Ein bewegender und erschütternder Lebensweg
Die Bucht der LupinenFasziniert vom wunderschönen Cover und einem Titel, der auf Grund des Blumennamens Kindheitserinnerungen an einen ganz besonderen Ausflug mit meiner Mutter hervorrief, war ich mir nach der kurzen Inhaltsangabe ...
Fasziniert vom wunderschönen Cover und einem Titel, der auf Grund des Blumennamens Kindheitserinnerungen an einen ganz besonderen Ausflug mit meiner Mutter hervorrief, war ich mir nach der kurzen Inhaltsangabe sicher, dass es sich um Roman handelt, der mich sehr interessiert und den ich unbedingt lesen muss. Und ich wurde nicht enttäuscht. Ganz im Gegenteil: wurde ich schon lange nicht mehr so einfühlsam mit einem düsteren Kapitel des Zweiten Weltkriegs konfrontiert.
Hier, im vorliegenden Roman, lerne ich über nur wenige Seiten eine den Roman tragende Frau kennen: Louise, genannt Lou, eine deutsche Jüdin, die 2016 in ihrem Haus in Neufundland beginnt, Abschied zu nehmen. Und begleite dann ihre drei Enkelinnen Judith, 'Anna und Greta auf ihrem Weg, den Nachlass ihrer verstorbenen Großmutter Lou zu regeln. Bei der dazu nötigen Auflösung des Hausstands fallen ihnen neben einem Tagebuch der Großmutter auch ein Bild und einige Briefe in die Hände, die nach und nach Auskunft geben über eine Vergangenheit, die ihnen ihre Großmutter verschwiegen hat bzw. von der sie nie erzählt hat.
So eröffnen sich zwei Erzählstränge: auf der einen Seite die drei Schwestern die im hier und jetzt und zum Teil mit Problemen, die sie nach und nach und im Vergleich zur Lebensgeschichte der Großmutter eher als "Problemchen" einstufen. Lous Lebensgeschichte öffnet ihnen den Blick für das wirklich wichtige im Leben und ermutigt, sich Herausforderungen zu stellen und eigene Wege zu gehen.
Die Autorin ermöglicht mit sehr großem Einfühlungsvermögen und bemerkenswertem Schreibstil, sich beim Lesen in die Zeit, die Lebensumstände, die täglichen Herausforderungen und die Gedankenwelt der jungen Lou hineinzuversetzen. Sie wächst als Arzttochter zunächst relativ sorglos im Deutschland der Vorkriegszeit auf, bis auch sie die sich bereits 1935 sich abzeichnenden Repressalien gegen Juden erkennt und zu werten weiß und ihre Liebe zum Nachbarsohn, einem Nichtjuden, von dessen Vater torpediert wird. Beide Charaktere, Lou und ihr Freund Carl, haben in ganz besonderer Weise mein Herz berührt, da ihre Liebeunter keinem guten Stern steht und die aufkommende Bedrohung ihrer Beziehung ungemein treffend, überzeugend und nachvollziehbar dargestellt wird. Dass Lou mit ihrer Tochter letztendlich in Neufundland eine neue Existenz aufbauen kann, was aus ihren Familienangehörigen geworden ist und vor allem aus ihrer ersten und großen Liebe Carl – all dies eröffnet sich nach und nach und auf sehr einfühlsame und berührende Weise.
Ein Roman, der in Erinnerung bleiben wird und den ich mit Sicherheit noch einmal lesen werde. Und den ich sehr gerne weiterempfehle, weil er für mich einen sehr wichtigen Bestandteil "gegen das Vergessen" darstellt