Eine Pfarrerstochter als Antiheldin
England zu Beginn des 19. Jahrhunderts: Bisher hat die 17-jährige Catherine Morland noch nicht viel von der Welt gesehen. Doch als die Pfarrerstochter die Gelegenheit erhält, mit dem Ehepaar Allen aus ...
England zu Beginn des 19. Jahrhunderts: Bisher hat die 17-jährige Catherine Morland noch nicht viel von der Welt gesehen. Doch als die Pfarrerstochter die Gelegenheit erhält, mit dem Ehepaar Allen aus ihrem Heimatdorf Fullerton in Wiltshire in den Kurort Bath zu reisen, tun sich ungeahnte Möglichkeiten auf und sie macht in der Ferne vielversprechende Bekanntschaften…
„Northanger Abbey“ ist ein Roman von Jane Austen, der erst posthum veröffentlicht worden ist.
Meine Meinung:
Der Roman setzt sich aus 31 kurzen Kapiteln zusammen. Erzählt wird in streng chronologischer Reihenfolge, jedoch mit kleineren Vorausdeutungen. Die Geschichte spielt um das Jahr 1803 und umfasst etwa drei Monate. Die Handlung findet vorwiegend im Kurort Bath und in der titelgebenden ehemaligen Abtei statt.
Der Schreibstil Austens ist ein Genuss. Mit spitzer Feder und scharfzüngigen Dialogen entlarvt sie die Widersprüche und Absurditäten der wohlsituierten Gesellschaft. Zugleich ist es eine bissige und augenzwinkernde Satire auf die Schauerromane der damaligen Zeit. Gut gefallen hat mir, dass die Erzählperspektive bisweilen auf eine Metaebene wechselt und dass die Leserinnen und Leser mehrfach direkt angesprochen werden.
In der empfehlenswerten Penguin-Ausgabe ist der Text mit 75 hilfreichen Anmerkungen versehen. Sie erleichtern das Verständnis von Anspielungen und zeitspezifischen, altertümlichen Begriffen ungemein.
Das Nachwort gibt wissenswerte Fakten zum Leben der Schriftstellerin wieder und fasst den Roman zusammen. Für echte Austen-Kenner ist wenig Neues zu erfahren. Allerdings runden die Ausführungen von Hans Pleschinski den Roman gut ab.
Bei Catherine haben wir es mit einer Antiheldin zu tun, ein völlig durchschnittliches, realitätsnahes und wenig reizvolles Mädchen. Die anfängliche Naivität der Protagonistin ist etwas anstrengend. Die Figur macht jedoch eine Veränderung durch. Das männliche Gegenstück hebt sich ebenfalls auf erfrischende Art von anderen Romanhelden ab.
Inhaltlich steht eine Liebesgeschichte im Vordergrund. Diese wird aber weder zu platt noch zu pathetisch erzählt. Zwar sind die Entwicklungen durchaus zu erahnen. Dennoch habe ich mich auf den mehr als 300 Seiten köstlich amüsiert. Überaus unterhaltsam ist, wie die Sitten und Konventionen der damaligen Zeit zerpflückt und aufs Korn genommen werden. Nur ein bis zwei Kapitel im Mittelteil fallen für meinen Geschmack zu langatmig aus. Zudem ist der Roman weniger gefühlvoll als andere Werke der Autorin.
Mein Fazit:
Zwar zählt „Northanger Abbey“ auch künftig nicht zu meinen Lieblingsromanen von Jane Austen. Dennoch ist die gelungene Geschichte um Catherine Morland definitiv lesenswert. Eine empfehlungswürdige Lektüre - nicht nur für eingefleischte Fans klassischer Literatur.