Ein Erbe der besonderen Art
Die EnkelinJa, es ist ein ganz besonderes Erbe, mit dem sich Kaspar nach dem plötzlichen Tod seiner Frau konfrontiert sieht: sie, der er Mitte der 1960er Jahre zur Flucht aus der DDR verhalf, hatte eine ...
Ja, es ist ein ganz besonderes Erbe, mit dem sich Kaspar nach dem plötzlichen Tod seiner Frau konfrontiert sieht: sie, der er Mitte der 1960er Jahre zur Flucht aus der DDR verhalf, hatte eine Tochter. Die allerdings in die Untiefen rechter Gesinnung abgetaucht ist und, als Kaspar sie nach langer Suche findet, auch kein Interesse hat, daraus wieder aufzutauchen.
Doch sie hat selbst ein Kind, eine knapp fünfzehn Jahre alte Tochter namens Sigrun, die in ihrem bisherigen Leben nur völkische Gesinnung und rechtes Gedankengut mitbekommen hat und - wie könnte es anders sein - davon vollkommen überzeugt ist.
Dennoch schafft es Kaspar, ihre Eltern - der Vater ist um Längen schlimmer, also völkischer und "rechter" als die Mutter, davon zu überzeugen, Sigrun in den Ferien zu ihm zu lassen. Und zwar mit schnödem Mammon, der auch in völkischen Kreisen seinen Reiz hat.
Sowohl für Kaspar als auch für Sigrun bedeuten diese Besuche das Kennenlernen einer vollkommen neuen Welt, in der es zunächst kaum Gemeinsamkeiten gibt. Doch - überraschend für Kaspar - erfolgt eine Annäherung über klassische Musik.
Zerbrechlich allerdings, wie bald klar wird. Ein Roman, der zwei vollkommen unterschiedliche Bevölkerungsgruppen Deutschlands einander gegenüber stellt: einen immer noch eher links orientierten Intellektuellen der 1960er Jahre und einem lange nach der Wiedervereinigung geborenen Mädchen, das nur die Kreise der Neurechten kennt und sich darin bisher wohlgefühlt hat.
Mir hat gefallen, dass Bernhard Schlink in diesem Roman krumme Wege geht. Es gibt überraschende Gegenüberstellungen, Aburteilungen erfolgen auf beiden Seiten, wobei aber immer klar bleibt, auf welcher davon der Autor selbst steht. Auch wenn ich ab und an über ein - kleines - Klischee stolperte, habe ich den Roman mit großem Gewinn gelesen - denn ich bekomme niemals genug von verschiedenen Sichtweisen auf Deutschland und dies ist eine durchaus besondere! Gewissermaßen in der Tradition des "Vorlesers", aber beide Romane sind Kinder ihrer jeweiligen Entstehungszeit und damit völlig unterschiedlich!