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Veröffentlicht am 14.11.2021

Anna Göldi - ein Justizirrtum

Anna Göldi – geliebt, verteufelt, enthauptet
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„Das Verfahren gegen Anna Göldi war, selbst nach den Maßstäben des Rechts der damaligen Zeit gemessen, mit schweren Fehlern behaftet: Das Gericht war nicht zuständig, es unterlag dem Einfluss und den dauernden ...

„Das Verfahren gegen Anna Göldi war, selbst nach den Maßstäben des Rechts der damaligen Zeit gemessen, mit schweren Fehlern behaftet: Das Gericht war nicht zuständig, es unterlag dem Einfluss und den dauernden Interventionen eines Prozessbeteiligten, und die Untersuchung der Krankheitssymptome bei Anna Maria Tschudi war oberflächlich und von Vorurteilen geleitet.“ (S.70)

Autor Walter Hauser ist Jurist und Journalist und beschäftigt sich seit Jahren mit dem letzten Hexenprozess in der Schweiz. Dieses Buch ist das Ergebnis neuerer Forschung und gleichzeitig Hausers drittes Buch zum Justizmord an Anna Göldi.

Angesichts der Ergebnisse seiner Recherchen zu diesem Buch initiierte er die Anna-Göldi-Stiftung, die sich gegen Justiz- und Behördenwillkür engagiert und 2017 das Anna Göldi Museum in Glarus.

Doch zurück zum Buch:

Anna Göldi wurde am 13. Juni 1782 in Glarus durch das Schwert des Scharfrichters enthauptet. Just zu einer Zeit, in der die Mehrheit der Menschen nicht mehr an Hexerei glaubten, warf ihr die Anklage vor, das Kind ihres früheren Dienstherrn, des Arztes und Richters Johann Jakob Tschudi, vergiftet zu haben.

Die Familie Tschudi ist einflussreich und daher ist es kaum verwunderlich, dass die einfache Magd Anna Göldi keine Chance hat, dem Prozess und dem Urteil zu entkommen. Zahlreiche Zeugen der Anklage stammen entweder aus dem weit verzweigten Tschudi-Clan oder sind mit ihm freundschaftlich verbunden oder von ihm abhängig.

Anhand der Prozessakten enthüllt der Autor die Chronique Scandaleuse, wie Meineide geschworen, Untersuchungen nachlässig geführt und Geständnisse unter der Folter abgepresst wurden.

Ein Motiv für die Verleumdungen, die zur Hinrichtung Anna Göldis führten, ist nicht wirklich auszumachen. Der (scheinheilige) Vorwurf des verbotenen außerehelichen Beischlafs kann nicht wirklich ernst genommen werden, da zu jener Sex außerhalb der Ehe sowohl für Frauen als auch für Männer verboten und unter Strafe gestellt war. Also, hätte auch Tschudi vor Gericht gestellt gehört, der er hat Anna Göldi vermutlich zum Beischlaf gezwungen.

Walter Hauser hat bei seinen Recherchen eine interessante Entdeckung gemacht, nämlich den Einfluss des Churer Priesters und Teufelsaustreibers Johann Joseph Gassner, der in zwei weiteren Hexenprozesse (1775 im süddeutschen Kempten und 1779 im bündnerischen Tinizong) ein unrühmliche Rolle spielt.

Nicht zuletzt auf Grund Walter Hausers Bemühungen, wird die zu Unrecht verurteilten Frau spät, aber doch, im Jahr 2008 durch den Glarner Landrat rehabilitiert. Dies ist die erste „Hexenrehabilitierung“ durch ein Parlament.

Fazit:

Ein Schicksal, das bis heute bewegt, aufrüttelt und polarisiert. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Veröffentlicht am 14.11.2021

Messerscharfe Analysen und Sachwissen

So sah ich Die Welt. Life is a story - story.one
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In diesem dritten Teil der Trilogie, die anlässlich des Ablebens von Hugo Portisch erschienen ist, dürfen wir „live“ an bedeutenden Momenten seines Lebens teilhaben.

Der wohl Berührendste ist jener, als ...

In diesem dritten Teil der Trilogie, die anlässlich des Ablebens von Hugo Portisch erschienen ist, dürfen wir „live“ an bedeutenden Momenten seines Lebens teilhaben.

Der wohl Berührendste ist jener, als er im Jahr 1944, gerade einmal sechzehnjährig, so wie viele seiner Alterskollegen, in ein Wehrertüchtigungslager einrücken sollte. Der Beitritt zur Freiwilligen Feuerwehr von Pressburg (heute Bratislava) rettet ihm und seinen Mitschülern vermutlich das Leben.

Seine Berichte aus dem Jahr 1956 vom Ungarn-Aufstand und 1968 vom Prager Frühling sind legendär.

Seine messerscharfen Analysen und sein Fachwissen werden mir ebenso fehlen wie seine großartige Art, schwierige politische Themen zu vermitteln.

Veröffentlicht am 14.11.2021

Hat mich gut unterhalten

Donaukiesel
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Beatrice und Wolfgang führen gemeinsam eine florierende Werbeagentur. Plötzlich und unvermittelt verlangt er die Scheidung. Seine Geliebte scheint ein Kind zu erwarten, darum auch die Eile.

Die betrogene ...

Beatrice und Wolfgang führen gemeinsam eine florierende Werbeagentur. Plötzlich und unvermittelt verlangt er die Scheidung. Seine Geliebte scheint ein Kind zu erwarten, darum auch die Eile.

Die betrogene und vor den Kopf gestoßene Beatrice nimmt ein paar Tage Auszeit in der Wachau, um ihr Leben neu zu ordnen. Doch anstatt in der malerischen Idylle auszuspannen, gerät sie in ein mörderisches Komplott...

Meine Meinung:

Die Autorin war mir bislang unbekannt. Der Titel und das Cover sowie die Neugier haben mich zu diese Krimi greifen lassen. Ich habe es nicht bereut!

Der Krimi ist leicht zu lesen und die Spannung baut sich kontinuierlich auf. Sei es, dass Bea nun endlich erfährt, wer ihr Vater ist oder sei es, dass sie den an einer Schreibblockade leidenden Krimi-Autor Michael kennen lernt oder, dass es mit Susanne, eine weitere betrogene Ehefrau gibt, die tot aus der Donau geborgen wird. Gemeinsam beginnen Michael und Bea auf eigene Faust zu recherchieren.

Und überhaupt, das „Personal“ des Krimis ist sehr gut gezeichnet. Der Täter selbst ist gut versteckt und kommt erst zum Showdown aus der Deckung. Gut gemacht!

Ich habe diesen Krimi in einer Nacht durchgelesen.

Fazit:

Ein fesselnder Krimi aus Niederösterreich, der durch zahlreiche Umwege und Sackgassen besticht. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Veröffentlicht am 07.11.2021

OÖ abseits der Toristenpfade

Oberösterreich entdecken
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Mit Josef Leitner, Autor, Theologe, Germanist, Jurist und Kolumnist einer österreichischen Tageszeitung dürfen in 77 Ausflügen Oberösterreich entdecken.

Wir durchstreifen unter seiner fachkundigen Anleitung ...

Mit Josef Leitner, Autor, Theologe, Germanist, Jurist und Kolumnist einer österreichischen Tageszeitung dürfen in 77 Ausflügen Oberösterreich entdecken.

Wir durchstreifen unter seiner fachkundigen Anleitung das Mühlviertel, das Traunviertel machen Rast im schönen Salzkammergut um schließlich durch das Inn- und Hausruckviertel bis in den Zentralraum Oberösterreichs zu gelangen.

Zahlreiche Anekdoten, Tipps zu Sehenswürdigkeiten abseits der üblichen Touristenpfade sowie historisch Interessantes säumen unseren Weg.

Jede Tour ist auf einem Landkartenausschnitt dargestellt. Angaben wie Wegzeit, Wegstrecke, Ausgangspunkte und öffentliche Verkehrsanbindungen ergänzen die Informationen. Fotos und informative Texte machen neugierig auf so manche bislang unbekannte Route.

Fazit:

Gerne vergebe ich für diesen aufschlussreichen Reiseführer 5 Sterne.

Veröffentlicht am 01.11.2021

Regt zum Nachdenken an

Irgendjemand musste die Täter ja bestrafen
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Achim Doerfer, Jude und Nachkomme von Überlebenden der Shoa geht in diesem Buch einem verdrängten Kapitel der Erinnerungskultur nach: Dem jüdischen Widerstand und dem Wunsch nach Rache und Vergeltung.

Das ...

Achim Doerfer, Jude und Nachkomme von Überlebenden der Shoa geht in diesem Buch einem verdrängten Kapitel der Erinnerungskultur nach: Dem jüdischen Widerstand und dem Wunsch nach Rache und Vergeltung.

Das Buch gliedert sich nach einem Prolog in drei Teile:

Teil 1 Jüdischer Widerstand und Rache
Teil 2 Das Versagen der deutschen Politik und Justitz nach 1945
Teil 3 Das Märchen von der deutsch-jüdischen Versöhnung

Den meisten Menschen ist nur der Aufstand im Warschauer Ghetto als jüdischer Widerstand bekannt. Dennoch gibt es zahlreiche Aktionen von Jüdinnen und Juden dem NS-Terror Paroli zu bieten. Leider sind nur wenige schriftlichen Zeugnisse darüber erhalten. Achim Doerfer listet nun diese Widerstands- und Rachegeschichten auf, um dem Vorwurf „die Juden hätten sich wie Lämmer zur Schlachtbank führen lassen“, aufzuräumen. Denn mit diesem Vorwurf sind die Überlebenden der Shoa bei ihrer Ankunft in Palästina/Israel von den dort bereits ansässigen Juden konfrontiert. „Warum habt ihr euch nicht gewehrt?“

Zunächst berichtet Doerfer vom wohl bekanntesten jüdischen Widerstandskämpfer und Partisanen, dem Gründer der Organisation „Nakam“ (=Rache) Abba Kovner (1918-1987), der 6 Millionen Deutsche mittels vergifteten Trinkwasser töten wollte. (Das heizt den ewigen Vorwurf der „Juden als Brunnenvergifter“ wieder an.)

Einen weit größeren Teil des Buches nimmt die beschämende Haltung sowohl der Alliierten als auch dann der deutschen Nachkriegspolitiker den Opfern gegenüber ein. Sowohl Politiker als auch Justiz und Exekutive sind sehr lasch bei der Verfolgung der Täter. „Persilscheine“ werden am laufenden Band ausgestellt und plötzlich „will keiner dabei gewesen sein“, „Keiner etwas gewusst haben“ etc..
Penibel listet Achim Doerfer auf, wie den Opfern Gerechtigkeit vorenthalten wurde. Sie mussten ihre Ansprüche auf Restitution von geraubten Wertsachen mühevoll einklagen und oft haben sie nichts zurückerstattet bekommen. Denn die Täter von damals sind in ihren Posten wieder bestätigt worden oder oft sogar aufgestiegen. Der einhellige Tenor der Politik (auch in Österreich): Man war dafür, alles in die Länge zu ziehen, bis der letzte Überlebende nicht mehr ist.

Der Wunsch der Überlebenden der Shoa nach Bestrafung der Täter ist legitim.

Fazit:

Achm Doerfer leistet mit diesem Buch einen wichtigen Beitrag zur Erinnerungskultur, in dem er das Bild der „Juden, die sich wie Lämmer zur Schlachtbank führen ließen“, zurecht rückt. Gerne gebe ich diesem wichtigen Buch 5 Sterne.