Cover-Bild Der Hals der Giraffe
(1)
  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
13,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Suhrkamp
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Weitere Themen / Geschenkbücher
  • Seitenzahl: 275
  • Ersterscheinung: 06.03.2017
  • ISBN: 9783518467909
Judith Schalansky

Der Hals der Giraffe

Bildungsroman. Geschenkausgabe

Anpassung im Leben ist alles, weiß Inge Lohmark. Schließlich unterrichtet sie seit mehr als dreißig Jahren Biologie. In einer Stadt im hinteren Vorpommern. Dass ihre Schule in vier Jahren geschlossen werden soll, ist nicht zu ändern – die Stadt schrumpft, es fehlt an Kindern. Aber noch vertreibt Inge Lohmark, Lehrerin vom alten Schlag, mit ihrem Starrsinn alles Störende. Als sie schließlich Gefühle für eine Schülerin entwickelt und ihr Weltbild ins Wanken gerät, versucht sie in immer absonderlicheren Einfällen zu retten, was nicht mehr zu retten ist.

Judith Schalanskys Bildungsroman wurde 2011 zum großen Presse- und Publikumserfolg. Kritikerinnen und Kritiker bejubelten den »besten Roman des Jahres« und die Leserinnen und Leser machten ihn zum Bestseller. Schauplatz der Geschichte ist eine der irrwitzigsten Anstalten der Welt: die Schule.

Weitere Formate

Dieses Produkt bei deinem lokalen Buchhändler bestellen

Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 29.12.2021

Die Giraffe als eine Art von Gier-Affe? Eine Menschensuche im Holozän

0

Vor zehn Jahren erhob sich 2011 diese neue und junge Stimme einer DDR - Nachfolgeliteratur durch eine Doppelveröffentlichung zweier Bücher beim bekannten Suhrkamp-Verlag, hier abgekürzt betitelt als „Blau“ ...

Vor zehn Jahren erhob sich 2011 diese neue und junge Stimme einer DDR - Nachfolgeliteratur durch eine Doppelveröffentlichung zweier Bücher beim bekannten Suhrkamp-Verlag, hier abgekürzt betitelt als „Blau“ und „Giraffe“, wobei „Blau“ bereits 2008 bei einem kleinen Verlag in Hamburg quasi vorveröffentlicht worden war. Die Autorin liebte es damals wohl (oder war es der neue Verlag?), die Leute zu foppen, als stamme sie wie Grass von dickköpfigen, vierschrötigen und eigenwilligen Kaschuben ab; u.a. dürften die beiden eher ridikülen Gattungsbezeichnungen - hier Matrosenroman, dort Bildungsroman - aus der blauen Luft gegriffen worden sein, wenn sie nicht eine gehörige Portion Spottlust transportieren sollten bezüglich solcher Einordnungsmanien und -gewohnheiten im traditionellen Wissenschafts-, Kultur- und Literaturbetrieb. Der sog. Bildungsroman ist sogar das glatte Gegenteil, wie man in Schwaben vielleicht immer noch sagen würde, nämlich die für den Leser an vielen Stellen höchst beklemmende Schilderung einer festgefahrenen Situation, einer zu Tode gerittenen Intuition, während der sog. Matrosenroman mit selbigen nur insofern etwas an der Mütze hat, als die großvateraffine Protagonistin Jenny eine Schwäche für uniformierte Seeleute hat (eben Matrosen, den Erfindern der Tattoos), als sei sie komplett aus der Zeit gefallen und eigentlich eine Zeitgenossin jener feschen Leute, die nach der ersten oder zweiten Flottennovelle im Deutschen Reichstag vor 1914 auf einmal eine nautische Komponente in ihrem Leben haben und Matrosenanzüge an ihren Kindern sehen wollten. Dabei ist „Blau“ eigentlich dreigeteilt: Etwa ein Drittel wird vom famosen Großvater beherrscht, der für die Gründerväter der DDR stehen dürfte und der die burschikose Enkelin den beruflich allzu eingespannten Eltern - beide Lehrer in einer Stadt an der Ostsee (Greifswald, aus der die Autorin selber stammt), und vermutliche Repräsentanten der DDR - Trägergruppen „im Schatten der Mauer“ - abnimmt und mit Natur, frischer Luft und sozialistischem Seemannsgarn versorgt und quasi einwickelt, sodass die schon erwachsen gewordene Protagonistin, die nun ihre Sommer eher in der Bibliothek zubringt (33), im zweiten Drittel dieses Debutromans aus dem Jahr 2008 strammes Interesse an den geistigen Errungenschaften des Großen Bruders der DDR im Osten der Welt zeigt (a), während sie am Big Brother in der entgegen gesetzten Himmelsrichtung, dem neowilden Westen, ähnlich wie bei Koeppen, der vom „Tanzhaus des Dollars“, vom „Hohelied des Geldes“ und den „Vestalinnen der Großfinanz“ schrieb (b), und natürlich völlig anders als Uwe Johnsons zentrale Figur der Gesine Cresspahl im dritten Drittel von „Blau“ kein gutes Haar an dem Staat der Bonzen und Kapitalisten lässt. Es tauchen Wörter auf wie Dreamland (87), Glühbirnenparadiese(89), Rummelplatz und Wunschmaschinen(93). Hören wir kurz hinein in die usa-kritischen O-Töne von „Blau“: „Die umzäunten Paradiese sind Fluchtort der Kirmesgeschöpfe, Endlager ausgedienter Zukunftsmaschinen, Geburtsort des Hot Dog und Geburtsort der Rolltreppe (...), a pleasure to ride auf dem Spielplatz der Welt nur um der Bewegung willen. (...) Nachts ragt die sagenhafte Stadt aus dem Ozean, betrügt mit Millionen grellen Glühbirnen die Dunkelheit, rebelliert gegen die natürlichen Rhythmen.“(86f) (Survivalfächerkombination: Biologie und Sport) „Der Hals der Giraffe“, dieses kleine Wunderwerk von einem Zwittergebilde, einem Sachbuchroman, hat Felicitas von Lovenberg am 9.9.2011 in der FAZ sehr wohlwollend und ausführlich besprochen. Sie findet „alles (an dem Roman) ungewöhnlich“. Es gebe eine „Mischung aus spielerischer Vorstellungskunst und wissenschaftlicher Exaktheit“, einen „Lupenblick für das große Ganze“ durch eine gut erfundene „Biologielehrerin am Charles-Darwin-Gymnasium in einer Kleinstadt im hinteren Vorpommern“, deren 9. Klasse nur noch aus 12 Schülern besteht, die in vier Jahren das Abitur ablegen werden, dann „wird die Schule dichtgemacht“ - das Artensterben ist auch ein Institutionensterben. Die Lehrerin heißt Inge Lohmark, was in etwa auf „Brandrodung im Grenzgebiet“ hindeutet, die sich noch zu DDR-Zeiten für die ultimative Fächerkombination im Survival-Überlebenskampf entschieden hat, die Fächer Sport und Bio(logie), und nun als putative Mittfünfzigerin(37) zwischen Fachraum und Sporthalle hin- und herhechelt und im Praktischen wie im Theoretischen das von der Natur zweifellos vorgegebene Gesetz der immer währenden körperlichen Fitness in jeder sich bietenden Form darbietet, die Pausen wie andere Lehrer auch im Lehrerzimmer im Gespräch mit den Kollegen verbringt, nur dass hier sowohl die Kollegen wie auch die Schüler vor der Messlatte fachlicher Gesetzmäßigkeiten und Überzeugungen meist mit einem Ungenügend bewertet werden und kaum jemand den gestellten Ansprüchen der Inge Lohmark gerecht werden kann. (Nomenclatura: natura bruta) Der Roman kommt wie ein Sachbuch daher - mit drei größeren Kapiteln, die mit „Naturhaushalte“ (7-82), „Vererbungsgänge“ (85-173) sowie „Entwicklungslehre“ überschrieben sind, und wie bei einem Sachbuch über jeder geradzahligen Seite (jeweils oben links) den Titel des Kapitels wiederholt. Aber auch über jeder ungeradzahligen Seite (jeweils oben rechts) sind die meisten mit evolutionsbiologischen Stichworten als Seiten-Lemmata beschriftet, nach meiner Zählung im Ganzen immerhin 90, und zwar 33 beim ersten, 40 beim zweiten und schließlich noch einmal 17 beim dritten Kapitel, die von A wie Artenvielfalt (95) bis W wie Wirbellose (101) reichen. Als fachlicher Laie musste ich zahlreiche Fachbegriffe der Evolutionsbiologie, ich gestehe es freimütig, nachschlagen, etwa Dickenwachstum (37), Kahnstellung (73), Fetalzeit (121), Torbogenreflex (127), Jarowisation (141), Morganismus (143), Kraneometrie (171), Neotenie (185), Lamarckismus (209) oder Anagenese (211). Diese Nomenclatura einer natura bruta gibt mithin einen begrifflichen und sachlichen Rahmen vor, der u.a. ergänzt wird durch filigrane Illustrationen, etwa zwei Dutzend an der Zahl, die mitunter unpaginierte Doppelseiten einnehmen und der erklärenden Beschriftung vollkommen entbehren, als sei ihre Kenntnis eine triviale Selbstverständlichkeit: Raupe (16), Walross (26f), Quallen (32f), Jahresringe (38f), Amöbe? (46), Flughund als Skelett (56f), Farne vor Baumlandschaft (66f), Vogelzug (87), Vom Zellhaufen zum Frosch (100), Doppelhelix + Biene? (109f), Vererbungsmatrix + Chromosomenkatalog (115f), Fleckvieh (120), verhaltensauffälliger Hund (133), Gangliengewächs? (188f), Barbe? + Schnabeltier (192f), homo erectus (195), Flugsaurierfossil (196), Phylogenese (200f) sowie Spalierastkultur (214f). Über die Auswahl und Streuung der Bildmotive ließe sich streiten, die Verbindung von Nomenclatura und Illustration jedenfalls schafft ein Gehäuse der Aufmerksamkeit, wenn nicht der Hörigkeit (Max Weber), aus dem es für Leser wie Autor auszubrechen gilt. (Skrupellose Oberweiten) Ortega Y Gasset hat schon vor fast 100 Jahren davor gewarnt, bei menschlichen Wesen das Biologische wichtiger zu nehmen als das Biografische. Wie recht er hatte, kann man bei Frau Lohmark mehr als bestätigt finden, die nur reine Fachliteratur kennt, diese aber, durchaus ein Erkenntnisgewinn für die Leser, ausgiebig und bis zum Exzess verästelt memoriert, rezipiert, rezitiert und quintessenzialisiert: Am Anfang war nicht das Wort, sondern „die Qualle“ (35); der Mensch ist nur „ein flüchtiges Vorkommnis auf Proteinbasis“ (70). „Die Begattung war nun einmal eine Kampfhandlung“ (88) und der Erbgang - mit einem TV-Format aus der DDR-Unterhaltung - letztlich „ein Kessel Buntes“ (119). Anpassung ist „der Kern aller Gesundheit“ (151), auch bei „sprechenden Tier(en)“, die schon Aristoteles so bezeichnet hat (zoon logon echon), was die Lohmark aber nicht weiß.(159) „Mutterliebe, das war ein Hormon“ (166), der Verstand zwingt (nicht nur Männer) ins „Kausalitätskettenhemd“ (172) und zehn Jahre vor Corona lautet das Fazit: Bakterien und Viren sind „die wahren Herrscher der Welt.“ (183) Am Buch der Natur sind alle Siegel aufgebrochen, darin sind die Menschen bloß Sonderlinge und „die letzten Hoschis“ (144). Auf der unpaginierten Doppelseite Seite 20f finden wir einen Sitzplan der Klasse 9 mit 12 Schülern, links die sechs Mädchen, rechts die sechs Knaben - das Lehrer-Pult steht vorne mittig und seine Linie nach oben (hinten) bildet den gender gap. Der Sitzplan enthält hier aber nicht bloß die Vornamen der Schüler, sondern als eine Art auf den jungen Menschen angewandtes Periodensystem transportiert er die Festlegung des Einzelnen auf natürliche Eigenschaften, ist er Denomination und Determination in einem Vorgang. Hinten links hat die blondierte J. eine „skrupellose Oberweite“ und ist „von Geburt an selbstsüchtig“. Daneben Saskia (ohne Schminke) prägt ein „stullendummer Ausdruck“. In der Mitte folgen Laura („unauffällig wie Unkraut“), Tabea („Kindchenschemagesicht“) und Erika („das Heidekraut“). Vorne links sitzt Ellen solo - „ein dumpfes Duldungstier“ und „Opfer auf Lebenszeit“. Rechts hinten wurden Kevin und Ferdinand auseinander gesetzt; ersterer „ein Nervbolzen“ und „nur durch ständiges Füttern ruhigzustellen“. Letzterer „wirbelreich wie ein Rosettenmeerschwein“. Die beiden Jungs in der Mitte, Tom und Paul, dürfen nebeneinandersitzen; sie sind u.a. frohwüchsig, gut bemuskelt und behäbig. Vorne stört Annika die Genderordnung, denn es sind eigentlich 7 Mädchen und nur 5 Jungs (11) - aber sie passt ins Schema, denn sie zeigt maskuline Eigenschaften wie vortragsgeil oder überambitioniert. Außerdem sei sie „Klassensprecherin seit der Geburt.“ Daneben ein Pfarrerskind, „die Haare dicht wie Maulwurfsfell“, ein „typischer Erste-Bank-Schüler.“ (Busfahren und Unterrichten) Die junge Autorin gibt uns Einblicke in den beruflichen und privaten Alltag ihrer Hauptfigur und verteilt unsere Aufmerksamkeit auf lange Überlandfahrten mit dem Schulbus (71-78,91-103), das Unterrichtsgeschehen in Biologie (17-30,103-136,181-203) und Sport (53-60,211-220), Gespräche im Lehrerzimmer (40-53,136-147) und kurze Hinweise auf das Privatleben der verheirateten Lehrerin, deren einziges Kind, eine Tochter, 35 Jahre alt ist und seit 12 Jahren in den USA („Amiland“) lebt, wo die Eltern sie „vor bestimmt zehn Jahre(n)“ bisher „das einzige Mal“ besucht haben. (37,62,117) Wir werden auf das unvertraute Terrain einer Straußenfarm geführt, die Wolfgang Lohmark betreibt, und hören von einem weisen Nachbarn Hans (78-81 u.ö.), der mit bodenständigen Ansichten zu überzeugen weiß: „Letztlich hat das Wetter recht, nicht die Prognose.“ (217) Die Einblicke in das Busfahren und Unterrichten versorgen den Roman mit dem nötigen Massenfutter und Stoff, bei der Motivierung und Ausführung geht es aber nicht immer mit rechten Dingen zu oder man sieht noch etwas zu sehr die Fadenheftung, die die narrative Konstruktion zusammenhalten muss. Denn eigentlich ist die Lehrerin, wie die meisten Akademiker, keine Freundin des ÖPNV und zieht den Individualverkehr, das eigene Auto, dem Überlandbus vor, zumal dieser voll ist mit ihren eigenen SchülerInnen, sodass sie beim Busfahren die gleichen Gedanken zu den Schülern äußert, die wir aus den vielen Seiten, in denen der Schulunterricht dargestellt wird, schon hinlänglich kennen. Wer selber als Lehrer vor Schulklassen stand, wird es kaum für glaublich halten, dass ein Lehrergehirn den Anforderungen des eigenen Unterrichts, der reinen Performanz, gerecht zu werden versucht und dazu parallel noch zu fast jedem Schüler eine die Person und ihre Disposition betreffende Bemerkung vom Stapel lässt. Das ist eine literarische Überfrachtung, die dem Gesamteindruck dieses Kunstwerks ein wenig schadet. Denn Frau Lohmark ist „seit Jahren nicht mehr mit dem Schulbus gefahren“(75), sodass ein „Auto kaputt“ (78) die etwas schwache Motivierung der Busfahrten bildet, die dann zu - über den Biologiefachraum hinaus expandierenden - Versuchen in evolutionsbiologischer Feldforschung werden und u.a. „zum Testgebiet für pubertäre Anpaarungen.(...) Dabei brauchte Jennifer gar keine Führstange. Dieser kleine Bulle (Paul aus ihrer 9.Klasse) war zahm.“ (93) (Lange Hälse und kurze Sätze) Schalanskys kleines Werk ist in einer Zeit entstanden, in der die Reduktion des westlichen Menschenbildes auf ein reines Naturwesen bereits in vollem Gange war. Ein Apostel dieser neoliberalen Menschheitsbeglückung in Form der Online-Bestellung und einer globalen Warenspedition auf Knopfdruck hat seinen amazonasgroßen Gemischtwarenladen mit einer galaktischen speditiven Lieferkette verknüpft, die das menschliche Mängelwesen mit großem und anhaltendem Erfolg davon überzeugt hat, dass das, was in früheren Kulturen und Religionen Erlösung, Redemption o.ä. genannt wurde, nun leichter zu haben sei - digitale Warenbestellung und kurze Lieferfristen führen in die neue Klickseligkeit. Damit wäre auch die alte Frage geklärt, worauf die Natur mit der Kreation der Gattung Mensch letztlich hinauswollte - auf den Konsum und die Warenbestellung! Wir müssen nun unsere Schul- und Bildungssysteme entsprechend umbauen. Dafür stehen bei Judith Schalansky die langen Hälse der Evolution. Schwäne, Strauße oder Giraffen mussten sich in unvorstellbar langen Zeiträumen buchstäblich gegen die Decke strecken, damit sie an das Futter in den hohen Bäumen oder auf dem Grund der nicht so tiefen Seen und Flüsse gelangen konnten. Wo ein Wille ist, ist also auch in der Genetik ein Weg. Man muss sich mit viel Ausdauer Ziele setzen, die eigentlich unerreichbar sind, und kann dann sogar die DNA beeinflussen oder verändern. Welche Rolle dabei Kultur und Sprache in Zukunft spielen sollen, dazu steht im „Hals der Giraffe“ nichts. Wie das Menschentier auf seine körperlichen Bedürfnisse reduziert wird, beschränkt sich Frau Lohmark auf die naturwissenschaftliche Fachliteratur und hält Sprache für eine Endlosschleife von begrifflichen Etiketten, die man den Dingen aufkleben kann, als seien sie Einmachgläser für die schwäbische Hausfrau. Frau Lohmarks Reden vor der 9. Klasse und ihre Gedanken im Fachraum und im Bus bestehen nicht selten aus einer atemlosen Aneinanderreihung von Bezeichnungen, die in elliptischen Sätzen transportiert werden, als sei auch Sprache nur eine Spedition, sodass sie sehr oft ohne die Verben auskommt, auf die ein Schriftsteller wie Martin Walser noch sein ganzes Vertrauen legte. Er misstraute den Begriffen und den Ellipsen gleichermaßen. Aber Frau Lohmark legt auf die Verben so wenig Wert wie auf einzelne Menschen, die sie nur als Gattungswesen gelten lässt, die sich an die Naturgesetze zu halten haben. Und bei diesen hören Spaß und Freiheit gleichermaßen auf. Ein Nachfahre und Enkel von Darwin´s Bulldog, der britische Schriftsteller Aldous Huxley (1894-1963), hat eine Welt mit solchen Determinanten bereits zu gestalten versucht und sie 1932 Brave New World genannt. Den Sieg über den Kommunismus hat nämlich nicht der Kapitalismus errungen, sondern der Konsumismus. Und Judith Schalansky hat 2011 einen satirischen Sachbuchroman über dessen Philosophie und Menschenbild vorgelegt, was für eine junge Autorin mit ihrem zweiten Buch gewiss keine kleine Leistung war. Three cheers!
(a) Jennys literarische Zwillingsfigur in „Giraffe“ heißt Inge Lohmark und verehrt noch lange nach der Wende von 1989/90 und bis in ihre letzten Berufsjahre als Lehrerin für Biologie und Sport, der ultimativen Survival-Fächerkombination, sozialistische Fachvorbilder wie Pawlow, Lyssenko oder Mitschurin (Seite 137 u.ö.) (b) Wolfgang Koeppen, New York, Reclam 8602, Seite 30
Michael Karl

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere