Ein Tanz zwischen Fiktion und Relität
Ich habe „Nach einer wahren Geschichte“ gelesen und mich sehr gefreut, denn die Autorin Delphine de Vigan nahm mich scheinbar mit in ihr eigenes Leben, zu ihrer Protagonistin Delphine, die in Paris lebt. ...
Ich habe „Nach einer wahren Geschichte“ gelesen und mich sehr gefreut, denn die Autorin Delphine de Vigan nahm mich scheinbar mit in ihr eigenes Leben, zu ihrer Protagonistin Delphine, die in Paris lebt. Ihr Kinder ziehen gerade in die weite Welt hinaus, ihre Lebenspartner bereist die Welt für seine Filmprojekte, und sie selbst hat gerade einen Bestseller geschrieben. Ein sehr persönliches Buch, über ihre Familie und ihre Ängste, das für viele Leser zum Identifikationsobjekt wurde. Während sie Bücher signiert, Lesungen gibt und Interviews führt, wächst in ihrem Kopf die Angst vor dem nächsten Roman. Was soll nach diesem Höhepunkt noch folgen?
Und dann lernt sie L. kennen. Eine selbstbewusste, starke und besitzergreifende Frau, die schon bald nicht mehr aus Delphines Leben wegzudenken ist. L. arbeitet als Ghostwriterin und weiß genau, was gut für Delphine ist und was sie aus ihrer Blockade befreien wird. Dankbar greift Delphine immer wieder nach ihrer Hand, wenn sie in ihren Gefühlen versinkt und erlaubt L. immer mehr Platz in ihrem Leben, bis sich irgendwann alles nur noch um L. dreht.
Auch ich lernte L. kennen, so wie Delphine sie sah und durchlebte mit ihr gemeinsam die qualvollen Tiefen ihrer Blockade. Ihre Erzählung hat mich tief getroffen und bewegt, war unfassbar greifbar und absolut ehrlich erzählt. Es geht um Depressionen, toxische Beziehungen, Ängste und die innere Dunkelheit, aber auch um Freundschaft, die Sicherheit eines sozialen Netzes und echte Beziehungen. Gleichzeitig diskutierten die beiden immer wieder darüber, was es eigentlich bedeutet einen Roman zu schreiben, über die Rolle von Fiktion in der Literatur und den Wert von Echtheit in einer Erzählung.
Nun bin ich wieder zuhause und weiß immer noch nicht so recht, was ich da eigentlich erlebt habe. Eine wahre Begebenheit? Eine traumhafte Eingebung? Eine Projektion der inneren Ängste, oder doch nur eine spannende Geschichte? Ich werde noch etwas weiter grübeln, denn dieses Buch hallt nach und hinterlässt Spuren.
Eine anspruchsvolle und bedeutungsschwere Geschichte und eine Empfehlung für alle, die gerne in die Psyche anderer Menschen eintauchen oder selber schreiben.