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Veröffentlicht am 23.03.2022

Unbekannter Stadtvater Green

Der große Fehler
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Andrew Green hat mindestens so viele Freunde wie Feinde, hat er doch nicht weniger als das Stadtbild von New York verändert, was natürlich nicht jedem gefällt. Umso schwieriger wird die Suche nach dem ...

Andrew Green hat mindestens so viele Freunde wie Feinde, hat er doch nicht weniger als das Stadtbild von New York verändert, was natürlich nicht jedem gefällt. Umso schwieriger wird die Suche nach dem Warum, als er urplötzlich auf der Schwelle seines eigenen Hauses ermordet wird.

Ich habe noch nie von Andrew Green gehört, und so wie der Autor den Sachverhalt schildert, bin ich da nicht die Einzige. Dabei hat er nicht nur auf die Zusammenführung von Greater New York hingewirkt, sondern war auch maßgeblich an der Entstehung des Central Park beteiligt. Umso besser, dass ihm Jonathan Lee ein literarisches Denkmal gesetzt hat. Dieser schildert als Rahmenhandlung die Mordermittlungen nach dem Tod Greens und blickt dabei auf sein Leben zurück. Ich habe die Lebensgeschichte Greens mit großem Interesse gelesen, sein Aufstieg aus recht einfachen Verhältnissen war hart erarbeitet und sicherlich nicht ohne Hindernisse. Aber auch die Ermittlungen von Inspector McClusky lesen sich sehr abwechslungsreich und haben mich schnell gefesselt. Es handelt sich hier zwar nicht um einen klassischen Krimi, aber mich hat die Mischung sehr angesprochen. Lees Stil gefällt mir ebenfalls sehr gut, er wählt seine Worte mit Bedacht und lässt auch sprachlich vergangene Zeiten aufleben ohne auch nur ansatzweise altbacken zu wirken. Sein Roman ist interessant, mal skurril, mal witzig, oft auch traurig, doch immer kurzweilig. Mir hat er sehr gut gefallen.

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Veröffentlicht am 05.03.2022

Verschwunden

Vertrauen
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Eigentlich hat Avi Avraham gerade um seine Versetzung gebeten, da fesselt ihn der Fall eines vermissten Touristen doch mehr als zunächst erwartet. Der hat sein Hotelzimmer zwar auf eigenen Beinen verlassen, ...

Eigentlich hat Avi Avraham gerade um seine Versetzung gebeten, da fesselt ihn der Fall eines vermissten Touristen doch mehr als zunächst erwartet. Der hat sein Hotelzimmer zwar auf eigenen Beinen verlassen, doch sein Gepäck wird von zwei ominösen Gestalten abgeholt. Er selbst bleibt verschwunden. Avi stürzt sich in die Ermittlung und stößt augenblicklich auf mehr Fragen als Antworten.
Vertrauen ist der vierte Band rund um Avraham, man kann ihn jedoch auch gut ohne die Vorgänger lesen. Ich kam auch ohne Vorwissen gut zurecht, die wichtigsten Infos erfährt man wie nebenbei. Die Story entfaltet sich nur langsam, sodass man genug Zeit hat die Protagonisten besser kennen zu lernen. Avi zweifelt ein wenig an sich und seiner Arbeit, würde sich gerne verändern, hat aber fast das Gefühl dafür zu alt zu sein. Er agiert vorsichtig und besonnen, ich mochte ihn sofort. Mishanis Stil hat mich abgeholt, Tel Aviv als Handlungsort birgt seinen ganz eigenen Reiz. Die Handlung ist sehr vielschichtig angelegt, und hätte mich, ginge es nur um den Vermisstenfall, zu 100% überzeugt. Neben dem Fall des vermissten Chouchani ermittelt Avis Kollegin im Fall eines ausgesetzten Neugeborenen. Dieser Erzählstrang hat für mich den bis dato wirklich guten Krimi abstürzen lassen, mir gefiel dieser Strang so gar nicht. Eine recht farblose Ermittlerin plagt sich mit einer sperrigen und unbequemen Verdächtigen, die eigentlich ja nur… blablabla. Ich fand es wirklich einfach nur uninteressant bis langweilig. Kam im Vermisstenfall langsam aber stetig Spannung auf, so wurde dieser durch den zweiten Erzählstrang immer wieder ein Dämpfer verpasst. Insgesamt habe ich „Vertrauen“ schon gerne gelesen, kann mich aber mit dem Erzählmischmasch nur bedingt anfreunden.

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Veröffentlicht am 20.02.2022

Roter Wolf auf der Jagd

Der Herzgräber
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Nach dem Tod ihrer Mutter muss Heather deren Nachlass regeln. Die beiden hatten sich vor Jahren entzweit, es kommen also nicht nur fröhliche Erinnerungen zurück ans Tageslicht. Doch ein Fund toppt alles ...

Nach dem Tod ihrer Mutter muss Heather deren Nachlass regeln. Die beiden hatten sich vor Jahren entzweit, es kommen also nicht nur fröhliche Erinnerungen zurück ans Tageslicht. Doch ein Fund toppt alles andere: Heathers Mutter hatte einen Brieffreund. Niemand geringerem als Serienmörder Reave, der seit Jahren im Gefängnis sitzt, schrieb ihre Mutter regelmäßig. Genau dem Reave, dessen Modus Operandi gerade einen Nachahmer gefunden zu haben scheint. Heather steht schneller im Fokus der Ermittler als ihr lieb ist.
Jen Williams‘ Thriller hat mich schnell gepackt, auch wenn er nicht ganz so reißerisch daher kommt wie der Klappentext vermuten lässt. Ich mochte die Mischung aus actionreichen oder auch brutalen Szenen und den ruhigeren Rückblicken, dem Verweilen in der Natur. In Heathers Haut möchte man nicht stecken, denn ihr Leben wird gehörig auf den Kopf gestellt. Sie muss das Bild, welches sie von ihrer Mutter hatte, überdenken und kommt zu einigen schwierigen Erkenntnissen. Ihr zur Seite steht Ermittler Parker, der jedoch etwas nichtssagend bleibt. Reaves selbst ist natürlich eine spannende Figur, auch wenn das ein oder andere Serienmörderklischee durchlinst.
Der mörderische Teil lässt sich zunächst wirklich gut an, gegen Ende schwächelt er aber für meinen Geschmack etwas. Trotzdem hat die Autorin hier punkten können, im Großen und Ganzen geht die Geschichte auf. Der Thriller lässt sich gut lesen, überzeugt auch mit einer stimmigen Atmosphäre, die ab und an einen kleinen Grusel hervorruft. Ich habe den Herzgräber unterm Strich ganz gerne gelesen, lege ihn aber Fans von schnellen, brutalen Stories à la Chris Carter nur bedingt ans Herz, da hier das Tempo deutlich langsamer ist.

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Veröffentlicht am 01.12.2021

Toller Roman mit viel historischem Input

Gold und Ehre
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Seinen Vater hat Benjamin schwer enttäuscht und so darf er zwar weiter in dessen Namen als Architekt tätig sein, wird dafür aber von Amsterdam nach Hamburg geschickt. Auch sein Cousin Theo muss sein Glück ...

Seinen Vater hat Benjamin schwer enttäuscht und so darf er zwar weiter in dessen Namen als Architekt tätig sein, wird dafür aber von Amsterdam nach Hamburg geschickt. Auch sein Cousin Theo muss sein Glück in der Ferne suchen, denn dessen Vater sähe ihn gerne in die eigenen Seebärenfußstapfen treten. Ihr Verwandter Samuel setzt sich stattdessen selbst unter Druck: er möchte in allerhöchste politische Kreise aufsteigen.
Gold und Ehre ist bereits das zweite Buch, welches sich um die Architektenfamilie Aard aus Amsterdam dreht. Es ist nicht zwingend notwendig den Vorgänger zu kennen, auch wenn man so natürlich das ein oder andere Wiedersehen mit bekannten Figuren feiern kann. Die Handlung selbst ist aber unabhängig und auch für Neuleser absolut nachvollziehbar. Über niederländische Geschichte weiß ich recht wenig, über diese Epoche sowieso. Obwohl sehr viel verständlich erklärt wird, fiel es mir doch gerade zu Beginn schwer da den Überblick zu behalten. Das liegt aber nicht am Geschick der Autorin sondern an der Materie. Schlauer bin ich nach der Lektüre allemal, denn historischen Fakten werden sehr gut aufbereitet und wie nebenbei in die fiktiven Handlung eingeflochten. Ich muss sagen, dass ich nach dem Klappentext etwas mehr Michelbau erwartet habe; der spielt natürlich eine Rolle, aber keine ganz soooo tragende. Doch auch die anderen Schauplätze machen viel Spaß und sind spannend, gerade Theos Part hat mir unerwartet gut gefallen. Die Figuren sind liebevoll ausgearbeitet, auch wenn ich z.B. Lucia überraschend anstrengend fand. Ihr Dickkopf und ihre fehlende Weitsicht konnte ich irgendwann nicht mehr nachvollziehen. Die Handlung wechselt gerade im letzten Drittel sehr kurzfristig zwischen Benjamin, Theo und Samuel; z.T. bleibt nur eine knappe Seite bevor der nächste Wechsel eintrat. Mir war das irgendwann zu abgehackt, zu kurz der Fokus auf der neuen Szene, der Lesefluss unterbrochen, weil man sich ständig neu sortieren musste. Zuvor hat mich der Erzählstil wirklich begeistert, nicht zuletzt deswegen, weil Stimmung und Bilder so gut transportiert wurden. Insgesamt mochte ich Gold und Ehre wirklich gerne, auch wenn für mich der Roman nun eben mit einem kleinen Dämpfer geendet hat. Ich empfehle ihn trotzdem gerne weiter, da ich meist wunderbar unterhalten wurde und dabei noch einiges gelernt habe. Ganz wie es bei einem guten historischen Roman sein sollte ; )

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Veröffentlicht am 08.11.2021

Kluger Roman

Identitti
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Nivedita, im Internet unterwegs als Identitti, Studentin, Frau, Halb-Polin/Halb-Inderin, Wahldüsseldorferin, Kaliverehrerin, usw. beschäftigt sich viel mit dem Thema Identität. Besonders seit sie bei Professorin ...

Nivedita, im Internet unterwegs als Identitti, Studentin, Frau, Halb-Polin/Halb-Inderin, Wahldüsseldorferin, Kaliverehrerin, usw. beschäftigt sich viel mit dem Thema Identität. Besonders seit sie bei Professorin Saraswati Postcolonial Studies belegt, einer charismatischen Dozentin, die wie Nivedita indische Wurzeln hat. Oder dies zumindest behauptet, denn eigentlich ist Saraswati weiß und heißt Sarah Vera. Plötzlich als weiß geoutet, entspinnt sich ein handfester Skandal, der Nivedita in tiefe Verzweiflung stürzt.
Hat man vor der Lektüre gedacht, man wäre ein aufgeschlossener, vorurteilsfreier Mensch, dem Alltagsrassismus fremd ist, so hat man nachher das Gefühl, man hätte bisher im Leben so ziemlich jedes rassistische, sexistische oder sonstwie-sche Fettnäpfchen mitgenommen, das den eigenen Weg gekreuzt hat. Die Autorin stellt die Thematik überspitzt dar, trotzdem legt sie gezielt Finger auf wunde Punkte. Manches wirkt so abstrus, dabei hat sich Sanyal den ganz realen Skandal um Rahel Dolezal als Ausgangspunkt für ihren Roman vorgenommen. Mancher Tweet, manche Aussage haben also mehr wahren Kern als man glauben mag. Trotzdem bleibt der Nachgeschmack, dass viele sich mit ihrer Meinung nur profilieren wollen oder sich aufregen, um sich mal aufgeregt zu haben. Die eingebetteten Zitate lockern die Handlung auf, manchmal fand ich sie etwas zu gehäuft, sodass der Lesefluss litt. Gleiches gilt für Anhäufungen von Fachbegriffen oder auch die ein oder andere Figur, die in einem Mischmasch von Deutsch und Englisch spricht.
Nivedita, ihre Cousine Priti und natürlich Dozentin Saraswati sind tolle Figuren. Nivedita ist manchmal ein wirklich unsicherer Mensch, auch wenn man ihr das erst einmal nicht anmerkt. Ihre inneren Monologe mit Göttin Kali sorgen oft für einen witzigen Unterton, offenbaren aber auch wie es in Nivedita wirklich aussieht. Ein wenig verloren ist sie unterwegs, Saraswati ein größerer Anker bei der verwirrenden Identitätssuche als zunächst angenommen. Die ist nun wirklich undurchschaubar; ein sehr ausdrucksstarker Mensch, der andere schnell mit seiner Klugheit begeistert und ganz neue Denkweisen eröffnet. Man kann schnell verstehen, warum sie ihre Studenten so fasziniert. Die spannende und wendungsreiche Suche nach ihrer wahren Identität unterhält auf hohem Niveau und verbindet so ernste Töne zu einem brandaktuellen Thema mit literarischem Vergnügen.

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