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Veröffentlicht am 23.11.2021

Zeitzeugnis, das zum Nachdenken anregt

Rapport W
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Auschwitz ist wohl jedem geläufig. Dazu gehörten die Konzentrationslager Auschwitz (Stammlager) und Monowitz, das Vernichtungslager Birkenau sowie circa 50 weitere Außenlager. Das Ganze wurde von 1940 ...

Auschwitz ist wohl jedem geläufig. Dazu gehörten die Konzentrationslager Auschwitz (Stammlager) und Monowitz, das Vernichtungslager Birkenau sowie circa 50 weitere Außenlager. Das Ganze wurde von 1940 bis 1945 von der SS betrieben. Per Bahn wurden Gefangene dorthin transportiert, darunter etwa 90% Juden. Und hier beginnt die Story von Rapport W.

W. Witold Pilecki. Ein Offizier der Zweiten Polnischen Republik, Gründer der Widerstandsbewegung Geheime Polnische Armee, Mitglied der Heimatarmee - und der Mann, der freiwillig nach Auschwitz ging. Zugegebenermaßen dachte ich beim Buchtitel zuerst daran, es würde sich bei Pilecki um eine fiktive Figur handeln. Leider habe ich mich nie gründlich mit dem Holocaust und verwandten Themen befasst (und auch die Buchbeschreibung offenbar nicht richtig wahrgenommen), sodass mir erst beim Lesen bewusst wurde, dass es ihn wirklich gab. Diesen polnischen Helden. Womöglich war die Bildungslücke auch Schuld daran, dass ich mit dem Buch so meine Probleme hatte. Mancher Hinweis brachte mich zum Grübeln, einiges musste ich querlesen und wiederum anderes googeln. Vorteil: Ich habe mich (endlich) mit der Thematik auseinandergesetzt. Und war am Ende ziemlich betroffen.

Zitat Seite 134: "Es gab ein Schlachthaus. Es befand sich neben dem Krematorium, von dem die Asche stammte, die zum Düngen der Erde diente."

Die erdrückenden Empfindungen wurden durch die trostlos und kalt wirkenden Illustrationen in Blau- und Rottönen verstärkt. Manchmal standen nur wenige Worte dabei, manchmal keine. So ließ ich die Szenen auf mich wirken und mich von ihnen ergreifen. Das Artwork ist nicht sehr detailliert und anspruchsvoll, sondern zeigt Menschen und Gegenstände eher oberflächlich. Trotzdem bleiben sie nicht distanziert, sondern wecken das Interesse. Man möchte verstehen, wen oder was man da sieht. Ist erschrocken darüber, wie schnell aus einer vermeintlich normalen Situation etwas Furchtbares entstehen kann. Ich vermute, dass Gaétan Nocq genau diese Schrecken, das Trostlose, Unwirkliche, Abscheuliche in den Zeichnungen festhalten wollte.

Zitat Seite 194: "Sie wurden zum Block 3 gebracht. Dort wurde ihnen mitgeteilt, dass sie im Laufe des Tages erschossen werden würden."

Fazit: Ein Zeitzeugnis als Graphic Novel, wichtig und ergreifend, mit Illustrationen, die sowohl zum Nachdenken anregen als auch eine gewisse Leere in einem hinterlassen. Dieses Buch vergisst man garantiert nicht so schnell.

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Veröffentlicht am 16.11.2021

Potenzial leider nicht ausgeschöpft

Teufelsnetz
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Bei dem Buch Teufelsnetz handelt es sich um Band 2 einer in sich abgeschlossenen Reihe. Da ich Teil 1 bereits verschlungen hatte, freute ich mich darauf, die vielen bereits bekannten Charaktere erneut ...

Bei dem Buch Teufelsnetz handelt es sich um Band 2 einer in sich abgeschlossenen Reihe. Da ich Teil 1 bereits verschlungen hatte, freute ich mich darauf, die vielen bereits bekannten Charaktere erneut begleiten zu dürfen. Teil 1 konnte mich damals durch Authentizität und Einfallsreichtum überzeugen. Es blieb spannend bis zur letzten Seite und es war wirklich eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Doch der zweite Band hat leider stark nachgelassen.

Viele der Charaktere sind nicht mehr das, was sie einmal waren. Natürlich wurden sie durch Erlebnisse im ersten Teil gekennzeichnet und in Mitleidenschaft gezogen, dennoch fehlte mir die gewisse Bindung zu den Protagonisten. Wer sich nun nicht spoilern lassen möchte, der sollte diese Rezension nicht weiterlesen.

Die Hauptperson ist wieder die finnische Ermittlerin Jessica Niemi. Sie ist immer noch in Trauer über den Tod zweier Kollegen. Darunter auch ihr Boss Erne Mickson. Sie bekommt eine neue Vorgesetzte, die ganz anders arbeitet und Jessicas Art und Weise nicht versteht. Das ruft Komplikationen hervor. Auch ich konnte die Chefin Hellu nicht leiden, sie war mir irgendwie gänzlich unsympathisch, und das hat sich auch im Laufe des Bandes nicht geändert. Aber auch die anderen Charaktere waren nicht greifbar. Nina, Jusuf, aber auch Rasmus erschienen mir irgendwie träge und nicht auf der Höhe. Sie entwickelten sich nicht weiter und das fand ich persönlich sehr schade. Denn eigentlich erwarte ich, dass Charaktere sich in einer fortlaufenden Geschichte von Fall zu Fall verändern und weiterentwickeln und sich nicht rückentwickeln.

Auch die Story selbst konnte mich nicht überzeugen. Waren wir in Band 1 noch einem mysteriösen Hexenjägerkult auf der Spur, so waren es hier eher doch belanglose Morde. Natürlich ist kein Mord belanglos, doch der Fall an sich konnte dem ersten nicht das Wasser reichen. Die Geschichte zog sich besonders am Anfang und nahm nie so richtig an Fahrt auf. Mir fehlten immer diese gewisse Spannung, das Mitfiebern und auch das Besondere am Plot. Für mich wurde das Thema eines Menschenhändlerrings bereits zu oft thematisiert. Der Autor versuchte zwar mit den Manga-Mädchen etwas Eigenes zu kreieren, doch leider hatte dies nicht den gewünschten Effekt.

Persönliches Fazit: Ich war von dem zweiten Band der Reihe doch arg enttäuscht, da ich mir nach dem starken Start etwas anderes erhofft und ersehnt hatte. Ich weiß daher nicht, ob ich persönlich noch einen weiteren Teil lesen würde. Ich empfehle Band 1 der Reihe zu 100%, doch von dem zweiten Teil darf der Krimi-/Thriller-Fan nicht zu viel erwarten. Sehr schade, da der Autor wirklich einen sehr angenehmen Schreibstil hat, den er auch hier wieder zur Schau stellen konnte. Ich kann mich somit den sonstigen positiven Meinungen nicht anschließen.

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Veröffentlicht am 29.07.2021

Triggerwarnung wäre sinnvoll

Sturmgepeitscht
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Ich dachte wirklich, dass ich in Büchern sämtliche Themen verkraften kann, doch hier wäre ich tatsächlich gern vorgewarnt worden. Auch wenn es nicht den Teil des Buches ausmacht, sondern nur nebenher erwähnt ...

Ich dachte wirklich, dass ich in Büchern sämtliche Themen verkraften kann, doch hier wäre ich tatsächlich gern vorgewarnt worden. Auch wenn es nicht den Teil des Buches ausmacht, sondern nur nebenher erwähnt wird, so hat es mich doch sehr berührt.

Unsere beiden Hauptantagonisten Hauke und Dennis lieben es, Videos zu drehen, die ein wenig speziell sind. Dabei schrecken sie vor keinerlei Gefahren zurück und nehmen keine Rücksicht auf Schäden oder Kommentare der Internetnutzer. Darunter befindet sich auch ein Video mit dem Namen "Bitches vs Hundewelpen". Mir war trotz des Titels nicht klar, was genau ich mir darunter vorstellen soll. Kurz gesagt: Tierquälerei. Der kleine Welpe wurde auf brutale Art und Weise misshandelt, und der Autor hat es wirklich sehr genau beschrieben. Mir sind beinahe die Tränen gekommen, dabei bin ich sonst wirklich nicht nah am Wasser gebaut. Es wäre schön gewesen, wenn diese Beschreibung herausgefallen wäre, denn es hat mich tatsächlich vom Rest des Buches ein wenig abgelenkt.

Hauke und Dennis sind beide sehr gut herausgearbeitet und man kann wunderbar hinter die Psyche der beiden blicken. Wobei man merkt, dass Dennis der Rudelführer ist und Hauke ihm bloß aus Angst und auch aus Respekt vor der jahrelangen Freundschaft folgt.

Die Hauptcharaktere sind der Journalist Jan und die Fotografin Charlotte. Meiner Meinung nach hätte man die beiden besser beschreiben können. Ich hätte mir Rückblicke gewünscht, damit ich den Charakter der jeweiligen Person besser verstehen kann. Da es sich um einen abgeschlossenen Band innerhalb einer Reihe handelt, wäre dies, gerade für mich als Einsteiger, wünschenswert gewesen. Aber so hat es sich eher angefühlt, als würde emotional nur an der Oberfläche gekratzt.

Auch die Geschichte an sich hat leider geschwächelt. Trotz des guten Schreibstils, der leicht und flüssig war, und der relativ kurzen Kapitel, wollte nicht so recht Spannung bei mir aufkommen. Es hat sehr lange gedauert, bis überhaupt einmal etwas Erwähnenswertes passiert ist. Mir ist es lieber, wenn Spannung direkt von Anfang an vorhanden ist. Ungefähr zur Hälfte des Buches hat der Plot angezogen und mich ein wenig mehr gefesselt. Auch einige überraschende Wendungen wurden eingebracht, die man so anfangs nicht erwartet hätte. Das Ende kam überraschend und plötzlich und hat mich ein wenig die Startschwierigkeiten vergessen lassen.

Persönliches Fazit: Zusammenfassend war es mehr ein guter Kriminalroman, als ein Thriller. Dennoch konnte mich das Buch zum Ende hin überzeugen und ich empfehle es daher gern an Krimi- und Thrillerfans weiter.

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Veröffentlicht am 27.07.2021

Tolle Plotidee, es haperte an der Umsetzung

Gefährliche Angst
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Hattest du schon mal einen Albtraum?

Ich nehme an, dass wir alle diese Frage mit Ja beantworten können. Zum Beispiel aufgrund von Ereignissen und Erinnerungen, die wir über unsere Träume verarbeitet haben. ...

Hattest du schon mal einen Albtraum?

Ich nehme an, dass wir alle diese Frage mit Ja beantworten können. Zum Beispiel aufgrund von Ereignissen und Erinnerungen, die wir über unsere Träume verarbeitet haben. Manchmal haben wir vielleicht auch Dinge geträumt, mit denen wir so nichts anfangen konnten. Dennoch haben uns diese Träume ziemlich aufgewühlt, oder? Und nun stellt euch vor, dass jemand diese Albträume herausfindet und sie mit anderen Menschen nachstellt - ob diese nun wollen oder nicht. Bis zum Tod.

Im neuen Thriller von Andrea Reinhardt geht es nicht nur um Albträume, sondern auch darum, was sie mit einem machen. Darum, wie sehr Betroffene unter ihnen leiden und was sie bereit sind zu tun, um sie loszuwerden. Die Plotidee gefiel mir richtig gut, denn man setzt sich automatisch auch mit zwischenmenschlichen und gesellschaftskritischen Aspekten auseinander. Schlechtträumende, die ihren Alltag kaum noch allein bewältigen können, werden oft von ihrem sozialen Umfeld ausgegrenzt. Wie gesagt, die Idee an sich hatte mein Interesse geweckt. Es haperte allerdings etwas an der Umsetzung. Die Autorin hat es nicht geschafft, die Spannung konstant aufrechtzuerhalten. Tatsächlich konnte ich immer wieder Seiten überspringen, die sich für mich wie Kaugummi zogen, und hatte nicht das Gefühl, etwas dadurch verpasst zu haben.

Mit Marcel und Kim wurden zwei Charaktere erschaffen, die grundsätzlich gut miteinander harmonieren, alleinstehend allerdings ziemlich langweilig und oft unrealistisch daherkommen. Ich konnte nur wenige Handlungen und Gedankengänge nachvollziehen. Die meiste Zeit über war mir schleierhaft, warum beispielsweise Marcel dermaßen ausgelaugt und nervlich am Ende wirkte. Womöglich bezog sich die Autorin auch auf die Ereignisse im vorigen Teil, was für mich ein Problem darstellt, denn nicht jeder wird diesen gelesen haben.

Das Zusammenspiel aller Figuren sowie die schlussendliche Auflösung waren für meinen Geschmack zu verworren und kompliziert konstruiert, sodass es der Authentizität keineswegs guttat. Manchmal ist weniger eben mehr.

Dass der Nachname eines Protagonisten zwischendrin einfach wechselte und einige Rechtschreib- und Grammatikfehler zu finden waren, hebte meine Stimmung nicht sonderlich.

Persönliches Fazit: Wer eine solide Thrillerlektüre für zwischendurch sucht, kann es gern mit diesem Buch versuchen. Vielleicht schaut ihr erst in die Leseprobe und entscheidet euch dann.

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Veröffentlicht am 20.04.2021

Gut konstruiert

Der Erlkönig
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„Wer reitet so spät durch Nacht und Wind ...“. - kennt jemand den Beginn dieses berühmten Gedichtes nicht? Dank Johann Wolfgang von Goethe wurden die ein oder anderen mit dem Erlkönig gequält - ein Grund, ...

„Wer reitet so spät durch Nacht und Wind ...“. - kennt jemand den Beginn dieses berühmten Gedichtes nicht? Dank Johann Wolfgang von Goethe wurden die ein oder anderen mit dem Erlkönig gequält - ein Grund, warum dieses Buch mich nicht angesprochen hat.

Dabei klingt der Plot echt spannend: blutüberströmt und verwirrt wird Sandrine am Strand gefunden. Sie redet von einem Kinderheim, einem Bootsunglück und dem Erlkönig. Kommissar Damien kann sich darauf keinen Reim machen, doch je tiefer er und sein Team in dem Fall einsteigen, desto mehr sind die Zusammenhänge erkennbar.

Das Cover ist gut gelungen und gibt keinen Hinweis darauf, was die Leser erwartet. Denn Sandrines Schicksal ist eng verbunden mit den Geschehnissen im Jahr 1949, die ihre Großmutter betreffen. Dieser Perspektivwechsel hat so manches Mal an meinen Nerven gezerrt. Wollte ich doch endlich verstehen, wie alles zusammenhängt! Warum kennt niemand die Insel, von der Sandrine ständig spricht? Der Autor streut die Hinweise wie Perlen, mit denen sich die Glieder einer Kette verbinden lassen, geschickt und alles andere als offensichtlich. Das hat mich zwar auch frustriert, aber viel mehr zum Weiterlesen gebracht. Die bedrückende und anfangs düstere Atmosphäre ist gerade zu Beginn des Buches fast greifbar, verliert sich im Laufe der Story leider. Die Spannung bleibt jedoch bis zum Ende erhalten.

Gerade Geschichten, die mit den Geschehnissen des Zweiten Weltkriegs zusammenhängen, lese ich gerne. Dennoch ist es schwer, den schmalen Grat zu beschreiten und dieses sensible Thema richtig anzupacken. Das ist hier jedoch gut gelungen. Auch die Charaktere sind authentisch, zwar entspricht Damien den gängigen Klischees eines Ermittlers, aber da kommt man heutzutage wohl nicht mehr drumrum. Davon abgesehen hat es der Autor geschafft, die Abgründe, die sich in jedem von uns auftun können, darzustellen.

Persönliches Fazit: Goethes Erlkönig kommt in Handlung und Spannung nicht an den von Loubry ran. Dieser gut konstruierte und spannende Thriller verdient eine Leseempfehlung!

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