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Veröffentlicht am 07.12.2021

Lucy´s Blick auf William

Oh, William!
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Elizabeth Strout erzählt hier einmal mehr durch ihre Figur Lucy Barton. Wer die vorkommenden Figuren nicht schon aus den Vorgänger kennt, kann der Handlung aber problemlos folgen, Vorkenntnisse sind nicht ...

Elizabeth Strout erzählt hier einmal mehr durch ihre Figur Lucy Barton. Wer die vorkommenden Figuren nicht schon aus den Vorgänger kennt, kann der Handlung aber problemlos folgen, Vorkenntnisse sind nicht erforderlich.

Das Cover finde ich sehr ansprechend, dass das Bild einen direkten Bezug zum Inhalt hat, ebenso wie der Titel, finde ich sehr gelungen.

Lucy hat auch nach der Scheidung immer noch einen guten und regen Kontakt zu William, dem Vater ihrer zwei Töchter. Den Tod ihres zweiten Mannes David, ihrer großen Liebe, hat sie einigermaßen verwunden, sie hat aus dieser tiefen liebevollen Beziehung eine besondere Stärke und Festigkeit für sich gezogen. David war ihr Seelenverwandter.

In diesem Buch erzählt Lucy über William. Wie eine Erzählerin, die einem gegenüber sitzt, schweift sie immer mal wieder ab und es kommen auch andere Themen und Personen vor.

William hat sie die zahlreichen Affären, die er während ihrer Ehe unterhielt, verzeihen können. Sie pflegen nun eine gute Freundschaft und so ist es naheliegend, dass er Lucy um Hilfe bittet, als sein Leben ungewollt eine gravierende Wendung nimmt. Über Lucy wird William hier klar porträtiert und teilweise auch analysiert. Seine Familiengeschichte und seine aktuelle Entwicklung sind gut dargestellt und wirken authentisch. Über die Schilderung der gemeinsam verbrachten Zeit in der Vergangenheit und Gegenwart erfährt man auch viel über Lucy, ihr Leben und ihren Charakter.

Strout hat wie immer genau hingeschaut und detailliert beschrieben. Es gelingt ihr scheinbar mühelos mit der Betrachtung der Charakter zu fesseln, nebenbei deren Gefühle offenzulegen und die verpassten Gelegenheiten der Vergangenheit aufzuzeigen.

Es ist, als würde Lucy dem Leser direkt erzählen. Man fühlt sich angesprochen und hat ein bisschen teil am Leben dieser Menschen. Als Außenstehender kann man hier Parallelen zwischen den Beteiligten erkennen, Fehler und Gelegenheiten erkennen, Herzenswärme miterleben und auch so manches Mal "oh, William" seufzen.

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Veröffentlicht am 29.11.2021

Depressionen mit fremdem Glück heilen

Memories of Summer
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Am NEURO-Institut spendet Mika regelmäßig glückliche Kindheitserinnerungen. Da er dafür Geld erhält ist es eigentlich ein Verkauf, mit dem der Junge seine schlechten finanziellen Verhältnisse ausgleicht. ...

Am NEURO-Institut spendet Mika regelmäßig glückliche Kindheitserinnerungen. Da er dafür Geld erhält ist es eigentlich ein Verkauf, mit dem der Junge seine schlechten finanziellen Verhältnisse ausgleicht. Der Verlust von ein paar Erinnerungen wiegt da seiner Meinung nach nicht viel, schließlich hat er genug davon. Als er im Wartezimmer auf Lynn trifft, seine beste Freundin aus dem Kindergarten, erkennt er sie nicht, er hat sie vergessen. Die beiden Jugendlichen nähern sich wieder einander an und erneuern ihre Freundschaft. Lynn leidet an Depressionen, sie soll eine Spende erhalten, doch sie ist nicht überzeugt von der Methode, die ihr fremde Gedanken und damit verbundene Gefühlt einpflanzt.

Mit diesen beiden gegensätzlichen Protagonisten erleben wir auch beide Seiten dieses Themas. Mika, der von der Methode überzeugt ist und Lynn, die Zweiflerin. Auch die Eltern der beiden beurteilen die Methode sehr unterschiedlich, da sie aus gegensätzlichen Gesellschaftsschichten stammen, erhält man einen guten Einblick in die Gegebenheiten, die in ferner Zukunft spielen. Neben dem Für und Wider um das Thema der Spenden geht es auch um Bildung, die soziale Gestaltung des Staates insbesondere bei Krankheitsfällen, illegale Machenschaften und eine erste Liebe. Die verschiedenen Charaktere sind gut aufgebaut. Mikas Familiengeschichte ist zwar tragisch, aber glaubhaft und in manchen Momenten herzerwärmend. Es ist der Autorin gelungen die Themen, die ihr am Herzen liegen von verschiedenen Seiten zu beleuchten, das regt zum Nachdenken an und man kann seine Position immer wieder überdenken.

Ein schöner Mix, der mich gut unterhalten hat und der zu einem wichtigen Thema gute Denkanstöße liefert.

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Veröffentlicht am 11.11.2021

Besuch von einem Fremden

Kasi Kauz und die komische Krähe (Kasi Kauz 1)
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In dem idyllischen Wald kennen die Tiere sich gut untereinander. Jeder hat seine Rolle und seinen Platz in der Gemeinschaft. Eines Tages taucht ein komischer bunter Vogel auf, der merkwürdige Schreie von ...

In dem idyllischen Wald kennen die Tiere sich gut untereinander. Jeder hat seine Rolle und seinen Platz in der Gemeinschaft. Eines Tages taucht ein komischer bunter Vogel auf, der merkwürdige Schreie von sich gibt. Die Waldbewohner kennen keine Papageien und wissen nicht, ob das neue Tier gefährlich ist. Frisst es womöglich die Kinder, nimmt es einem den Lebensraum oder Nahrung weg? Die Sorgen der Einzelnen sind unterschiedlich, aber sie führen allesamt zu Misstrauen und Ablehnung. Nur der kleine Weise Kasi Kauz lässt sich vorurteilsfrei auf den Gast ein. Er argumentiert ruhig und geschickt, so kann er die verschiedenen Bedenken der Tiere entkräften.
Die einzelnen Waldbewohner haben lustige Namen, die den Kindern Spaß machen. Sie alle sind liebevoll in Szene gesetzt worden, es macht Spaß die bunten Bilder zu betrachten.
Kasi ist ein schönes Vorbild für Offenheit und Gelassenheit dem Neuen gegenüber. Die dargestellte Problematik lässt sich gut auf unsere Gesellschaft übertragen. Das Buch beinhaltet eine wichtige Botschaft, die auch bei den kleinen Lesern schon verständlich ankommt.
Mein Kritikpunkt bezieht sich auf den Fremden, der hier leider auch keinen Schritt zur Eingliederung unternimmt und als einziges Wort ausgerechnet nur „Blödmann“ beherrscht. Was mir missfiel, fanden die Kinder beim Vorlesen jedoch ganz witzig.
Fazit: Eine schöne Parabel zu einem wichtigen Thema mit tollen Illustrationen.

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Veröffentlicht am 07.11.2021

Leben in einer Parallelgesellschaft

Vertraute Welt
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Der Autor beschreibt das Leben des 14 jährigen Glubschaug in den 80er Jahren in Korea. Er zieht mit seiner Mutter zu deren neuen Freund und dessen Sohn auf die Blumeninsel in der Peripherie Seouls. Hinter ...

Der Autor beschreibt das Leben des 14 jährigen Glubschaug in den 80er Jahren in Korea. Er zieht mit seiner Mutter zu deren neuen Freund und dessen Sohn auf die Blumeninsel in der Peripherie Seouls. Hinter diesem schönen Namen verbirgt sich kein blühender Vorort, sondern die Mülldeponie der Stadt. Auf dieser lebt eine Vielzahl von Müllsammler, die die Wertstoffe aus dem permanent eintreffenden Müll zur Wiederverwertung händisch heraussuchen. Diese Gemeinschaft hat eine klare Hierarchie, die Jedem seinen Platz zuweist.


Das Leben in dieser Parallelgesellschaft wird durch die Augen der Kinder beschrieben. Es wird schnell zur Normalität für Glubschaug, dass Alles, was sie zum Leben benötigen, aus dem Müllberg kommt. Besonders bei der Nahrungsmittelbeschaffung schüttelte es mich. Die Lebensbedingungen dort werden anschaulich geschildert.
Das vorhandene Bildungsangebot wird kaum wahrgenommen, aber die gelegentlichen Essenspenden für Kinder werden gerne angenommen. Die reichen Damen, die hier helfen, dokumentieren ihr Engagement mit reichlich Fotos, bei denen die Kinder wie Marionetten benutzt werden, nachdem sie mit Deosprays „aushaltbar“ gemacht wurden.
Die Kinder führen ihr Leben teils neben den Erwachsenen und haben gemeinsam Spaß. Durch seinen neuen Bruder lernt Glubschaug neue Menschen kennen und es gibt auch einige mysteriöse Erscheinungen und Ereignisse, die wohl der koreanischen Kultur entspringen.

Das Leben auf dem Müllberg hält auch große Gefahren bereit, die hier drastisch beschrieben werden. Wie so oft muss es erst zur Katastrophe kommen, bevor Missstände verändert werden. Heute gibt es die Blumeninsel in dieser Form nicht mehr und Korea ist im Umgang mit Müll ein Vorzeigeland geworden.

Der Autor erzählt direkt und ungeschönt, so wird die Lektüre aufrüttelnd und berührend. Man hinterfragt unwillkürlich sein eigenes Konsumverhalten, den Umgang mit Müll, insbesondere Lebensmitteln. Auch der Umgang mit an den Rand gedrängten Menschen kommt hier auf den Prüfstand.
Glubschaug zeigt uns seine vertraute Welt, die in Korea der Vergangenheit angehört, anderorts aber noch in ähnlicher Form existieren mag. Ein Buch, dass an unser Verantwortungsgefühl appelliert und das ich gerne weiter empfehle.

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Veröffentlicht am 27.10.2021

Porträt einer deutschen Dichterin

Annette von Droste-Hülshoff. Dichterin zwischen den Feuern
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In dieser Romanbiografie wird Annette von Droste-Hülshoff durch verschiedenen Episoden Leben eingehaucht. Die Autorin hat hierzu prägnante Erlebnisse herausgesucht, die in der Summe ein gutes Bild der ...

In dieser Romanbiografie wird Annette von Droste-Hülshoff durch verschiedenen Episoden Leben eingehaucht. Die Autorin hat hierzu prägnante Erlebnisse herausgesucht, die in der Summe ein gutes Bild der bedeutenden Dichterin ergeben und aufzeigen, wie vielseitig begabt Annette tatsächlich war.

Sie wurde als Frühchen geboren, dem man nur wenige Überlebenschancen einräumte. Eine schwache gesundheitliche Konstitution blieb ihr erhalten, was sie nicht abhielt, viel zu unternehmen und sich mit einen starkem Kampfgeist für ihre Leidenschaft einzusetzen. Annette v.D.-H. Leben wurde zeitlebens von ihrer Familie, insbesondere der Mutter dominiert, doch in der Veröffentlichung ihrer Dichtung verfolgte sie ihre Belange. Bezüglich ihrer Reisewünsche oder in Herzensdingen konnte sie sich meist nicht gegen die Mutter durchsetzen. Neu war für mich, dass die Dichterin auch erfolgreich komponierte und eine hervorragende Sängerin war.
Durch die bildhaften Episoden, die die Autorin geschaffen hat, meint man bei den Ereignissen dabei gewesen zu sein. So werden Haltungen und Benehmen aus der Zeit spürbar. Gedichte und Briefauszüge reichern die Texte an.

Im ausführlichen Anhang finden sich Bilder, Daten, Personenregister und ein detaillierter Lebenslauf, sowie weitere Quellenangaben. Beim Lesen der Kapitel kann man sein Wissen hier immer wieder ergänzen.

Mir hat das Buch gut gefallen, hin und wieder hätte ich es gerne noch etwas umfangreicher gehabt. Einige ihrer Werke kannte ich schon, aber mir hat es Lust gemacht, wieder einmal etwas von ihr zu lesen.


Ein guter Einblick in das Leben einer der bedeutendsten deutschen Dichterinnen , deren Wunsch „nach 100 Jahren will ich gelesen werden“ sich eindeutig erfüllt hat.

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