Handlung: Mit "Drei Schritte zur dir" habe ich mich mal wieder in ein Genre vorgewagt, das ich lange Zeit eher gemieden habe: Krankheitsgeschichten. Nach wenigen Kapitel war mir dann auch wieder klar, ...
Handlung: Mit "Drei Schritte zur dir" habe ich mich mal wieder in ein Genre vorgewagt, das ich lange Zeit eher gemieden habe: Krankheitsgeschichten. Nach wenigen Kapitel war mir dann auch wieder klar, weshalb ich um das Thema in den letzten Jahren nach Büchern wie "Das Schicksal ist ein mieser Verräter" oder "Du neben mir" eher einen Bogen gemacht habe: sie sind einfach so traurig, dass es schmerzt. Wie andere Bücher dieses Subgenres erzählt auch Rachael Lippincotts Geschichte zum gleichnamigen Film von einer tragischen Liebe, die in der sterilen Umgebung eines Krankenhauses erblüht und auf ein absehbares Ende zusteuert. Dementsprechend flach ist leider auch der Spannungsbogen. Da angesichts der unheilbaren Krankheit der beiden Hauptfiguren keine Rettung in Sicht ist, wartet man die ganze Zeit eigentlich nur in stiller Panik auf das herzzerreißende Ende. Sehr gut gefällt mir an der Handlung hingegen, dass die Autorin, die das Buch auf Basis des Drehbuchs von Mikki Daughtry und Tobias Iaconis geschrieben hat, Stellas und Wills Geschichte zum Anlass nimmt, die LeserInnen über Mukoviszidose, oder auch zystische Fibrose (CF), zu informieren und neben der Darstellung des Krankenhausalltags einige interessante Gedanken über Tod, Liebe, Verantwortung und den Wert des Lebens einfließen lässt.
Schreibstil: Rachael Lippincott hat hier die Aufgabe, die schönsten und schwierigsten Abschnitte im Leben nachvollziehbar und lebendig zu vermitteln: Liebe, Freundschaft, Verlust und Tod. Vorurteile gegenüber Büchern, die nach Filmen geschrieben sind, gibt es massenweise, finden sich hier aber nicht bestätigt. Zwar ist die Sprache hier mehr funktionales Mittel, um einen individuellen Film vor den Augen der LeserInnen entstehen zu lassen, als ein poetisches Stilmittel an sich. Dennoch liest sich die Geschichte so rund und mit persönlicher Note der Autorin, dass ich ohne Probleme auch glauben würde, dass der Film auf dem Buch basiert und nicht umgekehrt. Zusammen mit der großen Schrift sorgte der flüssige Schreibstil also dafür, dass ich die Geschichte in wenigen Stunden durchlesen konnte.
Figuren: "Drei Schritte zur dir" ist wechselnd aus der Ich-Perspektive der beiden Hauptfiguren Will und Stella geschrieben. Obwohl die beiden uns beim Lesen intensiv an ihren Ängsten, Problemen und Gefühlen teilhaben lassen und mir beide schnell sympathisch waren, wurde ich emotional aber nicht so sehr abgeholt, wie ich das angenommen hatte. Zwar empfand ich ein tiefes Mitgefühl und ab und zu auch ein bisschen Hoffnung für die beiden, insgesamt blieb die emotionale Nähe zu den Figuren trotz des bedrückenden Themas und der von verzweifelt bis hoffnungsvoll schwankenden Atmosphäre aber eher gering. Ob das auf eine emotionale Schutzfunktion zurückzuführen ist, oder ob es am doch recht hohen Erzähltempo und geringem Seitenumfang liegt, kann ich nicht klar sagen. Fakt ist jedoch, dass ich beim Lesen immer nur ein mitfühlender, aber ansonsten eher distanzierter Beobachter blieb und nicht so tief in die Geschichte eingesaugt wurde, wie ich das von anderen Romanen kenne. Ebenfalls kritisieren muss ich, dass mir die Figuren viel jünger vorkamen als die vorgegebenen 17 und 18 Jahre. Bevor das erste Mal eine Altersangabe auftauchte, entwickelte sich in meinem Kopf das Bild zweier 14- oder höchsten 15jährigen Teenagern. Da die beiden recht kindlich wirkten fand ich es auch im späteren Verlauf der Geschichte eher schwierig, sie als beinahe Erwachsene wahrzunehmen.
Die Zitate:
"Wir brauchen Berührungen von denen, dir wir lieben, fast so sehr wie die Luft zum Atmen."
"Behandlungsscheiß?"
Ich gehe zwei Schrittchen auf ihn zu. Zwei Meter. Das Limit.
"Dieser Behandlungsscheiß hält uns am Leben."
Er schnaubt und verdreht die Augen.
"Dieser Behandlungsscheiß ist es, der uns davon abhält, da unten zu sein und wirklich zu leben.
Das Urteil:
Eine tragische und zweifellos gut geschriebene Geschichte über Mukoviszidose, erste Liebe und den Tod, die jedoch sowohl stilistisch als auch emotional hinter ihren Möglichkeiten zurückbleibt.
Schon in "Die Highlanderin" hat Eva Fellner auf eindrucksvolle Art und Weise bewiesen, dass es möglich ist, eine Geschichte über Assassinen, Medikusse und Highlander vor der Kulisse des schottischen Unabhängigkeitskrieges ...
Schon in "Die Highlanderin" hat Eva Fellner auf eindrucksvolle Art und Weise bewiesen, dass es möglich ist, eine Geschichte über Assassinen, Medikusse und Highlander vor der Kulisse des schottischen Unabhängigkeitskrieges am turbulenten Anfang des 14. Jahrhunderts zu erzählen und hat mich total süchtig nach dieser verrückten Mischung werden lassen. Auch die Fortsetzung, "Das Leben der Highlanderin" führt nun wieder hochspannend, komplex und gut recherchiert durch die schottische Historie und erzählt dabei die Geschichte unserer besonderen Heldin zu Ende! Zwar gibt es auch in Band 2 einige Punkte, die ich kritisieren muss, insgesamt hat er mir aber um Welten besser gefallen als Band 1.
Das Cover des Aufbau Verlags zeigt wieder eine Frau mit wehendem Kleid und roten offenen Haaren, die von einem schroffen Felsen auf eine raue, gewitterumwölkte Landschaft hinabblickt, über der der Titel in großen, goldenen Letter schwebt. Auch wenn diese Aufmachung sehr typisch für das Genre ist, gefällt mir die Band 1 sehr ähnliche Gestaltung als Ganzes wieder sehr gut. Schade ist nur, dass die abgebildete Frau nur sehr wenig an unsere Protagonistin Enja erinnert, die zum einen sehr helle, fast schon weiße Haare hat und zum anderen keine Kleider trägt. Innerhalb der Buchdeckel ist die Geschichte in 13 größere Kapitel geteilt, die jeweils abwechselnd auf zwei Zeitebenen spielen. Jene Kapitel sind dann nochmal in kürzere Szenen gegliedert, sodass man auch als Fan von kurzen Kapiteln auf seine Kosten kommt.
Erster Satz: "Eine Kathedrale wie von Gott geschaffen, ging es mir durch den Kopf, als ich das imposante Gebäude zum ersten Mal sah."
Am besten starten wir den inhaltlichen Teil der Rezension mit einer kleinen Rekapitulation, wo wir zu Beginn der Handlung von "Der Weg der Highlanderin" auf den beiden Handlungssträngen stehen und wo Band 1 gestoppt war. Der erste Handlungsstrang begann in "Die Highlanderin" im Mai 1307 in Schottland und erzählte von unserer erwachsenen Protagonistin Enja, die in die Wirren des schottischen Unabhängigkeitskrieges verstrickt wurde und zwischen den Fronten des englischen und des schottischen Königs um einen friedlichen Ort zum Leben für sich und ihre Lieben kämpft. Zuletzt hatten wir sie in einem fiesen Cliffhanger in ihrer Burg mit dem schottischen König im Inneren und dem englischen als Belagerer davor zurückgelassen. In Band 2 wird ihre Neutralität als Landbesitzerin im schottisch-englischen Grenzland erneut auf die Probe gestellt, als sich die Linien des Kriegs abermals verschieben und schon bald muss sie sich zwischen ihrer Freiheit und der Liebe zum schottischen Clanführer James Douglas entscheiden.
Der zweite Handlungsstrang startete 1289 in Island und erzählte Schritt für Schritt, wie die damals noch kleine Enja von ihren Eltern auf eine Reise ohne Rückkehr geschickt, sie durch Menschenhändler in den Orient verschleppt wird und dort von einer Station zur nächsten verschiedene Ausbildungen durchläuft. Band 1 endete ja damit, dass die frisch gebackene Prinzessin Enja mit dem halben Schatz des Assassinenkönigs Hassan I-Shabbah auf dem Weg nach Masyaf ist. In Band 2 wird auch dieser Strang fortgesetzt. Dafür kehren wir in Kapitel 2 nach Syrien ins Jahr 1300 zurück und warten gespannt auf die Erklärung, wie eine hellhaarige Isländerin mit Sklaventattoo auf der Stirn und einer Entourage an seltsamen, diversen Gestalten überhaupt mitten im schottischen Unabhängigkeitskrieg gelandet ist.
"Die Melancholie, die uns alle befiel, hatte nichts damit zu tun, ob wir uns über unser neues Zuhause freuten oder nicht. Fast jeder hier hatte eine oder mehrere Seelen in diesem Land verloren - Seelen, die sie jetzt nur noch im Herzen mittragen würden in eine Zukunft, die keiner vorhersehen könnte. Ich hoffte nur, diese Zukunft würde uns alle näher an unsere Träume und Ziele bringen"
Wie schon bei Band 1 hat mir wieder sehr gut gefallen, dass man die Geschichte sowohl als historischen Roman, als auch als Abenteuerroman lesen kann, da "Der Weg der Highlanderin" sich zu keinem Zeitpunkt in langen Ausführungen oder Erklärungen des politischen Klimas etc. verliert, sondern sich stark auf die Erlebnisse der Protagonisten konzentriert. Für die ein oder andere LeserInnen werden die Erklärungen oder Einbettungen in den historischen Kontext vielleicht etwas zu knapp geraten sein, mir hat der Fokus aber gut gefallen, da es nichts Anstrengenderes gibt, als historische Romane, die zu stark von der Handlung abweichen und sich im belanglosen Inforausch verzetteln. Spannend ist auch, dass Eva Fellner hier Wahres mit Fiktion mischt und vergangene Zeiten auf eher moderne Einstellungen treffen lässt. Was genau nach historischen Überlieferungen wirklich passiert ist und welche Ereignisse ihrer eigenen Fantasie entstammen, erklärt die Autorin in einem kurzen Nachwort. Die Frage, ob alles, was hier im Laufe der Handlung passiert, wirklich realistisch ist, fegt die Autorin dabei sehr geschickt vom Tisch, in dem sie die Figuren selbst erkennen lässt, dass Enja erstaunlich viel Glück zu haben scheint. "Der Weg der Highlanderin" landet zwar nicht wirklich in der Mystik-Schiene, die Enjas weitsichtige Instinkte oder ihr Talent, sich wahnsinnig schnell anzupassen, oder zu heilen, mit Magie zu erklären versucht. Durch das Einbinden von Vorsehung, Schicksal und Religion wird das unwahrscheinlich Erscheinende jedoch passend eingebettet, sodass es im Gesamtkontext stimmig wirkt.
In dieser Fortsetzung rückt nun die Protagonistin stärker in den Vordergrund und auch die zuvor nur zart angedeutete Liebesgeschichte bekommt hier deutlich mehr Raum sich zu entfalten. In meiner Rezension zu Band 1 hatte ich kritisiert, dass sich die Autorin während ihrer komplexen Handlung nicht genügend Zeit für die Gefühle ihrer Figur nimmt und uns die spätere stahlharte Kriegerin emotional ferner bleibt, als die junge Enja, die wir in den Rückblicken erleben. Im Laufe der Handlung verstehen wir nun immer besser, weshalb unsere Heldin mit der Zeit so zu einer Kriegerin abgestumpft ist und lernen mehr über ihren Weg, die Figuren, die wir später an ihrer Seite sehen und können uns so mit der Zeit auch mehr mit der erwachsenen Enja identifizieren. Wo Enjas emotionale Reifung oder allgemein ihre Gefühlen trotz der sehr nahen Ich-Perspektive in Band 1 nur in geringem Maße auf die Leserschaft übertragen wurden, zeigt sie nun auch ab und zu verletzliche Seiten, Komplexe und ist durch das bessere Verständnis ihres Werdegangs auch auf den zweiten Blick eine viel spannendere Figur. Dass sie mich auf den ersten Blick schon für sich einnehmen konnte, da sie als starke Frau, die sich im gegebenen historischen Kontext emanzipiert, sich für Heilkunde, Fortschritt und Forschung einsetzt, stark aus dem Klischee der Historien-Protagonistinnen ausbricht, steht hingegen gar nicht zur Debatte.
"Eines hatten beide Länder gemeinsam: Hier wie da waren es die Schwächsten, die unter Kriegen litten, die sie nicht entfacht hatten."
Mein Hauptkritikpunkt in meiner Rezension zu Band 1 war ja gewesen, dass die Geschichte abrupt in einer der wichtigsten Szenen mit tausenden offenen Fragen endet, ohne die beiden großen Handlungsstränge stimmig zusammengeführt zu haben. Diese Zusammenführung findet in "Der Weg der Highlanderin" nun endlich statt und wir erfahren, aus welchem Grund es Enja nach Schottland verschlägt. Trotzdass dieser Bogen hier geschlagen wurde, bleibt für mich wieder die Verwirrung und das leichte Gefühl der Überfüllung zu kritisieren, welches mit der komplexen und verschachtelten Erzählweise einhergeht. Denn statt durchgängig aus der Sicht der Protagonistin Enja zu erzählen, wechseln sich hier Er-Erzähler aus den Perspektiven von wichtigen Nebenfiguren wie Hal oder James und auktoriale Zwischenepisoden mit dem personalen Ich-Erzähler ab. Dazu kommt, dass die Autorin hier nicht nur mit ihren Erzählperspektiven jongliert, sondern der Roman wie bereits erwähnt auf zwei Zeitebenen rangiert, die abwechselnd in jedem Kapitel verfolgt werden.
"Krieg war keine gute Zeit für uns Frauen. Egal, welcher Mann gewann, wir hatten immer verloren."
Zugutehalten muss man dem Roman, dass die Einbindung der Vorgeschichte, die Schritt für Schritt erzählt, wie sie zu der Frau geworden ist, die wir in Schottland handeln und kämpfen sehen, die Haupthandlung gerade erst interessant macht. Positiv anzumerken ist auch, dass die einzelnen Motive - Wikinger, Orient, Medicus, Harem, Assassinen, Highlander, Krieg - überraschend flüssig ineinander übergehen und man sich mit der Zeit an die verschachtelte Erzählweise gewöhnt. Schade ist jedoch, dass die vielen Zeitsprünge dafür sorgen, dass die einzelnen Parts nicht ausreichend auserzählt werden können. Teilweise wirken die einzelnen langen Kapitel wie Episoden einer narrativen Historien-Doku, die sich ein historisches Ereignis und Enjas abenteuerliche Verstrickungen darin jeweils gesondert vornehmen. Statt Enjas Geschichte fortlaufend mit klarem roten Faden zu erzählen, weiß man am Ende eines Kapitels nie, wohin sich die Handlung weiterbewegen wird. So verschwendet die Autorin leider eine Menge Potential. Besonders nachdem sich die beiden Handlungsstränge und Zeitebenen getroffen haben, verliert die Geschichte ein wenig ihre Orientierung und lässt einen klaren Endpunkt vermissen. Denn während der Rückblick-Strang auf ein ganz klares Ziel zu lief - nämlich zu erklären, wie Enja als Prinzessin in Schottland gelandet ist -, springt die nun einsträngige Haupthandlung eher ziellos von einer actionreichen Szene zur nächsten, bis sie zum Ende kommt.
"Lasst uns zusammen Schottland erobern, meine Rebellenbraut. Ich möchte Euch an meiner Seite! Eure Klugheit, Stärke und Anmut werden alles aus meinem Weg räumen. Zusammen erobern wir ganz Schottland!"
Jenes Ende ist definitiv rund und ein würdiger Abschluss von Enjas abenteuerlicher Reise. Ohne zu viel verraten zu wollen muss ich aber noch anmerken, dass mir noch eine Rückkehr Enjas zu ihren Wurzeln fehlt, was den Kreis der Handlung endgültig geschlossen hätte. Auch eine Wiedervereinigung mit Hal und das Geständnis seiner Liebe blieben uns verwehrt. Zwar sind Hals Gefühle für die LeserInnen offensichtlich, für einen wirklich hundertprozentigen Abschluss hätte ich mir noch ein paar klärende Worte zwischen den beiden am Ende gewünscht.
Fazit:
"Der Weg der Highlanderin" führt wieder hochspannend, komplex und gut recherchiert durch die schottische Historie und bringt die Geschichte einer besonderen Heldin zu einem würdigen Ende! Schade ist, dass auch hier wieder viele Zeitsprünge und Perspektivenwechsel den roten Faden zerfasern und der Roman unter der verschachtelten Erzählweise leidet, obwohl Band 2 viel runder erscheint und einiges besser macht als Band 1.
Hinweis: AutorIn Kacen Callender identifiziert sich selbst als trans und queer und bevorzugt die non-binären Pronomen they/them, zu denen es im Deutschen leider keine guten Äquivalenten gibt, weshalb ich ...
Hinweis: AutorIn Kacen Callender identifiziert sich selbst als trans und queer und bevorzugt die non-binären Pronomen they/them, zu denen es im Deutschen leider keine guten Äquivalenten gibt, weshalb ich sie in der Rezension trotzdem verwende.
"Du bist glücklich. Und tapfer. Es ist so mutig von dir, einfach du selbst zu sein, obwohl du weißt, dass die Welt nicht bereit ist, dich so zu akzeptieren, wie du bist. Du weigerst dich trotzdem, jemand anderes zu sein, ganz gleich was passiert. Davor habe ich Respekt. Das bewundere ich."
Themen: Kacen Callenders Roman ist stark von eigenen persönlichen Erfahrungen geprägt - das merkt man jeder einzelnen Zeile an, die sehr authentisch von ganz durchschnittlichen Krisen der Teenager-Jahre erzählt, nebenbei aber auch auf wichtige Belange der LGBT-Community aufmerksam macht. "Felix Ever After" ist also alles andere als ein typischer Coming-of-Age-Roman. Neben allgemeinen Themen wie Liebe, Freundschaft, Familie, Identität, Träume und Zukunftspläne werden wir hier auch mit Rassismus, Sexismus, Transfeindlichkeit, Homophobie, Hass und Diskriminierung konfrontiert, welche leider auch in der vermeintlich offenen LGBT-Community weit verbreitet sind. Wichtige gesellschaftlich-diskutierte Sichtweisen werden dabei genauso miteingeflochten wie grundlegende Informationen über die einzelnen Sexualitäten und Geschlechteridentitäten. Kacen Callender schreibt im Nachwort, they habe das Buch in der Hoffnung geschrieben, mindestens einer Person mit diesen persönlichen Einblicken die Augen zu öffnen und dabei zu helfen, die eigene Identität zu finden. Die Geschichte, die aus diesem Wunsch entstanden ist, hilft aber auch Nicht-Mitgliedern der Community dabei, sich mehr Wissen anzueignen und einen neuen Blickwinkel auf unterschiedliche Themen einzunehmen. Ich halte mich grundsätzlich für eine tolerante und weltoffene Person. Beim Lesen dieses Romans sind mir jedoch viele Versäumnisse meinerseits bewusst geworden, auf die ich in Zukunft besser achten will. Und wenn das kein Grund ist, die Geschichte zu lesen....
"Serien machen niemanden queer", sagt Austin. "Sie sorgen nur dafür, dass Leute begreifen, dass es überhaupt... ich weiß nicht, auch eine Möglichkeit ist. Es ist, als ob wir von klein auf einer Gehirnwäsche unterzogen werden, damit wir alle denken, wir müssten hetero sein."
"Die Heteros glauben, wir hätten vor, Leute umzudrehen", sagt Marisol, "aber dann versuchen sie schon Kleinkinder irgendwie zu verkuppeln und sagen, wie süß sie doch zusammen sind und dass sie dazu bestimmt sind, eines Tages zu heiraten."
Handlung: Neben den wichtigen Themen kommt die eigentliche Handlung in meinen Augen aber leider ein wenig zu kurz. Gerade zu Beginn passiert erstmal sehr wenig auf der reinen Handlungsebene, was es mir stark erschwert hat, in der Geschichte anzukommen. Erst ab der Hälfte wird klar, worüber Kacen Callender überhaupt schreiben möchte: eine zarte Liebesgeschichte, die einige herbe Rückschläge, Umwege und Erkenntnisse benötigt, um sich entfalten zu können. Als der Stein dann nach gut 200 Seiten endlich ins Rollen kommt, passiert dann gefühlt alles gleichzeitig und leider haben viele Entwicklungen nicht den Raum bekommen, den sie verdient hätten.
"Du bedeutest nichts. Du existierst nicht. Mit einem Anflug von Scham wird mir bewusst, dass ich angefangen habe, diese Behauptungen zu verinnerlichen. Es ist nicht leicht, Stolz auf mich selbst zu empfinden, wenn es sich anfühlt, als hätte die Welt etwas dagegen."
Figuren: Die Problematik, dass erst wenig und dann alles auf einmal passiert, lässt sich auch auf die Hauptfigur übertragen. Felix ist zunächst sehr schwer als Figur zu greifen, was womöglich daran liegt, dass er selbst noch vieles über sich herausfinden muss und seine Identität laufend hinterfragt. Auch im späteren Verlauf der Handlung arbeitet Kacen Callender in Felix´ Charakterisierung mit vielen Wiedersprüchen, was es schwer macht, ihn wirklich zu verstehen und ein Gespür für diese komplexe Figur zu bekommen. Seine Entwicklung habe ich aber trotzdem mit ganz viel Liebe im Herzen verfolgt. Denn wie der laute, selbstbewusste Junge in seinem Inneren leise nach Antworten sucht und dabei auf eine Wahrheit stößt, die für alle anderen sichtbar, ihm jedoch völlig unklar war, ist einfach wunderschön mitanzusehen. Ein wichtiges Mittel in seinem Entwicklungsprozess hin zur Selbstfindung und auch Selbstermächtigung ist seine Kunst. Passend dazu ziert auch eines von Felix´ Selbstportraits das Cover, welches definitiv zu meinen Coverfavoriten des Lesejahres 2021 zählt.
"Ich bin Felix. Niemandem außer mir steht es zu, zu entscheiden, wer ich bin."
Mit den Nebenfiguren, insbesondere der Freundesclique an der Kunstakademie, hatte ich aber leider so meine Probleme. Zunächst war ich etwas überfordert mit all den unterschiedlichen Figuren, deren Bild in meinem Kopf sich auch von Situation zu Situation verändert hat. Dadurch dass hier jedoch alle mögliches "races", "gender" und Sexualitäten vertreten sind, machen sie langfristig die Geschichte noch bunter und vielseitiger.
"Wir alle machen mal Fehler. Wir alle können daraus lernen und es in Zukunft besser machen. Aber wir alle haben auch das Recht, selbst zu entscheiden, ob wir jemandem vergeben."
Schreibstil: Ein weiterer Punkt, weshalb ich der Geschichte trotz des berührenden Umgangs mit wichtigen Themen und einer tollen Charakterentwicklung keine volle Punktzahl geben kann, ist der Schreibstil. Jener hat mich zu Beginn leider gar nicht überzeugen können, da er mir sehr flapsig und ohne große emotionale Tiefe erschien. Im Nachhinein würde ich ihn eher als jung, frech und direkt bezeichnen, da sich mit der zunehmenden Öffnung und Klarheit von Felix auch Szenen häuften, die mich sehr ergriffen haben. Auffällig ist auch die sehr sensible deutsche Übersetzung, die auch in den Feinheiten der Sprache die Botschaft von Vielfalt und Toleranz des Buches umsetzt. "Felix Ever After" war der erste Roman, den ich gelesen habe, in dem konsequent gegendert und die richtigen Pronomen auch im Deutschen verwendet wurden. Auch wenn Formulierungen wie "they" und "Schüler:innen" zunächst ungewohnt klangen, ist es mir nach wenigen Seiten gar nicht mehr aufgefallen, was beweist, dass es auch möglich ist, in Romanen auf geschlechtersensible Sprache zu achten, ohne den Lesefluss zu stören.
Die restlichen Zitate:
"Ich heiße Felix Love, aber verliebt war ich noch nie. Ich weiß nicht, manchmal macht mir diese Ironie echt zu schaffen"
"Selbst nach meinem Outing, sogar nach dem Beginn meiner Transition habe ich manchmal dieses Gefühl. Dieses Gefühl, dass irgendwas immer noch nicht stimmt. Fragen treiben an die Oberfläche. Diese Fragen ziehen an meinen Ängsten wie an einem Faden, und ich fürchte mich davor, dass sich, wenn ich zu fest daran ziehe, alles auflöst und ich auseinanderfalle. Vielleicht hasse ich es deshalb mehr als alles andere, wenn mich mein Vater mit meinem Deadname anspricht. Denn dann frage ich mich, ob ich wirklich Felix bin, ganz gleich, wie laut ich diesen Namen schreie."
"Möchtest du darauf wirklich deine Energie verwenden?", fragt er.
"Was soll ich mit meiner Energie denn sonst anstellen?"
"Sie für dich selbst einsetzen", schlägt er vor. "Liebe, akzeptiere und feiere dich selbst, und liebe, feire und unterstütze die jungen Frauen der nächsten Generation, die so sind wie du. Die Welt verändern, ja - wir brauchen Menschen, die für unsere Rechte kämpfen, die vor Gericht um Gerechtigkeit streiten, damit es für die nächste Generation leichter wird. Aber unsere eigene Welt zu erschaffen, nicht nur für uns selbst in einer abgeschlossenen Blase, sondern so, dass sie sich bis zu denen erstreckt, die es am meisten brauchen - eine Welt voll mit unseren Erzählungen, unserer Geschichte, unserer Liebe und unserem Stolz -, das ist eben so schön. Ebenso wichtig. Denn ohne so etwas vergessen wir uns selbst."
"So wie ich wird er die Welt nie erleben können. Wie soll ich auf so jemanden wütend sein?"
"Sobald ich einmal ins Schreien eingestimmt habe, kann ich nicht mehr aufhören. Ich schreie so laut, dass meine Kehle wund wird und mein Herz hämmert. Ich schreie vor Freude. Ich schreie vor Schmerz. Ich schreie vor lauter Staunen darüber, hier zu sein, darüber, dass wir alle hier sind, und dass wir aufgrund all der Menschen hier sind, die vor uns da waren und jetzt nicht dabei sein können, und ich schreie auch um meinetwillen."
Das Urteil:
Eine authentische Geschichte über Liebe, Freundschaft, Familie, Identität, Sexualität und Erwachsenwerden, in die ich mich aber erst auf den zweiten Blick verlieben konnte. Denn zu Beginn hatte ich leider Probleme mit dem sehr direkten Schreibstil, der schwer greifbaren Hauptfigur und der langsam startenden Handlung
Hinweis: AutorIn Kacen Callender identifiziert sich selbst als trans und queer und bevorzugt die non-binären Pronomen they/them, zu denen es im Deutschen leider keine guten Äquivalenten gibt, weshalb ich ...
Hinweis: AutorIn Kacen Callender identifiziert sich selbst als trans und queer und bevorzugt die non-binären Pronomen they/them, zu denen es im Deutschen leider keine guten Äquivalenten gibt, weshalb ich sie in der Rezension trotzdem verwende.
"Du bist glücklich. Und tapfer. Es ist so mutig von dir, einfach du selbst zu sein, obwohl du weißt, dass die Welt nicht bereit ist, dich so zu akzeptieren, wie du bist. Du weigerst dich trotzdem, jemand anderes zu sein, ganz gleich was passiert. Davor habe ich Respekt. Das bewundere ich."
Themen: Kacen Callenders Roman ist stark von eigenen persönlichen Erfahrungen geprägt - das merkt man jeder einzelnen Zeile an, die sehr authentisch von ganz durchschnittlichen Krisen der Teenager-Jahre erzählt, nebenbei aber auch auf wichtige Belange der LGBT-Community aufmerksam macht. "Felix Ever After" ist also alles andere als ein typischer Coming-of-Age-Roman. Neben allgemeinen Themen wie Liebe, Freundschaft, Familie, Identität, Träume und Zukunftspläne werden wir hier auch mit Rassismus, Sexismus, Transfeindlichkeit, Homophobie, Hass und Diskriminierung konfrontiert, welche leider auch in der vermeintlich offenen LGBT-Community weit verbreitet sind. Wichtige gesellschaftlich-diskutierte Sichtweisen werden dabei genauso miteingeflochten wie grundlegende Informationen über die einzelnen Sexualitäten und Geschlechteridentitäten. Kacen Callender schreibt im Nachwort, they habe das Buch in der Hoffnung geschrieben, mindestens einer Person mit diesen persönlichen Einblicken die Augen zu öffnen und dabei zu helfen, die eigene Identität zu finden. Die Geschichte, die aus diesem Wunsch entstanden ist, hilft aber auch Nicht-Mitgliedern der Community dabei, sich mehr Wissen anzueignen und einen neuen Blickwinkel auf unterschiedliche Themen einzunehmen. Ich halte mich grundsätzlich für eine tolerante und weltoffene Person. Beim Lesen dieses Romans sind mir jedoch viele Versäumnisse meinerseits bewusst geworden, auf die ich in Zukunft besser achten will. Und wenn das kein Grund ist, die Geschichte zu lesen....
"Serien machen niemanden queer", sagt Austin. "Sie sorgen nur dafür, dass Leute begreifen, dass es überhaupt... ich weiß nicht, auch eine Möglichkeit ist. Es ist, als ob wir von klein auf einer Gehirnwäsche unterzogen werden, damit wir alle denken, wir müssten hetero sein."
"Die Heteros glauben, wir hätten vor, Leute umzudrehen", sagt Marisol, "aber dann versuchen sie schon Kleinkinder irgendwie zu verkuppeln und sagen, wie süß sie doch zusammen sind und dass sie dazu bestimmt sind, eines Tages zu heiraten."
Handlung: Neben den wichtigen Themen kommt die eigentliche Handlung in meinen Augen aber leider ein wenig zu kurz. Gerade zu Beginn passiert erstmal sehr wenig auf der reinen Handlungsebene, was es mir stark erschwert hat, in der Geschichte anzukommen. Erst ab der Hälfte wird klar, worüber Kacen Callender überhaupt schreiben möchte: eine zarte Liebesgeschichte, die einige herbe Rückschläge, Umwege und Erkenntnisse benötigt, um sich entfalten zu können. Als der Stein dann nach gut 200 Seiten endlich ins Rollen kommt, passiert dann gefühlt alles gleichzeitig und leider haben viele Entwicklungen nicht den Raum bekommen, den sie verdient hätten.
"Du bedeutest nichts. Du existierst nicht. Mit einem Anflug von Scham wird mir bewusst, dass ich angefangen habe, diese Behauptungen zu verinnerlichen. Es ist nicht leicht, Stolz auf mich selbst zu empfinden, wenn es sich anfühlt, als hätte die Welt etwas dagegen."
Figuren: Die Problematik, dass erst wenig und dann alles auf einmal passiert, lässt sich auch auf die Hauptfigur übertragen. Felix ist zunächst sehr schwer als Figur zu greifen, was womöglich daran liegt, dass er selbst noch vieles über sich herausfinden muss und seine Identität laufend hinterfragt. Auch im späteren Verlauf der Handlung arbeitet Kacen Callender in Felix´ Charakterisierung mit vielen Wiedersprüchen, was es schwer macht, ihn wirklich zu verstehen und ein Gespür für diese komplexe Figur zu bekommen. Seine Entwicklung habe ich aber trotzdem mit ganz viel Liebe im Herzen verfolgt. Denn wie der laute, selbstbewusste Junge in seinem Inneren leise nach Antworten sucht und dabei auf eine Wahrheit stößt, die für alle anderen sichtbar, ihm jedoch völlig unklar war, ist einfach wunderschön mitanzusehen. Ein wichtiges Mittel in seinem Entwicklungsprozess hin zur Selbstfindung und auch Selbstermächtigung ist seine Kunst. Passend dazu ziert auch eines von Felix´ Selbstportraits das Cover, welches definitiv zu meinen Coverfavoriten des Lesejahres 2021 zählt.
"Ich bin Felix. Niemandem außer mir steht es zu, zu entscheiden, wer ich bin."
Mit den Nebenfiguren, insbesondere der Freundesclique an der Kunstakademie, hatte ich aber leider so meine Probleme. Zunächst war ich etwas überfordert mit all den unterschiedlichen Figuren, deren Bild in meinem Kopf sich auch von Situation zu Situation verändert hat. Dadurch dass hier jedoch alle mögliches "races", "gender" und Sexualitäten vertreten sind, machen sie langfristig die Geschichte noch bunter und vielseitiger.
"Wir alle machen mal Fehler. Wir alle können daraus lernen und es in Zukunft besser machen. Aber wir alle haben auch das Recht, selbst zu entscheiden, ob wir jemandem vergeben."
Schreibstil: Ein weiterer Punkt, weshalb ich der Geschichte trotz des berührenden Umgangs mit wichtigen Themen und einer tollen Charakterentwicklung keine volle Punktzahl geben kann, ist der Schreibstil. Jener hat mich zu Beginn leider gar nicht überzeugen können, da er mir sehr flapsig und ohne große emotionale Tiefe erschien. Im Nachhinein würde ich ihn eher als jung, frech und direkt bezeichnen, da sich mit der zunehmenden Öffnung und Klarheit von Felix auch Szenen häuften, die mich sehr ergriffen haben. Auffällig ist auch die sehr sensible deutsche Übersetzung, die auch in den Feinheiten der Sprache die Botschaft von Vielfalt und Toleranz des Buches umsetzt. "Felix Ever After" war der erste Roman, den ich gelesen habe, in dem konsequent gegendert und die richtigen Pronomen auch im Deutschen verwendet wurden. Auch wenn Formulierungen wie "they" und "Schüler:innen" zunächst ungewohnt klangen, ist es mir nach wenigen Seiten gar nicht mehr aufgefallen, was beweist, dass es auch möglich ist, in Romanen auf geschlechtersensible Sprache zu achten, ohne den Lesefluss zu stören.
Die restlichen Zitate:
"Ich heiße Felix Love, aber verliebt war ich noch nie. Ich weiß nicht, manchmal macht mir diese Ironie echt zu schaffen"
"Selbst nach meinem Outing, sogar nach dem Beginn meiner Transition habe ich manchmal dieses Gefühl. Dieses Gefühl, dass irgendwas immer noch nicht stimmt. Fragen treiben an die Oberfläche. Diese Fragen ziehen an meinen Ängsten wie an einem Faden, und ich fürchte mich davor, dass sich, wenn ich zu fest daran ziehe, alles auflöst und ich auseinanderfalle. Vielleicht hasse ich es deshalb mehr als alles andere, wenn mich mein Vater mit meinem Deadname anspricht. Denn dann frage ich mich, ob ich wirklich Felix bin, ganz gleich, wie laut ich diesen Namen schreie."
"Möchtest du darauf wirklich deine Energie verwenden?", fragt er.
"Was soll ich mit meiner Energie denn sonst anstellen?"
"Sie für dich selbst einsetzen", schlägt er vor. "Liebe, akzeptiere und feiere dich selbst, und liebe, feire und unterstütze die jungen Frauen der nächsten Generation, die so sind wie du. Die Welt verändern, ja - wir brauchen Menschen, die für unsere Rechte kämpfen, die vor Gericht um Gerechtigkeit streiten, damit es für die nächste Generation leichter wird. Aber unsere eigene Welt zu erschaffen, nicht nur für uns selbst in einer abgeschlossenen Blase, sondern so, dass sie sich bis zu denen erstreckt, die es am meisten brauchen - eine Welt voll mit unseren Erzählungen, unserer Geschichte, unserer Liebe und unserem Stolz -, das ist eben so schön. Ebenso wichtig. Denn ohne so etwas vergessen wir uns selbst."
"So wie ich wird er die Welt nie erleben können. Wie soll ich auf so jemanden wütend sein?"
"Sobald ich einmal ins Schreien eingestimmt habe, kann ich nicht mehr aufhören. Ich schreie so laut, dass meine Kehle wund wird und mein Herz hämmert. Ich schreie vor Freude. Ich schreie vor Schmerz. Ich schreie vor lauter Staunen darüber, hier zu sein, darüber, dass wir alle hier sind, und dass wir aufgrund all der Menschen hier sind, die vor uns da waren und jetzt nicht dabei sein können, und ich schreie auch um meinetwillen."
Das Urteil:
Eine authentische Geschichte über Liebe, Freundschaft, Familie, Identität, Sexualität und Erwachsenwerden, in die ich mich aber erst auf den zweiten Blick verlieben konnte. Denn zu Beginn hatte ich leider Probleme mit dem sehr direkten Schreibstil, der schwer greifbaren Hauptfigur und der langsam startenden Handlung
Hinweis: AutorIn Kacen Callender identifiziert sich selbst als trans und queer und bevorzugt die non-binären Pronomen they/them, zu denen es im Deutschen leider keine guten Äquivalenten gibt, weshalb ich ...
Hinweis: AutorIn Kacen Callender identifiziert sich selbst als trans und queer und bevorzugt die non-binären Pronomen they/them, zu denen es im Deutschen leider keine guten Äquivalenten gibt, weshalb ich sie in der Rezension trotzdem verwende.
"Du bist glücklich. Und tapfer. Es ist so mutig von dir, einfach du selbst zu sein, obwohl du weißt, dass die Welt nicht bereit ist, dich so zu akzeptieren, wie du bist. Du weigerst dich trotzdem, jemand anderes zu sein, ganz gleich was passiert. Davor habe ich Respekt. Das bewundere ich."
Themen: Kacen Callenders Roman ist stark von eigenen persönlichen Erfahrungen geprägt - das merkt man jeder einzelnen Zeile an, die sehr authentisch von ganz durchschnittlichen Krisen der Teenager-Jahre erzählt, nebenbei aber auch auf wichtige Belange der LGBT-Community aufmerksam macht. "Felix Ever After" ist also alles andere als ein typischer Coming-of-Age-Roman. Neben allgemeinen Themen wie Liebe, Freundschaft, Familie, Identität, Träume und Zukunftspläne werden wir hier auch mit Rassismus, Sexismus, Transfeindlichkeit, Homophobie, Hass und Diskriminierung konfrontiert, welche leider auch in der vermeintlich offenen LGBT-Community weit verbreitet sind. Wichtige gesellschaftlich-diskutierte Sichtweisen werden dabei genauso miteingeflochten wie grundlegende Informationen über die einzelnen Sexualitäten und Geschlechteridentitäten. Kacen Callender schreibt im Nachwort, they habe das Buch in der Hoffnung geschrieben, mindestens einer Person mit diesen persönlichen Einblicken die Augen zu öffnen und dabei zu helfen, die eigene Identität zu finden. Die Geschichte, die aus diesem Wunsch entstanden ist, hilft aber auch Nicht-Mitgliedern der Community dabei, sich mehr Wissen anzueignen und einen neuen Blickwinkel auf unterschiedliche Themen einzunehmen. Ich halte mich grundsätzlich für eine tolerante und weltoffene Person. Beim Lesen dieses Romans sind mir jedoch viele Versäumnisse meinerseits bewusst geworden, auf die ich in Zukunft besser achten will. Und wenn das kein Grund ist, die Geschichte zu lesen....
"Serien machen niemanden queer", sagt Austin. "Sie sorgen nur dafür, dass Leute begreifen, dass es überhaupt... ich weiß nicht, auch eine Möglichkeit ist. Es ist, als ob wir von klein auf einer Gehirnwäsche unterzogen werden, damit wir alle denken, wir müssten hetero sein."
"Die Heteros glauben, wir hätten vor, Leute umzudrehen", sagt Marisol, "aber dann versuchen sie schon Kleinkinder irgendwie zu verkuppeln und sagen, wie süß sie doch zusammen sind und dass sie dazu bestimmt sind, eines Tages zu heiraten."
Handlung: Neben den wichtigen Themen kommt die eigentliche Handlung in meinen Augen aber leider ein wenig zu kurz. Gerade zu Beginn passiert erstmal sehr wenig auf der reinen Handlungsebene, was es mir stark erschwert hat, in der Geschichte anzukommen. Erst ab der Hälfte wird klar, worüber Kacen Callender überhaupt schreiben möchte: eine zarte Liebesgeschichte, die einige herbe Rückschläge, Umwege und Erkenntnisse benötigt, um sich entfalten zu können. Als der Stein dann nach gut 200 Seiten endlich ins Rollen kommt, passiert dann gefühlt alles gleichzeitig und leider haben viele Entwicklungen nicht den Raum bekommen, den sie verdient hätten.
"Du bedeutest nichts. Du existierst nicht. Mit einem Anflug von Scham wird mir bewusst, dass ich angefangen habe, diese Behauptungen zu verinnerlichen. Es ist nicht leicht, Stolz auf mich selbst zu empfinden, wenn es sich anfühlt, als hätte die Welt etwas dagegen."
Figuren: Die Problematik, dass erst wenig und dann alles auf einmal passiert, lässt sich auch auf die Hauptfigur übertragen. Felix ist zunächst sehr schwer als Figur zu greifen, was womöglich daran liegt, dass er selbst noch vieles über sich herausfinden muss und seine Identität laufend hinterfragt. Auch im späteren Verlauf der Handlung arbeitet Kacen Callender in Felix´ Charakterisierung mit vielen Wiedersprüchen, was es schwer macht, ihn wirklich zu verstehen und ein Gespür für diese komplexe Figur zu bekommen. Seine Entwicklung habe ich aber trotzdem mit ganz viel Liebe im Herzen verfolgt. Denn wie der laute, selbstbewusste Junge in seinem Inneren leise nach Antworten sucht und dabei auf eine Wahrheit stößt, die für alle anderen sichtbar, ihm jedoch völlig unklar war, ist einfach wunderschön mitanzusehen. Ein wichtiges Mittel in seinem Entwicklungsprozess hin zur Selbstfindung und auch Selbstermächtigung ist seine Kunst. Passend dazu ziert auch eines von Felix´ Selbstportraits das Cover, welches definitiv zu meinen Coverfavoriten des Lesejahres 2021 zählt.
"Ich bin Felix. Niemandem außer mir steht es zu, zu entscheiden, wer ich bin."
Mit den Nebenfiguren, insbesondere der Freundesclique an der Kunstakademie, hatte ich aber leider so meine Probleme. Zunächst war ich etwas überfordert mit all den unterschiedlichen Figuren, deren Bild in meinem Kopf sich auch von Situation zu Situation verändert hat. Dadurch dass hier jedoch alle mögliches "races", "gender" und Sexualitäten vertreten sind, machen sie langfristig die Geschichte noch bunter und vielseitiger.
"Wir alle machen mal Fehler. Wir alle können daraus lernen und es in Zukunft besser machen. Aber wir alle haben auch das Recht, selbst zu entscheiden, ob wir jemandem vergeben."
Schreibstil: Ein weiterer Punkt, weshalb ich der Geschichte trotz des berührenden Umgangs mit wichtigen Themen und einer tollen Charakterentwicklung keine volle Punktzahl geben kann, ist der Schreibstil. Jener hat mich zu Beginn leider gar nicht überzeugen können, da er mir sehr flapsig und ohne große emotionale Tiefe erschien. Im Nachhinein würde ich ihn eher als jung, frech und direkt bezeichnen, da sich mit der zunehmenden Öffnung und Klarheit von Felix auch Szenen häuften, die mich sehr ergriffen haben. Auffällig ist auch die sehr sensible deutsche Übersetzung, die auch in den Feinheiten der Sprache die Botschaft von Vielfalt und Toleranz des Buches umsetzt. "Felix Ever After" war der erste Roman, den ich gelesen habe, in dem konsequent gegendert und die richtigen Pronomen auch im Deutschen verwendet wurden. Auch wenn Formulierungen wie "they" und "Schüler:innen" zunächst ungewohnt klangen, ist es mir nach wenigen Seiten gar nicht mehr aufgefallen, was beweist, dass es auch möglich ist, in Romanen auf geschlechtersensible Sprache zu achten, ohne den Lesefluss zu stören.
Die restlichen Zitate:
"Ich heiße Felix Love, aber verliebt war ich noch nie. Ich weiß nicht, manchmal macht mir diese Ironie echt zu schaffen"
"Selbst nach meinem Outing, sogar nach dem Beginn meiner Transition habe ich manchmal dieses Gefühl. Dieses Gefühl, dass irgendwas immer noch nicht stimmt. Fragen treiben an die Oberfläche. Diese Fragen ziehen an meinen Ängsten wie an einem Faden, und ich fürchte mich davor, dass sich, wenn ich zu fest daran ziehe, alles auflöst und ich auseinanderfalle. Vielleicht hasse ich es deshalb mehr als alles andere, wenn mich mein Vater mit meinem Deadname anspricht. Denn dann frage ich mich, ob ich wirklich Felix bin, ganz gleich, wie laut ich diesen Namen schreie."
"Möchtest du darauf wirklich deine Energie verwenden?", fragt er.
"Was soll ich mit meiner Energie denn sonst anstellen?"
"Sie für dich selbst einsetzen", schlägt er vor. "Liebe, akzeptiere und feiere dich selbst, und liebe, feire und unterstütze die jungen Frauen der nächsten Generation, die so sind wie du. Die Welt verändern, ja - wir brauchen Menschen, die für unsere Rechte kämpfen, die vor Gericht um Gerechtigkeit streiten, damit es für die nächste Generation leichter wird. Aber unsere eigene Welt zu erschaffen, nicht nur für uns selbst in einer abgeschlossenen Blase, sondern so, dass sie sich bis zu denen erstreckt, die es am meisten brauchen - eine Welt voll mit unseren Erzählungen, unserer Geschichte, unserer Liebe und unserem Stolz -, das ist eben so schön. Ebenso wichtig. Denn ohne so etwas vergessen wir uns selbst."
"So wie ich wird er die Welt nie erleben können. Wie soll ich auf so jemanden wütend sein?"
"Sobald ich einmal ins Schreien eingestimmt habe, kann ich nicht mehr aufhören. Ich schreie so laut, dass meine Kehle wund wird und mein Herz hämmert. Ich schreie vor Freude. Ich schreie vor Schmerz. Ich schreie vor lauter Staunen darüber, hier zu sein, darüber, dass wir alle hier sind, und dass wir aufgrund all der Menschen hier sind, die vor uns da waren und jetzt nicht dabei sein können, und ich schreie auch um meinetwillen."
Das Urteil:
Eine authentische Geschichte über Liebe, Freundschaft, Familie, Identität, Sexualität und Erwachsenwerden, in die ich mich aber erst auf den zweiten Blick verlieben konnte. Denn zu Beginn hatte ich leider Probleme mit dem sehr direkten Schreibstil, der schwer greifbaren Hauptfigur und der langsam startenden Handlung