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Veröffentlicht am 01.01.2022

„Nichts ist so wechselhaft wie Identität.“ (Stefan Hölscher)

Der Silberfuchs meiner Mutter
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1942. Die norwegische Krankenschwester Gerd Hörvold hat sich mit dem deutschen Soldaten Anton Halbleben eingelassen und ist schwanger geworden. Deshalb gilt sie in ihrer Heimat als Nazi-Hure als persona ...

1942. Die norwegische Krankenschwester Gerd Hörvold hat sich mit dem deutschen Soldaten Anton Halbleben eingelassen und ist schwanger geworden. Deshalb gilt sie in ihrer Heimat als Nazi-Hure als persona non grata. Sie reist von Norwegen ins österreichische Hohenems, um bei Antons Familie unterzukommen, bis dieser aus dem Krieg zurückkehrt. Aber seine Familie will nichts von ihr wissen, auch Anton lässt sie fallen und bricht jeden Kontakt ab. Sohn Heinz wird Ende 1942 geboren und kommt erst in einem Lebensbornheim unter und danach in eine Pflegefamilie, wo ihn seine Mutter 1946 mit Hilfe des Roten Kreuzes wiederfindet und zu sich nimmt. Doch auch bei seiner Mutter, die erneut geheiratet hat, wird Heinz immer ein Außenseiter sein, denn sein Stiefvater lehnt ihn ab und auch die eigene Mutter hat nicht viel Liebe für ihn übrig. So irrt Heinz aufgrund der dauerhaften Ablehnung seines engsten Umfeldes viele Jahre durch sein Leben auf der Suche nach seiner wahren Identität, wird Schauspieler und erst im Alter von 60 Jahren unternimmt er einen neuen Versuch, seinen Wurzeln näher zu kommen…
Alois Hotschnig hat mit „Der Silberfuchs meiner Mutter“ einen sehr komplexen Roman vorgelegt, der mit einer berührenden Lebensgeschichte überzeugen kann, die sich aus Fiktion und Wahrheit zusammensetzt. Der Erzählstil ist emotional, wenn nicht gerade einfach zu lesen, spiegelt aber sehr gut die Zerrissenheit des Protagonisten Heinz wieder, der sein gesamtes Leben auf der Suche ist und dessen Erinnerungen mit Träumereien vermischt für den Leser eine Herausforderung darstellen. Oftmals wird man das Gefühl nicht los, der Autor habe seine eigenen Erfahrungen zu Papier gebracht. In Ich-Form erhält der Leser Einblick in die Erinnerungen des inzwischen gealterten Heinz, der innerhalb der Ehe seiner Mutter so einiges zu ertragen hatte: einen Stiefvater, der ihn zwar verachtet, aber ihn als Hilfskraft gern für sich arbeiten ließ. Die Mutter, die allen Fragen konstant aus dem Weg ging und ihm sogar Schuldgefühle verursachte, da sie immer epileptische Anfälle bekam, wenn er eine Aussprache wollte. Der leibliche Vater, der ihn als 16-jährigen verleugnet und ihm eine erlogene Geschichte vorgaukelt, um dann Jahrzehnte später endlich doch einzugestehen, dass Heinz sein Sohn ist. Heinz verarbeitet seine Erfahrungen als Schauspieler auf der Bühne, seine Seele jedoch findet dadurch kaum Linderung, zu schwer nagen die Ablehnung und die unbeantworteten Fragen an ihm. So wie Heinz wird es vielen in jener Zeit geborenen Kindern gegangen sein, die bei ihren Fragen immer wieder auf eine Mauer des Schweigens gestoßen sind und nur unter schwierigsten Bedingungen ihrem Ziel vielleicht ein Stück näher kamen.
Die Charaktere werden erst nach und nach für den Leser zugänglich, der die Geschichte zu Beginn mit Distanz liest. Doch je mehr er in die Erinnerungen von Heinz eintaucht, umso mehr kann er die Gefühlslage von Heinz nachvollziehen. Heinz ist ein zutiefst zerrissener Mensch, der seine Erfahrungen in seinen Rollen auslebt, um irgendwie damit umgehen zu können. Er fühlt sich seiner Identität beraubt, belogen und abgelehnt, ist jedoch mutig und stark genug, immer wieder Anlauf zu nehmen und den Dingen auf den Grund zu gehen. Seine Mutter ist eine verletzte Frau, die sich vor ihrem Sohn die Blöße nicht geben will, eine uneheliche Mutter zu sein und die Ausgrenzungen, deren sie ausgesetzt war, preiszugeben. Anton verleugnet fast sein ganzes Leben die Beziehung zu Heinz‘ Mutter und seine Vaterschaft, doch am Ende seines Lebens kommt ihm die Erkenntnis, dass er der Welt mit Heinz doch etwas hinterlässt.
„Der Silberfuchs meiner Mutter“ ist eine Suche nach der eigenen Identität und eine gleichzeitig Tragödie, die nach dem Krieg viele ereilt hat. Die Sprachlosigkeit der damaligen Generation, die Vorbehalte sowie die Härte gegenüber seinen eigenen Kindern sind schwer zu ertragen, doch sind sie ein Zeitzeugnis für eine vergangene Zeit. Sehr zu empfehlen!

Veröffentlicht am 30.12.2021

Gefühlvolle Outbackreise

Der Glanz des Südsterns
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1918 England. Die Krankenschwester Elena lernt während ihrer Arbeit den Arzt Lyle MacAllister kennen. Schon bald verlieben sich die beiden, doch Lyle ist bereits verlobt. Er verlässt Elena, um in seine ...

1918 England. Die Krankenschwester Elena lernt während ihrer Arbeit den Arzt Lyle MacAllister kennen. Schon bald verlieben sich die beiden, doch Lyle ist bereits verlobt. Er verlässt Elena, um in seine Heimat zurückzukehren und dort seine Verlobte zu heiraten, die ein Kind von ihm erwartet. Dass Elena ebenfalls von ihm schwanger ist, weiß er nicht. Elena hält ihre Schwangerschaft geheim und gehorcht ihrem Vater, den von ihm ausgewählten Ehemann zu heiraten: den Italiener Aldo, mit dem sie nach der Hochzeit nach Australien auswandert, um dort im Outback eine Farm zu betreiben. Doch das Leben dort ist nicht so einfach, Elena muss ebenfalls überall mit anpacken, damit die kleine Familie einigermaßen über die Runden kommt. Nach vielen Jahren will es ein Zufall, dass sich Elena und Lyle plötzlich wieder aufeinander treffen…
Elizabeth Haran hat mit „Der Glanz des Südsterns“ einen unterhaltsamen und berührenden Liebesroman vorgelegt, der den Leser für eine schöne Auszeit in die Vergangenheit und nach Australien katapultiert. Der flüssige, farbenprächtige und gefühlvolle Erzählstil lässt den Leser schnell an Elenas Seite gleiten, wo er ihr bei ihren Erlebnissen über die Schulter schauen darf. Elena erleidet mit ihrer ersten großen Liebe Schiffbruch und muss sich den Gegebenheiten fügen. Im vergangenen Jahrhundert wurde zu ihrer Zeit eine unverheiratete schwangere Frau von der Gesellschaft ausgegrenzt. So macht Elena das Beste daraus, ihren Zustand zu verheimlichen und lässt sich auf eine arrangierte Ehe ein, die ihr Vater vermittelt hat. Die Reise vom beschaulichen England in die australische Wildnis ist ein regelrechter Kulturschock für Elena, die Arbeit auf der Farm ist hart und jeden Tag ein Kampf ums Überleben. All ihre Träume muss Elena nach und nach aufgeben, das Leben lässt sie durch eine harte Schule gehen. Die Autorin lässt den Leser teilhaben an Elenas Schicksalsschlägen, die bei ihm eine wahre Achterbahn der Gefühle hervorrufen. Die Landschaftsbeschreibungen untermalen das Leben von Elena und Aldo im Outback sehr bildhaft, so dass der Leser ein wahres Kopfkino erleben darf. Obwohl die Handlung recht vorhersehbar und der Spannungslevel nicht sehr hoch angelegt ist, kann der Leser aufgrund der emotional fesselnden Geschichte das Buch kaum aus der Hand legen.
Die Charaktere sind mit viel Liebe in Szene gesetzt. Sie sind mit glaubwürdigen Eigenschaften ausgestattet und nehmen den Leser in ihre Mitte, der ihr Schicksal mit ihnen teilt und hofft und bangt. Elena wirkt zu Beginn noch etwas naiv und verträumt, doch das Leben holt sie schnell genug in die Realität. Sie ist hilfsbereit, offen und fleißig. Lyle ist ein netter Mann, der allerdings recht leichtfertig mit dem Schicksal anderer spielt. Erst später wirkt er verantwortungsvoller und damit sympathischer.
„Der Glanz des Südsterns“ ist ein farbenprächtiger und gefühlvoller Roman, der zu einer Reise in die Vergangenheit einlädt und dem Leser neben Schicksalsschlägen und Liebe so manches Geheimnis offenbart. Die exotische Kulisse Australiens bietet den idealen Hintergrund für diese berührende Geschichte. Verdiente Leseempfehlung für einen schönen Schmöker!

Veröffentlicht am 23.12.2021

"Sei die Heldin deines Lebens, nicht das Opfer." (Nora Ephron)

Die Hafenärztin. Ein Leben für die Freiheit der Frauen (Hafenärztin 1)
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1910 Hamburg. Mit der Eröffnung eines Frauenhauses im Hafenviertel gemeinsam mit dem Verein Frauenwohl hat die junge englische Ärztin Anne Fitzpatrick sich einen Wunsch erfüllt, denn sie möchte Frauen ...

1910 Hamburg. Mit der Eröffnung eines Frauenhauses im Hafenviertel gemeinsam mit dem Verein Frauenwohl hat die junge englische Ärztin Anne Fitzpatrick sich einen Wunsch erfüllt, denn sie möchte Frauen und Kindern in Not Hilfe und Unterstützung anbieten. Ein doppelter Leichenfund macht allerdings erst einmal alle Hoffnungen zunichte, denn alle meiden die Gegend deswegen wie die Pest. Als die Pastorentochter Helene Curtis vor ihrer Tür steht und ihre Mitarbeit anbietet, gibt Anne ihr eine Chance. Währenddessen versucht Kommisssar Berthold Rheydt, die Morde aufzuklären und trifft bei seinen Ermittlungen auf Anne...

Henrike Engel hat mit „Ein Leben für die Freiheit der Frauen“ den ersten Band ihrer historischen Hafenärztin-Trilogie vorgelegt, der mit sowohl mit kriminalistischen Elementen als auch mit einer starken Protagonistin den Leser in seinen Bann schlägt. Der flüssige, bildhafte und einfühlsame Erzählstil lässt den Leser eine Zeitreise ins vergangene Jahrhundert antreten, um sich dort im Hamburger Hafenviertel wiederzufinden, wo er auf die engagierte Engländerin Anne Fitzpatrick trifft, die dort als Ärztin tätig ist. Ihr Studium hat sie in England absolviert und wird nun als eine der ersten Ärztinnen in Deutschland tätig, was zur damaligen Zeit noch ein Novum war, denn sie dringt damit in eine bisher von Männern dominierte Welt ein. Sie hat England den Rücken gekehrt und lebt nun inkognito in Hamburg. Mit Helene Curtis bekommt sie eine moderne junge Frau an die Seite gestellt, die im Leben etwas erreichen und nicht als Hausfrau und Mutter enden will.
Der dritte im Bunde ist Kommissar Berthold Rheydt, der zum ersten Mal selbständig einen Mord aufklären soll und seine Sache unbedingt gut machen möchte. Über wechselnde Perspektiven lässt die Autorin den Leser ihre Protagonisten, deren Wirken und Wesen kennenlernen und treibt dabei unschwellig die Spannung der Handlung immer weiter in die Höhe. Der Leser springt mal an die Seite von Anne, um sich kurz darauf an Helenes oder Bertholds Fersen zu heften. Gleichzeitig verwebt Engel das Treiben im historischen Hamburg wunderbar mit ihrer Geschichte. Die Frauenbewegung hält langsam Einzug in Deutschland und kämpft für Gleichberechtigung und das Wahlrecht, was auch bei Helene auf Zustimmung und Begeisterung stößt. Die Eröffnung des Frauenhauses schürt Ängste und auch Widerstand, zusätzlich sorgt der doppelte Leichenfund dafür, dass die Gegend in Verruf gerät und sich niemand mehr dort blicken lässt. Die Autorin gewährt einen spannenden Einblick in das Leben im Hafenviertel zur damaligen Zeit, wobei sie auch das Bild der Frau zur damaligen Zeit sehr schön wiederspiegelt.

Die Charaktere sind liebevoll ausgestaltet und mit glaubhaften menschlichen Eigenschaften versehen, die den Leser schnell von sich überzeugen. Dieser folgt ihnen auf Schritt und Tritt bei ihrem Abenteuer. Anne ist eine freundliche, hilfsbereite und engagierte Frau, die allerdings ein Geheimnis zu verbergen sucht. Sie hat sich der Unterstützung von bedürftigen Frauen und Kindern verschrieben. Sie arbeitet bis zum Umfallen, nur um nicht allein mit ihren Gedanken zu sein. Gleichzeitig ist sie eine mutige und starke Frau. Auch Helene besitzt genügend Eifer und Fleiß, hat moderne Ansichten, ist sportlich und vor allem eigensinnig. Berthold kämpft noch mit persönlichen Verlusten, gleichzeitig arbeitet er mit modernen Ermittlungsmethoden und will sich bei seinem ersten Mordfall unbedingt beweisen.

„Ein Leben für die Freiheit der Frauen“ ist mit seinem Mix aus Krimi und Gesellschaftsroman mit historischem Hintergrund ein gelungener und spannender Einstieg in die neue Trilogie von Henrike Engel. Sympathische Protagonisten, die so einige Geheimnisse in sich tragen, überzeugen ebenso wie die Mordermittlungen. Verdiente Empfehlung für eine spannende und gut durchdachte Geschichte!

Veröffentlicht am 23.12.2021

"Wer in der Zukunft lesen will, muss in der Vergangenheit blättern." (André Malraux)

Inselträume und Meer
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Seit Jahren ist die spanische Insel Mallorca Josy zur neuen Heimat geworden, denn sie ist vor ihrer schwierigen und vereinnahmenden Mutter geflohen. Mit viel Arbeit und Herzblut hat sie sich den Traum ...

Seit Jahren ist die spanische Insel Mallorca Josy zur neuen Heimat geworden, denn sie ist vor ihrer schwierigen und vereinnahmenden Mutter geflohen. Mit viel Arbeit und Herzblut hat sie sich den Traum eines eigenen kleinen Ladens verwirklicht, der schon mit seinem Namen „Schokoladenglück und Meer“ viele Köstlichkeiten verspricht, die Josy dort ihren Kunden anbietet. Nebenbei betätigt sie sich auch als Delfin-Tour-Guide und begleitet die Touristen aufs Meer hinaus, wo diese dann die wunderschönen Meeresgeschöpfe beobachten können. Als auf einmal keine Delfine mehr zu sehen sind und die Touren deswegen ausfallen müssen, sieht sich Josy zusehends schlechten Internetbewertungen gegenüber. Gemeinsam mit neu gewonnenen Freundinnen versucht Josy herauszufinden, was mit den Delfinen passiert ist. Als dann zu all dem Streß auch noch ihre Mutter mit ihrem neuen Liebhaber Tommy Mallorca einen Besuch abstattet und Josy auch noch ihrem Ex-Freund Eric über den Weg läuft, an dem sie immer noch hängt, jedoch nur traurige Erinnerungen hat, ist das Chaos in Josys eigentlich beschaulichem Leben perfekt...

Anja Saskia Beyer hat mit „Inselträume und Meer“ den zweiten Band ihrer Mallorca-Saga vorgelegt, der dem Leser mit wunderschönen Landschaftsbeschreibungen eine Winterauszeit gönnt und ihn zudem mit einer abwechlsungsreichen Handlung verwöhnt. Der flüssige, farbenfrohe und gefühlvolle Erzählstil spendiert dem Leser eine Reise auf die Baleareninsel Mallorca, wo er Josy und ihr Leben kennenlernt, wobei ihm ihre Gedanken- und Gefühlswelt auch nicht verborgen bleiben. Josy hat mit ihrer Flucht aus Deutschland ihre alte Haut abgestreift, um neu anzufangen und sich ein neues Leben aufzubauen. Doch die Erinnerungen an die Vergangenheit wird sie dort auch nicht los, kann sie nur verdrängen. Das wird vor allem deutlich, als ihre Mutter auf einmal vor ihr steht, vor der sie eigentlich geflohen ist. Es dauert, bis sich die beiden endlich aussprechen und die Schwierigkeiten miteinander aus dem Weg räumen. Auch eine alte Liebe sowie berufliche Sorgen machen Josy zu schaffen. Aber hier verbindet sich beides auf schöne und gefühlvolle Weise, so dass am Ende gemeinsam eine Lösung gefunden wird. Die Autorin malt mit ihren farbenprächtigen Beschreibungen der Insel und Josys kleinem Café wunderbare Bilder im Kopf des Lesers, der an Josys Fersen geheftet einiges Herausforderungen miterlebt und sogar mit auf Delfinbeobachtungstour gehen darf. Die Spannung bleibt zwar im Mittelfeld, jedoch schafft es Beyer mühelos, dem Leser eine wunderbare Auszeit vom Alltag zu schenken. Gleichzeitig macht sie ihm den Mund wässrig mit den ausgesuchten Köstlichkeiten, die in Josys Café serviert werden.

Die Charaktere sind liebevoll gestaltet und ins Bild gesetzt. Realistische menschliche Eigenschaften lassen sie dem Leser schnell ans Herz wachsen, der ihnen unauffällig bei ihren Eskapaden folgt und sich gleichzeitig als Teil von ihnen fühlt. Josy ist eine freundliche, hilfsbereite und fleißige Frau, die alles für ihre Träume tut und auch anderen jederzeit ihre Unterstützung gewährt. Ihre Mutter ist ein anderes Kaliber, ständig meckert und jammert sie, nichts kann man ihr recht machen. Sie führt sich auf wie ein zu großgewachsenes Kind statt wie eine Erwachsene und geht allen damit auf die Nerven. Kein Wunder, dass Josy Reißaus genommen hat. Eric ist ein netter, hilfsbereiter Mann, der Josys Vertrauen zurückgewinnen will. Aber auch Josys Freundinnen sind jede für sich eine Bank, auf die Josy bauen kann.

„Inselträume und Meer“ lässt den Leser gedanklich eine wunderschöne Reise nach Mallorca antreten, um dort nicht nur die sagenhafte Natur mit all ihren Möglichkeiten zu entdecken, sondern auch nette Charaktere kennenzulernen, die ihm ans Herz wachsen. Eine schöne Geschichte, die Liebe, Schwierigkeiten und Inselsetting in sich vereint. Verdiente Leseempfehlung für eine Auszeit vom Winter!

Veröffentlicht am 12.12.2021

Zerreißprobe

Die Patisserie am Münsterplatz – Neuanfang
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1940. Der Zweite Weltkrieg hält auch Straßburg in seinen Klauen, die Stadt ist besetzt, viele Einwohner haben das Weite gesucht, nur Louise Picard hält mit ihrer Großmutter Ida die Stellung in der familieneigenen ...

1940. Der Zweite Weltkrieg hält auch Straßburg in seinen Klauen, die Stadt ist besetzt, viele Einwohner haben das Weite gesucht, nur Louise Picard hält mit ihrer Großmutter Ida die Stellung in der familieneigenen Feinbäckerei. Das Schicksal spielt Louise einen bösen Streich, denn ausgerechnet ein Soldat der deutschen Wehrmacht verdreht ihr den Kopf. Erneut wird alles Französische verdrängt und während die deutsche Sprache wieder Einzug hält sowie alle Straßenzüge umbenannt werden, steht es schlimm um die jüdische Bevölkerung. Auch Louises Familienangehörigen sind davon betroffen, denn während Ida und ihr Ehemann ums Überleben kämpfen, folgt ihr Sohn der Nazipropaganda nur zu gern. Und Josephines Sohn Clement hat schwer daran zu knabbern, dass ausgerechnet seine große Liebe Louise sich in einen Deutschen verliebt hat. Clement schließt sich mit seiner Schwester Suzette heimlich dem Widerstand an. Bricht die Familie nun endgültig entzwei?
Das Autorenduo hinter dem Pseudonym Charlotte Jacobi hat mit „Neuanfang“ den finalen Band ihrer Patisserie-Trilogie vorgelegt, in dem der Leser nochmals ins elsässische Straßburg des vergangenen Jahrhunderts reisen darf, um das weitere Schicksal der Familie Picard-Tritschler mitzuverfolgen. Der flüssige, bildhafte und einfühlsame Erzählstil bringt den Leser in eine zerrissene Stadt, in der die deutsche Wehrmacht die Oberhand hat. Erneut müssen die Bewohner miterleben, wie alles Französische dem Erdboden gleich gemacht wird und nun das Deutsche wieder vorherrscht. Inzwischen ist die junge Garde der Familie am Start, wobei sie Unterstützung durch die älteren Generationen bekommen. Die Autoren haben den historischen Hintergrund gut recherchiert und ihrer Handlung unterlegt. Die Gesellschaft wird durch die Nazis gespalten, deren Verbote und Repressalien gegen Juden auch hier zum Tragen kommen. Sogar innerhalb der Familie zieht sich der Riss, denn während die einen um ihre Lieben mit jüdischem Hintergrund bangen, werden andere von der Nazipropaganda angezogen wie die Motten vom Licht. Gleichzeitig versucht gerade Louise, die Feinbäckerei mit Hilfe ihrer Großmutter am Laufen zu halten, so dass das Geschäft den Krieg überlebt. Farbenfrohe Beschreibungen der Örtlichkeiten lassen beim Leser schnell das Kopfkino anspringen, der sich mitten unter den Familienangehörigen wähnt und gespannt verfolgt, wer sich wie entscheidet und ob die Familie nach Pauls Rückkehr aus Stuttgart endgültig auseinanderbricht. Der Spannungslevel zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte und lässt den Leser regelrecht an den Seiten kleben.
Die Charaktere haben sich weiterentwickelt, neue sind dazugekommen, doch allesamt sind liebevoll und glaubwürdig inszeniert, so dass es dem Leser nicht schwer fällt, sich unter sie zu mischen und mitzufiebern. Louise ist eine fleißige, junge Frau, die die Familie durch ihre Liaison in die Bredouille bringt. Ida ist die graue Eminenz, freundlich, hilfsbereit und immer mit einem guten Rat an der Hand, dabei fürchtet sie um ihren Ehemann. Clement und Susette halten zusammen und bekämpfen die Nazis aus dem Widerstand, während sich Francois von der Nazipropaganda blenden lässt.
„Neuanfang“ ist ein gelungener Abschluss der Trilogie, der mit einem schönen Mix aus Familiengeschichte, Historie sowie Liebe, Hoffnung und Zuversicht dem Leser eine abwechslungsreiche Lektüre beschert. Verdiente Lesempfehlung!