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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 28.12.2021

Ein heißes Thema

Strahlentod
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Im Verlauf einer Widerstandsaktion gegen die Castor-Transporte wird im Knüllwald ein Polizist von einem Steinewerfer getötet, ein Fall in dem Ralph Angersbach ermittelt. Neun Jahre später - ...

Im Verlauf einer Widerstandsaktion gegen die Castor-Transporte wird im Knüllwald ein Polizist von einem Steinewerfer getötet, ein Fall in dem Ralph Angersbach ermittelt. Neun Jahre später - der Castor rollt immer noch durch Hessen - wird am Rand der Demonstrationen ein Sprengstoffanschlag auf einen VW-Bus verübt, der Ralphs Vater gehören könnte. Trotz familiärer Verstrickung, auch wenn das Opfer nicht sein Vater ist, übernimmt Ralph gemeinsam mit seiner ehemaligen Kollegin Sabine, die jetzt für das LKA arbeitet, den Fall. Die Spuren im familiären Umfeld des Toten verlaufen ebenso im Sand wie die Ermittlungen im Umfeld der Castor-Gegner. Erst als zwei weitere Leichen auftauchen, gelingt den Ermittlern ein Durchbruch.

Den beiden Autoren ist es brillant gelungen, diesen Kriminalfall in das leider immer noch brandaktuelle Geschehen rund um die Atommüll-Endlagerung einzubinden. Der Schreibstil ist modern und schnörkellos und hat mich direkt mitgenommen ins Geschehen. Die Entwicklung der Geschichte ist schlüssig und nachvollziehbar, die Auflösung für mich trotzdem überraschend.

Obwohl ich die vorhergehenden Fälle rund um das Ermittler-Team Angersbach/Kauffmann nicht gelesen habe, konnte ich der Geschichte von Anfang an gut folgen. Dieser sechste Band kann also gut für sich alleine stehen.

Trotz zahlreicher Wiederholungen z.B. bei den Personenbeschreibungen (die Schönheit und Eleganz der Bürgermeistersgattin wurde z.B. mehrfach sehr ausschweifend erwähnt) blieb die Spannung weitgehend erhalten. Gestört hat allerdings die ausführliche, ebenfalls mit zahlreichen Wiederholungen geschilderte verkorkste Liebesgeschichte zwischen Ralph und Sabine. Zeitweise habe ich mich gefragt, ob ich einen Krimi oder einen Liebesroman lese. Es ist zwar schön, wenn auch die menschliche Seite der Ermittler zur Geltung kommt, aber das war entschieden zu viel.

Mein Fazit: Ein solider Regionalkrimi mit einer schlüssigen Story und trotz einiger Schwächen durchaus lesenswert.

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Veröffentlicht am 19.09.2021

Mädchenhandel

Die letzte Tochter von Versailles
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Paris 1755: Veronique ist dreizehn und lebt mit der Mutter und drei Brüdern in ärmlichen Verhältnissen. Sie wird von der Mutter an einen vornehmen Herrn "in den Dienst" verschachert. Dass dieser Herr in ...

Paris 1755: Veronique ist dreizehn und lebt mit der Mutter und drei Brüdern in ärmlichen Verhältnissen. Sie wird von der Mutter an einen vornehmen Herrn "in den Dienst" verschachert. Dass dieser Herr in den Straßen von Paris nach jungen Mädchen für das Bett des Königs sucht, wird ihr verschwiegen. Für Veronique beginnt ein Leben voller Heimlichkeiten. Was dann passiert, ist vorhersehbar - sie wird schwanger, der König verliert das Interesse an ihr, das Kind wird ihr weg genommen.

Grundsätzlich ist das der Stoff für einen spannenden historischen Roman. Die langatmige Erzählweise lässt allerdings wenig Spannung aufkommen. Auch schildert die Autorin die Ereignisse so emotionslos, fast schon lapidar, dass ich keinen rechten Zugang zu den Personen bekommen konnte. Am sympathischsten ist mir da noch Köchin Hortense, sie zeigt wenigstens menschliche Regungen. Die Geschichte fühlt sich an wie eine chronologische Aneinanderreihung von Ereignissen die gekonnt mit historischem Bezug versehen wurden. Schade, aus diesem Stoff hätte man mehr machen können.

Das Cover hat mich sehr angesprochen, es passt auch perfekt zum Thema. Leider hält das Buch nicht, was das Cover verspricht. Ich liebe historische Romane sehr, sie dürfen aber gerne ein bisschen opulenter und emotionaler daher kommen. Dieser wirkt ein bisschen wie ein mit Handlung unterlegtes Sachbuch, denn die Fakten zur Revolution und die Schilderung des täglichen Lebens in dieser Zeit sind scheinbar sehr gründlich recherchiert und detailgenau geschildert.

Alles in allem kann ich nur eine eingeschränkte Leseempfehlung geben, denn wenn man seinem historischen Roman einen Bildungsauftrag zuordnet, ist man hier goldrichtig. Ich erwarte von einem Buch dieses Genres mehr Unterhaltung auf der emotionalen Ebene.

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Veröffentlicht am 02.09.2021

Zwei sehr unterschiedliche Frauen

Wellenflug
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Wir lesen die Geschichte von Aufstieg und Fall der jüdischstämmigen Familie Reichenbach vom Ende des 19. Jahrhunderts bis ins "Tausendjährige Reich" hinein. Im ersten Abschnitt geht es um die ...

Wir lesen die Geschichte von Aufstieg und Fall der jüdischstämmigen Familie Reichenbach vom Ende des 19. Jahrhunderts bis ins "Tausendjährige Reich" hinein. Im ersten Abschnitt geht es um die hochwohlgeborene Anna Reichenbach, behaftet mit anerzogenen Dünkeln und gefangen in den gesellschaftlichen Konventionen ihrer Zeit. Im zweiten Abschnitt lesen wir die Geschichte der in kleinen Verhältnissen geborene Marie Reichenbach, die Annas missratenen Sohn Heinrich heiratet und ihm nach Amerika folgt und gerne von ihrer Schwiegermutter akzeptiert werden würde.

In flüssigem aber emotionslosem, fast schon kaltem Schreibstil erzählt uns Constanze Neumann die Geschichte ihrer eigenen Vorfahren. Ihr Schreibstil schafft eine gewisse Distanz, die es mir unmöglich gemacht hat, einen Zugang zu den Figuren zu finden. Bis zum Schluss sind sie mir fremd geblieben. Wahrscheinlich habe ich dadurch weniger aufmerksam gelesen, so dass mir der Überblick über die familiären Verknüpfungen schnell verloren gegangen ist. Hier wäre eine Auflistung der Personen oder ein Stammbaum hilfreich gewesen. Auch die zahlreichen Zeitsprünge haben nicht eben zum Lesefluss beigetragen.

Das Thema des Buches ist an sich hochinteressant, über das Leben jüdischer Familien in den Jahren vor dem Nationalsozialismus hatte ich noch nicht viel gelesen. Die Umsetzung ist jedoch ausbaufähig. Für mich liest sich das Buch wie eine Aufzählung von Ereignissen, eine rote Linie des Zusammenhangs war nicht wirklich zu erkennen. Historische Ereignisse werden zwar erwähnt, finden aber keine Beachtung im Leben der Familie Reichenbach. Aufgrund des Klappentextes hatte ich mehr historischen Bezug erwartet, mehr den gemeinsamen Kampf von Heinrich und Marie um Überleben und Anerkennung.

Die Familiengeschichte scheint zwar sehr akribisch recherchiert zu sein und mit fiktiven Ereignissen gewürzt, doch ist mir eindeutig zu wenig historischer Bezug vorhanden. Auch der distanzierte Schreibstil passt meiner Meinung nach überhaupt nicht. Deshalb kann ich leider keine uneingeschränkte Leseempfehlung geben.

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Veröffentlicht am 16.03.2021

Ausdrucksstarkes Cover

Johanna spielt das Leben
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Johanna ist neunzehn Jahre jung und hatte gerade ihren Durchbruch am Wiener Burgtheater, als sie den Juristen Georg kennen lernt, der sich in sie verliebt und sie heiratet, als sie schwanger ...

Johanna ist neunzehn Jahre jung und hatte gerade ihren Durchbruch am Wiener Burgtheater, als sie den Juristen Georg kennen lernt, der sich in sie verliebt und sie heiratet, als sie schwanger wird. Es genügt ihr nicht, Ehefrau und Mutter zu sein, so geht sie gegen Georgs Willen ans Burgtheater zurück, um ihren Beruf auszuüben. Das sorgt für enorme Spannungen in ihrer Ehe, denn sie hatte ihrem Mann fest versprochen, sich die ersten drei Jahre nur um das Kind zu kümmern, während er Karriere im Justizministerium macht.

Leider verspricht das wirklich toll gestaltete Cover zu viel, die Geschichte kann meiner Meinung nach damit nicht mithalten. Mit der Hauptperson Johanna konnte ich leider bis zur letzten Seite nicht warm werden, denn ich konnte nicht unterscheiden, wann sie eine Rolle spielt und wann sie ausnahmsweise mal sie selbst ist. Sie spielt die Ehefrau, Geliebte, Mutter und Tochter, aber wer ist sie wirklich? Auf jeden Fall ist sie eine krasse Egoistin. Nicht weil sie in ihren Beruf zurück will, sondern weil sie es um jeden Preis will. Sie kümmert sich nicht mal richtig um eine ordentliche Ernährung ihres Kindes. Auch eine starke Frau, die um ihr Anliegen kämpft ist sie nicht, auch die spielt sie nur, indem sie ihr Umfeld einfach vor vollendete Tatsachen stellt. Keine Diskussionen, keine Argumente, Johanna macht einfach und fertig. Über die Folgen denkt sie nicht nach.
Auch ihr Mann Georg konnte meine Sympathie nicht gewinnen, er nimmt seine Frau nicht ernst und riskiert damit genauso das Wohl seines Kindes wie sie. Wenn die beiden gemeinsam eine Lösung gefunden hätten, hätte die Geschichte meiner Meinung nach sehr gewonnen.
Zum Schluss wird dann aus heiterem Himmel und ohne jeden Zusammenhang noch ein Familiengeheimnis aufgedeckt, auf das es in der gesamten Geschichte nicht den geringsten Hinweis gab.

Der detailverliebte Schreibstil allerdings hat mir sehr gefallen und mich bei der Stange gehalten. Trotzdem bin ich enttäuscht, denn aufgrund von Cover und Klappentext hatte ich die Geschichte einer wirklich starken Frau in einer für Frauen eher schwierigen Zeit erwartet. Schade!

Mein Fazit: Ausbaufähig.

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Veröffentlicht am 26.02.2021

Schwierige Familiengeschichte

Nächstes Jahr in Berlin
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Nach dem Tod der Mutter erzählt Astrid Seeberger, was sie von der Lebensgeschichte ihrer Mutter Rose weiß. Das ist wenig genug, denn die Mutter war ihrer Tochter gegenüber sehr verschlossen. ...

Nach dem Tod der Mutter erzählt Astrid Seeberger, was sie von der Lebensgeschichte ihrer Mutter Rose weiß. Das ist wenig genug, denn die Mutter war ihrer Tochter gegenüber sehr verschlossen. In Ostpreußen aufgewachsen, muss Rose kurz vor Kriegsende fliehen und kommt nach Schwaben, wo sie ihr Erwachsenenleben verbringt. Obwohl sie dort heiratet und ihre Tochter bekommt, ist sie alles andere als ein glücklicher Mensch. Es ist die Geschichte einer Frau, die nie das Leben annimmt, das ihr gegeben wurde, sondern bis zum letzten Tag dem durch die Flucht verlorenen Leben in Ostpreußen nachtrauert und dadurch eigentlich das Leben verpasst hat. Die Vorstellung, als kleines Mädchen bei dieser bitteren Frau aufzuwachsen, hat mich sehr erschüttert. Fröhlich war die Mutter eigentlich nur in den Sommern bei ihrer Familie, aber da hat sie sich nicht weiter um ihre Tochter gekümmert.

Die Grundfarbe dieser Geschichte ist für mich dunkelgrau. In distanziertem, fast schon kaltem Schreibstil mit kurzen, manchmal wie abgehackt wirkenden Sätzen reiht die Autorin die Ereignisse im Leben ihrer Mutter aneinander. Selbst als die Mutter ihr die vollständige Geschichte der verlorenen Schwester verweigert, zeigt die Tochter keine Regung, sie nimmt die Weigerung einfach hin, wo grenzenloser Zorn und Trauer eher normal wären. Das hat mich sehr befremdet. Diese Emotionslosigkeit ist wahrscheinlich der Grund, warum ich bis zur letzten Seite keinen wirklichen Zugang zur Geschichte gefunden habe. Auch die sehr zahlreichen Zeitsprünge waren nicht eben förderlich für den Lesefluss. Manche Passagen musste ich mehrfach lesen, um wenigstens einigermaßen an der Geschichte dran zu bleiben.

Mein Fazit: Alles in allem hat mich dieses Buch verstört und traurig gemacht. Es ist wirklich schwere Kost, auch wenn eine interessante Familiengeschichte dahinter steckt. Aufgrund von Klappentext und Leseprobe hatte ich mehr erwartet, deshalb vergebe ich 3 Sterne.




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