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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 18.07.2022

Die Vergangenheit ist immer präsent

Beifang
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Interessant und berührend, wie der Ich-Erzähler überhaupt dazu kommt, sich für seine Familiengeschichte zu interessieren. Als Franks Eltern das Haus verkaufen wollen, soll Frank sich aussuchen, was er ...

Interessant und berührend, wie der Ich-Erzähler überhaupt dazu kommt, sich für seine Familiengeschichte zu interessieren. Als Franks Eltern das Haus verkaufen wollen, soll Frank sich aussuchen, was er behalten will. Der Rest wandert auf den Sperrmüll. Und s beginnt der Ich-Erzähler sich für die Familie seines Vaters zu interessieren. Er sucht der Reihe nach die zahlreichen Geschwister seines Vaters auf, fragt sie nach der Kindheit, nach den Großeltern. Jeder erzählt über seine Kindheit, über das Zusammenleben mit den Eltern: die strenge Mutter, der prügelnde Vater. Wegen der vielen Kinder gilt die Familie als asozial. In der Schule hilft ihnen kein Lehrer, kein Mitschüler. Die Gesellschaft der damaligen Zeit bietet diesen Kindern keinerlei Chancen weiterzukommen. Die Perspektivlosigkeit des Vaters wird auf die nächste Generation übertragen. Die Kinder lernen zusammenzuhalten, helfen sich, auch später als Erwachsene. Als Frank einmal einen Mietnomaden aus seiner Wohnung loswerden will, kommen sein Vater und zwei der Brüder mit, lauern dem Kerl auf und vertreiben ihn sehr kurz und effizient. Erst in der dritten Generation macht sich langsam ein Wechsel bemerkbar. Frank hat Abitur gemacht, hat studiert. Der erste in seiner großen Familie.
Letztendlich erhält Frank kein klares Bild seiner Großeltern und Tanten und Onkel väterlicherseits. Er bekommt ein Bild voller Facetten, voller einzelner Erzählungen, die ihm, dem Einzelkind eine ungefähre Ahnung vermitteln, was es bedeutet in einer armen Familie der fünfziger und sechziger Jahre aufgewachsen zu sein. Das deutsche Wirtschaftswunder hat diese Familie nicht erreicht.
Franks Verhältnis zu Marie, einer verheirateten Frau, ist für ihn von Zuneigung geprägt. Für Marie ist es etwas anderes, eher eine soziale Studie: „Uns gibt es nicht. Du warst ein Freiraum. Das absolute Gegenteil. Flüchtig und ohne Gewicht“ (S.217) sagt Marie und bricht endgültig mit Frank.
Frank verfällt in eine Depression, aus der er erst allmählich wieder zu sich kommt. Er wird sich auch bewusst, dass seine Familie väterlicherseits ihn mehr geprägt hat, als er zuerst ahnen konnte. In ihm steckt auch etwas von Beifang. Sein Vater macht eine für das Buch prägende Aussage: „Wenn man als Kind von jemand, den man vielleicht liebt, oder jedenfalls lieben will, geschlagen wird, dann ist das unbegreiflich. Man hat keine Worte dafür. Für diese Erfahrung.“ (S. 226). Und trotzdem hat Winfried all seine zwölf Kinder geliebt. Auf seine Art. Küchenmeister Schmalhans ließ die Kinder Abend für Abend hungrig zu Bett gehen.
Der Stil ist geradlinig, nüchtern, wenn er von dem entbehrungsreichen aber an Prügel reichen Leben der Kinder handelt. An manchen Stellen blitzt der Schalk auf, so als Frank auf dem Friedhof nach dem Grabstein des aufgelassenen Familiengrabes sucht. Eine Joggerin, die vorbeikommt will es ihm verbieten, doch Frank kontert trocken: „Hören Sie bitte zunächst auf, so auszusehen. Dann höre auch ich hier gerne auf. Aber bis dahin können wir uns einfach gegenseitig in Ruhe lassen. Ginge das?“ (S. 131)
Das depressive Titelbild einer Zechensiedlung vermittelt sehr deutlich, wie Familie Zimmermann da zusammengelebt hat.
Der Roman hat mir einen etwas schalen Geschmack hinterlassen. Trotz der leicht optimistischen Töne gegen Ende, als Vincent Kontakt zu seinem Vater Frank aufnimmt.

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Veröffentlicht am 22.01.2022

Eine zweite oder gar eine dritte Chance

Und immer nur du
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Fenja und Elias waren ein Paar. Doch als die Ehe von Fenjas Eltern bricht, wendet sich auch Elias von ihr ab. Fenja versteht die Welt nicht mehr und zieht mit dem Vater nach Berlin, kehrt nicht mehr in ...

Fenja und Elias waren ein Paar. Doch als die Ehe von Fenjas Eltern bricht, wendet sich auch Elias von ihr ab. Fenja versteht die Welt nicht mehr und zieht mit dem Vater nach Berlin, kehrt nicht mehr in ihre Heimatstadt zurück. Als die Mutter stirbt muss Fenja zurück. Sie sieht Elias wieder und die alten Gefühle sind wieder da. Der gute Job in Berlin, der Verlobte, der zum Ex wird, die Annäherungen zwischen Elia und Fenja, die restlosen Aufklärungen der vielfachen und nicht immer glaubwürdigen Missverständnisse ihrer Jugend, die Briefe der Mutter, die der Vater Fenja vorenthalten hat, alles Elemente die den Herz-Schmerz des Buches ausmachen und letzten Endes zum positiven Ende führen.
Das leicht kitschige aber schöne Titelbild stimmt uns auf die Lektüre ein und deutet klar auf die Zielgruppe der LeserInnen hin. Dies ist ein Feel-Good-Buch par excellence.

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Veröffentlicht am 22.01.2022

Eine nette Liebesgeschichte

Die theoretische Unwahrscheinlichkeit von Liebe
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Ich bin Brillenträgerin, kenne mich mit Kontaktlinsen nicht aus. Ich wusste nicht, dass sie ein Ablaufdatum haben. Muss gefährlich sein. Als Wissenschaftlerin müsste Olive das auch bewusst sein. Nun sitzt ...

Ich bin Brillenträgerin, kenne mich mit Kontaktlinsen nicht aus. Ich wusste nicht, dass sie ein Ablaufdatum haben. Muss gefährlich sein. Als Wissenschaftlerin müsste Olive das auch bewusst sein. Nun sitzt sie mit tränenden Augen und halb blind in einer Toilette und erklärt einem wildfremden Mann, den sie nicht einmal gut sehen kann, weshalb sie abgelaufene Kontaktlinsen trägt und weshalb sie Wissenschaftlerin werden will. Fast forward, 2 Jahre etwa später. Olive will ihrer einzigen Freundin deutlich machen, sie datet einen anderen Mann und die Freundin kann bitte schön Olives Ex daten. Nicht so einfach, wenn kein anderer Mann in Sicht ist, oder? Nicht für Olive. Ein Mann, der zufällig durch den Flur geht, muss herhalten. Kurzes Nachdenken: Einen Mann zu küssen, ohne zu wissen, wer das ist - ich wünschte ich hätte als Zwanzigjährige den Mut gehabt! Für Olive geht die Geschichte letzten Endes gut aus. Der Fremde, der durch den Flur ging ist eigentlich ein alter Bekannter und alles wird gut, wie zu erwarten war.
Wie immer bei solchen Geschichten, in denen das positive Ende abzusehen ist, sind die Irrungen und Wirrungen bis es zum happy end kommt, das Interessante, was den Reiz der Story ausmacht. Hinzu kommt speziell in diesem Fall, die genaue Kenntnis des wissenschaftlichen Betriebes an Hochschulen. Für Außenstehende ist das gar nicht so klar ersichtlich, was alles hinter den Kulissen in einer Universität läuft. Wann, wem wissenschaftliche Mittel bewilligt werden hängt nicht immer von den Notwendigkeiten ab, zum Beispiel. Oder zu welchen Veranstaltungen man gehen muss um voran zu kommen, welche Pflichtauftritte auf sogenannte „freie, zwangslose Picknicks“ unbedingt absolviert werden müssen. Und dieser Sand im Getriebe einer Elite-Universität wird wunderbar rübergebracht. Dies sind in meinen Augen die beiden Pluspunkte des Buches, die mich bewogen haben, es zu Ende zu lesen. Und die nette Liebesgeschichte auch.

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Veröffentlicht am 20.12.2021

Ein großer historischer Roman

Die Brücke der Ewigkeit
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Der Autor hat für diesen Roman gründlich Recherche geleistet und sich gut dokumentiert. Das sei vorneweg gesagt.
Die Handlung an sich ist interessant, Mord und Totschlag, Rache, Attentate, Vergewaltigung, ...

Der Autor hat für diesen Roman gründlich Recherche geleistet und sich gut dokumentiert. Das sei vorneweg gesagt.
Die Handlung an sich ist interessant, Mord und Totschlag, Rache, Attentate, Vergewaltigung, Gift, Neid und Hass, Verleumdung, Meineid und Erpressung kommen darin vor aber auch Liebe, Treue, Ehre, Verantwortung, Pflichtgefühl, Lebensmut und Zuversicht, die all das Böse aufwiegen.
Prag ist eine der Hauptgestalten des Buches, nicht nur Kulisse und Staffage für die Handlung. Prag mit seinen Menschen, Stadtteilen, Kirchen, Tavernen, mit seinen Handwerkern und vor allem den Bauarbeitern. Denn Kaiser Karl oder König Wenzel setzt in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts eine riesige Bautätigkeit im Gang: der Veitsdom und viele andere Kirchen und Klöster, laizistische Bauten und eine neue steinerne Brücke über die Moldau. Die alte Brücke war 1342 während eines heftigen Gewitters, wie im Prolog beschrieben, zerstör worden und nun, 1357 wird der Grundstein für die neue steinerne Brücke gelegt. Der Bau der neuen Brücke ist eng verwoben mit dem Schicksal der Menschen, die sie erbauen. Und genau wie die Brücke immer wieder im Baufortschritt gehemmt oder auch teilweise zerstört wird, erleiden auch die Menschen, die daran arbeiten, Rückschläge, es ereilt sie ein böses Schicksal oder sie finden die wahre Liebe.
Der Roman spielt auf zwei Ebenen die eng miteinander verwoben sind. 1367 ist der eine Erzählstrang, als der Vater einer der Hauptgestalten nach Prag kommt und der zweite Erzählstrang setzt mit der Zerstörung der steinernen Judithbrücke 1342 ein und erzählt chronologisch was zwischen diesen beiden Daten geschah. Dadurch entsteht ein buntes und letztendlich harmonisches Mosaikbild.
Der Stil wirkt an einigen Stellen linkisch, unausgefeilt, umständlich. Das mag auch an den vielen indirekten Reden liegen, wo ein paar kurze Dialoge das Ganze gestrafft und spannender gestaltet hätten.
Trotz dieses kleinen Mankos ist dies ein interessantes, spannendes, gut recherchiertes Buch, das man in einem Rutsch durchliest. Immerhin 600 Seiten.

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Veröffentlicht am 21.11.2021

Interessanter Teenie Fantasy mit einigen Schwächen

Feuerblut - Der Schwur der Jagdlinge
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Ein großer gefährlicher Hund aus Stein, merkwürdige Reittiere, Jugendliche die Namen und Geschlecht aufgegeben haben und jetzt nur noch eine Zahl sind. Sie alle verfolgen in einer kalten verschneiten Landschaft ...

Ein großer gefährlicher Hund aus Stein, merkwürdige Reittiere, Jugendliche die Namen und Geschlecht aufgegeben haben und jetzt nur noch eine Zahl sind. Sie alle verfolgen in einer kalten verschneiten Landschaft eine andere Zahl, die von Kobolden entführt wurde. Wenn das nicht fantastische Gründe sind, das Buch zu lesen!
Auf ihrem wilden Ritt durch die zerklüftete und feindliche Landschaft kommen sich die Jugendlichen notgedrungen näher, meistern gemeinsam Gefahren und böse Kreaturen nur um letzten Endes wieder an ihrem Ausgangspunkt zu gelangen und um zu erkennen, dass ihr Heim durch Verrat von Feinden übernommen wurde.
Was mich aber am Buch gestört hat, ist dass es mich zu sehr an Tolkiens Ring-Trilogie erinnert hat. Während Tolkien aber seine Handlung breit angelegt hat, Abenteuer und Verschnaufspausen lösen sich ab, so dass die Ringgefährten und Leser zu Atem holen kommen, geht das bei Fowler nicht. „Atemlos durch die Nacht“ hetzen die drei Jagdlinge und der steinerne Hund und kaum sind sie einer Gefahr entkommen stürzt schon das nächste, größere und gefährlichere Unheil über sie ein. Ein Schlachtengetümmel nach dem anderen, pausenlos bis zum Schlusssatz. Etwas viel Gewalt für meinen Geschmack.
Der Schreibstil ist der Handlung perfekt angepasst: spannend, mitreißend bis zur letzten Seite. So habe ich das Buch auch in kürzester Zeit zu Ende gelesen. Aber der Nachgeschmack war schal.

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