Ich habe mich so auf das Buch von Charlie Jane Anders gefreut. Das Cover hat mich schon direkt angesprochen und auch der Klappentext klang außergewöhnlich, auf eine fantastische und doch irgendwie auch realitätsnahe Art und Weise.
Und genau so ist Alle Vögel unter dem Himmel auch. Es ist anders. Kein Buch, was ich mit einem anderen vergleichen könnte, weil sich die Charaktere oder die Geschichte mit irgendetwas, was ich schon vorher gelesen habe, ähnelt. Es war ganz neu und anders und frisch.
Die Autorin hat so viele verschiedene Genre-Elemente in dieses Buch gepackt und mich von Anfang an mit den eigenwilligen, aber auch sehr sympathischen Charakteren eingenommen. Ich würde nicht sagen, dass meine Erwartungen übermenschlich waren, aber so ganz ohne bin ich da auch nicht herangegangen. Dazu klang die Geschichte, ein Technik-Nerd der eine Freundschaft mit einer naturliebenden Hexe eingeht und dann die Endlichkeit der Erde verhindern will zu spannend, zu vielversprechend.
Der Aufbau allein hat schon einiges an Stimmung hervorgerufen. Das Buch beginnt damit, dass man auf die junge Patricia trifft, die sich im Wald verirrt und auf einen mächtigen Sammelplatz der Vögel, einem Baum, trifft. Dieser Sammelplatz und der Baum sind magisch. Diese Begegnung wird Patricia noch lange im Gedächtnis bleiben und hat mich als Leser sehr schnell in eine Art Sog gezogen, in diese besondere Atmosphäre des Buches.
Immer mal wieder passieren Zeitsprünge, in denen wir eben Patricia oder Laurence in verschiedenen Abschnitten ihres Lebens begleiten. Das aber chronologisch in einer Richtung, bis die beiden ungefähr Mitte zwanzig sind. Die erste Begegnung findet mit sehr jungen Jahren statt, bei welcher klar wird, dass beide eher auf der Verliererseite der Gesellschaft stehen. Beide werden von ihrem Umfeld eher ausgegrenzt und klein gehalten. Was mich an dieser Stelle richtig genervt und geärgert hat war, dass die jeweiligen Familien und Eltern der beiden echtes Arschloch-Verhalten an den Tag legen. Und das war es dann schon. Die Eltern haben kein Verständnis für die Leidenschaften und Interessen ihrer Kinder und irgendwer (Geschwister, Lehrer, etc.) können irgendwas komisches sagen und zack – wird ein Verbot ausgesprochen. Das ist sehr eindimensional und platt ausgearbeitet. Aus dem Grund wirken die Familienumstände von Patricia und Laurence nicht nur extrem düster, sondern auch irgendwie zu fiktiv. Warum weshalb so miteinander umgegangen wird, wird gar nicht richtig erklärt.
In Alle Vögel unter dem Himmel hatte ich ebenso ganz oft das Gefühl, das gleichzeitig sehr viel und doch sehr wenig passiert. Die Ereignisse ketten sich sehr schnell hintereinander und man bekommt als Leser immer wieder neuen Input. Es ist kein atemloser Thriller, allerdings weiß die Autorin eben, den Leser auf Trab zu halten. Das fand ich super und hat mich gerade gegen Ende, wo ich das Buch endlich abschließen wollte, auch gut durchgezogen. Wiederum passiert so viel, dass ich manchmal das leichte Gefühl bekam, dass ich etwas Entscheidendes verpasse.
Denn die Autorin bringt zwar durch die Ereignisse sehr viel Leben und Bewegung in die Geschichte, doch fehlt die Prise Ausschmückung, damit man als Leser auch hinterherkommen kann. Zum Beispiel hält sich die Autorin nicht lange mit Umgebungsbeschreibungen auf, oder mit Erklärungen, wie die Welt genau aufgebaut ist, wie Patricia oder Laurence leben, wie es ihnen geht, wie die jeweiligen Netzwerke der beiden später im Erwachsenenleben aussehen. Und das ist entscheidend. Denn Patricia befindet sich einem Hexenzirkel (?) und dort gibt es gewisse Regel und Hierarchien. Das Gleiche gilt für Laurence und seine Wissenschafts-Nerds. Man erfährt das alles ganz grob und das muss eben reichen. Und das tut es eben nicht. So liest man weiter, ohne die richtigen Schlussfolgerungen gezogen zu haben. Daraus schließend hatte ich immer das Gefühl, irgendwas überlesen oder verpasst zu haben und dieses fantastische Konstrukt bleibt mir als Leser doch irgendwie fremd.
Im Großen und Ganzen mochte ich das Buch trotzdem. Es ist nicht perfekt und bei weitem nicht das, was ich mir erhofft hatte. Die Geschichte ist manchmal wirr und etwas unausgegoren. Die Autorin verwendet so viel Ansätze, die dann komplett zwecklos für die Geschichte im Raum stehen, an anderer Stelle aber wieder sehr viel Sinn ergeben. Es ist enorm schwierig zu begründen, warum es eben an gewissen Stellen richtig gut war (allein manche Sätze, siehe die Zitate, sind der Hammer!). Und die Gedankenansätze, die Message, dass Handlungen Konsequenzen haben, auf kleiner und großer Ebene (Thema Umweltverschmutzung und Nachhaltigkeit) sind großartig! Genau so etwas sollte es häufiger im Jugendbuchbereich geben. Trotzdem hätte da noch mehr kommen können, wenn das Buch mehr in die Tiefe gehen würde. Auf so vielen Ebenen. Es war nicht der Schreibstil, der mich so begeistert hat. Oder die Umsetzung. Aber die Idee, der Genremix, die Interaktion zwischen den Charakteren war gut. Es hat Spaß gemacht in diese reale und doch fantastische Welt einzutauchen.
Und obwohl ich mir wünschen würde, dass ich das Buch als Highlight deklarieren könnte, kann ich es eben nicht. So fantastisch ich so einiges von dem Drumherum fand, hat eben auch viel Gefühl, Klarheit und irgendwie das gewisse Etwas gefehlt, um all die tollen Sachen miteinander zu verbinden und zu einem echt geilen Buch zu transformieren. Alle Vögel unter dem Himmel hatte das Potential ein richtig gutes Buch zu werden, mit einer wichtigen und richtigen Botschaft, mit den unterschiedlichsten Elementen und doch hat es diese Erwartung, am Ende, nicht erfüllen können.
FAZIT
Irgendwie ist Alle Vögel unter dem Himmel von Charlie Jane Anders echt eine schwierige Kiste. Ich finde es gut geschrieben, das Buch hat einen so vielschichtigen und bunten Inhalt, der mich auch begeistern konnte. Dennoch ist da diese Stimme in meinem Kopf, die das Ende zum Beispiel ziemlich platt und schnell runtergeschrieben findet, dafür das der Rest so ausführlich war und das der rote Faden so kurz vorm Ende einfach ins Nichts führte. Insgesamt ist es ein netter Genremix, mit einer wichtigen Botschaft und dadurch besonders, aber (leider) kein Highlight.