Fremde Welten
(Ah, 'Der Vorleser', daher kam mir der Name des Autors so bekannt vor. Ein brillianter Erzähler, er hat‘s schon bewiesen!) Ein neuer Schlink, der mitreißend ist: Das ist Literatur – das ist Schreiben, ...
(Ah, 'Der Vorleser', daher kam mir der Name des Autors so bekannt vor. Ein brillianter Erzähler, er hat‘s schon bewiesen!) Ein neuer Schlink, der mitreißend ist: Das ist Literatur – das ist Schreiben, was dem Lesenden einen Hochgenuss gibt. Mit Schlink taucht man in eine andere Gedankenwelt ein, er bringt einem dazu nachzudenken…
Der ‚Held‘ in dieser Geschichte ist ein liebender Mann, der seine Frau tot in der Badewanne findet. Um diesen plötzlichen Tod zu verarbeiten (ist es ein Unglück, ist es Selbstmord?) knackt er ihren Computer und versucht in ihr Gehirn einzudringen – er scheut zwar vor jedem Schritt zurück, es ist ihm aber wichtig sie auch als Tote zu verstehen. Denn sie haben eine gemeinsame Geschichte, Birgit ist mit seiner Hilfe aus der DDR geflüchtet. Sie wusste immer, dass er sie liebte, bedingungslos. Doch sie hat sich ihm nie völlig geöffnet, er wusste Wichtiges über sie nicht. Jetzt erfährt er es…
Der Witwer findet Hinweise auf eine Tochter seiner verstorbenen Frau, von der er nichts wusste. Er macht sich auf die Suche, er findet Paula. Paula hilft ihm weiter, er findet den Vater des Mädchens, er unterhält sich mit Weggefährten der Tochter. Schließlich landet er in einer Ecke Ostdeutschlands, wo sich ‚Völkische‘ niedergelassen haben. Und er findet eine Enkelin.
„Obwohl Birgit tot war, war sie noch da, aber wenn er an sie zu glauben aufhörte und ihr zu grollen begann, würde sie nochmals sterben und tot bleiben“. Es sind Sätze wie dieses Zitat von Seite 51, die den Unterschied zwischen einem Schriftsteller von guter Literatur ausmachen und jemanden, der einfach nur schreibt. Schlink hat die Fähigkeiten enorm anzuregen.
Titelbild, Gemälde einer jungen Frau, für Freundinnen ernsthafter Literatur ein guter Hinweis (gut gewählt – der Diogenes-Verlag macht seinem Namen wieder alle Ehre)
Das Buch „Die Enkelin“ werde ich behalten, nicht verschenken, denn es ist Inspiration für mich. Auch ich habe eine Geschichte zu erzählen… ich werde sie erzählen (viele haben eine Geschichte zu erzählen…), wenn ich stocke mit meiner Geschichte, dann werde ich das Buch von Schlink wieder zur Hand nehmen und mich auf ein Neues inspirieren lassen. Das ist das, was Literatur mit einem macht und machen sollte. Danke, Herr Schlink!
Bernhard Schlink, Die Enkelin, Diogenes – Verlag, erscheint am 27. Oktober 2021