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Veröffentlicht am 29.11.2021

Auch Autoren brauchen hin und wieder Abwechslung

Das Talent
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Wie so viele Amerikaner hat John Grisham eine besondere Beziehung zum Sport. Football, Baseball und Basketball sind die drei Sportarten, denen in den Vereinigten Staaten das Interesse der Öffentlichkeit ...

Wie so viele Amerikaner hat John Grisham eine besondere Beziehung zum Sport. Football, Baseball und Basketball sind die drei Sportarten, denen in den Vereinigten Staaten das Interesse der Öffentlichkeit gilt, und er versucht sich als Heranwachsender in allen dreien, allerdings mit mäßigem Erfolg. Bis zum College spielt er aktiv Baseball, trainiert später seinen Sohn und lässt auf seinem Grundstück sechs Spielfelder errichten, die 26 Teams der Little League als Trainingsgelände dienen.

Für eine Profi-Karriere hat es Grisham glücklicherweise nicht gereicht, denn sonst würde er uns sicher nicht mit seinen regelmäßig erscheinenden Justizthrillern unterhalten. Aber auch ein Autor braucht in der Themenwahl manchmal Abwechslung, und so unternimmt er ab und an einen Ausflug in die Welt des Sports. Bisher gibt es aus seiner Feder den Baseball-Roman „Home Run“ sowie die beiden Football-Romane „Touchdown“ und „Der Coach“, alle drei sehr realitätsnah und empfehlenswert für Leser*innen, die sich für diese Sportarten interessieren.

Nun also „Das Talent“, ein Roman aus dem Basketball-Milieu, der den Werdegang des fiktiven südsudanesischen Basketball-Spielers Samuel „Sooley“ Sooleyman beschreibt, der seinen Traum von der Profi-Laufbahn in die Realität umzusetzen möchte. Und dafür gibt er alles, verlässt seine Familie und seine Heimat. Unterstützt wird er dabei von einem Talentscout, der ihn motiviert, unterstützt, an ihn glaubt, und ihn trotz mäßiger Leistung zu einem Show-Turnier mit in die USA nimmt, bei dem die Talentsucher der Colleges auf der Tribüne sitzen. Während seine Karriere Fahrt aufnimmt, erreichen ihn schlimme Nachrichten aus dem Sudan. Sein Heimatdorf wurde überfallen und niedergebrannt, seine Familie ist auf der Flucht Richtung Uganda. Jetzt kann nur noch ein Wunder helfen, und Sooley hat es in der Hand. Er muss einen ordentlichen Batzen Geld verdienen, damit er sie in die USA holen kann.

Um Freunde an diesem Roman zu haben, sollte man schon ein gewisses Maß an Kenntnis und Interesse für Basketball mitbringen, denn Grisham verwendet zum einen immer wieder Fachbegriffe, zum anderen kommentiert er die Spiele im knappen Stil eines Sportreporters. Ansonsten liefert er genau das, was wir auch von seinen Thrillern gewohnt sind: kurze Kapitel, gute Charakterisierungen, eine ordentliche Portion Drama und ein Ende, das zu Herzen geht. Dazu jede Menge Hintergrundinformationen zur politischen Lage im Sudan.

Ein Roman, der von der Liebe des Autors zu diesem Sport zeugt und das ideale Geschenk für alle ist, die eine Affinität für Basketball haben.

Veröffentlicht am 25.11.2021

Über die Liebe zur Literatur

Hier geht’s lang!
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Wie bereits in „Männer in Kamelhaarmänteln“ begibt sich Elke Heidenreich in „Hier geht’s lang“ auf eine Reise in ihre persönliche Vergangenheit. Dabei richtet sie den Fokus auf ihre Leseerfahrungen, im ...

Wie bereits in „Männer in Kamelhaarmänteln“ begibt sich Elke Heidenreich in „Hier geht’s lang“ auf eine Reise in ihre persönliche Vergangenheit. Dabei richtet sie den Fokus auf ihre Leseerfahrungen, im Speziellen auf die Bücher von Autorinnen, die sie durch ihr Leben begleitet und Spuren hinterlassen haben, wobei diese Einordnung natürlich aus Sicht der erwachsenen Leserin erfolgt.

In jungen Jahren helfen ihr die typischen Mädchenbücher, das triste Leben ihrer Nachkriegskindheit zu ertragen, die Jugendliche liest die Schmonzetten von Anne Golon, es folgen Sagan und Colette. Aber es gibt auch Lehrerinnen, die sie zur Literatur hinführen. Natürlich sind das meist Autoren, eine Erfahrung, die sie auch während ihres Germanistik-Studiums macht. Deren männliche Sicht auf das Leben, die Gefühle und die Welt bieten allerdings wenig Raum für Frauen, die auf der Suche nach ihrem eigenen Weg sind, haben nichts mit deren Realität zu tun. Aber glücklicherweise gibt es genügend Autorinnen, die diese Leerstellen füllen können. Autorinnen und ihre Bücher, die Denkprozesse anstoßen, zur Reflexion anregen, sie ermuntern, Dinge nicht als gegeben hinzunehmen sondern zu hinterfragen. Die Lust am Lesen hat Heidenreich ihr gesamtes Leben begleitet, wobei ihr auch immer daran gelegen war/ist, diese bei ihren Mitmenschen zu entfachen, eine Vorstellung von den Welten zu vermitteln, die sich zwischen zwei Buchdeckeln verbergen können.

Heidenreich schreibt über ihre Liebe zur Literatur, über Bücher, die den Horizont erweitern, Denkanstöße geben, alternative Lebensentwürfe aufzeigen und die Selbstfindung unterstützen. Ob diese nun von Autorinnen oder Autoren stammen, ist meiner Meinung nach nicht von Bedeutung, denn schlussendlich kommt es immer darauf an, was man selbst aus der Lektüre mitnimmt.

Veröffentlicht am 24.11.2021

Unterhaltsamer Krimi mit Mehrwert

Goldenes Gift
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Wenn man einem Autor bescheinigt, dass seine Kriminalromane informativ sind, ist das wahrscheinlich nicht das Erste, was er hören möchte. Im Fall von Tom Hillenbrand gehe ich aber davon aus, dass diese ...

Wenn man einem Autor bescheinigt, dass seine Kriminalromane informativ sind, ist das wahrscheinlich nicht das Erste, was er hören möchte. Im Fall von Tom Hillenbrand gehe ich aber davon aus, dass diese Einschätzung nicht unbedingt zutrifft, beschäftigt sich der gelernte Journalist doch in seiner Xavier Kieffer-Reihe ausnahmslos in jedem Band mit den dunklen Seiten der Lebensmittelerzeugung. Den stärksten Eindruck hat bisher „Tödliche Oliven“ bei mir hinterlassen, mit der Konsequenz, dass wir seither unser Olivenöl ausschließlich direkt von einem spanischen Bauern beziehen.

In „Goldenes Gift“ rückt Honig in den Mittelpunkt, ein Lebensmittel, das ich bereits seit einigen Jahren mit Argwohn betrachte. Man schaue sich nur einmal die Herkunftsbezeichnungen der üblichen Supermarktprodukte an. Üblicherweise bestehen diese Honige aus Mischungen. Südamerika, China, EU- und Nicht-EU, eine dubiose Melange, die weder die Qualität noch die Herkunft im Detail für den Endverbraucher nachvollziehbar macht. Anders bei unserem westlichen Nachbarn Frankreich. Dort findet man kaum diese dubiosen Produkte, die unsere Regale beherrschten, dafür aber eine große Auswahl von Miel de Apiculture (Imkerei-Honig), auf den Etiketten versehen mit Namen der französischen Imkerei, konkreter Herkunft sowie Sortenbezeichnung.

Die Krimistory war für mich eher nebensächlich, ist zwar unterhaltsam, aber nur mäßig spannend: Dass Bienenstöcke nicht nur auf dem Land sondern mittlerweile auch in den Städten verteilt sind, ist bekannt. So lässt auch Xavier Kieffer, der luxemburgische Sternekoch, seinen eigenen Honig produzieren. Als der Imker, der die Beuten betreut, tot aufgefunden wird, gehen bei ihm die Alarmlichter an. Zumal auch seine Freundin Valérie, momentan unterwegs in Kalifornien, ihm von seltsamen Vorkommnissen auf einer Mandelplantage berichtet. Als dann auch noch im gesamten Stadtgebiet nach und nach Bienenstöcke verschwinden, erwacht Kieffers kriminalistisches Interesse. Und nachdem seine Freundin zurück ist, gehen die beiden der Sache auf den Grund. Nicht ahnend, dass sie damit in das sprichwörtliche Wespennest stechen.

Die Defizite des Plots werden allerdings durch die akribisch eingearbeiteten Informationen rund um das „Goldene Gift“ wettgemacht. Nachdem man das Buch zuklappt, ist man bestens informiert über die kriminellen Machenschaften der Honigindustrie: Colony Collapse Disorder, heißt das Verschwinden ganzer Bienenvölker nach dem Einsatz von Pestiziden. CRISPR; der Einsatz von Gentechnik, um Resistenzen zu erzeugen. IER, Ion Exchange Resin, ein Verfahren, das den Nachweis von Fremdzucker im Honig schier unmöglich macht. Hintergrundinformationen zur Zucht von Killerbienen. Und nicht zuletzt das Transshipping zur Verschleierung der Herkunft.

Was lernen wir daraus? Am besten kauft man seinen Honig direkt bei einem vertrauenswürdigen Imker.

Veröffentlicht am 18.11.2021

Maggie goes Port Piran

Ein Cottage in Cornwall
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Das „Chaos in Cornwall“ hat sich mittlerweile gelichtet, Margarete “Maggie“ und Roland sind Geschichte. Die gestandene Ex-Pressefrau bei DEM schwäbischen Autobauer hat Reset gedrückt, ihre Zelte in der ...

Das „Chaos in Cornwall“ hat sich mittlerweile gelichtet, Margarete “Maggie“ und Roland sind Geschichte. Die gestandene Ex-Pressefrau bei DEM schwäbischen Autobauer hat Reset gedrückt, ihre Zelte in der Landeshauptstadt abgebrochen und ist mit Sack und Pack nach Port Piran gezogen, sehnlichst erwartet von ihrer neuen Liebe Chris und hat „Ein Cottage in Cornwall“ bezogen, wobei dieses allerdings ein weitläufiger Bio-Bauernhof ist.

Schon klar, dass es Cornwall sein muss, denn die malerische Halbinsel im Südwesten Englands, die seit den Verfilmungen der Rosamunde Pilcher-Romane die Sehnsuchtsregion vieler England-Urlauber*innen ist, eignet sich bei weitem um ein Vielfaches besser für einen Unterhaltungsroman als das Industrierevier rund um Manchester. Und der Bio-Bauer ist natürlich nicht nur für Margarete sondern auch für die Story wesentlich attraktiver als ein langweiliger Lehrer oder Fabrikarbeiter.

So weit, so genretypisch, aber glücklicherweise beherrscht die Autorin ihr Metier und tappt nicht in die Schnulzenfalle. Ihre Charaktere sind weder oberflächlich noch eindimensional, zweifeln, haben Ecken und Kanten und müssen sich ihrer Verunsicherung stellen. Natürlich gibt es Zugeständnisse - man will die Leserschaft ja nicht verprellen - sodass das erwartete Happy End nicht ausbleibt. Aber nicht für alle.

Kabatek spielt mit Verschiedenheit der Mentalität, wobei sie hier - natürlich – nicht umhin kommt, in die Klischeekiste zu greifen. Die Engländer sind höflich, zurückhaltend, misstrauisch, unverbindlich und trinken ständig Tee, die Schwäbin hingegen schätzt Planung, Pünktlichkeit, Ordnung und Sauberkeit. Man erwartet förmlich, dass sie die Kehrwoch‘ in Port Piran einführt. Das große Plus sind die Dialoge, die zumindest in Maggies Fall wie aus dem Leben gegriffen daherkommen, wobei ich mir beim besten Willen nicht vorstellen kann, wie sie die typisch schwäbischen Redewendungen ins Englische übersetzen konnte.

Ein unterhaltsamer Roman für zwischendurch, voller Situationskomik und mit Verständnis für kulturelle Unterschiede, der meine Erwartungen erfüllt hat.

Veröffentlicht am 14.11.2021

Eine dunkle Epoche der russischen Geschichte

Der kalte Glanz der Newa
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„Der kalte Glanz der Newa“ ist der Auftakt einer geplanten Trilogie (der zweite Band ist im Original für 2022 angekündigt). Hinter dem Pseudonym Ben Creed verbirgt sich das britische Autorenduo Chris Rickaby ...

„Der kalte Glanz der Newa“ ist der Auftakt einer geplanten Trilogie (der zweite Band ist im Original für 2022 angekündigt). Hinter dem Pseudonym Ben Creed verbirgt sich das britische Autorenduo Chris Rickaby und Barney Thompson, letzterer einstmals Student am Konservatorium St. Petersburg, mit Sicherheit für die stimmigen Beschreibungen hinsichtlich des musischen Aspekts verantwortlich. Aber dieser Thriller hat wesentlich mehr zu bieten. Neben einem fesselnden Plot zeichnet er sich vor allem durch dessen Verankerung in dem historischen Kontext aus, der ein Gefühl der nachprüfbaren Authentizität vermittelt. Dabei nie trocken und belehrend, dennoch aber informativ die besondere Atmosphäre dieser dunklen Epoche der russischen Geschichte transportierend.

Leningrad im Winter 1951. Noch sind die Wunden des Zweiten Weltkrieges nicht verheilt. Nicht nur die Temperaturen sind eisig, auch durch die Gesellschaft weht ein rauer Wind. Die stalinistischen Säuberungen haben Wunden geschlagen und Misstrauen gesät. Die Macht des Staates ist allgegenwärtig. Willkür greift um sich, jeder kann verhaftet werden, in einem Gulag enden. Ein falscher Schritt, ein unbedachtes Wort, das Leben ein Balanceakt auf dem Drahtseil.

Als auf einem Bahngleis fünf sorgfältig arrangierte Leichen gefunden werden, betraut man Revol Rossel mit dem Fall. Einst war er ein begabter Violinist, jetzt dient er nach einem brutalen Verhör mit der Geheimpolizei, in dessen Verlauf seine Finger verstümmelt wurden, bei der Miliz. Das aber nur dank seiner Verdienste während des Krieges und der Belagerung. Eine Entscheidung, die er auch wegen des spurlosen Verschwindens seiner Schwester getroffen hat, auf deren Rückkehr, ob lebendig oder tot, er noch immer hofft.

Die Leichen sind verstümmelt, alle Identifikationsmerkmale entfernt. Die Untersuchungen ergeben, dass sie brutal gefoltert wurden, bevor sie einen qualvollen Hungertod gestorben sind. Eine der Leichen trägt die Uniform der Geheimpolizei, weshalb Rossel fest damit rechnet, dass diese den Fall übernehmen wird. In der Zwischenzeit ermittelt er äußerst vorsichtig und muss zu seinem Entsetzen feststellen, dass er die Opfer kennt, stehen sie doch alle mit dem Musikkonservatorium, an dem auch er studiert hat, in Verbindung. Je tiefer er in den Fall einsteigt, desto gefährlicher wird es für ihn, denn die Spuren führen auch in den Kreml…