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Veröffentlicht am 13.12.2021

Ein Haus und seine Bewohner*innen

Gott wohnt im Wedding
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Regina Scheer lässt in ihrem Roman "Gott wohnt in Weddding" ein Haus im Berliner Stadtviertel Wedding über dessen mehr als hunderjährige Geschichte erzählen und nimmt die Leser mit auf eine Zeitreise, ...

Regina Scheer lässt in ihrem Roman "Gott wohnt in Weddding" ein Haus im Berliner Stadtviertel Wedding über dessen mehr als hunderjährige Geschichte erzählen und nimmt die Leser mit auf eine Zeitreise, von der Erbauung 1890 bis in die Jetztzeit.

In dem Haus ist ein Kommen und ein Gehen, und wir erfahren die Lebensgeschichten der Bewohner aber auch der ehemaligen Mieter des inzwischen recht heruntergekommenen Hauses in der Utrechter Straße.

Nur Gertrud wurde 1918 in dem Haus geboren und lebte hier ihr ganzen Leben lang und ist somit die beständigste Mieterin des alten Gemäuers.

Ein Hauptprotagonist ist Leo Lehmann, ein Jude, der in dem Stadtviertel aufgewachsen ist, dann aber in der NS Zeit im Untergrund gelebt hat und später nach Israel auswanderte. Er ist mit seiner Enkelin nach Berlin zurückgekehrt, um das Erbe seiner verstorbenen Frau anzutreten und auf schmerzhafte Spurensuche zu gehen.

Laila, eine weitere Protagonistin bringt eine ganz andere Lebensgeschichte mit in das Haus im Wedding. Sie ist eine Sintiza, und mit ihr erfahren wir mehr über das Schicksal der Sinti und Roma in Deutschland zur Zeit des Nazionalsozialismus bis heute.

Die Autorin versucht gewisse Parallelen zwischen den Juden und den Sinti und Roma zu ziehen. Es geht um die Verfolgung von Minderheiten um Flüchtlingsschicksale, und sie beschreibt in der heutigen Zeit z.B ausführlich die Schwierigkeiten bei Behördengängen oder bei der Jobsuche. Laila fungiert als Vermittlerin bei ihren Landsleuten und leistet auch Gertrud soviel Hilfestellung im Alltag, dass diese noch alleine zurechtkommt.

Ich habe einen riesigen Respekt vor der Recherchearbeit, die Regina Scheer hier geleistet haben muss. Leider habe ich das Buch mit seinen unzähligen Themen als etwas überfrachtet empfunden. Es war wirklich sehr interessant aber auch sehr anstrengend für mich, was sicher an der Vielzahl der Themen und Personen lag. Ich glaube es hätte mir besser gefallen, wenn die Autorin ihren Fokus entweder auf die Juden oder auf die Sinti und Roma gelegt hätte und nicht beides gleichzeitig.

Trotzdem mochte ich das Buch, und der Schreibstil von Regina Scheer hat mich mitgerissen und berührt.


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Veröffentlicht am 28.11.2021

Wenn die Fassade erst einmal bröckelt…

Eine perfekte Ehe
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Lizzie Kitsakis arbeitet für eine renommierte Anwaltskanzlei und ist mehr als überrascht, als sie ein R-Gespräch aus der Justizvollzugsanstalt entgegennimmt, in dem sie ein alter Studienfreund um ihre ...

Lizzie Kitsakis arbeitet für eine renommierte Anwaltskanzlei und ist mehr als überrascht, als sie ein R-Gespräch aus der Justizvollzugsanstalt entgegennimmt, in dem sie ein alter Studienfreund um ihre Hilfe bittet. Lizzie will das Mandat eigentlich ausschlagen, da Strafrecht nicht ihr Gebiet ist, aber letztendlich erklärt sie sich doch bereit Zack Grayson zu vertreten, dessen Ehefrau gewaltsam zu Tode gekommen ist

Der Thriller wird abwechselnd aus der Perspektive von Lizzie und der getöteten Amanda Grayson erzählt. Außerdem gibt es Gerichtsprotokolle, die ebenfalls in die Geschichte eingestreut werden.

Die scheinbar heile und glamouröse Welt der reichen Vorstadt- New Yorker beginnt schnell Risse zu bekommen, aber auch bei Lizzie findet der Leser nach und nach heraus, dass sie Geheimnisse hat, die sie erpressbar machen.

Amandas Perspektive beginnt wenige Tage vor ihrem Tod, der dem Anschein nach in Zusammenhang mit einer pikanten Swinger-Party bei ihrer Freundin Maude stand, die auch das Ehepaar Grayson besuchte.

Je tiefer man in das Buch einsteigt, desto mehr blickt man bei jeder Figur ein bisschen mehr hinter die Fassade, traut dem ein oder anderen plötzlich einen Mord zu, den man vorher gar nict verdächtigt hätte. Einige interessante Wendungen erhöhen die Spannung, auch wenn ich hier eher von einem Spannungsroman als von einem Thriller sprechen würde. Reizvoll fand ich auch die Psychospielchen, die Lizzie immer wieder in Bedrängnis bringen.

Neben dem Mordfall sorgt dann noch ein Datenleck für Furore und lässt die betroffenen Elterm der Grace Hall Schule, zu denen quasi alle Partygänger gehören, erschaudern.

Zugegeben, das Buch braucht ein wenig um Fahrt aufzunehmen und zwischendurch hat es einige Längen. Im letzten Drittel wird es aber richtig spannend und die Autorin sorgt für die ein oder andere Überraschung.

Nicht nur das Cover hat mich direkt angesprochen, auch die Geschichte hat mich gut unterhalten.

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Veröffentlicht am 29.10.2021

Identitätstrauma

The Girls I've Been
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„The girls I‘ve been“ von Tess Sharpe ist eine rasante Teenagergeschichte in deren Mittelpunkt ein Mädchen namens Nora steht, die eine sehr besondere und problematische Kindheit hinter sich hat, und jetzt ...

„The girls I‘ve been“ von Tess Sharpe ist eine rasante Teenagergeschichte in deren Mittelpunkt ein Mädchen namens Nora steht, die eine sehr besondere und problematische Kindheit hinter sich hat, und jetzt wo sie gerade anfängt ein einigermaßen normales Leben zu führen in einen Banküberfall verwickelt wird.

Als Tochter einer Trickbetrügerin wurde sie von klein auf dazu erzogen Komplizin für ihre Mutter zu sein. Für jede Zielperson , die sich ihre Mutter ausgesucht hatte, musste sie eine andere Fake-Identität annehmen, um ihre Mutter zu unterstützen, die auch billigend in Kauf genommen hat, wenn die Mönner sie schlugen oder mißbrauchten. Mit 12 Jahren gelang ihr die Flucht, und sie lebte fortan bei ihrer älteren Schwester Lee, die ebenfalls früh von zu Hause abgehauen war und ihr viel mehr Schutzraum bot als die eigene Mutter.

Zusammen mit ihrem besten Freund Wes und ihrer noch frischen Liebe Iris, war Nora dann ausgerechnet zur falschen Zeit am falschen Ort. Die Bankröuber ließen keinen Zweifel daran, dass sie Gewalt anwenden würden und Nora mußte sich auf ihre Notfallstrategien aus der Kindheit zurückbesinnen, damit sie und die anderen Geisel eine Chance bekämen, die Bank lebend zu verlassen.



Die ganze Geschichte ist äußerst spannend und aufregend, und ich hatte wirklich großen Spaß beim Lesen. Allerdings gibt es auch heftige Themen , die eine Triggerwarnung verdient hätten, insbesondere, da es sich um ein Jugendbuch handelt.

Auch der Aufbau des Jugendthrillers war ungewöhnlich.

Mit Beginn der Geiselnahme werden den Kapiteln auch immer stichpunktartig Pläne vorangestellt sowie erbeutete Gegenstände. In den nachfolgenden Kapiteln werden diese Pläne modifiziert, verwendete Gegenstände wieder aus der Liste gestrichen. Dann gibt es noch polizeiliche Funkprotokolle und Rückblicke in Nora‘s Kindheit und die unterschiedlichen Identitäten, die sie gezwungen war anzunehmen. Diese Seiten sind grau eingefärbt.

Bei der Figurenzeichnung gefielen mir besonders Nora und ihre Fake-Identitäten und ihr Naturtalent Menschen zu manipulieren, aber auch Iris, die Freundin mit dem Faible für Vintagekleider, die tougher war als man zunächst annehmen konnte. Auch Wes war ein sympathischer Charakter , der ebenfalls ein schwieriges Elternhaus hatte, was ihn umso mehr mit Nora zusammenschweißte.

Die beiden Bankräuber blieben insgesamt etwas blass. Ihr Hintergrund und ihre Motivation für den Raub wurden nicht weiter beleuchtet, was etwas schade war.

Insgesamt war dieser Jugendthriller auf jeden Fall mal etwas anderes und ganz bestimmt eine nervenaufreibende Lektüre mit einer außergewöhnlichen Protagonistin, den ich gerne weiterempfehle.

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Veröffentlicht am 25.10.2021

Mensch und Natur

Das Glück des Wolfes
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„ An den dunklen Berghängen flackerten die Feuer und wetteiferten darum, welches das höchste und leuchtendste war. Die Feuer besagten, dass es dort oben in den Bergen immer noch jemanden gab, dass dieses ...

„ An den dunklen Berghängen flackerten die Feuer und wetteiferten darum, welches das höchste und leuchtendste war. Die Feuer besagten, dass es dort oben in den Bergen immer noch jemanden gab, dass dieses Leben existierte, sollten es die Leute im Tal denn vergessen haben.“



Auf nur knapp über 200 Seiten erzählt Paolo Cognetti vom Leben im Bergdorf Fontana Fredda, wo wir seinen Protagonisten Fausto begleiten, der aus Mailand stammt und immer wieder in die Ruhe der Berge flüchtet.

Wie anders ist hier das Leben im Vergleich zur quirligen Metropole. Die raue Umgebung prägt auch die Menschen, und man spürt sich hier vielmehr als Teil der Natur, ein Gefühl, dass in der Großstadt verlorengeht. Die Liebe zu den Bergen schwingt in Cognetti‘s Erzählung stetig mit, ohne dass er das harte Leben romantisch verklärt. Er berichtet durchaus von den negativen Seiten dieses Lebens, der Arbeitslosigkeit außerhalb der Saison, der Einsamkeit, der harten Arbeit innerhalb der Saison, den Unfällen, die immer wieder vorkommen. Die Naturbeschreibungen des Autor‘s sind seine große Stärke. Beim Lesen hatte ich wirklich das Gefühl vor Ort zu sein, so atmosphärisch und authentisch waren seine Zeilen.

Da der Fokus weniger auf den Menschen liegt, wird die Liebesgeschichte, die sich zwischen Fausto und der wesentlich jüngeren Silvia , die zur Skisaison zusammen mit dem Protagonisten in einem Restaurant arbeitet, auch nicht sehr ausführlich erzählt. Auch sich entwickelnde Freundschaften werden nur minimalistisch angerissen, und ein Teil bleibt immer der Fantasie des Lesers überlassen. Das offene Ende ist hier nur folgerichtig.

Ich mochte dieses ruhige und intensive Buch und werde mir sicher noch andere Werke des Autors näher anschauen.

Der Klappentext ist allerdings etwas irreführend, da die Liebesgeschichte den Roman nicht dominiert, wie man denken könnte. Das Hauptaugenmerk des Autors liegt immer auf der Natur.

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Veröffentlicht am 17.09.2021

Tote Bräute

Tiefrot tanzen die Schatten
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Im 4. Band der auf den Scilly Inseln angesiedelten Krimireihe rund um das Ermittlungsteam von Ben Kitto, geht es um Morde an unabhängigen, jungen Frauen. Zunächst wird die Leiche einer jungen Frau in einem ...

Im 4. Band der auf den Scilly Inseln angesiedelten Krimireihe rund um das Ermittlungsteam von Ben Kitto, geht es um Morde an unabhängigen, jungen Frauen. Zunächst wird die Leiche einer jungen Frau in einem Brautkleid mit Blumenschmuck im Haar aufgehängt am Pulpit Rock, einem beliebten Fotostop auf St.Mary‘s, der Hauptinsel der Scilly Inseln, aufgefunden.

Auf einer kleinen Insel kennt man sich zwar untereinander gut, aber die Tote, Sabine , war zudem auch in Ben‘s Schwimmgruppe. Auch wenn es zunächst nach Selbstmord aussieht, wird schnell klar, dass ein Mörder sein Unwesen in der Urlaubsidylle treibt. Die Insel wird abgeschottet und die Ermittlungen beginnen. Trotzdem lässt sich ein weiterer Mord nicht verhindern. Jeder ist verdächtig und Ben Kitto macht sich mit seinen Befragungen auch im Freundeskreis mehr als unbeliebt. Der atmosphärische Schreibstil der Autorin hat mir gut gefallen. Die Spannung steigt kontinuierlich zum Ende hin an. Es dauert allerdings bis die Geschichte Fahrt aufnimmt. Ben Kitto und sein Team sind sympathisch und kompetent. Auch Ben‘s Hund Shadow schließt man als Leser schnell ins Herz.

Die Geschichte ist hauptsächlich in der Ich-Perspektive von Ermittler Ben Kitto geschrieben, wechselt aber öfter mal auf die Sicht von Lilly, die aus Sorge um ihren Bruder Harry und aus Freundschaft zum ersten Opfer besonders in den Fall verstrickt ist, ihr Wissen aber aus Loyalitätsgründen immer wieder zurückhält. Ihre Passagen sind durch Kursivschrift direkt erkennbar.


Der Krimi lässt sich auch unabhängig von den Vorbänden gut lesen. Ich fühlte mich auf jeden Fall gut unterhalten und ließ mich nur zu gerne in Urlaubsstimmung versetzen.

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