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Anna625

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 12.05.2022

Intensiv und ehrlich

Nachtschwärmerin
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Kiara und ihr älterer Bruder Markus wachsen in einer heruntergekommenen Gegend East Oaklands auf. Ohne Eltern müssen sie sich irgendwie durchschlagen - alles andere als einfach, zumal Kiara noch nicht ...

Kiara und ihr älterer Bruder Markus wachsen in einer heruntergekommenen Gegend East Oaklands auf. Ohne Eltern müssen sie sich irgendwie durchschlagen - alles andere als einfach, zumal Kiara noch nicht 18 ist und keinen richtigen Job bekommt, während Markus alle Hoffnungen auf den Durchbruch als Musiker setzt. Doch Essen und Miete zahlen sich nicht von alleine, weshalb Kiara erst langsam und dann immer schneller in die Prostitution hineinschlittert, eine Sache, aus der es bald kein Entkommen mehr gibt.

Dass dieser Roman keine locker-leichte Wohlfühllektüre ist, muss wohl nicht extra erwähnt werden. Die Geschichte beginnt verhältnismäßig harmlos mit den Schilderungen von Kiaras und Markus' Lebensumständen und nimmt dann schnell an Fahrt auf - und das wird phasenweise schon recht heftig, auch deshalb, weil Ki eine dieser Protagonistinnen ist, mit denen man mitfühlt und denen man irgendwie helfen möchte, aus diesem Leben zu entkommen. Denn selbst, wenn sie sich und ihre kleine Familie mit dem Verkauf ihres Körpers knapp über Wasser halten kann - ein Weg hinaus tut sich dadurch nicht auf. Als dann auch noch ihr Name in einem Skandalprozess fällt, muss Kiara sich entscheiden - ist Gerechtgkeit es wert, dafür alle, die ihr wichtig sind, zu gefährden?

Intensiv und düster packt Leila Mottley hier eine ganze Menge Gesellschaftskritik in ihren Roman, der aufgrund seiner Thematik wohl noch eine ganze Weile nachhallen wird.

Veröffentlicht am 27.04.2022

Positive Überraschung

Der vergessene Geschmack von Glück
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100 Jahre sind vergangen, seitdem sich die Köchin Anna-Greta Olsson auf einer kleinen schwedischen Insel von einer Klippe in den Tod gestürzt hat. Die Notwendigkeit, einige Monate der Arbeitslosigkeit ...

100 Jahre sind vergangen, seitdem sich die Köchin Anna-Greta Olsson auf einer kleinen schwedischen Insel von einer Klippe in den Tod gestürzt hat. Die Notwendigkeit, einige Monate der Arbeitslosigkeit zwischen Jobkündigung und Fortbildung zu überbrücken, führen den gelernten Koch Leif Söderberg auf ebendiese Insel. Dabei ist er von Anfang an skeptisch, denn das Jobangebot klingt eigentlich viel zu gut. Zwar ist der Lohn nicht der allerbeste, zum Leben reicht er aber allemal; dazu soll es Kost und Logis geben, die Hotelbesitzer scheinen nette Leute zu sein und Leif darf seine eigenen Ideen miteinbringen. Wo also ist der Haken?
Sehr schnell stellt sich heraus, dass man in der Küche partout nicht kochen kann. Und das liegt nicht etwa an den zugegebenermaßen antiquierten Gerätschaften oder an den Fähigkeiten des Küchenjungen. Nein, es ist tatsächlich so, dass man machen kann was man will - sobald das Essen die Küche verlässt, ist es versalzen, verkocht, eiskalt oder auf sonstige Weise ungenießbar. Und das schlägt sich natürlich auch in der Zufriedenheit der Gäste wider, sodass die Schließung des alten Hotels droht.

Der Roman hat mich positiv überrascht, er lässt sich sehr zügig lesen und ist unterhaltsam mit einer gewissen Leichtigkeit, ohne dabei zu oberflächlich zu sein. Die Figuren sind schön ausgearbeitet und von Anfang an sympathisch. Besonders die leichten Fantasy-Elemente haben mir gut gefallen, wobei man sich davon als Nicht-Fantasy-Leser aber auf keinen Fall abschrecken lassen sollte - obwohl eine gewisse Übernatürlichkeit das ganze Buch hindurch präsent ist, steht sie nicht wirklich im Mittelpunkt der Handlung. Viel zentraler ist da das Thema "Kochen" - da ist es sicherlich von Vorteil, wenn man dem nicht völlig abgeneigt ist, weil teilweise doch recht ausführliche Erläuterungen zu bestimmten Vorgängen in die Geschichte miteinfließen.

Ich habe den Roman gerne gelesen und empfehle ihn als spannend-entspannende Lektüre gern weiter.

Veröffentlicht am 02.04.2022

Lässt sich gut lesen

Der große Fehler
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Andrew Haswell Green, Anwalt und Gründervater von Greater New York, wird am 13. November 1903 direkt vor seiner Haustür erschossen. Was dazu geführt hat? Das fragt sich auch der Ermittler McClusky, und ...

Andrew Haswell Green, Anwalt und Gründervater von Greater New York, wird am 13. November 1903 direkt vor seiner Haustür erschossen. Was dazu geführt hat? Das fragt sich auch der Ermittler McClusky, und während nach und nach das Leben Andrews aufgearbeitet wird, wird deutlich: Nicht nur sein Tod war ein Missverständnis, auch sein Leben war geprägt von einer langen Reihe großer und kleiner Fehler.
Basierend auf der realen Person des Andrew Green ist dieser Roman mehr als ein simpler Krimi: er ist zugleich auch in gewisser Hinsicht historischer Roman (zugegeben mit vielen fiktiven Elementen) und Liebesgeschichte. Denn in Rückblicken wird nach und nach mehr oder weniger das gesamte Leben des Protagonisten nacherzählt, von seiner Kindheit in armen Verhältnissen über seinen Aufstieg bis hin zum Leben als angesehener Anwalt und Stadtplaner, dem unter anderem der Central Park und die New York Public Library zu verdanken sind.

Sprachlich ist das Buch dabei sehr schön, erfordert aber auch etwas Konzentration, da es für mein Empfinden stellenweise etwas zäh war. Andrew war mir von Beginn an sympathisch, auch wenn er sein Leben lang eher Außenseiter bleibt. Der einzige, der ihn auf seinem Weg über längere Zeit begleitet, ist der Anwalt und Politiker Samuel Tilden, wobei die Beziehung der beiden zwischen Freundschaft und sexueller Anziehung schwankt. Den Handlungsstrang, der aus Greens Sicht dessen Werdegang beschreibt, mochte ich etwas lieber als den nach seinem Tod, der sich den Ermittlungen widmet.
Insgesamt hätte die ein oder andere Kürzung zwar sicher nicht geschadet, dennoch mochte ich diesen Roman gerne, der so ganz anders war als ich erwartet hatte.

Veröffentlicht am 18.03.2022

Macht Lust auf den Sommer

Man vergisst nicht, wie man schwimmt
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Krüger kann nicht schwimmen. Also, eigentlich schon, aber er hat ein Geheimnis, das ihn daran hindert. Eigentlich heißt Krüger auch gar nicht Krüger, aber die Geschichte dahinter - ein Geheimnis, wie gesagt. ...

Krüger kann nicht schwimmen. Also, eigentlich schon, aber er hat ein Geheimnis, das ihn daran hindert. Eigentlich heißt Krüger auch gar nicht Krüger, aber die Geschichte dahinter - ein Geheimnis, wie gesagt. Es ist der letzte Sommer vor der Jahrtausendwende, unendlich heiß, und es ist nichts los im Kaff Bodenstein. Nichts, bis auf die Party der Münch-Schwestern, zu der Vik und Krüger nicht eingeladen sind, und dem Zirkus, der am Rande des Ortes seine Zelte aufgeschlagen hat. Und dann taucht plötzlich das Zirkusmädchen Jacky auf und reißt Vik und Krüger aus ihrer spätsommerlichen Trägheit. Denn am nächsten Tag zieht der Zirkus weiter, und damit ist ja wohl klar, dass die letzten Stunden genutzt werden müssen. Und ganz so langweilig ist Bodenstein dann ja auch doch nicht.

Ich war gleich mittendrin in der Handlung dieses Romans. Die sommerliche Atmosphäre, die Mischung aus Unbeschwertheit und Sorgen, all das wird schon auf den ersten Seiten greifbar und zieht sich durch den ganzen Roman. Krüger macht im Laufe des Romans eine große Entwicklung durch, und auch wenn ihm die Konfrontation mit der Vergangenheit einiges abverlangt, siegt am Ende doch sein Mut, sich seinem Geheimnis zu stellen und sich selbst zu akzeptieren. Krüger, Jacky, Vik und auch die Nebencharaktere sind authentisch geschrieben und insgesamt liest sich der Roman wirklich schnell.
"Man vergisst nicht, wie man schwimmt" ist eine solide Coming-of-Age-Geschichte, die mit ihrer Atmosphäre punktet und Lust auf den Sommer macht. Ich empfehle es gerne weiter.

Veröffentlicht am 30.11.2021

Eine gemütliche Herbstlektüre mit Spannung

Im letzten Licht des Herbstes
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In der kleinen Stadt Solace verschwindet ein Mädchen spurlos. Ihre kleine Schwester Clara sucht Ablenkung darin, sich um den Kater der älteren Nachbarin Mrs. Orchard zu kümmern, die plötzlich ins Krankenhaus ...

In der kleinen Stadt Solace verschwindet ein Mädchen spurlos. Ihre kleine Schwester Clara sucht Ablenkung darin, sich um den Kater der älteren Nachbarin Mrs. Orchard zu kümmern, die plötzlich ins Krankenhaus muss. Doch dann taucht plötzlich ein Mann auf, der sich das Haus zu eigen macht und beginnt, Mrs. Orchards Sachen in Kartons zu packen. Clara ist entsetzt - ist der Mann ein Dieb?
In einem parallelen Handlungsstrang, der aus Sicht des fremden Mannes geschrieben ist, erfährt man jedoch, dass er sich keinesfalls unerlaubt im Haus aufhält. Denn was Clara noch nicht weiß, ist, dass die alte Dame im Krankenhaus verstorben ist und ihm das Haus vermacht hat. Doch warum sollte ausgerechnet Liam ihren gesamten Besitz bekommen, wo er doch seit gut 30 Jahren keinen Kontakt mehr zu Mrs. Orchard hatte? Das wird nach und nach in einem dritten Handlungsstrang aus Mrs. Orchards Sicht erklärt.

Obwohl ich recht früh einen Verdacht hatte wie sich am Ende alles auflöst und sich dieser dann auch bewahrheitet hat, hat das der Spannung keinen Abbruch getan. Stattdessen habe ich mit den Figuren mitgefiebert, dass sich meine Befürchtungen nicht bewahrheiten, weil ich einfach nicht wollte, dass ihnen das zustößt. Am Ende war es dann aber doch gut so, weil mir die Figuren zwar leidgetan haben, das Geschehene aber nachvollziehbar dargestellt wurde. Die drei Protagonisten waren mir alle sympathisch, wobei mir insbesondere Mrs. Orchard schnell ans Herz gewachsen ist.
Neben dem Blick in die Vergangenheit spielt natürlich auch die Suche nach Claras Schwester, die nach einem Streit mit der Mutter weggelaufen und nun schon seit Wochen nicht mehr zurückgekommen ist, eine zentrale Rolle. Die lähmende Angst, die die siebenjährige Clara nach und nach packt, ist sehr gut dargestellt.

"Im letzten Licht des Herbstes" ist ein Buch, mit dem man es sich zu vielen schönen, nachmittäglichen Lesestunden gemütlich machen kann - gerade zur aktuellen Jahreszeit. Ich habe das Buch sehr gemocht und war am Ende, obwohl schon alles aufgeklärt war, etwas wehmütig, die Protagonisten und ihr keines Städtchen in dem jeder jeden kennt schon wieder verlassen zu müssen.