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Veröffentlicht am 23.02.2022

Porträt einer Legende

Tell
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Mit seinem neuen Roman rollt Joachim B. Schmidt die Geschichte des Wilhelm Tell neu auf und verpasst ihr ein anderes, moderner anmutendes Antlitz, als er jemals zuvor hatte. So entsteht ein Porträt dieser ...

Mit seinem neuen Roman rollt Joachim B. Schmidt die Geschichte des Wilhelm Tell neu auf und verpasst ihr ein anderes, moderner anmutendes Antlitz, als er jemals zuvor hatte. So entsteht ein Porträt dieser schweizer Legende, die den unbeugsamen Helden in ein viel menschlicheres Licht rückt.

Ich war wirklich auf das Erscheinen des Buches gespannt, da ich sehr gerne neu aufgerollte, um- und neu erzählte Geschichten aus dem Fundus der Allgemeinkenntnis lese, vor allem, wenn sie einen literarisch poetischen Mantel bekommen. In dieser letzten Hinsicht konnte mich der Autor auch wirklich begeistern. Stilistisch findet man beim Lesen kurze Sequenzen mit immer neuen Perspektivwechseln vor, die die Handlung und die Protagonist:innen in ein immer neues Licht rücken, dieses verändern, Tell eine immer neue Facette bescheren. So war mir dieser anfangs noch nicht besonders sympathisch, doch mit jeder neuen Information über seinen Charakter und sein bisheriges Leben, die die Leserschaft immer häppchenweise präsentiert bekommen, veränderten sich meine Empfindungen ihm gegenüber und ich begann ihn immer mehr zu verstehen, sein Geisteswesen nachzuvollziehen und ihn auch zu bewundern. Auch die Atmosphäre der Geschichte wurde vom Autor sehr präzise ausgearbeitet. Das Setting, die Alpen, das Dorf und der Tell-Hof werden sehr gut greifbar und ein unglaublich starkes Bild entsteht, dass sich wunderbar in die Geschichte einfügt. Einzig und alleine die Handlung war es, die mich nicht an allen Ecken und Enden vollends abholen konnte. Der auf dem Klappentext versprochene Blockbuster blieb meiner Meinung nach aus. Zwar war die Handlung durchaus spannend und es entwickelte sich mehr und mehr eine Sogwirkung, allerdings muss ich sagen, dass es mir manchmal zu schnell ging, Passagen der Geschichte zu flott an mir vorbeiflogen und diese keine richtige Tiefe entwickeln konnten.

Damit währe aber auch schon der einzige Kritikpunkt abgehandelt, denn Sprache und Stil des Buches konnten mich komplett für sich einnehmen.

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Veröffentlicht am 31.01.2022

Die Tücken des Helfens

Der Amokläufer
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Schuld und dessen Folgen spielen auch in dieser Novelle Stefan Zweigs wieder eine fundamentale Rolle. Ein Deutscher Arzt aus den niederländischen Kolonien in Indonesien trifft auf eine junge Dame, die ...

Schuld und dessen Folgen spielen auch in dieser Novelle Stefan Zweigs wieder eine fundamentale Rolle. Ein Deutscher Arzt aus den niederländischen Kolonien in Indonesien trifft auf eine junge Dame, die ihn mit ihrem Wesen, ihrer Anmut und mit dem Verlangen, dass ihr geholfen wird, in seinen Bann zieht. Doch die Tücken der menschlichen Psyche ziehen den Arzt in die Tiefen des Unglücks und so endet er einsam und von Schuld zerfressen auf einem Dampfer, der ihn zurück nach Europa bringen könnte, und findet dort in einer anderen verirrten Seele einen aufmerksamen Zuhörer.

Zwar hatte ich schon die im Fischer-Verlag erschienene Ausgabe dieser Novelle, allerdings hat mich das Cover dieser von Beginn an, als ich sie zum ersten Mal gesehen habe, in den Bann gezogen, und so habe ich sie ohne zu zögern gleich am Erscheinungsdatum gekauft. Hinsichtlich des Inhalts und der Sprache habe ich mir absolut keine Sorgen gemacht. Nachdem ich Stefan Zweig mit seinen Novellen am Beginn des letzten Jahres für mich entdeckt habe, habe ich gemerkt, dass diese immer ein Garant für kurze und gute Unterhaltung sind, die allerdings lange noch nachklingen. Und so war es auch hier wieder. Der tongebende, psychologische Aspekt des Buches wirkt zwar teilweise, aus Sicht des Europas des 21. Jahrhunderts recht übertrieben und realitätsfern, allerdings wird man mit der genauen psychologischen Ausgestaltung der Protagonist:innen beim Lesen in den Bann gezogen. Spannend am Aufbau dieser Novelle fand ich auch, dass eine Geschichte in der Geschichte erzählt wird, etwas, was mir erst nach den ersten 10 Seiten der Novelle aufgefallen ist. Man erfährt vom Schicksal des deutschen Arztes auf genau dem gleichen Weg, wie es auch unser Schiffsreisende, der Aug und Ohr für uns darstellt, nämlich durch die direkte Schilderung der Geschehnisse durch den Arzt. So bekommt man einen sehr tiefen Einblick in das Wesen und den Charakter von diesem, ohne dass sich aber der andere Protagonist, der Schiffsreisende offenbaren muss. Allerdings viel mir das Ende im Vergleich vor allem zu Angst ein wenig hektisch aus. Ich stolperte überstürzt in dieses, fand mich ein wenig verwirrt und atemlos zurückgelassen.

Dennoch hat mich auch diese Novelle wieder überzeugt und sie wird definitiv nicht die letzte gewesen sein, die ich dieses Jahr gelesen habe.

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Veröffentlicht am 22.01.2022

Ein aufregendes Gefühl

Der letzte Sommer in der Stadt
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Der junge Leo aus Mailand kommt Anfang der 1970er nach Rom, in die ewige Stadt. Er bekommt eine Wohnung und einen alten, klapprigen Alfa Romeo, findet einen Job bei einer Sportzeitung und stürzt sich in ...

Der junge Leo aus Mailand kommt Anfang der 1970er nach Rom, in die ewige Stadt. Er bekommt eine Wohnung und einen alten, klapprigen Alfa Romeo, findet einen Job bei einer Sportzeitung und stürzt sich in das aufregende Leben der Stadt. Und so begegnet er Arianna. Eine Begegnung, die beider Leben für immer verändert.

Für mich persönlich war das Buch anfangs sehr schwer einzuschätzen, und so habe ich es einfach auf mich zukommen lassen. Was auf alle Fälle aber nicht enttäuscht, das ist der Schreibstil. Gianfranco Calligarich arbeitet mit poetischen Bildern, eine Sprache die man sich auf der Zunge zergehen lassen kann, und erschafft so eine wunderschöne Melancholie, die die Thematik des Buches wunderbar untermalt. Diese tieftraurige, und dennoch aufregende Grundstimmung ist es, was mich so an dieser Geschichte begeistert hat. So vieles ist einfach aus dem Leben gegriffen, könnte einem selbst auch passieren, und unweigerlich habe ich begonnen, Parallelen zum eigenen Leben zu ziehen. Denn auch wenn Trauer, Enttäuschung und Sucht eine große Rolle spielen, so ist unweigerlich auch das Glück als Pendent dazu ein ständiger Begleiter im Buch. Aber auch die Protagonist:innen machen die Geschichte unweigerlich interessant. Man bekommt eine große Bandbreite an verschiedenen Menschen präsentiert, niemand ist perfekt, und gerade deswegen interessant. Dieses Set an Figuren hebt das Buch von vielen anderen ab und die Authentizität der Protagonist:innen trägt wieder ein kleinen Stück dazu bei, die Geschichte zu mögen. Und dennoch wird man beim Lesen unweigerlich immer an die eigene Vergänglichkeit und die eigenen Probleme erinnert, zum Nachdenken über das eigene Glück angeregt.

Das Buch konnte mich emotional begeistern und hat mit seinen Bildern das sommerliche Rom in all seinen Facetten auferstehen lassen.

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Veröffentlicht am 03.01.2022

Mord und Totschlag im Mainz des 11. Jahrhunderts

Tod oder Taufe - Die Kreuzfahrer am Rhein
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Main 1096: Ein christliches Kreuzfahrerheer macht die Städte entlang des MIttelrheins unsicher. Erst entging Speyer gerade noch der Katastrophe, dann traf es Worms und nun stehen die radikalen Christen ...

Main 1096: Ein christliches Kreuzfahrerheer macht die Städte entlang des MIttelrheins unsicher. Erst entging Speyer gerade noch der Katastrophe, dann traf es Worms und nun stehen die radikalen Christen vor den Toren von Mainz und verlangen Einlass. Sie haben es auf die jüdischen Einwohner:innen der Stadt abgesehen. Mit dem Schlachtruf "Tod oder Taufe" soll die Welt vom scheinbar Bösen gereinigt werden. Inmitten all des Chaos steht der Rabbi Chaim mit seiner Familie, der zusammen mit seinem besten Freund, dem Domdekan Raimund versucht die Welt wieder in ihre Fugen zu bringen, ohne dabei selbst unterzugehen.

Ich war wirklich gespannt auf das Buch, da mich das Thema der Judenverfolgung im Rheingebiet im Mittelalter schon als Kind interessiert hat. Folglich war ich wirklich gehypt, mir das Thema mittels eines hoffentlich spannenden Romans zu Gemüte zu führen. Hinsichtlich des Informationsgehalts wurde ich dann auch wirklich nicht enttäuscht. Man bekommt beim Lesen eine wahre Bandbreite an Informationen aus verschiedenen geisteswissenschaftlichen Bereichen. So bekommt man neben den historischen Hintergründen zu den antisemitischen Verbrechen auch wirklich viele Informationen zur damaligen Religionsphilosophie des Judentums und des Christentums. Abgesehen davon konnte mich auch der sprachliche Stil des Autors überzeugen. Diesen empfinde ich als für einen historischen Roman angemessen und passend, nicht zu verschachtelt. Allerdings arbeitet der Autor mit sehr kurzen Kapiteln, was mir nicht so gut gefällt, auch wenn sie den Spannungsbogen immer höher treiben und die Geschichte pushen. Ein weiterer Punkt, der mich an diesem Buch ein wenig gestört hat, ist, dass das ganze Buch über hin und wieder liternaihafte Gebetsphrasen Einzug in die Geschichte finden. Diese waren für einen Teil der Leserschaft sicherlich interessant, mich haben sie leider ein bisschen gelangweilt und im Lesefluss unterbrochen. Die Protagonist:innen haben mir trotzdem recht gut gefallen. Zwar wirklen Chaim und Raimund ein wenig aus der Zeit gefallen. Trotzdem gefallen mir die beiden mit ihrer sympathischen und reflektierten Art sehr gut.

Letztendlich hat mir die Geschichte trotzdem sehr gut gefallen und ich habe mich unterhalten und definitiv auch unterhalten gefühlt. Deshalb ist das Buch meiner Meinung nach eine große Empfehlung für alle, die sich für die jüdische Geschichte im Mittelalter interessieren.

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Veröffentlicht am 25.12.2021

Ein Werk, dass man zwar nicht gelesen haben muss, aber trotzdem sehr empfehlenswert ist.

Kabale und Liebe
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Ferdinand von Walter, ein stattlicher Major und Sohn eines Adeligen und hohen Hofbeamten eines Fürsten, verliebt sich unsterblich in die hübsche und reizende Luise. Doch es gibt ein großes Problem: Luise ...

Ferdinand von Walter, ein stattlicher Major und Sohn eines Adeligen und hohen Hofbeamten eines Fürsten, verliebt sich unsterblich in die hübsche und reizende Luise. Doch es gibt ein großes Problem: Luise ist als Tochter eines Hofmusikanten aus dem Bürgertum und die Beziehung wäre ein Skandal, würde sie an die Öffentlichkeit geraten. Als Ferdinands Vater dann trotzdem von der verbotenen Liebe erfährt ist er sehr erbost und schmiedet einen Plan, um die junge Liebe zu zerstören. Doch sein intrigantes Spiel droht ihm immer mehr aus den Fingern zu gleiten.

Wir mussten das Buch gerade in der Schule lesen, und dementsprechend waren die Erwartungen bei mir nicht gerade sehr hoch geschraubt. Aber ich wurde definitiv überrascht. Am meisten wohl von der Sprache und vom Stil. Ich hatte mir das ganze viel zäher und altertümlicher vorgestellt, als es letztendlich war. Zwar finden sich viele Begriffe und Satzkonstruktionen, die so heute niemand mehr sagen würde, und es gab viele Wörter in Französisch, wobei ich nur bei wenigen von ihnen nachschlagen musste, was sie bedeuten. Und doch kam ich locker flockig durch das Buch. Zwar gab es immer wieder mal Stellen die ich ein wenig langatmig fand, aber die konnten die Spannung und den Lesefluss im Gesamten nicht bremsen. Kritisch fand ich hingegen einige der Personen. Zwar sind meiner Meinung nach alle, angefangen bei der Dienerin Sophie bis hin zum hinterlistigen Wurm alle Charaktere sehr ausführlich ausgearbeitet und wirken auf mich sehr authentisch. Allerdings wurde ich mit keinem der beiden Hauptcharaktere richtig warm. Luise fand ich ein wenig langweilig und unbedacht, und Ferdinand war in meinen Augen unangenehm impulsiv, herrisch und gestelzt. Vollends begeistern konnte mich hingegen Lady Milford mit ihren interessanten Ansichten auf die Welt und ihren beiden komplett unterschiedlichen und gegensätzlichen Charakterzügen: Berechnung auf der einen und Mitgefühl auf der anderen Seite. Ich möchte zwar nicht das Ende verraten, doch dieses kam für mich nicht gerade überraschend. Da hätte sich Schiller damals meiner Meinung nach etwas anderes ausdenken können, auch wenn diese Form etwas zu Ende zu bringen in der damaligen Zeit hoch im Kurs stand.

Alles in Allem bietet das Stück das Drama, das es verspricht, ohne dass es zu viel des guten werden würde. Ich bin im Nachhinein wirklich überrascht, dass mir Schiller doch so gut gefallen hat.

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