr hätte es das erste Weihnachten ohne Kinder, ohne Baum, ohne Verpflichtungen werden sollen. […] Kathrin wollte über die Feiertage zu zweit verreisen, und zwar ursprünglich nicht nach Nordhessen. ...

„…Dieses Jahr hätte es das erste Weihnachten ohne Kinder, ohne Baum, ohne Verpflichtungen werden sollen. […] Kathrin wollte über die Feiertage zu zweit verreisen, und zwar ursprünglich nicht nach Nordhessen. Aber dann hatte Klaus angerufen, und sie war ans Telefon gegangen...“

Und nun sind Peter und Kathrin unterwegs nach Nordhessen. Mit welchen Worten Klaus sie eingeladen hat, erfahre ich als Leser erst später. Dafür wird mir klar, warum Kathrin zugesagt hat. Klaus ist Witwer. Sie haben ihn das letzte Mal vor vier Jahren bei der Beerdigung seiner Frau gesehen. Wie sagt Kathrin?

„...Die Vorstellung, dass er allein dasitzt, ein altes Telefonbuch durchsieht und dann ausgerechnet uns anruft...“

Doch bei der Ankunft erwartet sie eine Überraschung. An der Tür steht nicht Klaus, sondern Sharon, eine junge Frau.
Die Autorin hat ein Beziehungsdrama zwischen zwei Familien geschrieben, das sie bewusst in die Weihnachtszeit gelegt hat, auch wenn das Fest selbst eher eine Nebenrolle spielt.
Der Schriftstil ist sehr ausgefeilt. Interessant ist nicht nur das, worüber geschrieben wurde, sondern auch das, was zwischen den Zeilen steht und durch das Verhalten und die Beschreibung der Personen ausgedrückt wird.
Der Schock der Ankunft sitzt tief. Die junge Frau scheint jedes Klischee zu erfüllen. Es breitet sich Schweigen aus. Selbst die Erinnerungen aus der Vergangenheit sind nur noch bruchstückhaft präsent.

„...Sharon hat doch gesagt, ihr seid das größte Geschenk...“

Diesen Satz, der am Heiligabend fällt, haben sie nicht begriffen. Mehr und mehr wird deutlich, dass es keine Gemeinsamkeit gibt. Die Freundschaft mit Klaus hat sich überlebt. Es war seine Frau Almut, die damals die Beziehung befruchtet hat.
Sharon hat sich viel Mühe gegeben, damit diese Tage ein Erfolg hätten werden können. Leider lässt vor allem Kathrin sie spüren, dass sie eben nicht Almut ist. Sie wurden freundlich aufgenommen, sind aber nicht bereit, ihre Gastgeberin anzunehmen.
Im weiteren Gespräch zeigt sich, dass viele der Vorurteile nicht zutreffen. Auch Almut war nicht der Engel, den Kathrin nur verklärt in ihr sieht.
Noch härter trifft es Peter. Er sieht plötzlich sein eigenes Leben in dem von Klaus gespiegelt. Der schöne Schein zwischen ihm und Kathrin ist trügerisch.

„...Sharon sah von einem zum anderen, erst irritiert, dann plötzlich voller Mitleid...“

Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Für eine Weihnachtsgeschichte ist es ziemlich heftig. Es ist die eigene Sicht auf die Dinge, die ein aufeinander zugehen verhindert.

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Veröffentlicht am 19.11.2021

Sehr interessant

Walter Ulbricht. Mein Urgroßvater
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„...Mein Buch ist kein Geschichtsbuch, kein Pamphlet und keine Rechtfertigung. Wenn mein Leser eine politische Biografie sucht, wird er enttäuscht werden. Es ist nicht politisch, nicht objektiv...“

Mit ...

„...Mein Buch ist kein Geschichtsbuch, kein Pamphlet und keine Rechtfertigung. Wenn mein Leser eine politische Biografie sucht, wird er enttäuscht werden. Es ist nicht politisch, nicht objektiv...“

Mit diesen Worten beginnt der Autor ein Buch, das auf das Leben seines Urgroßvaters zurückblickt. Es ist aber schon deshalb keine normale Familiengeschichte, weil dieser Urgroßvater etliche Jahre lag die Politik der DDR mitgeprägt hat. Der Teil der Biografie aber wird im Buch im wesentlichen ausgespart. Der Autor beantwortet eher die Frage, welche Ereignisse das Leben seines Urgroßvaters zuvor geprägt haben und wie er zu dem Mann wurde, den man als Politiker kennt.
Auch wenn im Eingangszitat steht, dass die Geschichte nicht politisch ist, so ist es doch die Politik, die großen Einfluss auf sein Leben hatte.
Die eigentliche Lebensgeschichte gliedert sich in dreizehn Kapitel. Jedes der Kapitel beginnt mit einer Überschrift und einer kurzen kursiven Zusammenfassung oder Einstimmung. Danach folgen die Ausführungen zum entsprechenden Lebensabschnitt. Durch die Verwendung von Originalzitaten aus historischen und familiären Quellen wirkt das ganze sehr authentisch. Gleichzeitig veranschaulichen viele Originalfotos das Geschehen.
Walter wächst in einem sozialdemokratischen Elternhaus auf. Obwohl es immer wieder finanzielle Schwierigkeiten gibt, legen die Eltern wert auf eine gute Bildung für ihre Kinder. Walter absolviert eine Tischlerlehre und engagiert sich schon in jungen Jahren politisch.
Großen Raum nehmen in späteren Jahren die Richtungskämpfe in und zwischen den Parteien ein. Walter erweist sich als akribischer Arbeiter und guter Organisator.

„...Er lernt Emotionen immer mehr hinter einer Maske, gedeckt durch das Lächeln der Ulbrichts, zu verbergen. Er entwickelt Ausdauer im Zuhören, hält sich zurück und ist im entscheidenden Moment am besten informiert….“

Das Buch bietet einem Geschichtsinteressierten spannende Einblicke in die Jahre 1914 – 1945. Anhand der studierten Dokumente und einer umfangreichen Recherche werden Fakten und Widersprüche dargestellt. Immer wieder stößt man als Leser auf weitere Namen von Personen, die auch im Nachkriegsdeutschland eine Rolle gespielt haben. Das betrifft nicht nur Politiker, sondern auch Schriftsteller. Es wird ebenfalls gezeigt, welche Fehleinschätzungen es gegenüber der NSDAP gab.
Walters Familienleben nimmt nur wenig Raum ein. Das ist schon allein der Tatsache geschuldet, dass er häufig auf Reisen war oder im Untergrund gelebt hat. Trotzdem hat er die Familie finanziell unterstützt. Die Briefe an die Tochter zeigen einen liebevollen Vater.
Nicht verschwiegen werden Stalins Säuberungsaktionen und das fragile Leben der Emigranten in der Sowjetunion.

„...Es ist fast ein Treppenwitz der Geschichte, dass Stalin die Zeichen der Zeit nicht erkennt: Am 22. Juni beginnt das „Unternehmen Barbarossa“, der Überfall auf die Sowjetunion...“

Der Familienstammbaum, umfangreiche Referenzen und ein Literaturverzeichnis ergänzen das Buch.
Die Biografie hat mir sehr gut gefallen. Sie beleuchtet schlaglichtartig den Mensch Walter Ulbricht und zeigt gleichzeitig, welch Kämpfe und Auseinandersetzungen hinter manchen politischen Entscheidungen stehen. Eine leichte Bitterkeit ist in dem Moment spürbar, wo der Autor andeutet, welche Folgen die Verwandtschaft zu Walter Ulbricht für seine Familie und ihr Leben in Lübeck hatte.

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Veröffentlicht am 16.11.2021

Mord und Tod im Märchenland

Mordsmärchen
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„...Mädchen, die Zeit des Feierns und Flitzens ist vorbei. Such dir einen guten Mann, heirate, geh arbeiten, zeig Verantwortung. Falls dir das in den nächsten zwei Jahren nicht gelingt, gehst du leer aus...“

Diese ...

„...Mädchen, die Zeit des Feierns und Flitzens ist vorbei. Such dir einen guten Mann, heirate, geh arbeiten, zeig Verantwortung. Falls dir das in den nächsten zwei Jahren nicht gelingt, gehst du leer aus...“

Diese Worte aus dem Testament ihrer Tante bringen Rosi zum Schäumen. Wer verzichtet schon gern auf 24 Millionen Euro? Eine Arbeit und ein Mann muss her.
Was sich auf den ersten Blick wie eine ganz normale Gegenwartsgeschichte liest, ist die Umsetzung des Märchen von König Drosselbart in unsere Zeit. Allerdings nahm sich die Autorin damit viel Freiraum.
Die Anthologie enthält noch weitere 13 Märchen. So unterschiedlich wie die verwendeten Märchen sind, ist dabei auch der Stil der Erzählungen. Jeder Autor bringt sich auf seine ganz persönliche Art ein. Bei den meisten allerdings geht es heftig zur Sache. Mord und Totschlag spielen die Hauptrolle. Es kann durchaus ziemlich blutig sein.

„...Auch wenn Sie mich tausendmal strafend ansehen, Herr Kommissar. Ich habe die Tochter von Frau Holle nicht umgebracht...“

Das Märchen, das hinter diesem Kurzkrimi steht ist klar. Hier wird in Form eines Verhörs erzählt. Dadurch kommt die Geschichte schnell auf den Punkt. Ob es wohl ein Zufall ist, dass der Hauptkommissar Grimm heißt?

Auch die Lieder der vier Bremer Stadtmusikanten passen bestens in unsere Zeit:

„..Oh, ihr Wohnungsbauhyänen
Bietet Luxusbleiben an
Treibt die Mieten in die Höhe
Wo bleibt da der arme Mann?...“

Manche strotzen vor schwarzem Humor. Und eigentlich positive Märchenfiguren zeigen plötzlich eine völlig andere Seite.
Doch auch ein gewisser trockener Humor oder Sarkasmus, kommen vor. Deshalb zitiere ich nun aus meiner Lieblingsgeschichte „Der Meisterdieb“. Ich mag es nicht so blutig, liebe dafür aber unerwartete Überraschungen.

„...Mein Alter war nie einer ehrlichen Arbeit nachgegangen. Damit wir drei Kinder wenigstens etwas zu essen hatten und manchmal Strom aus der Steckdose kam, hatte meine Mutter sich meistens in mehreren Jobs gleichzeitig gequält...“

Jede Geschichte vorangestellt ist eine ganzseitige Schwarz – Weiß – Zeichnung, die das Geschehen illustriert.
Am Ende finden sich kurze Lebensläufe der Autoren.
Das Buch hat mir sehr gtu gefallen. Die Idee wurde gekonnt umgesetzt.

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Veröffentlicht am 15.11.2021

Schöner historischer Roman

Salomos Schild
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„...Das war also das Heilige Land, dachte Roberto ernüchtert. Die Erde, auf der Christus selbst gegangen war, war trocken und staubig. Und verbrannt – dort, wo das Heer der Kreuzfahrer durchgezogen war...“

Mit ...

„...Das war also das Heilige Land, dachte Roberto ernüchtert. Die Erde, auf der Christus selbst gegangen war, war trocken und staubig. Und verbrannt – dort, wo das Heer der Kreuzfahrer durchgezogen war...“

Mit diesen Sätzen beginnt nach einem heftigen Prolog ein Buch, dass mich in die Zeit der Kreuzzüge führt. Roberto ist der Knappe von Tankred. Der Ritter ist bemüht unnötiges Blutvergießen zu vermeiden. Das aber sehe nicht alle so.
Die Autorin hat einen spannenden historischen Roman geschrieben. Der Schriftstil lässt sich flott lesen.
Die Personen werden gut charakterisiert. Roberto ist der Halbbruder von Tankred. Seine Mutter war nicht standesgemäß. Deshalb hat ihn der Vater dem Halbbruder zur Erziehung anvertraut.
In Jerusalem trifft Roberto Owain. Auch er ist ein Knappe. Doch die Zeit des Krieges hat bei ihm Spuren hinterlassen. Owain weigert sich zu töten. Da er das nicht offen tun kann, findet er Möglichkeiten, sich davor zu drücken.
Im Felsendom von Jerusalem erleben beide, wie Unbewaffnete niedergemetzelt werden.

„...Nur wenige Minuten später verließen sie mit Bündeln voller Gold und kostbaren Schätzen den Felsendom. Die Schreie waren verstummt. Der Sieg schmeckte bitter...“

Tankred erhält den Schild Salomos. Als sein Onkel in Schwierigkeiten steckt, schickt er Roberto, um ihn den Schild zu bringen. Er soll ihn im Kampf unterstützen. Roberto erbittet sich Owain als Begleiter.
Unterwegs entscheidet er sich, den Schild nicht abzugeben. Er hat Krieg und Tod satt.

„...“Gott will es“, sagten der Papst und die Priester, die ihn das Kreuz an die Brust geheftet hatten. Doch Ro hatte die Angst in den Augen der Heiden gesehen und den Hass der Ritter erlebt. Er konnte nicht länger glauben, dass Gott das gewollt hat...“

Als Leser begleite ich Roberto und Owain nach Apulien und Frankreich, bis England und Schottland. Roberto sucht einen Ort, wo er den Schild lassen kann.
Die spannende Handlung ist durchsetzt mit einer Spur Mystik. Roberrto fühlt sich nicht nur für dem Schild verantwortlich, er fühlt sich von ihm geleitet. In schwierigen Situationen genügt eine Berührung, um ihn bei der Entscheidungsfindung zu helfen. Doch je länger sie unterwegs sind, desto schwerer fällt Roberto seine selbstgewählte Aufgabe. Er möchte zur Ruhe kommen.

„...Ro wusste, dass die Menschen nur Wanderer auf der Erde waren, doch er sehnte sich danach, dass er bald die Heimat erreichen würde, von der erträumte….“

Es gilt, manche Gefahren zu bestehen, bis Roberto endlich sein Ziel erreicht.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es entmystifiziert die Kreuzzüge und zeigt deren wahren Charakter.

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Veröffentlicht am 08.11.2021

Die Vielschichtigkeit der Viren

Warum erschuf Gott die Viren?
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„...Vermenschlichungen täuschen uns nämlich manchmal darüber hinweg, was Viren eigentlich sind. Viren sind eben keine menschlichen Wesen. Eigentlich nicht einmal Lebewesen. Denn nach der biologischen Definition ...

„...Vermenschlichungen täuschen uns nämlich manchmal darüber hinweg, was Viren eigentlich sind. Viren sind eben keine menschlichen Wesen. Eigentlich nicht einmal Lebewesen. Denn nach der biologischen Definition ist ein Virus im Gegensatz zu einem Bakterium nicht lebendig...“

Diese Sätze finden sich im ersten Kapitel eines Buches, das uns in die Welt der Viren führt, aber auch theologische Themen streift. Der fasst provokative Titel relativiert sich, wenn man dem Sachbuch Seite für Seite folgt.
Die Autorin ist Virologin in Großbritannien und hat außerdem Theologie studiert. Sie weiß also, worüber sie schreibt.
In zehn Kapitel erfahre ich als Leser eine Menge Neues über die Viren. Dabei liegt in einigen Kapitel der Schwerpunkt auf der wissenschaftlichen Betrachtung des Themas, in anderen auf der theologischen Seite.
Logischerweise sind die wissenschaftlichen Ausführungen faktenbasiert. Natürlich gibt es noch offene Fragen – und die werden konkret angesprochen. So kennt man momentan drei Theorien über die Entstehung der Viren im Laufe der Evolution.
Anhand vielen anschaulicher Beispiele wird erläutert, wie Viren in den Körper eindringen, sich darin vermehren und gegebenenfalls Schaden anrichten. Gleichzeitig wird dem die Reaktion des Immunsystems gegenüber gestellt.
Anfangs steht die Frage, was Leben ist. Das deutet sich schon im obigen Zitat an. Auf humorvolle Art nähert sich die Autorin dem Thema.

„...Man sollte meinen, dass es ziemlich einfach sein sollte, etwas Lebendiges von etwas Totem zu unterscheiden. Ein Stein ist tot, meine Zimmerpflanze lebt – zumindest im Optimalfall. Dank meiner kurzen Aufmerksamkeitsspanne für das Gärtnern ist das leider nicht immer ganz richtig...“

Man weiß, dass Viren die Menschheitsgeschichte von Anfang an begleitet haben. Mittlerweile kennt man auch positive Wirkungen der Viren im menschlichen Organismus. Die versucht sich die moderne Medizin zunutze zu machen.
Natürlich trägt das Thema Viren auch die Frage nach dem von ihnen verursachten Leid in sich. Dieser Frage nähert sich die Autorin vom christlichen Standpunkt. Dabei geht sie auch auf unsere Verantwortung ein. Sich die Welt untertan zu machen, heißt eben nicht, sie gnadenlos auszubeuten, sondern sie für die Nachwelt zu verwalten.
Zwei Aspekte im Buch haben mich besonders angesprochen. Zum einen geht es darum, Wissenschaft besser zu kommunizieren.

„...Wir haben in der Pandemie gesehen, wie wenige überhaupt noch Grundverständnis davon haben, wie Wissenschaft funktioniert, wer beteiligt ist und wie Entdeckungen gemacht werden...“

Zum anderen geht es um das Verhältnis von Wissenschaft und Glaube. An vielen Beispielen zeigt sie, wie beide sich gegenseitig bereichern können. Und nur so kann es gehen. Ein Gegeneinander ist nicht mehr zeitgemäß.
Im Anhang gibt es zu jedem Kapitel einige Fragen, die die Ausführungen ergänzen und zum Weiterdenken anregen sollen.
An den dafür möglichen stellen werden Bilder eingefügt, die das Gesagte veranschaulichen.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Hier werden auf allgemeinverständliche Art schwierige Zusammenhänge dargelegt.