Schuld und Unschuld des Coriolanus Snow
Die Tribute von Panem X. Das Lied von Vogel und SchlangeZwei Kinder aus jedem der zwölf Distrikte. Gemeinsam in eine Arena gebracht, um sich gegenseitig zu töten. So lange, bis nur noch ein Kind übrig bleibt. Seit dem Sieg des Kapitols über die Rebellen im ...
Zwei Kinder aus jedem der zwölf Distrikte. Gemeinsam in eine Arena gebracht, um sich gegenseitig zu töten. So lange, bis nur noch ein Kind übrig bleibt. Seit dem Sieg des Kapitols über die Rebellen im Krieg dient dies als Ermahnung.
Als Coriolanus Snow als Mentor an den Hungerspielen teilnimmt, finden diese bereits zum zehnten Mal statt. Doch Mentoren soll es in dem Jahr zum ersten Mal geben.
Die Familie Snow, einst prachtvoll und Teil der Elite, kann nur mit Mühe noch den Schein aufrechterhalten. Nach dem Krieg sind sie verarmt und Coriolanus und seine Cousine Tigris zu Vollwaisen geworden. Nur ihre Großmutter, die jeden Morgen die Hymne von Panem singt, ist ihnen geblieben.
»Coriolanus besuchte hin und wieder Freunde und wusste daher, dass die meisten Familien ihre Wohnungen allmählich wiederherstellten. Die Snows dagegen konnten sich nicht mal ein paar Meter Leinen für ein neues Hemd leisten. Er dachte an seine Klassenkameraden, wie sie die Kleider aus ihren Schränken holten und in ihre maßgeschneiderten Anzüge stiegen, und fragte sich, wie lange er den Schein noch wahren konnte.«
Als Mentor eines Tributs erhofft Coriolanus sich eine Chance, zu glänzen. Vor allem, wenn er diese gewinnen sollte. Doch zu seinem Schrecken wird ihm nicht nur ein Tribut aus Distrikt 12 zugeteilt, die noch nie als Favoriten gegolten haben, sondern auch noch das Mädchen. Muskeln und Kampferfahrung sind bei ihr fehl am Platz. Dafür besitzt sie zwei Dinge, die sich bald schon als ungeheuer wertvoll herausstellen könnten: Gesangstalent und Charme.
Er weiß, dass er ihr Vertrauen gewinnen muss, wenn er die Spiele gewinnen will und dass dies nicht einfach werden wird. Denn sein Tribut Lucy Gray Bird ist weder auf den Mund gefallen noch leichtgläubig. Und schon bald merkt Coriolanus, dass er dabei ist, eine Grenze zu überschreiten.
Die Hungerspiele sind in vielen Bereichen noch weit von denen entfernt, die die Leser:innen aus der Trilogie ›Die Tribute von Panem‹ kennen. Vor den Spielen sind die Tribute ausgehungert und werden in einem Affenhaus gehalten, in dem es von Ratten wimmelt. Viele Elemente der Spiele, die in der Trilogie längst selbstverständlich sind, werden in ›Die Tribute von Panem X‹ geboren.
»Vierundzwanzig Tribute, aus jedem der zwölf besiegten Distrikte jeweils ein Junge und ein Mädchen, wurden per Los dazu ausgewählt, bei den Hungerspielen in einer Arena auf Leben und Tod gegeneinander zu kämpfen. So stand es im Hochverratsvertrag, mit dem die Dunklen Tage der Rebellion beendet worden waren.«
Doch im Verlauf von ›Die Tribute von Panem X‹ ändert sich nicht nur Coriolanus‘ Verhältnis zu Lucy Gray. Auch sein Band zu Sejanus, dessen Familie einst in Distrikt 2 lebte, ändert sich. Ebenfalls bedeutend für seine Entwicklung wird die Bekanntschaft der Obersten Spielmacherin. Sie ist eine absolute Befürworterin der Spiele und interessiert sich vor allem für ihre Mutationen. Grausamkeit und Wahn begleiten sie.
Coriolanus hat ein Ziel vor Augen: das Ansehen seiner Familie retten und zu altem Glanz zurückfinden. Doch wie weit ist er bereit, dafür zu gehen? Und wie werden die Grundsteine gelegt, die aus Coriolanus Snow den Mann machen werden, der in der 64 Jahre später spielenden Trilogie ›Die Tribute von Panem‹ so bedeutungsvoll ist.
»Coriolanus galt noch immer als reich, doch seine einzige Währung war sein Charme, den er nun auf dem Weg durch die Menge großzügig versprühte. Die Gesichter hellten sich auf, wenn er Schüler und Lehrer gleichermaßen freundlich grüßte, sich nach ihren Familien erkundigte und hier und da ein Kompliment fallen ließ.«
Ziel und Wesen der Hungerspiele ist ihre Grausamkeit. Ausgehungerte Kinder dazu zu bringen, sich gegenseitig umzubringen, während das Kapitol und die Distrikte dabei zusehen. Und während die Zuschauer Teil der Hungerspiele werden, werden dies gewissermaßen auch die Leser:innen. Man verfolgt die Spiele, erfährt die Grausamkeiten, die geschehen und kommt gar nicht umhin, sich zu überlegen, wer die Spiele gewinnen wird. Diese Dimension von ›Die Tribute von Panem X‹ ist so groß, dass sie allein mehrere Hausarbeiten füllen könnte.
Collins hat mit ›Die Tribute von Panem X‹ einen Roman veröffentlicht, der das Werden eines Mannes zeigt, der für ganz Panem bedeutend sein wird. Wir lernen seine grausamen Lehrmeister kennen, sein Abwägen, seine Pläne. Denn wenn Coriolanus Snow eins bereits als Jugendlicher ist, so ist dies berechnend.
›Die Tribute von Panem X‹ zeigen einen Teil der Entstehungsgeschichte der Hungerspiele, wie man sie aus der Trilogie ›Die Tribute von Panem‹ kennt. Für mich nimmt es leider einen Teil der Spannung, beim Lesen bereits zu wissen, was einmal aus Coriolanus Snow werden wird. Umso mehr interessiert, wie es dazu kommen konnte. Wer die Trilogie noch nicht gelesen hat, kann also gerne das Prequel ›Die Tribute von Panem X‹ zuerst lesen, um auch diese Spannung zu haben. Ich persönlich mochte die Trilogie insgesamt zwar mehr, doch auch ›Die Tribute von Panem X‹ hat Charaktere, die mir sehr nahe gegangen sind. Für Fans der Trilogie meiner Meinung nach ein Muss.