Es beginnt und endet am Wilmersee
Eine Eisschicht überzieht den Wilmersee, als die Schwestern acht Jahre alt sind. Dann geschieht das Schlimmste, was eine Familie erleben kann, verkraften muss - oder niemals verkraften kann. Das Eis bricht, ...
Eine Eisschicht überzieht den Wilmersee, als die Schwestern acht Jahre alt sind. Dann geschieht das Schlimmste, was eine Familie erleben kann, verkraften muss - oder niemals verkraften kann. Das Eis bricht, beide Mädchen werden in die Tiefe gerissen und nur ein Mädchen kann gerettet werden. Wie soll eine Familie das verkraften? Wie kann eine Schwester ohne die andere weiterleben?
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Es gibt Schicksalsschläge, für die es keine Worte gibt. Dieser unendliche Schmerz erreicht mich bereits auf der ersten Seite. Doch wenn es keine Worte gibt für das Geschehene, dann ist da am Anfang nur ein riesiger Knoten, der alles einnimmt und nichts freilässt.
Laura Dürrschmidt gelingt es, zusammen mit der überlebenden Schwester und zusammen mit mir als Leserin, Faden für Faden aus dem Knoten zu lösen, alles nach und nach zu entheddern, zu entzerren, zu befreien. Aus einem wirren Knäuel wird ein Netz aus hauchdünnen Fasern, so empfindlich, dass es jeden Moment reißen könnte. Doch als Jora auftaucht, kehrt endlich ein wenig Halt und Stabilität zurück. Und auch die Worte kommen langsam wieder.
Der poetische Schreibstil des Romans hat so sehr meinen Geschmack getroffen, wie ich es nie für möglich gehalten hätten. So oft habe ich die Sätze mehrmals gelesen - weil sie so schön sind und weil es so viel Spaß macht, die Feinheiten zwischen den Zeilen zu suchen und zu finden.
Auch wenn es wirklich keine Wale im Wilmersee gibt, ist die Natur ständig so präsent, dass sie die Fäden in den Händen hält. So ist es auch die Natur, die in einem schreiend mächtigen Bild die letzten Worte des Romans ins Eis kratzt. Und dieses allerletzte Bild ist so gigantisch, dass ich noch lange in diesem Moment verharrte - und es wirkt nach.
Wow! Was für ein gewaltiger und faszinierender Roman!