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Venatrix

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 07.12.2021

Fesselnd bis zur letzten Seite

Tanz bis ans Ende der Welt
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Tereza Vanek versteht es ausgezeichnet, mit ihren Büchern die Leser zu fesseln. Mit diesem hier tauchen wir in die Welt der „Goldenen Zwanziger Jahre“ ein, die so golden gar nicht waren. Oh, werden sich ...

Tereza Vanek versteht es ausgezeichnet, mit ihren Büchern die Leser zu fesseln. Mit diesem hier tauchen wir in die Welt der „Goldenen Zwanziger Jahre“ ein, die so golden gar nicht waren. Oh, werden sich einige denken, nicht schon wieder ein Buch aus dem Berlin dieser Zeit. Doch die Protagonisten überraschen. Worum geht’s also?

Klarissa erbt von ihrer Tante Anna ein Haus und findet ein Foto, auf dem Anna mit einer Chinesin abgelichtet ist. Neugierig geworden, begibt sie sich auf Spurensuche und taucht aus dem München der 1960er Jahre tief in die Vergangenheit der 1920er ein.

Zhang Penjun, Tochter einer wohlhabenden Familie, reist ohne deren Erlaubnis von Shanghai nach Berlin, um ihren Verlobten zu treffen. Auf dem Weg zu ihm wird sie bestohlen und muss dann noch feststellen, dass er mit einer Deutschen zusammenlebt.

Unmittelbar darauf lernt sie die Schuhverkäuferin Anna kennen, die sie unter ihre Fittiche nimmt. Um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, treten die beiden in Cabarets auf und feiern große Erfolge, bis die Nazis an die Macht kommen und alles Fremde aus Deutschland verbannen.

Meine Meinung:

Teresa Vanek ist ein fesselnder historischer Roman auf zwei Zeitebenen gelungen. Zum einen begeben wir uns nach Berlin in die Weimarer Republik und zum anderen in das konservative München der 60er Jahre, in dem die Studenten zu rebellieren beginnen.

Tereza Vanek, deren Bücher ich sehr gerne lese, fesselt ihre Leser mit den Schicksalen zweier Frauen von höchst unterschiedlicher Herkunft. Wer glaubt, bereits alles aus der Zwischenkriegszeit zu wissen, wird eines Besseren belehrt. Denn, dass es eine chinesische Community in Berlin gab, habe ich auch nicht gewusst.
Herrlich ist zu lesen, mit welchen Vorstellungen die junge Zhang Penjun, die sich in Deutschland Susan nennt, nach Europa kommt. Hier müssen alle Leute reich sein, man wohnt in großen Häusern und Bettler sowie Elend gibt es nicht. Schnell lernt sie die Realität kennen.

Der Schreibstil ist mitreißend und die Charaktere wachsen den Lesern bald ans Herz. Wir lernen sie mit allen ihren Stärken und Schwächen kennen.

Fazit:

Ein historischer Roman auf zwei Zeitebenen, der einen kaum loslässt. Gerne gebe ich hier 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 24.11.2021

Toller Bildband

Über der Welt und den Zeiten
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Christine de Grancy ist eine österreichische Fotografin, die vor wenigen Tagen ein neues Buch herausgebracht hat. Der Titel „Über der Welt und den Zeiten“. Das Buch gibt uns einen anderen Blick auf Wien, ...

Christine de Grancy ist eine österreichische Fotografin, die vor wenigen Tagen ein neues Buch herausgebracht hat. Der Titel „Über der Welt und den Zeiten“. Das Buch gibt uns einen anderen Blick auf Wien, nämlich jenen aus der Perspektive von Göttern und Göttinnen, von oben herab.

Dafür hat sie unzählige schwarz/weiß Fotos aus ihrem reichen Schaffen verwendet. Großformatige Detailaufnahmen, die aus dem Kontext gerissen, ohne Hilfe (auch der Umgebung) fast nicht zuordenbar sind. Erst die Hinweise am Ende jeden Kapitels sorgen für ein „Aha-Erlebnis“.

Die Fotografin zeigt weniger die Schokoladenseite sondern die verwitterte Seite zahlreicher Steinfiguren.

Umrahmt sind ihre Fotos von Texten folgender Persönlichkeiten: Ljuba Arnautovic, Achim Benning, György Dalos, Karl-Markus Gauß, Maja Haderlap, André Heller, Rupert Henning, Michael Köhlmeier, Pavel Kohut, Wolfgang Maderthaner, Esra Özmen, Selina Teichmann, Cornelia Travnicek und Ernest Wichner.

Mir hat diese andere Perspektive sehr gut gefallen. Ich werde in Zukunft ein wenig aufmerksamer durch Wien spazieren, um den einen oder anderen steinernen Zeugen zu entdecken. Wien ist anders, auch zwischen Himmel und Erde.

Das im kleinen Verlag „Die 2“ erschienene Buch ist gediegen verarbeitet und liegt schwer in der Hand.

André Heller formuliert den Blick fürs Detail von der Fotografin sehr poetisch: “Christine de Grancy ist eine Augnerin, ob ihrer kostbaren Art des Schauen.“ Dem ist ist nichts hinzuzufügen.

Fazit:

Dieser besondere, andere Blick auf Wien eignet sich hervorragend als Geschenk. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Veröffentlicht am 21.11.2021

Penibel recherchiert

Die Maskenbildnerin von Paris
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Dieser historische Roman von Tabea Koenig spielt Anfang des 20. Jahrhunderts in Frankreich.

Valérie, Tochter eines Künstlerehepaares ist für damalige Zeiten recht fortschrittlich erzogen, entscheidet ...

Dieser historische Roman von Tabea Koenig spielt Anfang des 20. Jahrhunderts in Frankreich.

Valérie, Tochter eines Künstlerehepaares ist für damalige Zeiten recht fortschrittlich erzogen, entscheidet sich gegen ihre Liebe zu Gabriel und für das Studium an der Kunstakademie in Paris. So beginnt für sie ein aufregendes Leben in Paris. Valérie lernt zahlreiche Künstler wie Modigliani oder Picasso kennen. Noch ist keiner reich, sondern man hilft sich mit Kontakten, Wohnmöglichkeiten und Absinth aus. Einer dieser Kontakte ist Apollinaire, der sie unter seine Fittiche nimmt und sie u.a. Olympe de Montesquieu und später Gertrude Stein vorstellt.

Als 1914 der Große Krieg ausbricht, rücken sowohl Valéries Zwillingsbruder Jules als auch Gabriel ein. Jules fällt und Valérie kehrt für die Trauerfeierlichkeiten in das Elternhaus in Cherbourg zurück. Dort trifft sie Gabriel, der inzwischen mit Claudine verheiratet ist. Die alte Liebe flammt wieder auf und Valérie wird schwanger. Quel scandale! Unverheiratet und von einem verheirateten Mann? Soweit geht die Aufgeschlossenheit der Eltern nicht und Valérie muss ihre Tochter Julie in einem Waisenhaus abgegeben. Gabriel gilt als vermisst. Apollinaire meldet sich freiwillig und kommt mit einer schweren Kopfverletzung nach Paris zurück. Erst mit seiner Rückkehr begreift Valérie was der Krieg für die Überlebenden bedeutet. Sie lernt durch Gertrude Stein die Amerikanerin Anna Coleman Ladd kennen, die ein Atelier für die Herstellung von Gesichtsprothesen führt.
Hier in dieser Werkstätte findet sie ihre Erfüllung und verliebt sich in einen Patienten – den Soldaten Louis. Doch als es ernster zwischen den beiden wird, weiß sie nicht, wie sie mit ihrem Geheimnis um Julie umgehen soll …

Meine Meinung:

Autorin Tabea Koenig hat sich in ihrem historischen Roman gleich mehrerer Themen angenommen. Zum einem handelt es sich um die Kunstszene von Paris in den Anfangsjahren des 20. Jahrhunderts und den Veränderungen, die auch die Frauen betrifft. Sie wollen ihre Rechte und Unabhängigkeit.

Zum anderen zeigt sie ihren Lesern die Auswirkungen des Großen Krieges auf die Menschen und das Land. Dabei legt sie den Fokus auf die Kriegsversehrten, vor allem auf jene, deren Gesicht durch Granatsplitter oder Gewehrkugeln verunstaltet worden ist. Diese Gruppe der Kriegsteilnehmer traut sich nicht mehr unter die Menschen, weil ihre Verstümmelungen die meisten verschreckt und abstößt. Dafür hat sie penibel recherchiert und zahlreiche historische Personen in ihren Roman eingeflochten wie Gertrude Stein, Anna Coleman Ladd, die Initiatorin des Gesichtsprothesen-Atelier oder Albert Jugon, der mit vier anderen Versehrten bei der Unterzeichnung des Friedensvertrags 1919 in Versailles, die deutsche Delegation an ihre Verantwortung erinnert. „Gueules Cassées, zerhauene Visagen", werden diese Männer genannt. Diesen fünf historisch verbürgten Veteranen stellt die Autorin Louis zur Seite. Wir erfahren von der Arbeit der Künstler, die zahlreichen Männern einen kleinen Teil ihrer Würde zurückgeben könnten. Denn, „löscht man die Gesichtszüge aus, verliert der Mensch seine Identität. Ein Mann ohne Arm erzeugt Mitleid - ein Mann ohne Gesicht ruft Ekel hervor.“ (Zitat aus dem Spiegel-Bericht von 09.11.2018).
Ich selbst habe bei einem Besuch der Berliner Charité solche Gesichtsprothesen und feinmechanische Hände gesehen.

Der Titel hat mich zu Beginn ein wenig irritiert, weil ich an „Maskenbildnerin“ in Revue und Theater gedacht habe. Die Schlüsselszene für Valéries Werdegang als Maskenbildnerin ist jene, in der sie von Gabriels Gesicht einen Gipsabdruck macht, um ihn quasi ständig bei sich zu haben.

Fazit:

Ein penibel recherchierte historischer Roman, der uns die Zeit der Pariser Bohéme sowie die schrecklichen Folgen des Ersten Weltkriegs für die Versehrten näher bringt. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Veröffentlicht am 16.11.2021

Fesselnd bis zur letzten Seite

Weißes Teufelskraut
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Dieser dritte Fall für die Apothekerin Maja Ursinus hat es in sich.
Sie wird vom Anwalt eines des Giftmordes Verdächtigen ersucht, ein zweites Gutachten zu erstellen, denn der Sachverständige und der ...

Dieser dritte Fall für die Apothekerin Maja Ursinus hat es in sich.
Sie wird vom Anwalt eines des Giftmordes Verdächtigen ersucht, ein zweites Gutachten zu erstellen, denn der Sachverständige und der Pathologe sind nicht ganz einer Meinung. Als Maja zusagt, weiß sie noch nicht, dass ihr ganzes bisheriges Leben völlig auf den Kopf gestellt wird.

Meine Meinung:

Jürgen Seibold ist mit diesem dritten Buch rund um Maja Ursiuns ein fesselnder Krimi gelungen, der mit zahlreichen Überraschungen aufwartet und bis zur letzte Seite fesselt.

Wir begegnen zahlreichen Figuren aus den Vorgängern, die sich Maja gegenüber nicht sehr wohlwollend verhalten. Ich kann die Enttäuschung ihres Vaters zwar nachvollziehen, dass weder Maja noch ihr Bruder Michael in die Familien-Apotheke einsteigen wollen, aber dieser unversöhnliche Hass auf die eigenen Kinder, ist mir unverständlich.

Die Auflösung des Falles, der sich so ganz anders als erwartet entwickelt, ist raffiniert. Das offene Ende macht Hoffnung auf eine Fortsetzung, auch wenn Maja vielleicht nie mehr ihre Nase in Kriminalfälle stecken kann.

Fazit:

Spannende Krimiunterhaltung, der ich gerne 5 Sterne gebe.

Veröffentlicht am 14.11.2021

Kratzt am Image der ehemaligen Herrscherfamilie

Die Hohenzollern und die Nazis
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Dieses rund 750 Seiten starke Buch ist das Ergebnis von Jahre langen Recherchen des Autors wie sich zahlreiche Vertreter der Familie Hohenzollern dem aufstrebenden NS-Regime anbiedern, weil sie glauben, ...

Dieses rund 750 Seiten starke Buch ist das Ergebnis von Jahre langen Recherchen des Autors wie sich zahlreiche Vertreter der Familie Hohenzollern dem aufstrebenden NS-Regime anbiedern, weil sie glauben, ihre frühere Macht wieder zu erhalten. Zahlreiche Briefe belegen, wessen Geist vor allem die Söhne des letzte deutschen Kaisers und ihre Ehefrauen waren.

Obwohl man meinen könnte, dass die ehemalige Herrscherfamilie und die Nationalsozialisten nichts gemeinsam haben, ergeben sich zahlreiche Gemeinsamkeiten und Überschneidungen: beide sind antidemokratisch, reaktionär, hassen sowohl Sozialisten als auch Kommunisten, Juden sowieso und beiden ist das „gemeine Volk“ völlig egal. Die Masse soll arbeiten, Steuern zahlen und im Krieg (egal für welche) Herrschaft verbluten.

Ein großes Thema ist auch der, von den Hohenzollern vorgebrachte Entschädigungsanspruch nach den Enteignungen von 1918. Obwohl die Mitglieder der Familie einige Immobilien und Vermögenswerte (im Gegensatz zu den Habsburgern, die beinahe mittellos aus „Restösterreich ausgewiesen wurden) behalten durften, will die Familie mehr, viel mehr, und glauben auch noch, im Recht zu sein.
Stephan Malinowski untermauert seine Thesen mit zahlreichen Quellen, und lässt sich von Anzeigen der Familie Hohenzollern gegen ihn, nicht einschüchtern.

Fazit:

Das Buch muss sorgfältig gelesen werden. Es ist aber verständlich geschrieben und wird durch zahlreiche Abbildungen bereichert. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.