Profilbild von EmmaWinter

EmmaWinter

Lesejury Star
offline

EmmaWinter ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit EmmaWinter über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 02.03.2022

Auftauchen mit Huhn, Hund und Helmut

Marianengraben
0

Der Unfalltod ihres kleines Bruders hat Paula aus der Bahn geworfen. Sie steckt schon lange in einer tiefen Depression, als sie sich endlich entschließt, das Grab von Tim zu besuchen, mitten in der Nacht. ...

Der Unfalltod ihres kleines Bruders hat Paula aus der Bahn geworfen. Sie steckt schon lange in einer tiefen Depression, als sie sich endlich entschließt, das Grab von Tim zu besuchen, mitten in der Nacht. Aber sie ist nicht allein. Helmut, über achtzig und ziemlich kauzig, ist ebenfalls zwischen den Gräbern unterwegs. Ehe Paula sich versieht, ist sie gemeinsam mit Helmut und seinem Hund in einem klapprigen Wohnmobil Richtung Süden unterwegs.

Das Buch von Jasmin Schreiber hat mich sehr gut unterhalten, wie schon so viele vor mir. Wahrscheinlich bin ich eine der letzten, die es noch nicht gelesen hatte. Ich wurde nicht enttäuscht. Die Themen Tod, Trauer und Verlust werden ehrlich, warmherzig und verständnisvoll behandelt. Die Geschichte von Paula und Helmut und ihren Verlusten ist tieftraurig und oft einfach urkomisch. Schreiber ist eine großartige Beobachterin, die den kleinsten Tieren Aufmerksamkeit schenkt und dadurch das Leben feiert. Die Beschreibung der Wanze ist großartig. Es gibt viel Elemente, die mir gut gefallen haben: Der lockere Schreibstil, den man so schön lesen kann, die witzigen Dialoge, die treffenden Wahrheiten und die Figuren. Die Autorin beschränkt sich auf wenig Personal und bleibt ganz dicht bei Paula und Helmut und den Menschen, die sie verlorenen haben. Es verbreitet sich eine positive Wirkung, wenn mithilfe von Lutz und Judy der Rückweg ins Leben gelingt. Wunderbar ist die Idee des Auftauchens aus dem Marianengraben der Depression, in dem sich jedes Kapitel durch die Überschrift weiter an die Oberfläche arbeitet.

Dass die Autorin Biologin und Sterbebegleiterin ist, macht den Kern des Buches so ehrlich und glaubwürdig - nicht die Story an sich, denn da wäre schon bei der Trittleiter an der Friedhofsmauer Schluss gewesen, und das wiederum wäre sehr schade gewesen. Ich kann "Marianengraben" uneingeschränkt empfehlen für die wenigen, die das Buch noch nicht gelesen haben.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 29.01.2022

Das Salz in der Suppe

Bergsalz
0

Wie der eisige Wind zunächst die Gipfel der Berge umweht, um dann ins Tal hinabzugleiten, sich als Föhn ins Dorf schleicht und dort durch die Ritzen der alten Häuser schließlich bei der Protagonistin Franzi ...

Wie der eisige Wind zunächst die Gipfel der Berge umweht, um dann ins Tal hinabzugleiten, sich als Föhn ins Dorf schleicht und dort durch die Ritzen der alten Häuser schließlich bei der Protagonistin Franzi in der Küche landet, ist eine wunderschöne Einleitung des Romans. Franzi kocht für sich allein das Mittagessen, als es klingelt. Völlig unverhofft und zu einer völlig unpassenden Zeit. Johanna steht vor der Tür, gerade Witwe geworden und indem Franzi sie in die Küche bittet, um mit ihr gemeinsam zu essen, wird eine Kettenreaktion in Gang gesetzt, die ihresgleichen sucht. Die vielen einsamen älteren Frauen des kleinen Alpendorfes schließen sich zusammen, mit ihren großen Gemüsegärten und Unmengen von Eingewecktem und Gelagertem und bemerken bald, dass mehr Platz her muss, Platz zum Kochen und Platz zum Essen. Warum nicht das alte Gasthaus wieder in Gang bringen? Und warum nicht die Menschen, die im oberen Stock wohnen, gleich mitversorgen?

So warmherzig und liebevoll läßt Karin Kalisa ihre Figuren durch den kleinen Roman (197 Seiten) gehen, das war für mich sehr anrührend. Ihr Schreibstil hat mich an Mariana Leky (Was man von hier aus sehen kann) erinnert. Einsamkeit und das Alleinsein (nicht nur im Alter) werden thematisiert: "Die Rezepte [...] fingen in kleinster Größe an mit: für zwei Personen. Für eine allein war dort nicht vorgesehen, gab's nicht, auch wenn es gang und gäbe war, dass eine für sich allein kochte oder eine allein für sich kochte, wie man es auch nahm - in beiden Fällen sachlich richtig und grundfalsch zugleich. Weil es sachlich richtig war, gab es dieses Füreineallein-Geschirr, das die schenkten, die den Tisch bevölkert hatten, bevor es der Füreineallein-Tisch geworden war." (S. 18)

In Einschüben wird das Dorfgeschehen vor 500 Jahren geschildert, als ein Hof im Dorf abgebaut und etwas außerhalb wieder aufgebaut wird, um Platz zu schaffen und die Felder wirtschaftlicher aufteilen zu können. Obwohl es immer wieder schöne Bezüge gibt (z.B. das Anklopfen der Nachbarn an die Türe), ergibt sich der Zusammenhang erst zum Schluss und er hat mir gut gefallen.

Nicht ganz so zufrieden war ich mit der letzten Szene von Franzi, die so ganz anders war als der Rest des Romans. Aber sei's drum, das Buch hat mich sehr gut unterhalten und trotz der überschaubaren Länge sind mir die Figuren ans Herz gewachsen. Der Roman ist mehr als die x-te Variante von Das-kleine- Café/Buchgeschäft/Hofladen-um-die-Ecke. Wenn Franzi und Esma über ihre Berge sprechen, dann ist da viel, viel mehr.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 03.01.2022

Die Tür zum Tod

Ausweglos
0

Elias Blom bearbeitet Verkehrsdelikte bei der Hamburger Polizei. Ein Abschiebegleis, denn vor weniger als drei Jahren war er noch der Star der Mordkommission. Allerdings hat der ungelöste Fall des Ringfingermörders ...

Elias Blom bearbeitet Verkehrsdelikte bei der Hamburger Polizei. Ein Abschiebegleis, denn vor weniger als drei Jahren war er noch der Star der Mordkommission. Allerdings hat der ungelöste Fall des Ringfingermörders ihm und seinem Kollegen das Genick gebrochen. Jetzt wird erneut eine Frauenleiche gefunden, die alle Merkmale des Serienkillers aufweist. Entgegen den Dienstvorschriften erhält Blom einen Anruf und ist als erster am Tatort. Kann er mit seinem Wissen über den Täter punkten? Alles weist darauf hin, dass der Mörder wieder aktiv ist. Der entscheidende Unterschied: Dieses Mal gibt es einen Zeugen.

Der Debütroman von Henri Faber besticht durch eine schlau konstruierte Geschichte und die Erzählweise. Es bleibt relativ unblutig und die drei Erzählerfiguren stehen im Mittelpunkt: Elias Bloom sowie Noah und Linda Klingberg, der Zeuge und seine Ehefrau, berichten abwechselnd aus ihrer Sicht das Geschehen. Einschübe aus Tätersicht füllen darüber hinaus Verständnislücken. Abwechselnd schauen wir tief in die Seelen der Charaktere und können dennoch nie sicher sein, wer die Wahrheit sagt und wer lügt. Blom könnte als Charakter noch ein bisschen Unterfutter gebrauchen, seine Figur ist sehr auf die des Ermittlers reduziert und bleibt daher etwas blass.

Der Thriller liest sich flott und eine Wendung und Drehung reiht sich an die nächste. In der Mitte wird es etwas langsamer, aber - wie so oft - klettert die Spannungskurve am Ende mit mehrfachem Salto nochmal in die Höhe.

Mehr als einmal dachte ich, dass ich auf der richtigen Fährte wäre, aber die Fallstricke und Winkelzüge sind raffiniert. Ein prima Thriller, den ich nicht weglegen konnte und der mich gut unterhalten hat. Fünf Sterne.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 23.12.2021

Königliches Lesevergnügen

Die souveräne Leserin
0

Die Queen verirrt sich auf der Suche nach ihren bellenden Corgis auf den Küchenhof des Palastes. Dort steht, wie jeden Mittwoch, der Wagen der fahrenden Bibliothek der City of Westminster. Aus Verlegenheit ...

Die Queen verirrt sich auf der Suche nach ihren bellenden Corgis auf den Küchenhof des Palastes. Dort steht, wie jeden Mittwoch, der Wagen der fahrenden Bibliothek der City of Westminster. Aus Verlegenheit entleiht die Queen ein Buch und setzt damit eine Leseleidenschaft in Gang, die nicht nur den Palast in Erstaunen versetzt, sondern auch Besorgnis auslöst. Unterstützt von ihrem Bücherbeauftragten Norman, einem ehemaligen Küchenangestellten, liest sich die Monarchin durch die Epochen und rund um die Welt. Sie, die eigentlich alles gesehen und miterlebt hat, ist fasziniert von den Möglichkeiten der Literatur.

Bennett stellt neben der Entwicklung von einer unerfahrenen zu einer souveränen Leserin (so der deutsche Titel) auch eine hoch sympathische Königin vor. Mit dem für Briten typisch trockenem Humor läßt er sie die neu entdeckte Leseleidenschaft gegenüber dem verschreckten Personal, internationalen Gästen und selbst dem Premierminister selbstsicher und ungefragt verbreiten.

Nimmt die Queen zu Beginn des schmalen Büchleins (120 Seiten) noch empfohlenen Lektüre an, geht sie bald dazu über, ihren Lesestoff selbst auszuwählen, um dann ihrerseits (nachdrücklich) Bücher zu empfehlen. Schließlich setzt sie sich intensiv mit den Werken auseinander und macht sich umfangreiche Notizen. Bei einem Bankett muss sie jedoch auch erkennen: "Authors, she decided, were probably best met with in the pages of their novels, and were as much creatures of the reader's imagination as the characters in their books." (S. 53) - Das Lesen verändert ihre Sicht auf die Dinge.

Ein vergnügliches und schlaues Buch hat Bennett hier geschrieben, das man problemlos in einem Rutsch lesen kann. Eine Hommage an die Kraft der Literatur, die selbst eine Queen aus der Bahn werfen kann. Fünf Sterne.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 17.12.2021

Gerichtsthriller der Extraklasse

Thirteen
0

Vorab: Der Thriller war richtig, richtig gut!

Eddie Flynn ist Strafverteidiger in New York. Er ist sympathisch, mehr oder weniger ehrlich und hat das Herz auf dem rechten Fleck. Allerdings gehört er ...

Vorab: Der Thriller war richtig, richtig gut!

Eddie Flynn ist Strafverteidiger in New York. Er ist sympathisch, mehr oder weniger ehrlich und hat das Herz auf dem rechten Fleck. Allerdings gehört er nicht zur oberen Riege seiner Zunft. Ganz anders Bobby Solomon, er ist Teil der ersten Garde von Hollywood-Superstars und ist des Doppelmordes angeklagt. Ganz großes Pech, denn alle Beweise sprechen gegen ihn. Er beteuert seine Unschuld und zu seinem Glück glaubt Eddie dem jungen Mann.
Da gibt es jedoch im Hintergrund jemanden, der die Fäden zieht und zwar extrem geschickt und skrupellos. Ich spoilere nicht, wenn ich schreibe, dass er in der Jury sitzt, die über diesen Fall entscheiden soll, denn das steht auch auf dem Klappentext. Wie er dahin gekommen ist? Ganz großes Kino!

Eddi Flynn ist ein wirklich cooler Charakter. Extrem entspannt, ironisch und wirklich super sympathisch. In seinem vorherigen Leben war der Trickbetrüger - macht sich immer gut, wenn man auf sowas zurückgreifen kann.
Die Handlung wird parallel auf zwei Ebenen erzählt, die sich aber deutlich unterscheiden lassen: Eddie spricht in der Ich-Perspektive und dann haben wir da den wirklich fiesen Serienkiller, dessen Part durch einen personalen Erzähler berichtet wird. Die Geschichte springt zwischen beiden Perspektiven hin und her und das macht das Buch unheimlich spannend. Der Autor hat einen flotten Schreibstil und läßt die Leser*innen auch am Innenleben der Charaktere teilhaben. Nach dem Prolog beginnt die Handlung an einem Montag und endet am folgenden Freitag. Eine Arbeitswoche, die es wirklich in sich hat.
Mir hat die Geschichte richtig gut gefallen. Die Idee, dass ein Serienmörder in einer Jury sitzt, ist klasse umgesetzt und es gibt reichlich Stoff zum Mitfiebern.
Ich lese unheimlich gerne Szenen, in denen der überheblichen und unsympathischen Partei vor Gericht ein unschlagbarer Zeuge oder ein unumstößliches Beweisstück um die Ohren fliegt. Davon gibt es einige in diesem Thriller.

Das Buch hat mich sehr gut unterhalten und ich habe es wirklich schnell gelesen. Steve Cavanagh ist selbst Anwalt und läßt seinen Helden Flynn hier schon im vierten Band unterwegs sein. Die Serie war mir bisher völlig entgangen. Dieser Teil ist aber problemlos ohne Vorkenntnisse lesbar. Auf jeden Fall werde ich mir die anderen Teile auch noch holen. Eine klare Leseempfehlung für Thriller-/Gerichtsthrillerfans. Fünf Sterne für Eddie Flynn.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere