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Veröffentlicht am 06.05.2017

Wenn der Blinde den Lahmen trägt, kommen beide voran

Wenn du dich traust
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Lea leidet unter Zwangsneurosen, die sie alles immer wieder zählen und kontrollieren lassen. Ihre Eltern kommen damit nicht mehr klar und überreden sie, sich freiwillig in eine Psychiatrie einweisen zu ...

Lea leidet unter Zwangsneurosen, die sie alles immer wieder zählen und kontrollieren lassen. Ihre Eltern kommen damit nicht mehr klar und überreden sie, sich freiwillig in eine Psychiatrie einweisen zu lassen. Dort trifft sie auf Jay, der wegen Drogenbesitzes zu Sozialstunden verdonnert wurde. Lea will raus aus der Klinik und Jay braucht Hilfe aus einer prekären Situation – so gehen beide einen Deal ein, sich gegenseitig zu helfen. So landet Lea bei Jay in der Wohnung und für beide ändert sich damit schlagartig das gesamte Leben …

Die Idee des Plots ist großartig und die Umsetzung gefällt mir auch sehr gut. Abwechselnd erzählen Lea und Jay aus ihrer Sicht die Geschehnisse. Zwischendurch vergisst man komplett, dass die Story in Österreich spielt. Namen, Verhalten und Geschehnisse geben einem das Gefühl, dass die Geschichte in den USA spielt. Vielleicht ist das beabsichtigt. So oder so – man wird von der Geschichte und den Ereignissen sofort gefesselt und in den Bann gezogen.

Das Buch ist ein Jugendbuch, doch auch ich als längst Erwachsene habe es sehr genossen. Die Krankheit wird nicht ins kleinste Detail erklärt, aber auch nicht lapidar abgetan. Das gefällt mir sehr daran: Lea kann loswerden, wie sehr sie es hasst, wie die meisten Leute reagieren, wenn sie von ihrer Krankheit erzählt. Das gibt Stoff zum Nachdenken!

Dass Jay seine ganz eigenen Probleme hat, mit denen er klarkommen muss, wird Lea nur langsam bewusst. Aber sie will ihm helfen und das bewirkt etwas ganz Außergewöhnliches, das sie selbst, Jay, die Ärzte und ihre Eltern staunen lässt. Wunderbar, wie die Autorin diesen Bogen geschlagen hat. Kein bisschen überspannt oder herbeiphantasiert, sondern wirklich gut gemacht.

Das Buch erzählt davon, dass Defizite auch Möglichkeiten bieten, dass man immer an sich arbeiten kann und dass es oft leichter wird, wenn man für andere, statt sich selbst stark ist.

Das Cover hat mich eine völlig andere Geschichte erwarten lassen. Da kann man nur hoffen, dass sich nicht zu viele davon abschrecken lassen! Hier spielt die Liebe eine relativ kleine Rolle (Kitsch gar keine), aber der Umgang miteinander und mit Problemen eine sehr große. Junge Erwachsene, die nicht mit dem goldenen Löffel im Mund geboren wurden und sich ihren Platz im Leben erkämpfen – sehr witzig und spannend erzählt, aber sehr realitätsnah und nicht beschönigt.

Der Erzählstil passt sehr gut zur Thematik. Beide Protagonisten sind nicht so unbeschwert, wie andere in ihrem Alter. Das wirkt sich auch auf die Art und Weise aus, wie sie erzählen. Genau das macht die Story glaubwürdig. Ein lockerer Stil hätte die Problematik nur ins Lächerliche gezogen. So aber bleibt man nicht davon verschont, über das Gehörte noch lange nachzudenken.

Ich habe das Hörbuch an einem Stück durchgehört. Aufhören ging einfach nicht, ich musste wissen, wie es ausgeht! Dafür gerne die vollen fünf Sterne!

Veröffentlicht am 04.05.2017

Neue Schulgeschichten der witzigsten Lehrerin Berlins!

Chill mal, Frau Freitag
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Die Bücher von Frau Freitag sind einfach herrlich erfrischend komisch, auch wenn sie den Finger immer auf die Wunde legen und nichts schönreden. Doch wenn man das Hörbuch genießt, das Carolin Kebekus eingelesen ...

Die Bücher von Frau Freitag sind einfach herrlich erfrischend komisch, auch wenn sie den Finger immer auf die Wunde legen und nichts schönreden. Doch wenn man das Hörbuch genießt, das Carolin Kebekus eingelesen hat, dann ist der Genuss exponentiell höher! Sie kann sowohl alle Erwachsenen-Parts als auch die der Kids – ob Junge oder Mädchen – unfassbar authentisch rüberbringen. Ich liebe es!

Frau Freitag erzählt so lebendig von ihrem Alltag als Lehrerin, dass man gerne zuhört. Erstaunlich, wie wenig sich doch geändert hat, seit ich zur Schule ging. Damals hatten wir keine Handys, aber andere Dinge, mit denen wir die Lehrer zur Verzweiflung gebracht haben. Und wie Frau Freitags Schüler, habe auch wir damals nicht verstanden, warum die Lehrer sich so aufregen.

Wunderbar, dass Frau Freitag auch ihre eigenen Schwächen zugibt. Sie hält sich selbst absolut nicht für perfekt und das ist mehr als sympathisch. Wie gern sie Lehrerin ist, ist in jeder Zeile, mit jedem Wort zu spüren. Ihre Tipps für (angehende) Lehrer sind klasse – und wer klug ist, merkt sie sich gut!

An manchen Stellen musste ich laut auflachen und bekam mich fast nicht mehr ein. Das liegt teils auch an bewusst „politisch nicht korrekten“ Sprüchen, doch wenn das die Kids dürfen, darf das Frau Freitag auch. Vor allem sind diese Sprüche nie bissig oder boshaft, sondern mit einem Zwinkern in den Augen und ganz viel Liebe.

Eltern sollten sich diese Bücher einmal ansehen – und dann den Nachwuchs mal ins Gebet nehmen. Nicht alle Lehrer sind so geduldig wie Frau Freitag und viele halten Elterngespräche nur mit dem Ziel, dass die Eltern den Schülern die Leviten lesen. Bei Frau Freitag läuft so ein Gespräch etwas anders – und zu meinem Glück urkomisch!

Klar, vieles ist überzogen erzählt, dennoch steckt immer der Kern Wahrheit darin. Anderes wiederum ist, da bin ich mir sicher, ganz genau so geschehen. Frau Freitag lehrt uns, dass man auch schwierige Wege gehen muss, mit Mut und positiv gestimmt. Das ist oft nicht bequem und schon gar nicht einfach, aber auch bei Lehrern macht Übung den Meister. Hätte ich doch zu meiner Zeit eine Frau Freitag bei den Lehrern gehabt – mir hätte Schule sehr viel mehr Spaß gemacht!

Ich habe alle Bücher von Frau Freitag gelesen und gehört und habe noch lange nicht genug davon. Frau Freitag hat eins davon selbst eingelesen – das war leider nicht so ganz mein Fall. Cathlen Gawlich hat das neueste Buch eingelesen und das gefiel mir sehr. Aber so mitreißend, so urkomisch, so authentisch, wie Carolin Kebekus bekommt es niemand hin! Ich hoffe und wünsche mir so sehr, dass es weitere Bücher von Frau Freitag geben wird und sie wieder von Carolin Kebekus eingelesen werden. Sie ist eindeutig die beste Wahl!

Von mir hier wieder die vollen fünf Sterne!

Veröffentlicht am 03.05.2017

Tod eines Restaurantkritikers

Der Commissaire kocht
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Lucien Lefevre hat Hunger – aber bevor er endlich essen kann, stirbt der Gourmetkritiker da Silva, der Ehrengast bei der Restauranteröffnung von Colette Viard, die eine Kochshow gewonnen hatte, war. Es ...

Lucien Lefevre hat Hunger – aber bevor er endlich essen kann, stirbt der Gourmetkritiker da Silva, der Ehrengast bei der Restauranteröffnung von Colette Viard, die eine Kochshow gewonnen hatte, war. Es stellt sich heraus, dass er das Gift einer Qualle zu sich genommen hat. Wer hat Grund, da Silva zu töten? Oder fragt sich hier eher, wer keinen Grund dazu hätte? Nach und nach kommen immer mehr Details zutage, die von der Köchin bis zum Dorfarzt jeden zum Verdächtigen machen. Lefevre und Sophie suchen nach dem oder der Täter/in.

Dieser Krimi ist spannend und hat noch dazu witzige Komponenten. Da Silva ist so unsympathisch, wie es nur geht: betrügt seine Ehefrau, spielt mit seinen Affären, zerstört die Zukunftsträume so mancher Köche, sogar Lefevre selbst hat so seine Erfahrungen mit ihm. Dazu kommt ein Geheimnis, das da Silvas Karriere mit einem Schlag beenden könnte.

Auch gefällt mir, wie hier die Kochshows, die seit Jahren so beliebt sind (ich gebe zu, teils auch bei mir), unter die Lupe und auf die Schippe genommen werden. Oh ja, ich erkenne so manche kleine Andeutung auch bei unseren deutschen Kochshows wieder! Das hat mich sehr amüsiert und auch ein wenig nachdenklich gemacht.

Die Story lebt fast ausschließlich von Ermittlungen. Alles Private steht quasi in direktem Zusammenhang dazu. Das gefällt mir, denn so zieht sich der Fall nicht unnötig in die Länge. Raum für die Entwicklung des Commissaires bleibt so dennoch genug. Gute alte Krimikunst, wie sie leider so langsam vergessen wird – mir hat es gefallen!

Die Wendungen sind gut gemacht und in sich stimmig. Man hat nicht das Gefühl, dass hier mit Gewalt neue Verdächtige herangezerrt werden. Fast spielerisch ergeben sich die neuen Aspekte wie von selbst. So rätselt man als Leser/Hörer von Anfang bis Ende mit. Das Ende ist sehr gut gemacht und passt hervorragend.

Gerd Heidenreich liest dieses Hörbuch bemerkenswert authentisch ein. Man nimmt ihm den Commissaire bedenkenlos ab und auch seine Art, die anderen Figuren (insbesondere die Frauen) darzustellen, ist einfach genial. Versteckte Ironie, gepaart mit der genau richtig bemessenen Dosis Affektiertheit – eine tolle Mischung!

Auch wenn mir französische Literatur selten liegt, hier tut sie es. Ich wurde durchweg sehr gut unterhalten. Da gebe ich doch sehr gerne die vollen fünf Sterne.

Veröffentlicht am 29.04.2017

Die Berliner Version von Miss Marple und Jessica Fletcher

Frl. Krise und Frau Freitag ermitteln: Der Altmann ist tot
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Als wäre der normale Schulalltag für die beiden Lehrerinnen nicht schon aufreibend genug, stirbt der Mathelehrer Altmann überraschend. Alles sieht nach einem Unfall aus: ein Sturz auf einer Treppe. Aber ...

Als wäre der normale Schulalltag für die beiden Lehrerinnen nicht schon aufreibend genug, stirbt der Mathelehrer Altmann überraschend. Alles sieht nach einem Unfall aus: ein Sturz auf einer Treppe. Aber dann tauchen Hinweise auf, die ein anderes Bild ergeben. Und überhaupt – kann man bei dieser popeligen Treppe tatsächlich so blöd fallen, dass man stirbt? Wo ist der Schlüssel zu Altmanns Auto? Was hatte Altmann mit der Tätowierung einer türkischen Schülerin zu tun? Wie kam er mit der Tatsache klar, dass seine sehr junge Frau sich so gut mit ihrem Kollegen verstand? Warum postet die Schirmer solche seltsamen Gedichte? Fragen über Fragen! Und während Frl. Krise sich nachmittags um das Baby einer ehemaligen Schülerin kümmert, kommt sie gemeinsam mit Frau Freitag auf die Idee, diesen Fall aufzuklären …

Einfach herrlich, wie hier alles drunter und drüber geht! So richtig schön, wie aus dem echten Leben! Kaffeeklatsch bei Onkel Ali, dem berlinernden Türken, Kauf und Diebstahl von edlen Kinderwagen, Verfolgungen mit Tarnung, Wiedersehen mit ehemaligen Schülern, Bundesjugendspiele, türkische Hochzeit – einfach alles ist dabei. Es wird keine Sekunde langweilig – und ich habe das komplette Hörbuch tatsächlich an zwei Tagen durchgehört!

Einzeln mag ich die beiden Lehrerinnen schon sehr, aber gemeinsam sind sie ein super Krimi-Autoren-Team mit viel Sinn für Selbstironie und der richtigen Dosis Humor, um daraus einen witzigen Krimi und keinen Klamauk zu machen. Alte Bekannte (Schüler) tauchen auf (wenn man die Bücher der beiden kennt), neue Figuren gibt es auch und allesamt muss man – trotz und gerade wegen ihrer Schwächen und Macken – einfach mögen.

Die Schauplätze sind gut genug beschrieben, dass man sie sich vorstellen kann, auch wenn man noch nie in Berlin war, aber nicht so ausführlich, dass es langweilig werden könnte. Verdächtige gibt es genug und die Auflösung ist überraschend, aber nicht an den Haaren herbeigezogen. Einen winzig kleinen Cliffhanger gibt es auch, der die Vorfreude auf weitere Ermittlungen der beiden Hobbydetektivinnen anfeuert.

Gesprochen wird dieses Hörbuch von Joseline Gassen (Frl. Krise) und Carolin Kebekus (Frau Freitag). Diese Kombination ist für mich einfach perfekt. Carolin Kebekus hat die optimale Stimme und Betonung für Frau Freitag, wie ich sie von den ersten drei Bänden (gelesen) mir vorgestellt hatte. Joseline Gassen ist Synchronsprecherin. Ihre Stimme ist sehr angenehm und ganz besonders. Man kennt sie beispielsweise als Abigail von „Dharma und Greg“, aber ganz besonders in Erinnerung ist sie mir als Jennifer Hart („Hart aber herzlich“). Für Frl. Krise ist sie ebenfalls wie geschaffen!

Ich hatte 436 unterhaltsame Hörminuten, die mir die Hausarbeit sehr erleichtert haben – deshalb vergebe ich auch begeisterte fünf Sterne!

Veröffentlicht am 24.04.2017

Damals wie heute tief beeindruckend

Die Wolke
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In der Schule hört die 14-jährige Janna die Durchsage, dass die Schule geschlossen wird. Der Grund ist der Super-GAU. Alle sollen in ihren Häusern bleiben und sich im Keller einquartieren. Zu Hause wartet ...

In der Schule hört die 14-jährige Janna die Durchsage, dass die Schule geschlossen wird. Der Grund ist der Super-GAU. Alle sollen in ihren Häusern bleiben und sich im Keller einquartieren. Zu Hause wartet Jannas kleiner Bruder Ulli auf sie und möchte mit ihr Reibekuchen machen. Die Eltern sind unterwegs und die beiden allein. Jannas Mutter ruft an und drängt sie, sich mit Ulli sofort auf den Weg nach Norden zu machen. Sie starten per Rad. Doch das ist nur der Anfang einer Reise, die voller Schrecken ist …

Gudrun Pausewang hat dieses Jugendbuch 1987 geschrieben. Sie hat damit die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl verarbeitet. Fukushima 2011 hat ebenfalls einige endlich wachgerüttelt. Dass dieses Thema auch heute noch brandaktuell ist und erneuerbare Energien wichtiger denn je sind, zeigen auch die jüngsten Vorfälle unsicherer AKWs – mitten in Deutschland.

Laura Maires Stimme klingt, wie die eines weiblichen Teenagers. Sie liest „Die Wolke“ in einem Tempo, das zur Story passt. Sie ist die ideale Janna. Wenn sie andere Personen „nachmacht“, erkennt man diese sofort als eigenständige Charaktere. Dabei wird es nie schräg oder unangenehm, wie das oft bei Sprechern ist. Es ist, als könne sie tatsächlich in all die Figuren und Rollen schlüpfen. Das hört sich sehr angenehm an und fesselt den Hörer.

Das Thema ist deprimierend, aber wichtig – zudem hat die Autorin es sehr gut umgesetzt. Wie „Wenn der Wind weht“ ist auch „Die Wolke“ beängstigend und traurig. Dennoch halte ich dieses Buch für eine herausragende Leistung. Sehr schön werden die Lügen und Intrigen dargestellt, die eine solche Katastrophe nach sich zieht. Von Flucht und Verzweiflung, Überlebenskampf und Wegsehen – die ganze Bandbreite – erzählt „Die Wolke“.

Wie eine solche Katastrophe die Menschen aufspaltet und ihre schlimmsten Seiten aufzeigt, beschreibt Gudrun Pausewang sehr eindrucksvoll. Die direkten und indirekten Auswirkungen des Extremfalls, das Verlorensein, die Sehnsucht, das Heimweh und das Elend der Flüchtlinge – alles ist noch heute so aktuell, wie vor dreißig Jahren. Mir fehlen die Worte, um zu beschreiben, wie sehr mich „Die Wolke“ berührt und ergreift. Das Hörbuch ist, obwohl gekürzt, sehr beeindruckend. Bei keinem anderen Hörbuch war es bisher rings um mich herum dermaßen still, wie hier.

Ich wünsche mir, dass möglichst viele Menschen das Buch lesen oder das Hörbuch genießen. Es kann und wird die Menschen verändern. Von mir von Herzen die vollen fünf Sterne!