Sittengemälde des 19. Jahrhunderts
Grimms MordeEs war einmal alte Mätresse, die gewaltsam zu Tode kam. Dies trug sich zu, im Jahre 1821 in der Stadt Kassel. So oder so ähnlich könnte eines der Märchen der Brüder Grimm auch beginnen. Aber hier wird ...
Es war einmal alte Mätresse, die gewaltsam zu Tode kam. Dies trug sich zu, im Jahre 1821 in der Stadt Kassel. So oder so ähnlich könnte eines der Märchen der Brüder Grimm auch beginnen. Aber hier wird kein Märchen erzählt, sonder die Geschichte einer Frau, die ermordet wurde und mit diesem Mord Wilhelm und Jacob Grimm in Verdacht bringt. Die Art und Weise, wie sie starb, haben diese zwei nämlich gerade ausführlich in ihrer so eben erschienen Märchensammlung veröffentlicht. Die Polizei ist auch nicht gerade hilfreich bei der Lösung des Falles. Dann aber treten die Schwestern Droste-Hülshoff auf den Plan. Jenny und Annette haben einige Geschichten zu der Sammlung beigetragen. Ausgerechnet ein Zitat aus ihrem Märchen wurde bei der Leiche gefunden. Die Schwestern sehen sich genötigt den Grimms zur Hilfe zu eilen.
Der neue Roman von Tanja Kinkel ist alles andere als ein Märchen der Brüder Grimm, auch wenn es zunächst den Anschein hat. Die Geschichte beginnt mit einem Mord, der natürlich aufgeklärt werden will, aber im Vordergrund steht mehr das Leben von Jacob und Wilhelm Grimm und ihrer Familie.
Kinkel hat hier nicht einfach nur einen Krimi geschrieben, sondern erzählt viel mehr aus dem Leben dieser Zeit. Aus der Zeit als die Besatzer, nämlich Napoleon, Kassel verlassen haben. Wie die Menschen sich damals fühlten, was sie bewegte und antrieb. Ihr ist hier gelungen, die Zeit von 1821 einzufangen. Lebhaft und authentisch hat sie Bilder in meinem Kopf entstehen lassen. Ich fühlte mich regelrecht in die Zeit zurückversetzt. Sicherlich war der Einstieg in diesen Roman nicht ganz einfach. Tanja Kinkel hat sich für einen etwas sperrig lesenden Erzählstil entschieden, aber nachdem die ersten ca. 50 Seiten gelesen waren, konnte ich kaum noch aufhören, das Buch einfach nicht zur Seite legen. Aber nicht weil der Fall so spannend war (der Krimi ist auch spannend aber eben nicht nur), sondern weil die Lebensgeschichte der Brüder Grimm und das Aufeinandertreffen mit den Schwestern so gelungen erzählt wurde. Für mich war der Mord und alles, was damit zusammenhing, irgendwie nur Beiwerk für einen tollen historischen Roman, über eine Epoche, zu der ich noch nicht so viel gelesen habe.
Ein Personenregister zu Beginn sorgt direkt dafür, dass man den Überblick über die Protagonisten nicht verliert. In einem Nachwort zum Schluss, klärt die Autorin Fiktion und Wahrheit, es war aufschlussreich. Eine Bibliografie verrät einiges darüber, wo der Leser Wissenswertes zu der Geschichte der Brüder Grimm oder den Droste-Hülshoff-Schwestern nachlesen kann.
„Grimms Morde“ war für mich einer der besten historischen Romane, die ich dieses Jahr gelesen habe. Der Erzählstil zeugt von hoher Erzählkunst und hat einfach nur Spaß gemacht. Die Geschichte selbst war facettenreich und bildhaft und hat mich nicht mehr losgelassen.