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Venatrix

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 19.12.2021

Hat mich nicht überzeugt

Josefstadt
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Satirisch, überraschend und hochaktuell. Während eines Kindergeburtstags in der Wiener Josefstadt wird ein junger Mann erstochen, doch keiner der Anwesenden will etwas bemerkt haben. Schon bald taucht ...

Satirisch, überraschend und hochaktuell. Während eines Kindergeburtstags in der Wiener Josefstadt wird ein junger Mann erstochen, doch keiner der Anwesenden will etwas bemerkt haben. Schon bald taucht ein Foto des Toten auf Facebook auf und wird zur Stimmungsmache gegen Geflüchtete genutzt – das Opfer stammte aus Afghanistan. Chefinspektor Giorgos Hansmann macht sich an die Ermittlungen, und hinter der Fassade von Öko-Eltern und Willkommenskultur tun sich garstige Abgründe auf.

So weit der Klappentext.

Meine Meinung:

Grundsätzlich haben mir die Idee und das Setting sehr gut gefallen. Die Ausführung selbst hat mir nicht so gut gefallen. Es mag zwar dem momentanen Mainstream entsprechen, dass Dialoge als Chatprotokolle abgebildet werden, aber ich kann dieser Art zu schreiben nur wenig abgewinnen.

Gut getroffen ist das Gehabe, der als Bobos bezeichneten, Gesellschaftsgruppe, die sich offenherzig geben, aber im Grunde dies gar nicht sind. Neben Bio und Selbstbestimmungsrecht auch für Kleinkinder, kommt eine rechte bzw. rechtsextreme Haltung mancher Eltern zum Vorschein, die die vorgebliche Weltoffenheit ad absurdum führt. Dabei sind einige der Mitglieder in ihren Vorgaben, was zu geschehen hat, doch eher militant.

Interessant ist die Reduzierung der Kindergruppeneltern auf ihr „Amt“ also auf ihren Beitrag in der Gruppe: das „Neue-Eltern-Amt“, das „Brandschutz-Amt“. So wird den Personen ihre Eigenständigkeit abgesprochen und auf eine Funktion beschränkt. Auch in Wirklichkeit werden die Eltern auf „das ist die Mama von ...“ reduziert. Das hat mich zur Kindergartenzeit unseres Sohnes schon sehr gestört, dass ich quasi als Anhängsel des Kindes angesehen worden bin.
Hier wird das auf die Spitze getrieben.

Die eigentlichen Ermittlungen erweisen sich als wenig spannend, wie es eben im echten Polizeialltag üblich ist. Ein bisschen Kick kommt in die Handlung, weil der Ermittler und seine Frau, ebenfalls Polizistin, selbst zwei Kinder haben. Für den Sohn wird die in nächster Zukunft ein Betreuungsplatz gesucht. Doch ob diese alternative Kindergruppe die Richtige sein kann, wage ich zu bezweifeln. Denn bei aller angeblich freigeistiger Haltung der Gruppe sind die Regeln enger gesteckt als in einem städtischen Kindergarten.

Passend zum Hintergrund der Story sind auf dem Cover Gründerzeithäuser abgebildet.

Fazit:

Vom Klappentext habe ich mit mehr versprochen, daher nur 3 Sterne.

Veröffentlicht am 13.12.2021

leider etwas langatmig

Commodus
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Nach „Caligula“ hat sich Autor Simon Turney einem weiteren Imperator Roms gewidmet, der nicht unbedingt als Sympathieträger bekannt ist: Commodus.

Commodus ist den meisten wahrscheinlich durch den Film ...

Nach „Caligula“ hat sich Autor Simon Turney einem weiteren Imperator Roms gewidmet, der nicht unbedingt als Sympathieträger bekannt ist: Commodus.

Commodus ist den meisten wahrscheinlich durch den Film „Der Gladiator“ bekannt, indem er, dargestellt von Joaquin Phoenix, als Gegenspieler von General Maximus (Russel Crowe) auftritt. Doch stimmt dieses Bild, das wir von Commodus haben wirklich?

Autor Simon Turney schreibt diesen historischen und nicht biografischen Roman im eigentlichen Sinn, aus Sicht von Marcia, Tochter einer freigelassenen Sklavin und Weggefährtin von Commodus‘. Wie Commodus hat auch Marcia gegen ihre eigenen inneren Dämonen zu kämpfen. Commodus hat von seinem Vater Marcus Aurelius ein befriedetes Römisches Reich übernommen. Dennoch gelingt es ihm nicht, das ausgedehnte Reich im Sinne Marcus Aurelius weiterzuführen. Binnen kurzer Zeit regieren Chaos und Verzweiflung.

Aufgrund seiner Auffälligkeiten und Verfehlungen dem Römischen Reich gegenüber, verfällt er nach seinem gewaltsamen Tod der damnatio memoriae und die Vergöttlichung wurde ihm verwehrt.

Meine Meinung:

Da über Commodus wenig authentisches Material zur Verfügung steht, hat Autor Simon Turney zum Kunstgriff gegriffen, den Herrscher aus der Perspektive von Marcia zu beleuchten. Doch hier kommt, für meinen Geschmack, Commodus zu wenig Bedeutung zu. Es ist mehr Marcias Leben, das erzählt wird. Dass sie es als Christin in einem durch zahlreiche römische Gottheiten und den Mithras-Kult, der unter Soldaten beliebt war, nicht leicht hatte, ist wohl einzusehen. Allerdings wirkt Marcia nicht sehr sympathisch auf mich. Sie ist machtbesessen und manipulativ. Ist sie deswegen Commodus Konkubine und von ihm wohl gelitten, weil sie ihm sehr ähnlich ist? Es wundert daher auch nicht, dass sie im Hintergrund Fäden zieht.

Dabei hätte Commodus durchaus gute Chancen in der Römischen Welt zu bestehen. Als leiblicher Sohn eines verehrten Kaisers könnte er Stabilität für das Reich bedeuten. Doch muss er von Kindheit an eine Reihe von Schicksalsschlägen hinnehmen wie den Tod mehrerer Familienangehöriger. Es scheint, als ob Commodus ob der Traumata eine Art bipolare Störung (die damals keiner weder diagnostizieren noch behandeln konnte) ausgebildet.

Stellenweise ist das Buch leider sehr langatmig, was auch durch die nur sehr sparsam eingesetzten Dialoge erklärbar ist. Als Sachbuch ist es allerdings auch nicht wirklich zu werten, dazu fehlen die historischen Fakten. Dennoch hat Simon Turney viel recherchiert, um das Römische Reich um 185 n. Chr. in seiner Verwundbarkeit darzustellen. Wie er in seinem Nachwort erklärt, hat er sich hauptsächlich auf drei Quellen gestützt: auf Cassius Dio, Herodian und auf die „Historia Augusta“ die erst mehr 200 Jahre nach Commodus Tod geschrieben und entsprechende Fehlinterpretationen aufweist.

Für diejenigen, die in der Welt der Römer und ihrem Fachvokabular nicht so firm sind, gibt es ein ausführliches Glossar.

Das rote Cover passt perfekt zu Simon Turneys „Caligula“, das in blau gehalten ist.

Fazit:

Der Darstellung des Römischen Kaisers, der nicht unbedingt als Sympathieträger bekannt ist, gebe ich gerne 3 Sterne.

Veröffentlicht am 13.12.2021

Hat mich nicht vollends überzeugt

Groumdeifl
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In ihrem 4. gemeinsamen Fall tauchen die Versicherungsdetektive Agathe Viersen und Gerhard Leitner in die Welt des Brauchtums ein.

Endlich sind die Baumaschinen auf der Hauptstraße abgezogen und die ...

In ihrem 4. gemeinsamen Fall tauchen die Versicherungsdetektive Agathe Viersen und Gerhard Leitner in die Welt des Brauchtums ein.

Endlich sind die Baumaschinen auf der Hauptstraße abgezogen und die Oberflächen fertiggestellt, als ein Wasserrohrbruch gemeldet wird. Also, auf muss die Straße erneut aufgerissen werden. Allerdings findet man nicht nur ein schadhaftes Wasserrohr, sondern auch die, als Teufel kostümierte Leiche von Harry Spiegler. Während sich die Kriminalpolizei wie gewöhnlich um die Tat und den Täter kümmern wird, sollen die beiden Versicherungsdetektive herausfinden, ob der Rohrbruch eine Folge des Vergrabens der Leiche war oder nicht und ob, die Versicherungsgesellschaft Schadenersatz leisten muss.

Meine Meinung:

Für mich ist das der erste Fall der beiden Versicherungsdetektive. Diese Perspektive ist interessant. Agathe und Gerhard gehen ähnlich wie die Polizei vor, befragen Freunde, Bekannte und Verwandte des Opfers. Doch was sie dabei erfahren, zeigt, dass Harry Spiegler alles andere als ein Sympathieträger war. Gleich mehrere Personen hätten einen Grund, ihn zum Teufel zu wünschen.

Bei den Ermittlungen tauchen wir gemeinsam mit Agathe und Gerhard in das Brauchtum von Perchten und Passen ein. Das ist als Hintergrund eines Winter-Krimis eine gute Kulisse. Ich persönlich kann diesen lärmenden Gruppen nichts abgewinnen. Der Titel „Groumdeifl“ heißt nichts anderes als „Grubenteufel“. Bei uns in Österreich würde man wohl „Gruamteifl“ sagen.

Die Arbeitsweise der beiden Versicherungsdetektive erfordert vollen Körpereinsatz, bei dem Gerhard auch nicht davor zurückschreckt, ein Verhältnis mit der Ex-Freundin des Opfers einzugehen. Hier ist es gut, dass er kein Polizist ist, denn das ist meiner Ansicht nach höchst unprofessionell.

Fazit:

Ein Oberpfalz-Krimi, der vom besonderen Lokalkolorit lebt, aber nicht ganz meinen Geschmack getroffen hat. Daher gibt es nur 3 Sterne.

Veröffentlicht am 06.12.2021

Nicht einfach zu lesen

Der Silberfuchs meiner Mutter
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Als die Norwegerin Gerd Hörvold 1941 von Anton Halbleben, einem deutschen Besatzungssoldaten, schwanger wird, wird sie als Nazi-Hure beschimpft und muss ihre Heimat. Nach einer langen Odyssee erreicht ...

Als die Norwegerin Gerd Hörvold 1941 von Anton Halbleben, einem deutschen Besatzungssoldaten, schwanger wird, wird sie als Nazi-Hure beschimpft und muss ihre Heimat. Nach einer langen Odyssee erreicht sie Hohenems in Österreich, wo
Antons Familie lebt. Doch statt Aufnahme erlebt sie Ablehnung und muss das Kind, Heinz, in ein Kinderheim geben, weil sie auf Grund ihrer Epilepsie und der Umstände nicht in der Lage ist, für ihren Sohn zu sorgen. Erst 1946 kann sie Heinz zu sich holen und schlägt sich so recht und schlecht in Lustenau durchs Leben. Heinz ist mit der Situation überfordert, versteht die reale Welt nicht und flüchtet sich in die Scheinwelt des Theaters und später in den Film.

Meine Meinung:

Obwohl das Buch nur 224 Seiten hat, habe ich diesmal ein wenig länger als üblich gebraucht es zu beenden. Ursache dafür ist die teilweise raue, abgehackte Sprache, mit der der Autor seinen Lesern die Erinnerungsfetzen des alternden Heinz näherbringt. Zeit seines Lebens ist Heinz auf der Suche nach seinem Vater und entwickelt, da er keine Antworten bekommt, eigenen Fantasien über seine Wurzeln. Die wenigen schönen Momente seiner Kindheit und Jugend im engen, konservativen Vorarlberg, werden regelmäßig von den Fragen nach dem Warum und Wieso überlagert. Selbst Jahre später stößt Heinz auf beharrliches Schweigen der Kriegsgeneration.
Heinz flüchtet in diverse (Theater)Rollen, die ihn auch im Alltag nicht loslassen.
Die Erinnerungen des Ich-Erzählers sind nicht immer leicht zu lesen. Stellenweise ist der Monolog ein wenig ausufernd und langatmig. Zahlreiche lose Enden bleiben übrig. Dennoch ist die Erzählung ein Stück Zeitgeschichte, denn ähnliche Schicksale sind dokumentiert. Der eine oder andere Betroffene kann besser mit den Lücken und Brüchen in seinem Leben umgehen. Heinz bleibt ein ewig Suchender, Teil einer verlorenen Generation.

Fazit:

Eine nicht einfach zu lesende (Lebens)Geschichte eines Mannes, der die Lücken in seinem Leben zu schließen versucht. Gerne gebe ich hier 3 Sterne.

Veröffentlicht am 24.11.2021

Hat mich zwiegespalten zurückgelassen

Kaiserdämmerung
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Zunächst fällt einmal auf, dass im Titel eine wichtige Hauptstadt fehlt: Wien, immerhin die Hauptstadt der Donaumonarchie Österreich-Ungarn. Das missfällt mir als Österreicherin sehr.

1871 also vor 150 ...

Zunächst fällt einmal auf, dass im Titel eine wichtige Hauptstadt fehlt: Wien, immerhin die Hauptstadt der Donaumonarchie Österreich-Ungarn. Das missfällt mir als Österreicherin sehr.

1871 also vor 150 Jahren wurde das deutsche Kaiserreich gegründet. Zu diesem Jubiläum sind etliche Sachbücher erschienen wie auch zum Erbe dieser Zeit. Der Historiker Rainer F. Schmidt beschreibt das Wilhelminische Reich vom Abgang Bismarcks als Reichskanzler bis zum Ende des Ersten Weltkriegs.

In acht Kapiteln, die jeweils noch in Unterabschnitte gegliedert sind, versucht Rainer F. Schmidt die Geschichte vom Aufstieg und Untergang des deutschen Kaiserreichs im großen europäischen Kontext darzustellen.

Die „Urkatastrophe“ und die Frage nach der Verantwortung
Zur Signatur der Epoche um die Jahrhundertwende
Zur Anatomie des Wilhelminischen Reiches - Strukturen und Kräfte zwischen 1890 und 1914
Die Innenpolitik der Wilhelminischen Ära (1890-1914)
Die Außenpolitik der Wilhelminischen Ära (1890-1914)
Der Kriegsausbruch
Der Weltkrieg (1914-1918)
Epilog

Meine Meinung:

Sehr detailliert geht Rainer F. Schmidt auf die Regierungszeit von Wilhelm II. und seine Persönlichkeit ein. Eine Persönlichkeit, die mit seiner erzkonservativen Auffassung eines Herrschers einer konstitutionellen Monarchie mit Argwohn begegnet. Auch wenn ein Parlament den Anschein erwecken soll, dass der Kaiser nicht autokratisch regiert, tut er das indirekt. Kein Regierungsamt, sei es auch noch so klein und unbedeutend, das nicht das Placet des Kaisers benötigt. Nach dem Hinauswurf von Bismarck, (dessen erklärter Fan Schmidt ist) üben einige mehr oder weniger fähige Kanzler dieses Amt aus.

Während seiner dreißigjährigen Regierungszeit versucht er Deutschland zu einem Global Player aufzurüsten und scheitert 1918 grandios. Seine auf Expansion gerichtete Außenpolitik und seine auf Bewahrung der herrschenden Eliten im Inneren, konnten nur scheitern. Hier wurde der Kaiser (absichtlich?) schlecht beraten und hat die wenigen Mahner aus seinem Umkreis entfernt. Diese katastrophale Negierung der Verhältnisse führen u.a. in den Ersten Weltkrieg.

In weiterer Folge verliert sich der Autor stellenweise in zahlreichen Details, die den Leser manchmal ermüden. So erfahren wir auf rund 100 Seiten über die Erotomanie von Gortschakow, die jetzt meiner Meinung nach mit den ursächlichen Thema wenig zu haben, aber vermutlich den trockenen Stoff ebenso auflockern sollen wie andere Anekdoten.

Fazit:


Das Buch lässt mich in wenig zwiegespalten zurück. Vor allem deswegen, weil Österreich-Ungarn genauso wie das Zarenreich gefühlsmäßig nur als Randnotiz vorkommt und so ein Ungleichgewicht zugunsten Deutschlands entsteht. Ich habe eine etwas andere Erwartung an das Buch gehabt. Deshalb vergebe ich nur 3 Sterne.